VwGH vom 30.04.1999, 96/16/0012
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner, Dr. Fellner, Dr. Höfinger und Dr. Kail als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Repa, über die Beschwerde der I Gesellschaft mbH in L, vertreten durch Ganzert & Ganzert, Rechtsanwälte-Partnerschaft in Wels, Dr. Koss-Straße 1, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich vom , Zl 3-1/I 10/1/1995/H, betreffend Zollerlass aus Billigkeitsgründen, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit einer Eingabe vom beantragte die beschwerdeführende GmbH die Erlassung eines Eingangsabgabenbetrages in der Gesamthöhe von S 314.608,--. In der Begründung des Antrages wurde ausgeführt, die Beschwerdeführerin habe die W Speditionsgesellschaft m.b.H. (in der Folge: W GmbH) bis Anfang Februar 1994 mit der Durchführung von Verzollungen beauftragt. Die Rechnungen des Speditionsunternehmens seien von der Beschwerdeführerin stets fristgerecht überwiesen worden, jedoch habe die W GmbH die darin enthaltenen Eingangsabgabenbeträge nicht an das Hauptzollamt überwiesen. Die W GmbH - der die Nachhineinzahlung von Eingangsabgaben bewilligt gewesen sei - habe bereits Anfang 1993 Abgabenschulden in Millionenhöhe aufgewiesen. Der W GmbH seien ständig Säumniszuschläge vorgeschrieben worden. Sie habe Stundungs- und Fristerstreckungsansuchen nicht nur hinsichtlich bereits fälliger Eingangsabgaben, sondern auch hinsichtlich anderer Abgabenverbindlichkeiten gestellt. Trotzdem sei die Bewilligung zur Nachhineinzahlung nicht entzogen worden.
Die am neuerlich bewilligte Nachhineinzahlung sei gesetzwidrig erfolgt, weil zu diesem Zeitpunkt weder die alten Zollverbindlichkeiten beglichen waren, noch erwartet werden konnte, dass die W GmbH in Zukunft die ihr vorgeschriebenen Eingangsabgaben entrichten würde. Die dabei vorgeschriebene Bankhaftung von 2 Millionen S habe nicht einmal die rückständigen Eingangsabgaben abgedeckt. Mit Bescheid vom sei der Beschwerdeführerin die Bewilligung der Nachhineinzahlung gewährt worden. Auf Grund dieses Bescheides hätte das Hauptzollamt Linz die Eingangsabgaben nicht mehr der W GmbH vorschreiben dürfen. Darin, dass die Eingangsabgaben, für die die Beschwerdeführerin neben der W GmbH Gesamtschuldnerin war, nicht dem Abgabenkonto der Beschwerdeführerin angelastet wurden, liege ein grob fahrlässiges Verschulden des Hauptzollamtes Linz. Dadurch seien die von der W GmbH entrichteten Beträge nicht auf jene Abgabenverbindlichkeiten verbucht worden, für die die Beschwerdeführerin solidarisch haftete. Die Einhebung der gegenständlichen Eingangsabgaben sei daher unbillig.
Gegen den den Antrag um Zollerlass abweisenden Bescheid des Hauptzollamtes Linz wurde Berufung erhoben. In der Begründung der Berufung wurde neuerlich auf die ständige Verletzung der abgabenrechtlichen Verpflichtungen durch die W GmbH hingewiesen. Weiters wurde ausgeführt, es habe für die Zollbehörde eine unklare Situation bestanden, weil der Beschwerdeführerin mit Bescheid vom die Nachhineinzahlung bewilligt worden sei. Ab diesem Zeitpunkt wären die Abgaben nicht mehr über die W GmbH, sondern über das eigenen Abgabenkonto der Beschwerdeführerin zu verrechnen gewesen.
Die Berufung wurde mit Berufungsvorentscheidung des Hauptzollamtes Linz als unbegründet abgewiesen. In der Begründung wurde unter anderem ausgeführt, der maßgebliche Zeitraum für die in Rede stehenden Verzollungen erstrecke sich vom bis zum . Obwohl der Beschwerdeführerin die Nachhineinzahlung mit Bescheid vom bewilligt worden sei, habe sich die Beschwerdeführerin der W GmbH als Anmelderin bedient, ohne darauf zu dringen, das eigene Abgabenkonto zu verwenden.
Die Beschwerdeführerin beantragte hierauf die Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen. In der Begründung des Bescheides wurde ausgeführt, der Schaden der Beschwerdeführerin bestehe darin, dass der von ihr mit der Besorgung der Zollabfertigungen beauftragte Spediteur zu Unrecht Auslagenersätze in Rechnung gestellt habe. Auf die Abwicklung des Geschäfts zwischen Auftraggeber und Spediteur habe die Abgabenbehörde keinen Einfluss. In der Heranziehung des Empfängers zur Entrichtung der Eingangsabgabenschuld sei keine Unbilligkeit des Einzelfalles gelegen, weil es sich nur um ein Auswirkung der allgemeinen Rechtslage handle.
In der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde werden dessen inhaltliche Rechtswidrigkeit sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht auf gänzlichen oder teilweisen Erlass von Zollbeträgen und Ersatzforderungen verletzt.
Der Bundesminister für Finanzen legte die von der belangten Behörde erstattete Gegenschrift und die Akten des Verwaltungsverfahrens vor.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 188 Abs 1 ZollG 1988 konnten für einzelne Fälle auf Antrag des Zollschuldners Zollbeträge und Ersatzforderungen ganz oder teilweise erlassen werden, wenn die Entrichtung nach Lage der Sache oder nach den persönlichen Verhältnissen des Zollschuldners unbillig gewesen wäre.
Die Beschwerdeführerin vertritt unter Bezugnahme auf das hg Erkenntnis vom , Zl 83/16/0082, VwSlg 5887/F, die Auffassung, dass in Fällen, in denen vom Spediteur die Eingangsabgaben nicht entrichtet wurden, bei Vorliegen einer Sorgfaltspflichtverletzung der Zollbehörde auf Seiten des Warenempfängers eine Unbilligkeit gegeben sein könne, wenn er zur Entrichtung von Eingangsabgaben herangezogen wird, die er dem Verfügungsberechtigten bereits überwiesen hat.
Eine solche Konstellation ist aber im Beschwerdefall nicht gegeben: Die Eingangsabgabenschuldigkeiten, deren Erlass von der Beschwerdeführerin begehrt wurde, entstanden auf Grund von Abfertigungen, die in der Zeit vom bis vorgenommen wurden. Mit Bescheid vom war der Beschwerdeführerin selbst bereits die so genannte Nachhineinzahlung im Sinne des § 175 Abs 4 ZollG 1988 bewilligt worden. Trotz dieser Bewilligung hat sich die Beschwerdeführerin aber - auf welchen Umstand bereits in der Begründung der Berufungsvorentscheidung hingewiesen worden ist - bei den Abfertigungen zum freien Verkehr weiterhin der W GmbH als Anmelder bedient. Auch nach Erlassung des Bescheides vom erfolgte also die Abgabenbelastung auf Antrag dieses Anmelders auf dessen Nachhineinzahlungskonto und nicht auf dem für die Beschwerdeführerin eingerichteten Abgabenkonto. Wenn auch in der Sachverhaltsdarstellung der Beschwerdeschrift auf diesen Umstand, dass das Abgabenkonto der Beschwerdeführerin nicht belastet worden sei, hingewiesen wird, so wird damit von der Beschwerdeführerin offenkundig verkannt, dass sie selbst entsprechend dem das Zollverfahren beherrschenden Antragsprinzip für eine solche Abgabenverrechnung hätte Vorsorge treffen müssen. Ist die Beschwerdeführerin aber diesbezüglich untätig geblieben, so kann keine Rede davon sein, dass die Entrichtung der Abgaben nach Lage der Sache unbillig ist.
Entgegen den Ausführungen der Beschwerdeführerin kann aber auch nach dem Inhalt der dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten nicht davon ausgegangen werden, dass es an einer Überwachung des Abgabenkontos der W GmbH gemangelt hätte: Mit einer Verfügung vom wurde gegenüber der W GmbH eine Sicherheitsleistung in Höhe von 2 Millionen S festgesetzt. Mit einem (neuerlichen) Bescheid vom wurde die Nachhineinzahlung im Sinne des § 175 Abs 4 ZollG 1988 gegenüber der W GmbH bewilligt, gleichzeitig aber die Leistung einer Gesamtsicherheit durch Bankhaftung in Höhe 2 Millionen S angeordnet. Nach einem Aktenvermerk vom wurde der W GmbH fernmündlich der sofortige Widerruf des Bescheides vom angedroht, wenn nicht weitere 2 Millionen S entrichtet würden. Am wurde eine mit einem Bescheid vom gewährte Zahlungserleichterung widerrufen und die W GmbH aufgefordert, den davon betroffenen Abgabenbetrag von S 927.229,80 innerhalb von zwei Wochen zu entrichten. Nach einer Mitteilung des Hauptzollamtes vom wurde das die Nachhineinzahlung betreffende Abgabenkonto mit einem vollstreckbaren Rückstand von S 4,100.000,-- "stillgelegt". Mit Bescheid vom wurde schließlich der Bewilligungsbescheid vom widerrufen. Im Hinblick insbesondere auf die mit dem Bewilligungsbescheid angeordnete Erbringung einer Sicherheitsleistung, aber auch auf die Überwachung des Nachhineinzahlungskontos durch die Abgabenbehörde waren keine Umstände erkennbar, die für eine Verletzung der Sorgfaltspflicht durch die Zollbehörde bei Beurteilung der vom Gesetz als Voraussetzung für die Einräumung und Beibehaltung der Nachhineinzahlung geforderten Sicherheit der Einbringlichkeit des Zolles gesprochen hätten.
Daraus folgt, dass die Auffassung der belangten Behörde, im Beschwerdefall sei eine Unbilligkeit nach der Lage der Sache nicht gegeben, dem Gesetz entspricht. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs 1 VwGG abzuweisen.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl Nr 416/1994.
Wien, am