VwGH vom 05.10.1990, 90/18/0125
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Präsident Dr. Petrik und die Hofräte Dr. Pichler und Dr. Domittner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Hollinger, über die Beschwerde des N gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom , Zl. MA 70-9/418/89/Str, betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat der Bundeshauptstadt (Land) Wien Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Dem Beschwerdeführer war mit einer Strafverfügung, zwei Beschuldigten-Ladungsbescheiden und einem Straferkenntnis innerhalb der am endenden Verjährungsfrist im Sinne des § 31 Abs. 1 und 2, zweiter Fall VStG 1950 vorgeworfen worden, er habe am in der Zeit von 7.25 bis 7.36 Uhr in Wien 20, Nordwestbahnstraße 89, ein dem Kennzeichen nach bestimmtes Kraftfahrzeug abgestellt, obwohl an dieser Stelle ein durch Verbotstafeln kundgemachtes Halteverbot bestanden habe. Außerhalb der Verjährungsfrist wurde der Beschwerdeführer mit Berufungsbescheid der Wiener Landesregierung vom schuldig erkannt, er habe am von 7.25 bis 7.36 Uhr in Wien 20, Nordwestbahnstraße 89, mit einem dem Kennzeichen nach bestimmten Kraftfahrzeug geparkt, obwohl an dieser Stelle ein durch Verbotstafeln kundgemachtes Halteverbot mit dem Zusatz "Mo-Fr (werkt.) von 7.00 Uhr bis 13.00 Uhr, ausgenommen Ladetätigkeit mit Lastfahrzeugen" bestanden habe und er keine Ladetätigkeit durchgeführt habe. In der Begründung wurde ausgeführt, daß der als Zeuge vernommene Meldungsleger innerhalb der elfminütigen Tatzeit, bei der er ohne Unterbrechung bei dem Kraftfahrzeug anwesend gewesen sei, keine Ladetätigkeit und auch keine Vorbereitungshandlungen zur Durchführung einer solchen Tätigkeit habe wahrnehmen können. Zur Verantwortung des Beschwerdeführers, er habe auf Grund von Bedarfsmeldungen über zu liefernde Warenmengen Waren im Lager zusammengetragen, wurde ausgeführt, derartige Manipulationen gehörten nicht zur Ladetätigkeit. Solche Manipulationen unterbrächen vielmehr eine Ladetätigkeit, so daß durch die Unterbrechung von elf Minuten eine anfänglich erlaubte Ladetätigkeit in ein unerlaubtes Halten und in weiterer Folge in ein ebenfalls unerlaubtes Parken übergegangen sei. Die Abänderung im Spruch habe der genaueren Tatumschreibung gedient, eine taugliche Verfolgungshandlung sei der Aktenvorhalt an den Vertreter des Beschwerdeführers auf Blatt 20 des Verwaltungsstrafaktes. Der Beweisantrag auf neuerliche Vernehmung des Meldungslegers sei abzuweisen gewesen, weil der Beschwerdeführer nicht angegeben habe, welche Fragen er an den Meldungsleger noch zu stellen hätte. In den Ausführungen zur Strafbemessung findet sich die Feststellung, der Beschwerdeführer sei bereits zweimal einschlägig vorbestraft.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Nach § 62 Abs. 1 der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO) ist Ladetätigkeit das Beladen oder Entladen von Fahrzeugen sowie das Abschlauchen von Flüssigkeiten aus Fahrzeugen oder in Fahrzeuge. Nach Abs. 3 dieses Paragraphen muß dann, wenn ein Fahrzeug auf der Straße für eine Ladetätigkeit aufgestellt wird, diese unverzüglich begonnen und durchgeführt werden.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes muß eine Ladetätigkeit ununterbrochen vorgenommen werden. Eine Unterbrechung ist z.B. dann anzunehmen, wenn der Fahrzeuglenker Kundenbesuche oder dgl. macht. Nicht zur Ladetätigkeit gehört beispielsweise das Verpacken von Waren (Erkenntnis vom , Zl. 1924/64). § 62 Abs. 1 StVO erlaubt es auch nicht, daß vor der beabsichtigten Ladetätigkeit Vorbereitungshandlungen durchgeführt werden, die so weit gehen, daß sich der Lenker des Fahrzeuges von diesem entfernen und erst jemanden aus einer Wohnung holen muß, um dann nach dessen Eintreffen mit der Ladetätigkeit beginnen zu können (Erkenntnis vom , Zl. 3393/78). Zur Ladetätigkeit gehört die Vollständigkeitskontrolle des in Behältnissen verpackten Transportgutes nicht mehr (Erkenntnis vom , Zl. 87/03/0157). Im letztgenannten Erkenntnis wurde auch ausgesprochen, durch Errichtung von Ladezonen solle ermöglicht werden, Ladetätigkeit an Stellen durchzuführen, wo dies nicht besonders umständlich ist, sondern im Gegenteil die Ladetätigkeit durch einen möglichst geringen Transportweg einfach und zeitsparend durchgeführt werden kann. Folge dieser Zweckwidmung eines Teiles einer Straße mit öffentlichem Verkehr zugunsten bestimmter Verkehrsteilnehmer ist eine Zweckgebundenheit dahingehend, daß zu der erlaubten Tätigkeit nur all jene Handlungen zählen, für deren leichtere Durchführung die Zweckwidmung notwendig wurde. Die vom dortigen Beschwerdeführer behauptete Vollständigkeitskontrolle des Transportgutes könne auch durchgeführt werden, nachdem das Transportfahrzeug von der Ladezone zu einem anderen Abstellort gefahren worden sei. Daher könne im dortigen Fall das Abstellen in der Ladezone während der 27 Minuten dauernden Kontrolltätigkeit nicht mehr als Ladetätigkeit gewertet werden.
Aus diesen Gründen können die vom Beschwerdeführer behaupteten Vorbereitungshandlungen auf dem Betriebsgelände des Unternehmens der Zulassungsbesitzerin des gegenständlichen Lastkraftwagens nicht mehr als Ladetätigkeit angesehen werden. Es entspricht der oben zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, daß das Zusammentragen von Ladegut nicht als Ladetätigkeit anzusehen ist. Auch die Weitläufigkeit des Betriebsgeländes vermag daran nichts zu änderen, weil es Sache des Fahrzeuglenkers gewesen wäre, dafür zu sorgen, daß das Ladegut bereis vor dem Abstellen des Fahrzeuges in der Verbotszone nahe dem Fahrzeug zusammengetragen wird. Die diesbezügliche Rechtsrüge der Beschwerde erweist sich demnach als unbegründet.
Aber auch die weiteren Beschwerdegründe vermögen nicht zu überzeugen:
Am , somit innerhalb der Verjährungsfrist, erstattete der Meldungsleger einen schriftlichen Bericht dahin, daß der Lastkraftwagen innerhalb der Tatzeit am Tatort in einer Ladezone für Lastkraftwagen abgestellt gewesen sei. In der Zeitspanne von 7.25 bis 7.36 Uhr habe keinerlei Ladetätigkeit wahrgenommen werden können.
Mit diesem Bericht wurde zunächst die Einschränkung des Halteverbotes durch eine Ladetätigkeit erlaubende Zusatztafel und ferner der Umstand aktenkundig, daß innerhalb der Tatzeit am gegenständlichen Lastkraftwagen keinerlei Ladetätigkeit durchgeführt wurde. Dieser zum Bestandteil des Verwaltungsstrafaktes gewordene Bericht wurde mit dem übrigen Akteninhalt einer Kanzleikraft des ausgewiesenen Vertreters des Beschwerdeführers niederschriftlich nach dem , aber vor dem , wahrscheinlich am , vorgehalten mit der Aufforderung zur Rechtfertigung. Dies stellt eine taugliche Verfolgungshandlung auch hinsichtlich jener Tatbestandsmerkmale dar, die erst von der Berufungsbehörde in den verurteilenden Spruch aufgenommen wurden (siehe das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom , Slg. N.F. Nr. 11.525/A).
Bei der Wiedergabe des zitierten Berichtes des Meldungslegers vom unterlief der belangten Behörde keine Aktenwidrigkeit, weil im Bericht eine Einschränkung der Anwesenheit des Meldungslegers auf einen Teil der Tatzeit nicht enthalten ist; in seiner Zeugenaussage vom betonte der Meldungsleger ausdrücklich, daß in der Zeit zwischen 7.25 und 7.36 Uhr keinerlei Ladetätigkeit verrichtet wurde und nichts von Vorbereitungshandlungen zu einer solchen Tätigkeit zu sehen gewesen sei.
Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers besteht kein abstraktes Recht einer Person oder ihres Rechtsanwaltes, bei der Vernehmung von Zeugen im Verwaltungsstrafverfahren anwesend zu sein (vgl. Erkenntnis vom , Slg. N.F. Nr. 6396/A). Zutreffend hat die belangte Behörde ausgeführt, daß der Beweisantrag des Beschwerdeführers vom inhaltlich nicht so bestimmt ist, daß die belangte Behörde ihm bei sonstiger Verletzung von Verfahrensvorschriften folgen hätte müssen. Da nach dem Akteninhalt die Wahrnehmung des Meldungslegers und auch der Tatvorwurf sich auf die Zeit von
7.25 bis 7.36 Uhr des Tattages beschränkte, war es zur Klärung des Sachverhaltes nicht nötig, den Meldungsleger über allfällige Wahrnehmungen außerhalb dieses Tatzeitraumes zu befragen. Bestimmte Behauptungen des Beschwerdeführers über sein Tätigwerden außerhalb dieses Zeitraumes wurden nicht aufgestellt.
Zur Rüge hinsichtlich der Höhe der verhängten Strafe und ihrer gesetzlichen Grundlage ist zu sagen, daß das Zitat des § 99 Abs. 3 lit. a StVO als auf die verhängte Strafe angewendete Gesetzesbestimmung im Sinne des § 44a lit. c VStG 1950 durchaus genügt, weil aus den Eingangsworten des Abs. 3 des § 99 StVO die Obergrenze der Geldstrafe eindeutig zu ersehen ist.
Zur Frage der Vorbestrafung des Beschwerdeführers ist folgendes zu sagen:
Auf Blatt 9 verso des Verwaltungsstrafaktes finden sich Aufzeichnungen über frühere Bestrafungen des Beschwerdeführers wegen Übertretungen der Straßenverkehrsordnung 1960, unter diesen auch mindestens zwei wegen Verstoßes gegen § 24 Abs. 1 lit. a StVO innerhalb der Frist des § 55 Abs. 1 VStG 1950. Dem Vertreter des Beschwerdeführers wurde unter anderem dieser Akteninhalt bei der oben erwähnten Niederschrift vorgehalten. Weder im Zuge des erstinstanzlichen Verfahrens noch in der Berufung bekämpfte der Beschwerdeführer die Tatsache dieser Vorbestrafungen, obwohl sich in der Berufung - andere - Ausführungen zur Strafbemessung finden. In Anbetracht dieses Umstandes stellt sich die erstmals in der Beschwerde aufgestellte Behauptung, der Beschwerdeführer gelte deshalb als nicht vorbestraft, weil frühere Straferkenntnisse "vom Verwaltungsgerichtshof aufgehoben" worden seien, als unzulässige Tatsachenneuerung dar. Es wäre innerhalb der Mitwirkungspflicht des Beschwerdeführers im Strafverfahren gelegen, die angeblich unrichtige Anführung von Vorbestrafungen innerhalb dieses Verfahrens zu bekämpfen.
Da es der Beschwerde somit nicht gelungen ist, die von ihr behauptete Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides darzutun, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundesminister für Gesundheit und öffentlichen Dienst vom , BGBl. Nr. 206.