VwGH vom 27.04.2000, 96/15/0174
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Karger, Dr. Sulyok, Dr. Fuchs und Dr. Zorn als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Doralt, über die Beschwerde der UE in M, vertreten durch Dr. Gerhard Lebitsch, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Franz-Josefs-Kai 11, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Salzburg vom , Zl. 16/9-GA8-DPr/96, betreffend aufsichtsbehördliche Aufhebung der Bescheide bezüglich Feststellung von Einkünften für 1993 und 1994, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin gab Erklärungen gemäß § 187 BAO über gesondert festzustellende Einkünfte für 1993 und 1994 ab. Die Beilage zum jeweiligen Jahresabschluss enthielt folgende Vorbemerkung:
"Es wird ausdrücklich festgehalten, dass im gegenständlichen Jahresabschluss die Ergebnisse der Betriebsprüfung vom nur insoweit Berücksichtigung gefunden haben, als meine Mandantin mit der Auffassung der Finanzverwaltung konform geht. In jenen Punkten, in denen das Rechtsmittelverfahren nunmehr bereits seit längerer Zeit anhängig ist, wurde die nach Auffassung meiner Mandantin richtige Rechtsauffassung beibehalten, sodass gegenüber der Auffassung der Finanzverwaltung sich eine Differenz ergibt. Im Falle des schlussendlichen Obsiegens der Finanzverwaltung in diesem Rechtsstreit wird daher eine Berichtigung des vorliegenden Jahresabschlusses notwendig sein. Im Falle des Obsiegens meiner Mandantin wird dieser Jahresabschluss als endgültig zu betrachten sein."
Das Finanzamt erließ erklärungsgemäße Bescheide.
Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid hob die belangte Behörde die Bescheide des Finanzamtes gemäß § 299 Abs. 1 lit. c und § 299 Abs. 2 BAO in Ausübung ihres Aufsichtsrechtes auf. In der Begründung ihres Bescheides führte die belangte Behörde aus, bei der Beschwerdeführerin habe im Jahre 1990 eine Betriebsprüfung über den Zeitraum 1985 bis 1988 stattgefunden. Hiebei seien zahlreiche gegenüber den Erklärungen der Beschwerdeführerin abweichende Feststellungen zu treffen gewesen. In dem sich anschließenden Berufungsverfahren sei das Ausmaß der betrieblich genutzten Räume, die ausschließlich betriebliche Nutzung des Reisegepäcks, die Einkunftsquelleneigenschaft eines Motorboothandels, die Ausscheidung einer Luxustangente bei Kraftfahrzeugen sowie der ausschließlich betriebliche Charakter einer Feier bzw. von Reisekosten strittig gewesen. Die Beschwerdeführerin habe gegen die Berufungsentscheidung vom Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof erhoben.
Auf Grund der Vorbemerkung in der Beilage zu den Jahresabschlüssen 1993 und 1994 sei offensichtlich, dass die Beschwerdeführerin auch in den den geprüften Jahren folgenden Veranlagungszeiträumen nicht die vom Finanzamt bzw. der Rechtsmittelbehörde zu den genannten Streitpunkten vertretene Rechtsansicht ihren Jahresabschlüssen zu Grunde gelegt habe. Unter diesen Umständen hätte das Finanzamt keinesfalls erklärungsgemäße und endgültige Bescheide betreffend Feststellung von Einkünften für die Streitjahre erlassen dürfen. Vielmehr hätte das Finanzamt ein entsprechendes Ermittlungsverfahren einleiten müssen. Hiebei hätte es die Aufwandsposten, welche bereits im Rahmen der abgabenbehördlichen Prüfung betreffend 1985 und 1988 strittig gewesen seien und hinsichtlich derer die Beschwerdeführerin die Rechtsmeinung der Abgabenbehörde nicht geteilt habe, wie Kfz-Kosten, Reisekosten, Ausmaß der betrieblich genutzten Räumlichkeiten oder etwa Kosten im Zusammenhang mit einem Marktfest, im Hinblick auf eine wahrscheinliche private Mitveranlassung abklären müssen. Andernfalls hätte das Finanzamt bei einer Veranlagung laut Erklärung lediglich vorläufige Bescheide erlassen dürfen. Da jedoch das Finanzamt die Feststellung von Einkünften für 1993 und 1994 erklärungsgemäß und endgültig vorgenommen habe, liege eine Verletzung der amtlichen Ermittlungspflicht vor. Bei Einhaltung dieser Pflicht hätte mit großer Wahrscheinlichkeit ein anderer Bescheid ergehen müssen. Die in Rede stehenden Bescheide seien mit einem wesentlichen Verfahrensmangel behaftet und seien daher im Wege des Aufsichtsrechtes gemäß § 299 Abs. 1 lit. c BAO aufzuheben gewesen.
Darüber hinaus seien die Feststellungsbescheide auch inhaltlich rechtswidrig. Aus den eingereichten Jahresabschlüssen sei ersichtlich, dass hinsichtlich der Kfz-Kosten die Luxustangente nicht ausgeschieden worden sei und auch Reiseutensilien als Betriebsaufwand im Wege der AfA abgesetzt worden seien. Im angesprochenen abgabenbehördlichen Prüfungsverfahren sei diesbezüglich eine ausschließliche betriebliche Nutzung nicht festgestellt worden.
Bei der Ermessensübung sei das Interesse des Steuergläubigers und das der Abgabepflichtigen gegenüber gestellt worden. Das öffentliche Interesse an der Einbringung der Abgabe (Zweckmäßigkeitsgründe) überwiege gegenüber dem Interesse der Abgabepflichtigen Interesse an der Rechtskraft. Es sei auch davon auszugehen, dass gemäß § 114 BAO die Abgabenbehörden darauf zu achten haben, dass alle Abgabenpflichtigen gleichmäßig erfasst werden.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn kostenpflichtig aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 299 Abs. 1 BAO kann in Ausübung des Aufsichtsrechtes ein Bescheid von der Oberbehörde aufgehoben werden,
a) wenn er von einer unzuständigen Behörde, von einem hiezu nicht berufenen Organ oder von einem nicht richtig zusammengesetzten Kollegialorgan einer Behörde erlassen wurde, oder
b) wenn der dem Bescheid zu Grunde liegende Sachverhalt in einem wesentlichen Punkt unrichtig festgestellt oder aktenwidrig angenommen wurde, oder
c) wenn Verfahrensvorschriften außer Acht gelassen wurden, bei deren Einhaltung ein anders lautender Bescheid hätte erlassen werden oder eine Bescheiderteilung hätte unterbleiben können.
Nach § 299 Abs. 2 BAO kann ein Bescheid von der Oberbehörde ferner wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben werden.
Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa das Erkenntnis vom , 99/13/0057) kommt es bei der Überprüfung eines Aufhebungsbescheides nur darauf an, ob die belangte Behörde überhaupt berechtigt gewesen ist, einen solchen im Aufsichtsweg zu erlassen, weil nicht erkannt werden kann, in welchem subjektiv-öffentlichen Recht eine beschwerdeführende Partei dadurch verletzt worden sein soll, dass der Aufhebungstatbestand statt richtig § 299 Abs. 1 BAO auf § 299 Abs. 2 BAO oder umgekehrt und statt auf die richtige Litera des Abs. 1 dieser Gesetzesstelle auf eine andere gestützt wurde. Ob die Aufsichtsbehörde eine dem aufgehobenen Bescheid anhaftende Rechtswidrigkeit dem Aufhebungsgrund nach § 299 Abs. 1 lit. c BAO oder jenem nach § 299 Abs. 2 leg. cit. zu unterstellen hatte, ist für die Beurteilung einer durch einen Aufhebungsbescheid nach § 299 BAO dem Adressaten des aufgehobenen Bescheides widerfahrene Verletzung subjektiv-öffentlicher Rechte regelmäßig irrelevant.
Die belangte Behörde stützte die Aufhebung der Bescheide des Finanzamtes auf § 299 Abs. 1 lit. c und § 299 Abs. 2 BAO.
Nach der erstgenannten Bestimmung kann in Ausübung des Aufsichtsrechtes ein Bescheid von der Oberbehörde aufgehoben werden, wenn Verfahrensvorschriften außer Acht gelassen wurden, bei deren Einhaltung ein anders lautender Bescheid hätte erlassen oder eine Bescheiderteilung hätte unterbleiben können. Die Verletzung von Verfahrensvorschriften, bei deren Einhaltung ein anders lautender Bescheid hätte erlassen werden können, erblickte die belangte Behörde in der Vernachlässigung der amtswegigen Ermittlungspflicht nach § 115 Abs. 1 BAO. Nach dieser Bestimmung haben die Abgabenbehörden die abgabenpflichtigen Fälle zu erforschen und von Amts wegen die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse zu ermitteln, die für die Abgabenpflicht und die Erhebung der Abgaben wesentlich sind. In welchen Fällen die Abgabenbehörde zur Erfüllung ihrer Aufgabe, die Abgabenerklärungen auf ihre Richtigkeit zu prüfen, von Amts wegen Ermittlungen durchzuführen hat, lässt sich den §§ 138 und 161 BAO entnehmen. Es sind dies Fälle, in denen Bedenken gegen die Richtigkeit der Abgabenerklärung zu Zweifeln Anlass geben. Wann dies anzunehmen ist, muss im Einzelfall nach der für die Abgabenbehörde zur Zeit ihrer Prüfung erkennbaren Situation beurteilt werden. Standen der Abgabenbehörde alle Erkenntnismittel zur Verfügung, die die Grundlage für ihren Bescheid bildeten, hat die Partei die wesentlichen Unterlagen vorgelegt oder deren Vorlage und Einsicht angeboten, ist sie somit ihrer Anzeige-, Offenlegungs- und Wahrheitspflicht vollständig nachgekommen und sprechen die näheren Umstände (Parteienverhalten, Mitwirkungsbereitschaft, Behördenerfahrungen) für die berechtigte Annahme, die Behörde verfüge über alle entscheidungserheblichen Informationen, sodass sie unter Bedachtnahme auf die Gegebenheiten des Verfahrensverlaufes zur begründeten Überzeugung gelangt, der erklärte und schließlich angenommene Sachverhalt entspreche der Wirklichkeit, dann kann sie ohne Zweifel auf weitere Erhebungen verzichten. Es liegt dann im Wesen der freien Beweiswürdigung, dass weitere Beweise nicht mehr aufgenommen werden; unter solchen Voraussetzungen müsste das Ermittlungsverfahren als ordnungsgemäß abgeführt gelten (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , 91/14/0001, m.w.N.).
Soweit die Beschwerdeführerin meint, der von der belangten Behörde herangezogene Verfahrensmangel sei nur dann gegeben, wenn tatsächlich eine Abweichung zwischen den Erklärungen und den Ergebnissen der Betriebsprüfung vorhanden gewesen wäre, übersieht sie, dass die Ermittlungspflicht des Finanzamtes bereits dann einsetzt, wenn Bedenken gegen die Richtigkeit der Abgabenerklärung bestehen. Solche Bedenken hat die Beschwerdeführerin jedoch durch die in der Beilage zu den jeweiligen Jahresabschlüssen aufgenommene Vorbemerkung ohne jeden Zweifel erweckt. Das Finanzamt hätte sich daher bei Erlassung der Bescheide nicht mit dem Inhalt der Erklärungen der Beschwerdeführerin begnügen und ohne jedwede Prüfung des Sachverhaltes vorgehen dürfen. Der Auffassung der belangten Behörde, dem Finanzamt sei ein Verstoß gegen die Verfahrensvorschrift des § 115 Abs. 1 BAO anzulasten, kann nicht mit Erfolg entgegengetreten werden. Im Beschwerdefall liegt es auf der Hand, dass die unterlassenen Erhebungen einen anderen Bescheid des Finanzamtes hätten nach sich ziehen können.
Die Aufhebung der Bescheide des Finanzamtes im Aufsichtsweg war daher schon im Hinblick auf die Verwirklichung des von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid auch herangezogenen Tatbestandes des § 299 Abs. 1 lit. c BAO nicht rechtswidrig, zumal auch die Ermessensübung der belangten Behörde, die fehlerhaften Bescheide aus Zweckmäßigkeitsgründen im Interesse der Gleichmäßigkeit der Besteuerung aufzuheben, keine Rechtswidrigkeit erkennen lässt (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , 91/15/0053, m.w.N.). Auf das Beschwerdevorbringen betreffend den von der belangten Behörde weiters herangezogenen Aufhebungsgrund der inhaltlichen Rechtswidrigkeit der behobenen Bescheide des Finanzamtes brauchte bei diesem Ergebnis nicht mehr eingegangen werden.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am