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VwGH vom 25.11.1994, 94/02/0225

VwGH vom 25.11.1994, 94/02/0225

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Bernard und Dr. Riedinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Eigelsberger, über die Beschwerde des Bundesministers für Arbeit und Soziales gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark vom , Zl. UVS 30.13-6/94-9, betreffend Einstellung eines Verwaltungsstrafverfahrens nach dem KJBG (mitbeteiligte Partei: H in R, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in B), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Judenburg vom wurde der Mitbeteiligte schuldig erkannt, daß eine namentlich genannte Minderjährige (geboren am ) am von 8.00 bis 16.00 Uhr und am von 8.00 bis 9.30 Uhr in der Küche seines Gastgewerbebetriebes mit Hilfsarbeiten beschäftigt worden sei. Dadurch habe er eine Übertretung nach § 5 des Bundesgesetzes über die Beschäftigung von Kindern und Jugendlichen 1987, BGBl. Nr. 599 (KJBG) begangen. Über ihn wurde eine Geldstrafe in der Höhe von S 10.000,-- (eine Woche Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der vom Mitbeteiligten erhobenen Berufung Folge, hob das Straferkenntnis vom auf und stellte das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z. 1 VStG ein.

In seiner auf § 13 des Arbeitsinspektionsgesetzes 1993 gestützten Beschwerde macht der beschwerdeführende Bundesminister Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend und beantragt dessen Aufhebung. Der Mitbeteiligte und die belangte Behörde haben Gegenschriften erstattet, in denen sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 5 KJBG dürfen Kinder (worunter gemäß § 2 Abs. 1 u. a. Minderjährige, die die allgemeine Schulpflicht noch nicht beendet haben, zu verstehen sind) zu Arbeiten irgendwelcher Art nicht herangezogen werden, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist.

Vorauszuschicken ist, daß die Meinung des Mitbeteiligten, auf den vorliegenden Fall sei § 5a Abs. 1 Z. 2 KJBG anzuwenden, nicht zutreffend ist. Nach dieser Gesetzesbestimmung dürfen Kinder, die das 12. Lebensjahr vollendet haben, außerhalb der für den Schulbesuch vorgesehenen Stunden mit Arbeiten im Haushalt beschäftigt werden. Keinesfalls sind unter solchen Arbeiten auch Arbeiten in Gastgewerbebetrieben zu verstehen, auch wenn sie ihrer Art nach in einem Haushalt typischerweise anfallenden Arbeiten entsprechen.

Das gegenständliche Verwaltungsstrafverfahren wurde auf Grund einer Anzeige eines Organwalters des zuständigen Arbeitsinspektorates durchgeführt, welcher bei einer Überprüfung des Betriebes des Mitbeteiligten am feststellte, daß sich die Minderjährige in der Küche aufhielt und dort mit dem Bearbeiten eines Paradeisers beschäftigt war. Aus Äußerungen des als Kellner beschäftigten Sohnes des Mitbeteiligten wurde geschlossen, daß die Minderjährige als "Schnupperlehrling" beschäftigt gewesen sei und Hilfsdienste, wie Kartoffel- und Zwiebelschälen, erbracht habe. Von diesem angenommenen Sachverhalt ausgehend führt der beschwerdeführende Bundesminister zutreffend aus, daß es sich dabei um Arbeiten handle, die der einer Küchenhilfskraft nahe kämen; auf die Intensität dieser Arbeiten komme es nicht an. Auf Grund der Dauer der Anwesenheit der Minderjährigen im Betrieb des Mitbeteiligten scheide eine Ausnahme wegen Geringfügigkeit jedenfalls aus.

Die belangte Behörde verneinte das Vorliegen von "Arbeiten", weil das Schälen einiger Kartoffeln und Zwiebeln und das Bearbeiten eines Paradeisers in insgesamt neuneinhalb Stunden nicht das dazu erforderliche Maß an Intensität erreichten. Diese Betätigungen seien der Minderjährigen auch nicht aufgetragen worden. Der Mitbeteiligte führt dazu ergänzend aus, der Vater der Minderjährigen habe ihn ersucht, daß sich seine Tochter im Betrieb umsehen könne, um in Erfahrung zu bringen, ob sie Gefallen an einer Lehre im Gastgewerbe finde.

Für die Frage, ob die Minderjährige im Betrieb des Mitbeteiligten zu Arbeiten herangezogen wurde, ist entscheidend, ob sie in den Arbeitsprozeß in irgendeiner Form eingegliedert gewesen ist, was voraussetzt, daß sie in bezug auf von ihr vorzunehmende Verrichtungen Weisungen unterstellt war. Sollten die vom Mitbeteiligten aufgestellten Behauptungen, die Minderjährige habe sich nur in den Betriebsräumlichkeiten aufgehalten, um Beobachtungen hinsichtlich der in einem solchen Betrieb zu verrichtenden Arbeiten zu machen, und sie habe aus freien Stücken - probeweise und um Erfahrungen zu sammeln - einzelne Handgriffe versucht, so könnte ihre Tätigkeit in der Tat nicht als Arbeit angesehen werden. Ob dies freilich der Fall war oder ob der in der Anzeige geschilderte, von der Erstbehörde und vom beschwerdeführenden Bundesminister übernommene Sachverhalt zutrifft, kann auf Grund der Sachverhaltsfeststellungen der belangten Behörde nicht beantwortet werden; dazu ist der Sachverhalt nicht ausreichend festgestellt. Es hätte insbesondere einer Auseinandersetzung mit der Aussage der Minderjährigen als Zeugin, sie habe beim Kartoffel- und Zwiebelschälen "mitgeholfen", weil ihr jemand auf ihr Verlangen die Kartoffeln und Zwiebeln gegeben hätte, bedurft. In diesem Zusammenhang wäre auch von der belangten Behörde zu hinterfragen gewesen, was der Sohn des Mitbeteiligten dem anzeigenden Organ des Arbeitsinspektorates gegenüber hinsichtlich der "Schnupperlehre" der Minderjährigen erklärt hat.

Das vom beschwerdeführenden Bundesminister ins Treffen geführte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 92/18/0106 (Slg. Nr. 13683/A), betrifft - abgesehen von seiner Aussage, daß dem KJBG ein sehr weiter Begriff der Kinderarbeit zugrundeliege und daß selbst geringfügige und vereinzelte Hilfeleistungen von Kindern im Rahmen einer "Schnupperlehre" darunter fielen - einen im wesentlichen anders gelagerten Sachverhalt. Dort ging es um das Betätigen einer Maschine unter Aufsicht eines Arbeitnehmers in einer Bäckerei in der Nacht (um 2.40 Uhr).

Die belangte Behörde hat - ausgehend von ihrer unrichtigen Rechtsansicht, die Geringfügigkeit der Tätigkeiten der Minderjährigen schließe Arbeit aus - notwendige Sachverhaltsfeststellungen unterlassen. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Bei diesem Ergebnis brauchte nicht darauf eingegangen zu werden, daß der Mitbeteiligte niemals das Bestehen irgendeiner Art von Kontrolle zur Einhaltung arbeitnehmerschutzrechtlicher Vorschriften in seinem Betrieb auch im Fall seiner Abwesenheit vom Betrieb behauptet hat.