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VwGH vom 23.09.1994, 94/02/0209

VwGH vom 23.09.1994, 94/02/0209

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Stoll, Dr. Bernard, Dr. Riedinger und Dr. Holeschofsky als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Eigelsberger, über die Beschwerde des S in M, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom , Zl. Senat-F-94-609, betreffend Schubhaft, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger des ehemaligen Jugoslawien albanischer Nationalität. Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Mistelbach vom wurde er gemäß § 41 des Fremdengesetzes (FrG) in Verbindung mit § 57 AVG in Schubhaft genommen. Aus dieser wurde er (wegen Haftunfähigkeit) am entlassen. Mit Schriftsatz vom - bei der belangten Behörde am eingelangt - erhob er Beschwerde gemäß § 51 FrG und beantragte die Feststellung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides sowie seiner Festnahme und Anhaltung.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Schubhaftbeschwerde als unzulässig zurückgewiesen, weil der Beschwerdeführer sich zum Zeitpunkt der Beschwerdeerhebung nicht mehr in Schubhaft befunden habe.

In seiner an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerde macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend und beantragt die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides. Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Gerichtshof hat mit Erkenntnissen vom , Zl. 93/18/0180, und vom , Zl. 93/18/0424, zu Recht erkannt, daß Beschwerde gemäß § 51 Abs. 1 FrG nur erheben kann, wer sich in Schubhaft befindet. Er hat aus diesem Grund an ihn gerichtete Beschwerden abgewiesen, mit denen auf § 51 Abs. 1 FrG gestützte Beschwerden von unabhängigen Verwaltungssenaten zurückgewiesen worden waren.

Mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , B 960/93, wurde ein Bescheid eines unabhängigen Verwaltungssenates wegen Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter und auf persönliche Freiheit aufgehoben, mit dem eine Beschwerde nach § 51 Abs. 1 FrG als unzulässig zurückgewiesen worden war, weil sich der betreffende Beschwerdeführer im Zeitpunkt der Erhebung der Beschwerde nicht mehr in Schubhaft befunden habe. Der Verfassungsgerichtshof vertrat darin die Ansicht, daß das Beschwerderecht nach § 51 Abs. 1 FrG auch über die Anhaltung in Schubhaft hinaus bestehe und hievon noch innerhalb der sechswöchigen Frist nach § 67c Abs. 1 AVG nach Ende der Schubhaft Gebrauch gemacht werden könne.

Weder durch dieses Erkenntnis noch durch das Beschwerdevorbringen sieht der Verwaltungsgerichtshof die Richtigkeit seiner zitierten Rechtsprechung widerlegt.

Gemäß Art. 6 Abs. 1 des Bundesverfassungsgesetzes vom über den Schutz der persönlichen Freiheit (BGBl. Nr. 684) hat jedermann, der festgenommen oder angehalten wird, das Recht auf ein Verfahren, in dem durch ein Gericht oder durch eine andere unabhängige Behörde über die Rechtmäßigkeit des Freinheitsentzuges entschieden und im Falle der Rechtswidrigkeit seine Freilassung angeordnet wird. Die Entscheidung hat binnen einer Woche zu ergehen, es sei denn, die Anhaltung hätte vorher geendet.

Nach § 51 Abs. 1 FrG hat, wer gemäß § 43 festgenommen worden ist oder unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird, das Recht, den unabhängigen Verwaltungssenat mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen.

Die Beschwerde nach § 51 Abs. 1 FrG ist als Haftprüfungsbeschwerde konzipiert. Objektive Voraussetzung zu ihrer Erhebung ist im gegebenen Zusammenhang, daß sich die betreffende Person in Schubhaft befindet. Diese Voraussetzung erlischt mit dem Ende der Schubhaft. Der Gesetzgeber hat sich diesbezüglich nicht am Modell der Maßnahmenbeschwerde orientiert, wie es vom Verfassungsgerichtshof in seiner Rechtsprechung zu Art. 144 B-VG vor der Einführung der unabhängigen Verwaltungssenate entwickelt und wie es nunmehr dem Art. 129a Abs. 1 Z. 2 B-VG (und § 67c AVG) zugrundeliegt. Davon abweichend wurde im § 51 Abs. 1 FrG, der seine verfassungsrechtliche Grundlage in Art. 129a Abs. 1 Z. 3 B-VG und Art. 6 Abs. 1 des B-VG über den Schutz der persönlichen Freiheit hat, in Anlehnung an den Standard des Art. 5 Abs. 4 MRK ein Haftprüfungsverfahren geschaffen. Nur der, dem seine Freiheit durch eine gegen ihn verhängte Schubhaft entzogen wird, hat das Recht, ein Verfahren zu beantragen, in dem - von einem unabhängigen Verwaltungssenat (also einem Tribunal im Sinne der MRK) - über die Rechtmäßigkeit der Haft entschieden wird. Nach Beendigung der Schubhaft hat er dieses Recht nicht, sondern ist - was seinen Rechtsschutz anlangt - auf die Geltendmachung von Haftentschädigung im Sinne des Art. 7 des B-VG über den Schutz der persönlichen Freiheit beschränkt.

Die im obzitierten Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , Zl. B 960/93, dargelegte - von der hiergerichtlichen abweichende - Rechtsansicht vermag den Verwaltungsgerichtshof nicht zu überzeugen:

Sowohl Art. 6 Abs. 1 erster Satz des B-VG über den Schutz der persönlichen Freiheit als auch § 51 Abs. 1 FrG stellen hinsichtlich des Rechtes auf Haftprüfung auf die "Gegenwart" ab (jeweils "wer ... angehalten WIRD"). Die Wortinterpretation spricht daher gegen eine Beschwerdelegitimation an den unabhängigen Verwaltungssenat NACH Entlassung aus der Schubhaft; auch der Verfassungsgerichtshof räumt im zitierten Erkenntnis vom (Seite 11, zweiter Absatz) ein, daß der Wortlaut des § 51 Abs. 1 FrG diese Auslegung zuließe. In der Folge wird allerdings vom Verfassungsgerichtshof in diesem Erkenntnis eine Interpretation des ersten Satzes des Art. 6 Abs. 1 des B-VG über den Schutz der persönlichen Freiheit mittels des zweiten Satzes des Art. 6 Abs. 1 leg. cit. vorgenommen und so die an den unabhängigen Verwaltungssenat erhobene Beschwerde auch nach der Entlassung aus der Schubhaft für zulässig erklärt.

Der Verwaltungsgerichtshof kommt bei der Auslegung des soeben erwähnten zweiten Satzes nicht zu diesem Ergebnis. Das dort vom Gesetzgeber gewählte Wort "vorher" kann nämlich nur dahin verstanden werden, daß damit - zeitlich gesehen - der Bezug auf das Wort "Entscheidung" hergestellt wird. Für die Zulässigkeit der EINBRINGUNG einer Beschwerde gibt der zweite Satz somit nichts her, sodaß schon aus diesem Grund ein davon abgeleitetes anderes Verständnis des ersten Satzes (also entgegen der dort gewählten "Gegenwartsform") auszuschließen ist.

Auch vermag der Verwaltungsgerichtshof dem im zitierten Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom (Seite 13, zweiter Absatz) gewählten, weiteren Argument, es würde dem Schubhäftling bei einer anderen Auslegung der Anspruch auf Feststellung der Rechtswidrigkeit seiner - gesamten - Anhaltung "aus der Hand geschlagen", die Zulässigkeit der Schubhaftbeschwerde hinge von "Zufälligkeiten" ab, nicht beizutreten, hat es doch der Schubhäftling in der Hand, jederzeit während der Haft eine Schubhaftbeschwerde einzubringen, um so sein Recht zu wahren.

Zu letzterem sei auf die Regierungsvorlage zum B-VG über den Schutz der persönlichen Freiheit (134 BlgNR XVII. GP, S. 7) verwiesen, wonach sich dessen Art. 6 an Art. 5 Abs. 4 EMRK orientiere. Die letztzitierte Vorschrift garantiert aber (allein) das Recht jedes "Inhaftierten" auf Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Haft durch ein Gericht, wobei nach der Haftentlassung der Anspruch auf Haftprüfung entfällt (vgl. Frowein/Peukert, EMRK-Kommentar, Seite 97). Dieser Gedanke hat jedenfalls insoweit im Gesetzestext Niederschlag gefunden, als - wie oben dargestellt - im ersten Satz des Art. 6 Abs. 1 des zitierten Bundesverfassungsgesetzes die "Gegenwartsform" gewählt wurde.

Zum Beschwerdevorbringen ist noch auszuführen, daß die Rechtsmittelbelehrung des (nicht näher bezeichneten) Bescheides der "erstinstanzlichen Behörde" - also offenbar des Schubhaftbescheides der Bezirkshauptmannschaft Mistelbach vom - dem Gesetz entspricht; darüber hinaus vermag der Verwaltungsgerichtshof schon mangels diesbezüglicher Ausführungen in der Beschwerde nicht zu erkennen, daß eine andere Fassung der Rechtsmittelbelehrung die Rechtsstellung des Beschwerdeführers hätte beeinflussen können.

Die Zurückweisung der Schubhaftbeschwerde war rechtmäßig. Die an den Verwaltungsgerichtshof gerichtete Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994 im Rahmen des nach deren Inkrafttreten gestellten Begehrens.