VwGH vom 26.04.2002, 99/02/0205
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Riedinger und Dr. Beck als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schlegel, über die Beschwerde des JW in Y, vertreten durch Dr. Franz-Christian Sladek und Dr. Michael Meyenburg, Rechtsanwälte in 1070 Wien, Neustiftgasse 3, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom , Zl. Senat-AM-97-096, betreffend Übertretung des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes (ASchG), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 332,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Amstetten vom wurde das gegen den Beschwerdeführer eingeleitete Verwaltungsstrafverfahren "wegen des Verdachts der Übertretungen des 1) § 130 Abs. 1 Z. 16 iVm § 33 Abs. 3 Z. 1 ASchG und des 2) § 130 Abs. 1 Z. 19 iVm § 60 Abs. 1 ASchG (s. dazu Aufforderung zur Rechtfertigung vom )" unter Berufung auf § 45 Abs. 1 Z. 1 VStG eingestellt, weil der "objektive Tatbestand einer Verwaltungsübertretung" nicht gegeben sei.
Auf Grund der vom Arbeitsinspektorat dagegen erhobenen Berufung wurde der Beschwerdeführer mit Bescheid der belangten Behörde vom gemäß § 109 Abs. 5 Z 1 ASchG in Verbindung mit § 2 Abs. 1 der Verordnung über die Verbindlicherklärung von ÖNORMEN über Bauvorschriften für Krane und Windwerke sowie über Betriebs- und Wartungsvorschriften für Krane, BGBl. Nr. 505/1991, und "ÖNORM M 9601 Punkt 18" schuldig erkannt, er habe es als persönlich haftender Gesellschafter des Arbeitsgebers W. OHG mit dem Sitz in ... zu verantworten, dass in der Betriebsstätte in G, Werkshalle 2, von Arbeitnehmern dieses Unternehmens am ein näher bezeichneter Kran für das Schrägziehen eines Altölbehälters herangezogen worden sei, obwohl dieser Kran für das Schrägziehen von Lasten weder geeignet noch abgenommen gewesen sei; es wurde gemäß § 130 Abs. 5 Z 1 ASchG eine Geldstrafe in der Höhe von S 15.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 3 Tage) verhängt.
Dazu führte die belangte Behörde begründend aus, sie habe auf Grund der - auch vom Beschwerdeführer unbestrittenen - Tatsache, dass der oben bezeichnete Kran zum Schrägziehen einer Last verwendet worden sei, davon auszugehen, dass der äußere Tatbestand der im Spruch zitierten Bestimmungen erfüllt sei.
Der Beschwerdeführer habe nichts vorgebracht, das geeignet wäre, sein mangelndes oder minderes Verschulden an der gegenständlichen Übertretung darzutun. Bei dieser handle es sich um ein Ungehorsamsdelikt, weshalb die Verschuldensvermutung gemäß § 5 Abs. 1 zweiter Satz VStG zur Anwendung komme. Es hätte daher konkreter Behauptungen des Beschwerdeführers dahingehend bedurft, dass er unter Berücksichtigung des konkreten Betriebes die erforderlichen Maßnahmen getroffen habe, die die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften mit gutem Grund erwarten hätten lassen. Die bloße Erteilung von Weisungen und die Bestellung von Sicherheitsfachkräften durch den Arbeitgeber reichten in diesem Zusammenhang nicht aus. Es müsse auch eine wirksame Kontrolle der vom Verantwortlichen erteilten Weisungen erfolgen. Eine stichprobenartige Überprüfung der Einhaltung von Weisungen genüge den Anforderungen für ein wirksames Kontrollsystem ebenfalls nicht. Ein solches Kontrollsystem habe auch für den Fall eigenmächtigen Handelns von Arbeitnehmern Vorsorge zu treffen. Desgleichen enthebe die Verwendung von langjährigen und zuverlässigen Mitarbeitern den Arbeitgeber nicht von seiner Verpflichtung, das erwähnte Kontrollsystem einzurichten.
Das Ermittlungsverfahren habe ergeben, dass der Arbeitnehmer P für den Bereich der Emulsion an einer näher bezeichneten Profiliermaschine und auch für die Entsorgung des angefallenen Altöls im Versandbehälter zuständig gewesen sei und dass der - beim Austausch des Altölbehälters am tödlich verunglückte - Arbeitnehmer Z als Vertreter von P zumindest für die Kontrolle des Emulsionstanks, die Probenentnahme und Überprüfung des Reinheitsgehaltes der Emulsion zuständig gewesen sei. Ebenso habe Z im Falle von unvorhergesehenen Ereignissen die entsprechenden Maßnahmen durch Verständigung der "firmenintern" Zuständigen zu veranlassen gehabt. Selbst wenn man der Verantwortung des Beschwerdeführers folgend davon ausginge, dass der Arbeitnehmer Z entgegen den Anordnungen des damals krankheitsbedingt abwesenden Arbeitnehmers P eigenmächtig den Wechsel des (nahezu) vollen Altölversandbehälters veranlasst habe, sei dies nicht geeignet, ein mangelndes Verschulden des Beschwerdeführers darzutun; es habe sich nämlich bei den in Angriff genommenen Vorarbeiten für den Abtransport des Altölversandbehälters mit einem (hiefür ungeeigneten) Kran nicht um eine Tätigkeit gehandelt, die in keinem Zusammenhang mit dem vertretungsweise ausgeübten Aufgabenbereich des Arbeitnehmers Z gestanden habe und der Beschwerdeführer habe auf keine von ihm als Arbeitgeber gesetzten Maßnahmen zur Vermeidung eines weisungswidrigen oder eigenmächtigen Verhaltens eines Arbeitnehmers für den gegenständlichen Arbeitsablauf verweisen können. Desgleichen habe es der Beschwerdeführer verabsäumt darzulegen, welche Maßnahmen er getroffen habe, um das verbotene Schrägziehen mit einem nicht geeigneten Kran in seinem Betrieb zu verhindern. Hiefür genüge es nicht, dass ein anderer geeigneter Kran nach einer (längeren) Bereitstellungszeit oder ein Hubwagen beziehungsweise ein Hubstapler nach Entfernen von Lagerungen für den Transport des Altölversandbehälters eingesetzt hätten werden können. Die Rechtfertigung des Beschwerdeführers sei daher nicht geeignet darzutun, dass er ein der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes entsprechendes Kontrollsystem eingerichtet hätte. Ebenso wenig enthebe die Bestellung von Sicherheitsfachkräften den Beschwerdeführer seiner verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortung (vgl. § 83 Abs. 9 ASchG).
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, welcher mit Beschluss vom , B 2189/98, die Behandlung derselben ablehnte und sie gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG an den Verwaltungsgerichtshof abtrat.
Über die im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzte Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
Gemäß § 130 Abs. 5 Z 1 ASchG begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe von S 2.000,-- bis S 100.000,-- zu bestrafen ist, wer als Arbeitgeber den nach dem 9. Abschnitt weitergeltenden Bestimmungen zuwiderhandelt.
Nach § 109 Abs. 5 Z. 1 ASchG (diese Bestimmung findet sich im 9. Abschnitt des ASchG) gilt bis zum Inkrafttreten einer Verordnung nach diesem Bundesgesetz, die Regelungen über die nachstehend angeführten Arbeitsmittel trifft, nach Maßgabe des Geltungsbereiches dieses Bundesgesetzes u.a. die Verordnung über die Verbindlicherklärung von ÖNORMEN über Bauvorschriften für Krane und Windwerke sowie über Betriebs- und Wartungsvorschriften für Krane, BGBl. Nr. 505/1981, als Bundesgesetz. Nach § 2 Abs. 1 dieser Verordnung wurde u.a. die ÖNORM M 9601 (Ausgabetag ), betreffend "Krane Betriebs- und Wartungsvorschriften" für verbindlich erklärt.
In dieser ÖNORM findet sich folgende Vorschrift:
"18 Das Losreißen festsitzender Lasten, das Schrägziehen oder Schleifen der Last sowie das Bewegen von Fahrzeugen mit der Last, dem Lastaufnahmemittel oder dem Kran ist verboten, wenn der Kran nicht für diese Zwecke gebaut und abgenommen ist."
Die Beschwerde ist nicht berechtigt:
Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers wurde durch die zitierte "Verbindlicherklärung" der ÖNORM M 9601 in Ansehung des in deren Punkt 18 ausgesprochenen Verbots des Schrägziehens einer Last durch einen - nicht für diesen Zweck gebauten und abgenommenen - Kran in Verbindung mit § 130 Abs. 5 Z. 1 ASchG eine "eindeutige Umschreibung" des strafbaren Tatbestandes geschaffen. Dass eine solche "Verbindlicherklärung" zulässig ist, entspricht der hg. Rechtsprechung (vgl. zu einer ÖNORM etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 95/07/0113, zu einer "ÖVE"-Vorschrift das hg. Erkenntnis vom , Zl. 92/18/0249). Dass der Verfassungsgerichtshof aus dem Blickwinkel der "Bestimmtheit" der Vorschrift offenbar keine Bedenken hatte, ergibt sich aus dem oben zitierten Ablehnungsbeschluss; auch die vom Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang zitierte Rechtsprechung des EGMR gebietet keine andere Betrachtungsweise.
Auch war die belangte Behörde nicht verpflichtet, dem Beschwerdeführer vor Erlassung des angefochtenen Bescheides Gelegenheit zur Stellungnahme dahin zu geben, welche Strafbestimmungen sie - im Falle der Stattgebung der Berufung des Arbeitsinspektorates - anzuwenden habe. Es ist nämlich nicht Gegenstand des im § 45 Abs. 3 AVG normierten Parteiengehörs, dass die Behörde mitzuteilen hätte, worauf sich der zu erwartende Bescheid stützen werde (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 95/02/0180).
Der Beschwerdeführer erkennt richtig, dass sich die Vorschrift des § 130 Abs. 5 Z. 1 ASchG an den Arbeitgeber richtet.
Verfehlt ist aber seine Ansicht, dass er für den Verstoß der Arbeitnehmer gegen die zitierte Vorschrift der ÖNORM M 9601 nicht zur Verantwortung gezogen werden könne:
Dass es sich bei dieser Bestimmung um eine Arbeitnehmerschutzvorschrift handelt, bedarf keiner näheren Erläuterung. Hinsichtlich der Befreiung von der Verantwortlichkeit des Arbeitsgebers für die Einhaltung einer solchen Vorschrift hat der Verwaltungsgerichtshof etwa im Erkenntnis vom , Zl. 96/02/0001, Folgendes ausgeführt: Ob der Arbeitgeber (bzw. in den Fällen des § 9 VStG das dort genannte Organ) persönlich von der verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortung befreit sei, hänge im Einzelfall davon ab, ob er sich (entsprechend seiner Mitwirkungspflicht) darauf zu berufen vermöge, dass er Maßnahmen getroffen habe, die unter den vorhersehbaren Verhältnissen die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften mit gutem Grund erwarten ließen; die bloße Erteilung von Weisungen reiche nicht hin, entscheidend sei deren wirksame Kontrolle, wobei vom Arbeitgeber (was der Beschwerdeführer verkennt) das bezügliche Kontrollsystem darzulegen sei. Entscheidend ist somit die Einrichtung eines "wirksamen" Kontrollsystems (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2000/02/0228). Das Fehlen eines solchen hat die belangte Behörde zu Recht angenommen: Entgegen der offenbaren Ansicht des Beschwerdeführers hat gerade für den Fall eigenmächtiger Handlungen von Arbeitnehmern gegen Arbeitnehmerschutzvorschriften das entsprechende Kontrollsystem Platz zu greifen (vgl. das soeben zitierte hg. Erkenntnis vom ). Auch das Verbot durch den Arbeitgeber ist für sich allein nicht geeignet, mangelndes Verschulden des Arbeitgebers - bei der dem Beschwerdeführer angelasteten Übertretung handelt es sich um ein so genanntes Ungehorsamsdelikt im Sinne des § 5 Abs. 1 VStG - glaubhaft zu machen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 92/18/0051). Dass aber die Bestellung einer Präventivfachkraft (hier: einer Sicherheitsfachkraft) den Arbeitgeber von seiner Verantwortlichkeit nicht befreit (§ 83 Abs. 9 erster Satz ASchG), hat die belangte Behörde zu Recht hervorgehoben.
Schließlich sei vermerkt, dass es sich bei dem vom Beschwerdeführer ins Treffen geführten Schreiben der M.D. GesmbH vom , betreffend "Kontrollmaßnahmen gegen Fehlverhalten bei der Bedienung von Kranen" - unabhängig von der Relevanz - um eine im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unzulässige Neuerung handelt. Dass aber der verwendete Kran auch für das "Schrägziehen" einer Last "gebaut und abgenommen wurde", wäre selbst dann, wenn solches aus der Replik des Beschwerdeführers vom (zur Gegenschrift) überhaupt entnommen werden könnte, gleichfalls eine solche unzulässige Neuerung.
Die vorliegende Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 501/2001.
Wien, am