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VwGH vom 23.04.1998, 96/15/0211

VwGH vom 23.04.1998, 96/15/0211

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Fuchs, Dr. Zorn und Dr. Robl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Hajicek, über die Beschwerde der Ing. H Gesellschaft m.b.H. in Leibnitz, vertreten durch Dr. Johannes Dörner und Dr. Alexander Singer, Rechtsanwälte in Graz, Brockmanngasse 91, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Steiermark (Berufungssenat) vom , Zl. B H12-10/95, betreffend Körperschaft- und Gewerbesteuer 1993, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von 12.920 S binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid setzte die belangte Behörde gegenüber der beschwerdeführenden GmbH im Instanzenzug Körperschaft- und Gewerbesteuer für 1993 fest und versagte dabei dem für die Anschaffung von Software (Anschaffungskosten: 9,5 Mio. S) geltend gemachten Investitionsfreibetrag die Anerkennung. In der Bescheidbegründung wird ausgeführt:

Mit Software-Kaufvertrag vom habe die Beschwerdeführerin von Ing. H, ihrem Gesellschafter-Geschäftsführer, die "Urheberrechte" an einem Programmpaket erworben, das die Programme "Baukalkulation", "Massenermittlung", "Teil- und Schlußrechnung", "ÖNORM B2063-Schnittstelle", "ÖNORM B2114-Schnittstelle", "Technische Nachkalkulation", "Preisspiegel", "Preiswartungen", "Bautagebuch", "Adressenverwaltung", "Baulohn- und "Gehaltsverrechnung", "Baustellenerfolgsrechnung" und Regiebaustellenabrechnung" umfaßt. Nach dem Vorbringen der Beschwerdeführerin sei eine weitere Bearbeitung der erworbenen Software nicht erforderlich, weil die erworbenen Programme in sich abgeschlossene und fertige Softwarepakete darstellten. Andere Wirtschaftsgüter, wie etwa einen Kundenstock, habe sie in diesem Zusammenhang nicht erworben. Gemäß § 10 Abs. 5 EStG 1988 dürfe beim Erwerb eines Betriebes der Investitionsfreibetrag nicht geltend gemacht werden. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei der Investitionsfreibetrag bei jedem Unternehmerwechsel ausgeschlossen. Ein solcher liege vor, wenn der Erwerber zumindest die wesentlichen Grundlagen zur Fortführung des Unternehmens erhalte. Welche Betriebsmittel zu den wesentlichen Grundlagen des Betriebes gehörten, bestimme sich nach dem jeweiligen Betriebstypus. Ing. H habe - neben der Geschäftsführertätigkeit - ein Einzelunternehmen betrieben, welches in der Tätigkeit des Programmierens bestanden habe. Er habe isoliert und ohne fremde Unterstützung Programme entwickelt und sich auf die Überlassung von Verwertungsrechten beschränkt. Der wirtschaftliche Erfolg des Programmierens sei durch die Vergabe von Lizenzrechten entstanden. Im Beschwerdefall sei allerdings die Beschwerdeführerin die einzige Abnehmerin gewesen. Für den Typus des softwareerzeugenden Unternehmens eines Programmierers liege die entscheidende wesentliche Betriebsgrundlage in den im Betrieb entwickelten Programmen. Die Beschwerdeführerin vertreibe EDV-Programme durch Vergabe von Unterlizenzen, sie warte Programme und betreue die Kunden. Sie habe nunmehr von Ing. H die Urheberrechte an Programmen erworben. Gerade die bei der Produktion der Software erbrachte geistig schöpferische Leistung, die nach Möglichkeit geheimgehalten werden solle, um den wirtschaftlichen Erfolg der Verwertung der Software nicht zu gefährden, und die über Jahre bei Ing. H gelegene Möglichkeit der Vermarktung der Programme durch Lizenzvergabe seien mit dem Software-Kaufvertrag vom an die Beschwerdeführerin übergegangen. Bereits vor Abschluß dieses Kaufvertrages sei die Beschwerdeführerin aufgrund von mehreren Programm-Nutzungsverträgen berechtigt gewesen, die einzelnen Programme zu nutzen; alle Rechte an den Programmen einschließlich des Rechts, die Programme zu modifizieren oder zu ändern, seien aber bis zum Vertrag vom bei Ing. H verblieben. Der wesentliche Teil des Einzelunternehmens des Ing. H habe in der Möglichkeit der Vergabe von Lizenzen an Anwender bestanden. Diese Möglichkeit sei aber mit dem Software-Kaufvertrag auf die Beschwerdeführerin übergegangen. In der wertmäßig unbedeutenden und jederzeit ersetzbaren Betriebs- und Geschäftsausstattung und dem notwendigen PC sei keine wesentliche Betriebsgrundlage zu erblicken. Ing. H habe im Rahmen seiner einzelunternehmerischen Tätigkeit als Programmierer keine Verkaufsaktivitäten gesetzt, keine Marktbearbeitung durchgeführt und keine Wartungs- und Serviceleistungen gegenüber Kunden vorgenommen. Er sei als Geschäftsführer der Beschwerdeführerin - seiner einzigen Auftraggeberin - dem Konkurrenzverbot des § 24 GmbH-Gesetz unterlegen. Er habe sohin nicht über einen Kundenstock verfügt. Im gegenständlichen Fall sei daher aus der Sicht des Veräußerers die wesentliche Betriebsgrundlage, nämlich die entwickelte Software, in einem einheitlichen Vorgang auf die Beschwerdeführerin übertragen worden.

Gegen diesen Bescheid wendete sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes erhobene Beschwerde. Die Beschwerdeführerin bringt im wesentlichen vor, die in der Vergangenheit von Ing. H erstellten Programme seien nicht Produktionsmittel der Softwareerzeugung, sondern Produkte der Programmiertätigkeit. Für die weitere Ausübung der Programmiertätigkeit seien die Urheberrechte an diesen Programmen nicht erforderlich. Ing. H benötige für seine einzelunternehmerische Tätigkeit lediglich entsprechendes Know-how und die geeignete EDV-Hardware, er hätte daher auch nach Übertragung der Urheberrechte seine betriebliche Tätigkeit problemlos fortsetzen können. Er hätte die Urheberrechte auch früher verkaufen und dennoch die Softwareerzeugung fortsetzen können. Bei einem Software-Erzeugungsbetrieb sei in den Urheberrechen an den in der Vergangenheit geschaffenen Programmen nicht die Gesamtheit der für das Funktionieren des Betriebes notwendigen Wirtschaftsgüter zu erblicken. Bei Produktionsunternehmen bildeten die Produktionsmittel (Betriebsgebäude, maschinelle Anlagen und Einrichtungen) die wesentlichen Betriebsgrundlagen, nicht hingegen die hergestellten Erzeugnisse. Im gegenständlichen Fall sei das Know-how nicht auf die Beschwerdeführerin übergegangen. Ing. H sei zwar Geschäftsführer der Beschwerdeführerin, die Programmiertätigkeit zähle jedoch nicht zu seinem Aufgabengebiet als Geschäftsführer. Daß die Urheberrechte nicht die wesentliche Betriebsgrundlage bildeten, sei auch daraus ersichtlich, daß die bloße Verwertung solcher Rechte durch den Rechtsnachfolger nicht zu betrieblichen Einkünften, sondern zu solchen aus Vermietung und Verpachtung führten. Im gegenständlichen Fall sei kein Betrieb, keine Möglichkeit zur Fortsetzung der Tätigkeit der Softwareerzeugung übertragen worden. Das Finanzamt habe den Vorgang im übrigen auf Seiten des Ing. H nicht als Betriebsveräußerung, sondern als Betriebsaufgabe qualifiziert.

Die belange Behörde legte die Verwaltungsakten vor und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 10 Abs. 5 EStG 1988 darf ein Investitionsfreibetrag u. a. bei Erwerb eines Betriebes nicht geltend gemacht werden.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes liegt ein Betriebserwerb vor, wenn ein in sich organisch geschlossener Kreis von Wirtschaftsgütern übereignet wird, der die wesentliche Grundlage des Betriebes bildet, wenn also ein lebender Betrieb veräußert wird und der Erwerber dadurch in die Lage versetzt wird, den Betrieb fortzuführen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 89/14/0268). Unter einem lebenden Betrieb ist in diesem Zusammenhang ein in seinen wesentlichen Grundlagen vollständiger Organismus des Wirtschaftslebens zu verstehen, welcher objektiv die Fortführung des Betriebes ermöglicht. In der Regel steht der Betriebsveräußerung beim Rechtsvorgänger der Betriebserwerb beim Rechtsnachfolger gegenüber (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 91/14/0248).

Durch die Übertragung der wesentlichen Grundlagen des Betriebes muß dem Erwerber die Fortführung des Betriebes ermöglicht werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 86/13/0079). Unerheblich ist, ob der Erwerber von der objektiv vorhandenen Möglichkeit der Fortführung des Betriebes Gebrauch macht und ob er die Voraussetzungen - etwa die gewerberechtlichen Voraussetzungen - für die Führung des Betriebes erfüllt (vgl. die bei Doralt, EStG3, § 24 Tz 20 zitierte hg. Rechtsprechung).

Die Einkünfte des selbständigen Programmierers im Zusammenhang mit der Erstellung von Computerprogrammen sind idR Einkünfte aus Gewerbebetrieb (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , 92/13/0026, und vom , 90/13/0274). Wenn eine Person entgeltlich die Rechte an einem Computerprogramm erwirbt und Dritten Nutzungsrechte gegen eine entsprechende Zahlung einräumt, führt diese Tätigkeit für sich allein idR zu Einkünften aus Vermietung und Verpachtung nach § 28 Abs. 1 Z. 3 EStG 1988.

Ein Verleger, der die umfassenden Rechte des Schriftstellers an den literarischen Werken erwirbt, wird dadurch nicht in die Lage versetzt, den schriftstellerischen Betrieb fortzusetzen, sodaß in einem solchen Fall nicht bloß ein Wechsel in der Person des Unternehmers eintritt. Nach den Feststellungen der belangten Behörde über die betriebliche Tätigkeit des Ing. H habe dieser (isoliert und ohne fremde Unterstützung) Programme entwickelt und Verwertungsrechte an diesen Programmen überlassen. Der Betrieb eines Programmierers ist wesentlich durch die Schaffung neuer Software gekennzeichnet, auch wenn es weiterer Schritte zur wirtschaftlichen Verwertung der Software bedarf. Die Sachverhaltsfeststellungen der belangten Behörde bieten keinen Anhaltspunkt dafür, daß die Beschwerdeführerin allein durch den Erwerb der Rechte an den von Ing. H entwickelten Programmen imstande gewesen wäre, den Betrieb des Programmierers (ohne weiteres) fortzusetzen. Die belangte Behörde zeigt im angefochtenen Bescheid nicht auf, daß der Beschwerdeführerin aufgrund des Erwerbs der Rechte an der Software die Möglichkeit der Fortführung des Betriebes eines Softwareentwicklers verschafft worden wäre.

Weil die belangte Behörde aufgrund des von ihr festgestellten Sachverhaltes einen Betriebserwerb angenommen hat, hat sie die Rechtslage verkannt. Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. 416/1994. Der Ersatz der Stempelgebühren war zuzusprechen für drei Ausfertigungen der Beschwerde (360 S) und eine Kopie des angefochtenen Bescheides (60 S).