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VwGH 20.11.1990, 90/18/0155

VwGH 20.11.1990, 90/18/0155

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssätze


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Normen
AVG §56;
AVG §62 Abs1;
AVG §62 Abs4;
VwRallg;
RS 1
Ein Bescheid, der nicht mehr dem Rechtsbestand angehört, kann nicht mehr berichtigt werden, wobei es jeweils auf die Bescheiderlassung - die regelmäßig durch Zustellung erfolgt - ankommt (Hinweis E , 84/02/0033, VwSlg 11408 A/1984).
Normen
VwGG §33 Abs1;
VwGG §56;
VwRallg;
RS 2
Eine Klaglosstellung iSd § 33 Abs 1 und § 56 erster Satz VwGG liegt nur vor, wenn der mit Beschwerde angefochtene Bescheid mit einem formellen Akt aus dem Rechtsbestand ausgeschieden wird. Die bloße Erklärung des Bf, klaglos gestellt zu sein, reicht zum Eintritt der Rechtsfolgen des § 33 Abs 1 und § 56 erster Satz VwGG nicht aus (Hinweis B , 88/04/0068, B , 90/03/0097).
Norm
AVG §62 Abs4;
RS 3
Ein Bescheid, der auf einer für die Partei klar erkennbaren, offenkundig unrichtigen Sachverhaltsannahme beruht, die von der Behörde - bei entsprechender Aufmerksamkeit (gemäß der Aktenlage) -

bereits bei der Erlassung des Bescheides hätte vermieden werden können, kann insoweit gemäß § 62 Abs 4 AVG berichtigt werden.
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie 3240/53 E VwSlg 4293 A/1957 RS 1
Normen
AVG §62 Abs4;
VStG §44a litb;
VStG §44a Z2;
VwGG §42 Abs2 Z1;
RS 4
Die bloße Zitierung von Paragraphen ohne Nennung der verletzten Verwaltungsvorschrift (G oder V) entspricht nicht den Anforderungen des § 44a lit b VStG, wobei solche Mängel - sofern sie nicht berichtigt werden - Rechtswidrigkeit des Inhaltes des betreffenden Bescheides bewirken. Es entspricht aber weder dem § 62 Abs 4 AVG noch der Rechtsprechung des VwGH, daß solche Fehler - unter den Voraussetzungen des § 62 Abs 4 AVG - nicht berichtigbar wären.
Normen
VStG §51 Abs5;
VStG §62 Abs4;
RS 5
Eine Berichtigung nach § 62 Abs 4 AVG kann auch außerhalb der nach § 51 Abs 5 VStG festgesetzten Frist von einem Jahr vorgenommen werden.
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie 85/02/0248 E VwSlg 11922 A/1985 RS 1
Normen
AVG §62 Abs4;
AVG §68 Abs2;
AVG §68 Abs3;
VwRallg;
RS 6
Die Abänderung eines Berufungsbescheides durch einen bloßen Berichtigungsbescheid außerhalb des Rahmens des § 62 Abs 4 AVG ist rechtswidrig.

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Präsident Dr. Petrik und die Hofräte Dr. Pichler und Dr. Domittner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Hollinger, über die Beschwerde des Karl S in W, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in W gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom , Zl. MA 70-11/692/90/Str, betreffend Berichtigung eines Berufungsbescheides in einer Verwaltungsstrafsache nach der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat der Bundeshauptstadt (Land) Wien Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu bezahlen.

Begründung

Der Berufungsbescheid der Wiener Landesregierung vom , ergangen in einer Verwaltungsstrafsache nach der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO) enthielt drei sinnstörende Fehler: Der erste Vokal im Familiennamen des Beschwerdeführers war sowohl in der Anschrift des Bescheides als auch in seinem ersten Absatz unrichtig mit "u" statt richtig mit "e" geschrieben. Im vierten Absatz des Spruches des Berufungsbescheides hieß es, der Beschwerdeführer habe hiedurch Verwaltungsübertretungen gemäß 1) § 5 Abs. 1, 2) § 13 Abs. 1,

3) § 4 Abs. 5 und 4) § 4 Abs. 1 lit. c begangen, ohne daß eine auf diese Paragraphenzitate Bezug habende Gesetzesstelle zitiert worden wäre. Aus Anlaß der Einleitung des Vorverfahrens im hg. Beschwerdeverfahren zu Zl. 90/18/0001 bemerkte der Verwaltungsgerichtshof, daß, sofern die Voraussetzungen für eine Berichtigung gegeben seien, hinsichtlich dieser Fehler mit Berichtigungsbescheid vorgangen werden möge. Mit Bescheid vom , dem Vertreter des Beschwerdeführers zugestellt am , wurde einerseits der Familienname des Beschwerdeführers an den zwei genannten Stellen in Sprengnagel richtiggestellt und es wurde andererseits im vierten Absatz des Spruches des Berufungsbescheides die Bezeichnung des Gesetzes mit "StVO 1960" eingefügt. Nach der Begründung des Berichtigungsbescheides handelte es sich einerseits um einen Übertragungsfehler von der Reinschrift in die Ausfertigung des Bescheides dahin, daß in der Reinschrift die richtige, in der Ausfertigung aber die falsche Schreibweise aufgeschienen sei. Die Unterlassung der Zitierung eines Gesetzes in Absatz 4 des Bescheidspruches des Berichtigungsbescheides sei eine offenbar auf einem Versehen beruhende Unrichtigkeit; nach dem ersten Absatz des Bescheidspruches sei es völlig klar, daß als verletztes Gesetz nur die dort zitierte Straßenverkehrsordnung 1960 in Frage komme.

Mit hg. Erkenntnis vom , Zl. 90/18/0001, wurde der Berufungsbescheid der Wiener Landesregierung vom in der Fassung des erwähnten Berichtigungsbescheides vom wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. Hiebei ging der Verwaltungsgerichtshof, seiner Rechtsprechung entsprechend (Beschluß eines verstärkten Senates vom , Slg. N.F. Nr. 12329/A) von der berichtigten Fassung des Berufungsbescheides aus. Das aufhebende Erkenntnis wurde dem Rechtsanwalt des Beschwerdeführers am zugestellt.

Am gab der Beschwerdeführer, vertreten durch seinen Rechtsanwalt, die vorliegende Beschwerde gegen den Berichtigungsbescheid vom zur Post. In der Beschwerde wird Rechtswidrigkeit des Inhaltes und es werden "Verfahrensmängel" geltend gemacht.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die Rechtsansicht vertreten, "zum Zeitpunkt der Zustellung der Beschwerde an die belangte Behörde" habe dem Beschwerdeführer die Beschwer gemangelt, der Verwaltungsgerichtshof habe gar keine Prüfungsbefugnis mehr hinsichtlich des angefochtenen Bescheides. Im übrigen möge die Beschwerde als unbegründet abgewiesen werden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 62 Abs. 4 AVG 1950 kann die Behörde Schreib- und Rechenfehler oder diesen gleichzuhaltende, offenbar auf einem Versehen beruhende Unrichtigkeiten in Bescheiden jederzeit von Amts wegen berichtigen.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (Erkenntnis vom , Zl. 84/02/0033) kann ein Bescheid, der nicht mehr dem Rechtsbestand angehört, nicht mehr berichtigt werden, wobei es jeweils auf die Bescheiderlassung - die regelmäßig durch Zustellung erfolgt - ankommt. Legt man diesen Maßstab an den vorliegenden Fall an, so erkennt man, daß der Berichtigungsbescheid am erlassen wurde, hingegen wurde der zu berichtigende Bescheid erst später, nämlich mit Erkenntnis vom , zugestellt am , aufgehoben, sodaß der vom vorerwähnten Erkenntnis behandelte Sachverhalt hier nicht vorliegt. Da die Berichtigung einen zur Zeit der Erlassung des Berichtigungsbescheides durchaus dem Rechtsbestand angehörenden Bescheid betraf, war die Beschwerde gegen den Berichtigungsbescheid zulässig. Es kommt auch nicht, wie die belangte Behörde meint, auf den Zeitpunkt der Zustellung der Beschwerde an sie an.

Die im Schriftsatz des Beschwerdeführers vom abgegebene Erklärung, er erachte sich als klaglos gestellt, begehre aber Zuspruch von Aufwandersatz gemäß § 56 VwGG, hinderte aus folgenden Gründen nicht die Sacherledigung:

Eine Klaglosstellung iS der §§ 33 Abs. 1 und 56, erster Satz VwGG liegt nur vor, wenn der mit Beschwerde angefochtene Bescheid mit einem formellen Akt aus dem Rechtsbestand ausgeschieden wird. Die bloße Erklärung eines Beschwerdeführers, klaglos gestellt zu sein, reicht zum Eintritt der Rechtsfolgen der §§ 33 Abs. 1, 56, erster Satz VwGG nicht aus (Beschluß eines verstärkten Senates vom , Slg. N.F. Nr. 10.092/A).

Zu prüfen war ferner, ob das Verfahren über die Beschwerde als gegenstandslos einzustellen war:

Die Rechtsrichtigkeit des seinerzeitigen Berufungsbescheides war nach dem Zeitpunkt seiner Erlassung unter Bedachtnahme auf den späteren Berichtigungsbescheid zu prüfen. Auch dessen Rechtsrichtigkeit war nach dem Zeitpunkt seiner Erlassung zu prüfen. Dieser Zeitpunkt liegt aber, wie oben dargestellt, vor der Aufhebung des Berufungsbescheides durch den Verwaltungsgerichtshof.

Da das aufhebende Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom den Berufungsbescheid in der Fassung des Berichtigungsbescheides prüfte und daher Rechtswidrigkeiten des Berufungsbescheides in seiner unberichtigten Fassung bewußt außer acht ließ - es war ja inzwischen Berichtigung erfolgt -, kann nicht gesagt werden, die Überprüfung des Berichtigungsbescheides sei "gegenstandslos".

Die zulässige Beschwerde erweist sich aus folgenden Gründen als nicht gerechtfertigt:

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (z.B. Erkenntnis vom , Zlen. 85/02/0232, 86/02/0077 und die darin zitierte weitere Rechtsprechung) ist die Berichtigung auf die Fälle eingeschränkt, in denen die Unrichtigkeit eine offenkundige ist. Dabei ist es ausreichend, daß die Unrichtigkeit von der Behörde bei entsprechender Aufmerksamkeit bereits bei der Erlassung des Bescheides hätte vermieden werden können, und daß die Personen, für die der Bescheid bestimmt ist, die Unrichtigkeit des Bescheides erkennen können.

Beide Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall gegeben:

Der Beschwerdeführer wird wohl am besten die richtige Schreibweise seines Familiennamens kennen und mußte daher die Unrichtigkeit hiebei - die im übrigen nur in der Ausfertigung, nicht in der Urschrift des Bescheides unterlief - sogleich erkennen. Da ferner das gesamte Strafverfahren nur wegen Übertretungen der Straßenverkehrsordnung 1960 geführt worden war, da das erstinstanzliche Straferkenntnis als verletzte Verwaltungsvorschriften ausschließlich Paragraphen der Straßenverkehrsordnung 1960 nannte und da die Berufungsbehörde im ersten - referierenden - Absatz ihres Bescheidspruches die "StVO 1960" ausdrücklich nannte, ist es offenkundig und war es für den Beschwerdeführer leicht erkennbar, daß die im vierten Absatz des Bescheidspruches zitierten verletzten Paragraphen nur solche der Straßenverkehrsordnung 1960 sein konnten.

Der Beschwerde ist zuzustimmen, daß bloße Zitierung von Paragraphen ohne Nennung der verletzten Verwaltungsvorschrift (Gesetz oder Verordnung) den Anforderungen des § 44a lit. b VStG 1950 nicht entspricht und daß solche Mängel - sofern sie eben nicht berichtigt werden - Rechtswidrigkeit des Inhaltes des betreffenden Bescheides bewirken würden. Es entspricht aber weder dem eingangs zitierten § 62 Abs. 4 AVG 1950 noch der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, daß solche Fehler - unter den Voraussetzungen des § 62 Abs. 4 AVG 1950Ü - nicht berichtigbar wären.

Die ferner in der Beschwerde vertretene Rechtsansicht, eine innerhalb der Frist des § 51 Abs. 5 VStG 1950 ergangene Berufungsentscheidung dürfe außerhalb dieser Frist nicht berichtigt werden, entspricht nicht der Rechtsansicht des Verwaltungsgerichtshofes (Erkenntnis vom , Slg. N.F. Nr. 11922/A).

Sofern der Beschwerdeführer dem angefochtenen Berichtigungsbescheid Rechtswidrigkeiten zum Vorwurf macht, die gar nicht Gegenstand der Berichtigung waren, sondern auf den - inzwischen vom Verwaltungsgerichtshof aufgehobenen - Berufungsbescheid vom zurückgehen, kann er auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 90/18/0001 verwiesen werden. Außerhalb des Rahmens des § 62 Abs. 4 AVG 1950 wäre nämlich die Abänderung des Berufungsbescheides durch einen bloßen Berichtigungsbescheid rechtswidrig gewesen.

Was die vom Beschwerdeführer gerügte Verletzung des Parteiengehörs im Berichtigungsverfahren anlangt, so ist zu sagen, daß es der Beschwerdeführer unterlassen hat, in seiner Beschwerde darzustellen, was er vorgebracht hätte, wäre er im Berichtigungsverfahren gehört worden. Die Kausalität der Verletzung des Parteiengehörs zum Bescheidinhalt im Sinne ds § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wurde somit nicht dargetan.

Da es der Beschwerde somit nicht gelungen ist, die von ihr behauptete Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides darzutun, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundesministers für Gesundheit und öffentlichen Dienst vom , BGBl. Nr. 206.

Zusatzinformationen


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Normen
AVG §56;
AVG §62 Abs1;
AVG §62 Abs4;
AVG §68 Abs2;
AVG §68 Abs3;
VStG §44a litb;
VStG §44a Z2;
VStG §51 Abs5;
VStG §62 Abs4;
VwGG §33 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwGG §56;
VwRallg;
Schlagworte
Zeitpunkt der Bescheiderlassung Eintritt der Rechtswirkungen
Maßgebender Bescheidinhalt Inhaltliche und zeitliche Erstreckung
des Abspruches und der Rechtskraft
Mängel im Spruch unvollständige Angabe der verletzten
Verwaltungsvorschrift
Verhältnis zu anderen Normen und Materien
Allgemein
Mängel im Spruch Nichtangabe der verletzten Verwaltungsvorschrift
Berufungsbescheid
Verfahrensbestimmungen
Maßgebender Bescheidinhalt Fassung die der Partei zugekommen ist
Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtswirkungen von
Bescheiden Rechtskraft VwRallg9/3
ECLI
ECLI:AT:VWGH:1990:1990180155.X00
Datenquelle

Fundstelle(n):
YAAAE-54115