VwGH vom 25.11.1994, 94/02/0210
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Stoll und Dr. Holeschofsky als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Eigelsberger, über die Beschwerde des M in E, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom , Zl. VwSen-220549/10/Kl/Rd, betreffend Übertretung der Bauarbeiterschutzverordnung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom wurde der Beschwerdeführer für schuldig befunden, er habe "als handelsrechtlicher Geschäftsführer und sohin als zur Vertretung nach außen berufenes Organ" einer näher bezeichneten GmbH - wie dies anläßlich einer Kontrolle des Arbeitsinspektorates am festgestellt worden sei - zwei namentlich genannte Arbeitnehmer Arbeiten auf der zweiten Geschoßdecke im Bereich der Balkonplatte Innenhof "also an einer Arbeitsstelle mit Absturzgefahr", durchführen lassen, ohne daß "Einrichtungen angebracht waren, die geeignet gewesen wären, ein Abstürzen der Dienstnehmer zu verhindern oder ein Weiterfallen hintanzuhalten". Der Beschwerdeführer habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 31 Abs. 2 lit. p Arbeitnehmerschutzgesetz in Verbindung mit § 7 der Verordnung des Bundesministeriums für soziale Verwaltung vom über Vorschriften zum Schutze des Lebens und der Gesundheit von Dienstnehmern bei Ausführung von Bauarbeiten, Bauneben- und Bauhilfsarbeiten (BGBl. Nr. 267, im folgenden kurz: BauVO) begangen. Es wurde eine Geldstrafe in der Höhe von S 20.000,-- verhängt.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Wenn der Beschwerdeführer davon ausgeht, daß der an der Baustelle beschäftigte Vorarbeiter Bevollmächtigter im Sinne des § 31 Abs. 2 Arbeitnehmerschutzgesetz (in der Folge: ASchG) gewesen sei, geht er nicht von den Feststellungen der belangten Behörde aus, wonach dieser Arbeitnehmer nicht mit einer entsprechenden Anordnungs- und Entscheidungsbefugnis ausgestattet gewesen sei. Abgesehen davon, würde selbst die Annahme einer derartigen Bestellung der Beschwerde nicht zum Erfolg verhelfen: Es wäre dem Beschwerdeführer dann zwar darin beizupflichten, daß bei der Bestellung eines Bevollmächtigten nach § 31 Abs. 2 ASchG die strengen Voraussetzungen des § 9 Abs. 4 VStG (z.B. die nachweisliche Zustimmung des Beauftragten) nicht eingehalten werden müssen; ein solcher Bevollmächtigter befreit den zur Vertretung nach außen Berufenen - im Gegensatz zu einem verantwortlichen Beauftragten - jedoch nicht von seiner grundsätzlichen Verantwortlichkeit. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes wäre der Beschwerdeführer nur dann von seiner Verantwortlichkeit befreit, wenn er es - unter anderem - bei der Beaufsichtigung des Bevollmächtigten nicht an der erforderlichen Sorgfalt hätte fehlen lassen (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 94/02/0235 sowie das hg. Erkenntnis vom , Zlen. 93/02/0299 bis 0303 mit weiteren Nachweisen).
Nach § 31 Abs. 5 ASchG sind Arbeitgeber neben ihren Bevollmächtigten strafbar, wenn die Übertretung mit ihrem Wissen begangen wurde oder wenn sie bei der nach den Verhältnissen möglichen eigenen Beaufsichtigung des Betriebes oder bei der Auswahl oder der Beaufsichtigung des Bevollmächtigten es an der erforderlichen Sorgfalt haben fehlen lassen. Diese Vorschrift regelt somit das Verschulden, das den Arbeitgeber im Falle der Bestellung eines Bevollmächtigten treffen muß, um sich strafbar zu machen. Enthält eine Verwaltungsvorschrift aber besondere Bestimmungen über das für die Begehung einer Verwaltungsübertretung erforderliche Verschulden, dann kommt die für Ungehorsamsdelikte im Sinne des § 5 Abs. 1 zweiter Satz VStG angeordnete Umkehr der Beweislast nicht zur Anwendung. In diesem Fall hat damit nicht der Täter den Entlastungsbeweis, sondern die Behörde den Nachweis des Verschuldens zu erbringen (vgl. das bereits zitierte Erkenntnis vom mit weiteren Nachweisen). Dem Prinzip der materiellen Wahrheit entsprechend hat die Behörde das Vorliegen der subjektiven Tatbestandselemente des § 31 Abs. 5 ASchG von amts wegen zu ermitteln, dieser Verfahrensgrundsatz befreit die Partei jedoch nicht von ihrer Pflicht, dabei zur Ermittlung des maßgeblichen Sachverhaltes beizutragen (vgl. abermals das bereits zitierte Erkenntnis vom ). Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers hat sich die belangte Behörde aber mit der subjektiven Tatseite der ihm angelasteten verwaltungsstrafrechtlich relevanten Handlungen hinreichend auseinandergesetzt. So hat sie - den Angaben des Beschwerdeführers folgend - festgestellt, daß die gegenständliche Baustelle nicht kontrolliert wurde, da die Arbeiten dort nur eineinhalb Tage in Anspruch nahmen, während Kontrollen etwa alle drei Tage erfolgten. Damit aber ist dargetan, daß ein hinreichendes Kontrollsystem nicht bestanden hat, hat doch eine Kontrolle der entsprechenden Baustelle (und damit die Beaufsichtigung des angeblich Bevollmächtigten) gar nicht stattgefunden.
Der Beschwerdeführer rügt weiters, daß die belangte Behörde es unterlassen habe, den genauen Tatzeitpunkt festzustellen. Dies sei deshalb von Bedeutung, da zum Zeitpunkt der Kontrolle durch den Arbeitsinspektor das Montieren der Seitenabdeckung auf dem Balkon bereits durchgeführt gewesen sei. Es seien nur noch Türschienen zu montieren bzw. Dehnungsfugen zwischen Balkon und Gebäude anzubringen gewesen.
Abgesehen davon, daß die belangte Behörde dem gleichlautenden Vorbringen des Beschwerdeführers aufgrund einer durchaus schlüssigen Beweiswürdigung nicht gefolgt ist, hat der Beschwerdeführer aber damit in keiner Weise dargelegt, daß die Arbeiten nicht mit einem Betreten des Balkons verbunden gewesen wären. Damit aber war der Balkon (die Betonplatte) als Arbeitsstelle anzusehen, an der Absturzgefahr bestand. Es bedurfte daher einer Absicherung gemäß § 7 Abs. 1 der BauVO. Daß ein Sachverhalt vorgelegen wäre, der etwa dem des hg. Erkenntnisses vom , Zl. 90/19/0475, vergleichbar gewesen wäre, hat der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren nicht behauptet und ist auch nicht hervorgekommen. Das Vorbringen, daß zum Zeitpunkt der Kontrolle durch das Arbeitsinspektorat der auf dem Balkon befindliche Arbeitnehmer dort nur in der Sonne seine Jause zu sich nehmen wollte, ist als Neuerung gemäß § 41 Abs. 1 VwGG unbeachtlich. Bei dieser Sach- und Rechtslage bedurfte es aber keiner genaueren Umschreibung der Tatzeit, da der Beschwerdeführer selbst nicht davon ausgeht, daß entsprechende Sicherungsmaßnahmen überhaupt vorgenommen worden wären und nur die Art der Arbeiten im Hinblick auf den Zeitpunkt für bedeutsam hält.(Daß die Anführung der genauen Tatzeit wegen der Umschreibung der Identität der Tat erforderlich gewesen wäre, ist dem Akt nicht zu entnehmen und wird vom Beschwerdeführer auch nicht behauptet.)
Auch die Strafbemessung begegnet im Ergebnis keinen Bedenken. Zu Recht wird in der Begründung des angefochtenen Bescheides darauf verwiesen, daß die verhängte Geldstrafe nur 2/5 der zulässigen Höchststrafe beträgt. Im Hinblick auf die aktenkundigen Vorstrafen des Beschwerdeführers ist hierin keine Überschreitung des der Behörde eingeräumten Ermessensspielraumes zu erblicken; das Strafmaß überschreitet nicht dasjenige in vergleichbaren Fällen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zlen. 94/02/006, 0007, sowie die Ausführungen im hg. Erkenntnis gleichfalls vom , Zl. 94/02/0044).
Aus den dargelegten Gründen war die vorliegende Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.