VwGH vom 26.04.2002, 99/02/0190
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Riedinger, Dr. Holeschofsky, Dr. Beck und Dr. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schlegel, über die Beschwerde des GJ in L, vertreten durch Dr. Gerhard Hiebler, Rechtsanwalt in Leoben, Hauptplatz 12/II, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Steiermark vom , Zl. LGS600/RALV/1218/1998-Mag. Ed/S, betreffend Arbeitslosengeld, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.089,68 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren der beschwerdeführenden Partei wird abgewiesen.
Begründung
Mit Bescheid des Arbeitsmarktservice Leoben vom wurde auf Grund des Antrages des Beschwerdeführers vom dessen Anspruch auf Arbeitslosengeld gemäß § 21 Abs. 1 AlVG 1977 ab in der Höhe von täglich S 192.-- festgestellt.
In der Begründung dieses Bescheides wird u.a. ausgeführt, dass auf Grund des Antrags vom auf Gewährung von Arbeitslosengeld die Jahresbeitragsgrundlage des letzten Jahres (= 1996) heranzuziehen sei, welche eine durchschnittliche Monatsbeitragsgrundlage von S 12.717.-- ausweise. Dem sei die Lohnklasse 40 zuzuordnen und es ergebe sich ein tägliches Arbeitslosengeld von S 192.--.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung, in welcher er u.a. ausführte, dass seitens des Dienstgebers - Bundesministerium für Landesverteidigung - als Beitragsgrundlage der Gebietskrankenkasse offensichtlich der Nettobezug gemeldet worden sei. Für die Feststellung des ihm zustehenden täglichen Arbeitsbezuges wäre jedoch nicht vom Nettobezug auszugehen gewesen. Sowohl bei der dem Beschwerdeführer vorliegenden Lohnabrechnung für Dezember 1996 als auch bei der Bezugsbestätigung für Zeitsoldaten ergebe sich ein Bruttobetrag von S 15.329.--. Davon entfielen auf Sozialversicherungsbeiträge S 2.188.--, sodass sich ein Nettobezug von S 13.141.-- ergebe.
§ 44 ASVG regle den Begriff der allgemeinen Beitragsgrundlage. Demnach sei jedenfalls vom Bruttoanspruch des Dienstnehmers auszugehen.
Mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom wurde der Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG nicht stattgegeben und der erstinstanzliche Bescheid bestätigt.
In der Begründung des angefochtenen Bescheides wird u.a. ausgeführt, es sei für die Bemessung des Grundbetrages des Arbeitslosengeldes rechtlich irrelevant, auf Grund welcher gesetzlichen Grundlagen vom Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger die Nettobeitragsgrundlage an Stelle der Bruttobeitragsgrundlage als Jahresbeitragsgrundlage herangezogen worden sei, weil gemäß § 21 Abs. 1 AlVG die beim Hauptverband der Österreichischen Sozialversicherungsträger gespeicherte Jahresbeitragsgrundlage maßgeblich sei.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, welcher die Behandlung derselben mit Beschluss vom , Zl. B 41/99, ablehnte und sie in der Folge dem Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG zur Entscheidung abtrat. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Nach § 4 Abs. 1 Z. 12 ASVG in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 411/1996 sind - abgesehen von im Beschwerdefall nicht relevanten Ausnahmen - in der Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung auf Grund dieses Bundesgesetzes Personen, die eine Geldleistung gemäß § 4 des Militärberufsförderungsgesetzes, BGBL. Nr. 524/1994, beziehen, versichert.
Gemäß § 44 Abs. 1 Z. 9 ASVG in der Fassung des Art. I des Sozialrechtsänderungsgesetzes 1996, BGBl. Nr. 411, gilt als Arbeitsverdienst im Sinne dieser Bestimmung (für die Bemessung der allgemeinen Beiträge; allgemeine Beitragsgrundlage) bei den nach § 4 Abs. 1 Z. 12 pflichtversicherten Personen die Geldleistung gemäß § 4 Abs. 1 des Militärberufsförderungsgesetzes.
Unbestritten ist, dass der Beschwerdeführer im Jahr 1996 als Zeitsoldat im letzten Ausbildungsjahr Geldleistungen gemäß § 4 Abs. 1 des Militärberufsförderungsgesetzes, BGBl. Nr. 524/1994, bezog und daher gemäß § 4 Abs. 1 Z. 12 ASVG in der vorgenannten Fassung pflichtversichert war. Nach einer vom Beschwerdeführer dem Arbeitsmarktservice Leoben mit Schriftsatz vom vorgelegten "Bezugsbestätigung für Zeitsoldaten" betrug der laufende Barbezug des Beschwerdeführers im Dezember 1996 S 13.141,00 und der ersetzte "SV-Beitrag" S 2.188,00. Als "Bruttobezug" wird der Betrag von S 15.329,00 ausgewiesen.
Der Beschwerdeführer wendet insbesondere ein, die belangte Behörde unterstelle dem § 21 Abs. 1 AlVG (in der Fassung des Strukturanpassungsgesetzes 1996, BGBl. Nr. 201), dass es rechtlich völlig irrelevant sei, auf Grund welcher gesetzlichen Grundlagen beim Hauptverband der Österreichischen Sozialversicherungsträger "die Bemessung des Arbeitslosengeldes" erfolgt sei. Bei der Ermittlung des Grundbetrages für die Arbeitslosenversicherung sei offenbar ein Fehler unterlaufen, indem anstatt des Bruttobetrages der Nettobetrag gespeichert worden sei. Der Gesetzgeber habe mit der gegenständlichen Bestimmung des AlVG wohl keinesfalls eine sachlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung beabsichtigt, sondern lediglich eine Vereinfachung bei der Ermittlung des Anspruches auf Arbeitslosengeld. Dass für die Bemessung der Grundlage des Arbeitslosengeldes grundsätzlich der Bruttobetrag heranzuziehen sei, werde von der Gegenseite gar nicht bestritten. Die belangte Behörde habe es unter Hinweis auf die gesetzlichen Grundlagen unterlassen, die Bruttobeitragsgrundlage zu ermitteln. Die belangte Behörde habe somit den angefochtenen Bescheid, ohne auf die vom Beschwerdeführer erhobenen Einwände wirklich einzugehen, erlassen.
§ 21 Abs. 1 erster bis vierter Satz in der Fassung des (im Beschwerdefall im Hinblick auf die Geltendmachung des Anspruchs auf Arbeitslosengeld ab noch anzuwendenden) Art. 23 des Strukturanpassungsgesetzes 1996, BGBl. Nr. 201, lauten:
"Der Grundbetrag des Arbeitslosengeldes wird nach Lohnklassen bemessen. Für die Festsetzung der Lohnklasse ist bei Geltendmachung bis 30. Juni das Entgelt des vorletzten Kalenderjahres aus den beim Hauptverband der Sozialversicherungsträger gespeicherten Jahresbeitragsgrundlagen heranzuziehen. Bei Geltendmachung nach dem 30. Juni ist das Entgelt des letzten Kalenderjahres heranzuziehen. Liegen keine Jahresbeitragsgrundlagen des letzten bzw. vorletzten Jahres vor, so sind jeweils die Jahresbeitragsgrundlagen des zuletzt vorliegenden Kalenderjahres heranzuziehen."
In den Erläuterungen zu dieser Bestimmung (vgl. Regierungsvorlage zum Strukturanpassungsgesetz 1996, 72 der Beilagen zu den Sten. Protokollen des NR, XX. GP, S. 235) wird u. a. ausgeführt, dass das Arbeitslosengeld "nunmehr auf der Grundlage der beim Hauptverband der Österreichischen Sozialversicherungsträger vorliegenden Jahresbeitragsgrundlagen berechnet werden" solle. Aus dieser Formulierung ist zu ersehen, dass der Gesetzgeber offenbar selbst von der Notwendigkeit einer "Berechnung" des Arbeitslosengeldes ausgeht, für die die beim Hauptverband gespeicherten Daten (Jahresbeitragsgrundlagen) die "Grundlage" bilden. Auch durch die vom Gesetzgeber gewählte Verwendung des Wortes "heranziehen" wird nicht ausgeschlossen, dass die Behörde bei Erkennen eines allfälligen Fehlers in der heranzuziehenden Berechnungsgrundlage diese richtig zu stellen und das Arbeitslosengeld auf der Grundlage der berichtigten Daten zu ermitteln hat.
Nach § 44 Abs. 5 ASVG (in der Stammfassung BGBl. Nr. 189/1955) erhöht sich die allgemeine Beitragsgrundlage um den Betrag der auf den Versicherten entfallenden Beiträge zu einer nach diesem Bundesgesetz geregelten Versicherung sowie der auf den Versicherten entfallenden Abgaben, soweit diese vom Dienstgeber zur Zahlung übernommen werden.
Die belangte Behörde verkannte jedoch die Rechtslage, weil sie - unbeschadet des schon in der Berufung enthaltenen Einwandes des Beschwerdeführers, es sei von der Behörde erster Instanz nur der "Nettobetrag", nicht jedoch der unter Berücksichtigung des § 44 Abs. 5 ASVG heranzuziehende "Bruttobetrag" (unter Berücksichtigung der entrichteten Sozialversicherungsbeiträge) als Jahresbeitragsgrundlage bei der Berechnung des Arbeitslosengeldes berücksichtigt worden - ausschließlich von der beim Hauptverband der Sozialversicherungsträger gespeicherten Jahresbeitragsgrundlage ausging, ohne näher zu prüfen, ob eine allfällige Erhöhung (Berichtigung) dieser Beitragsgrundlage im Sinne des § 44 Abs. 5 ASVG im Hinblick auf die offenbar unterbliebene Berücksichtigung der vom Beschwerdeführer entrichteten Soziaversicherungsbeiträge geboten gewesen wäre. Es gibt auch keine Anhaltspunkte dafür, dass der Beschwerdeführer eine allfällige Berichtigung der Beitragsgrundlagen für das Jahr 1996 beim zuständigen Versicherungsträger durch Erlassung eines Feststellungsbescheides etwa nach § 410 Abs. 1 Z. 7 ASVG begehrt hätte.
Der angefochtene Bescheid erweist sich daher als inhaltlich rechtswidrig und war gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001. Das Mehrbegehren betreffend den über den in dieser Verordnung geregelten, erhöhten Schriftsatzaufwand und separate Zuerkennung der Umsatzsteuer war abzuweisen, weil im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nur der gemäß der vorzitierten
Verordnung gebührende pauschalierte Schriftsatzaufwand, in dem die Umsatzsteuer bereits enthalten ist, zuzuerkennen ist.
Wien, am