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VwGH vom 18.12.1997, 96/15/0140

VwGH vom 18.12.1997, 96/15/0140

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Mizner, Dr. Fuchs, Dr. Zorn und Dr. Robl, im Beisein des Schriftführers Mag. Hajicek, über die Beschwerde des H in G, vertreten durch Dr. Dagmar Arnetzl und Dr. Maximilian Geiger, Rechtsanwälte in Graz, Jakominiplatz 16, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Steiermark vom , Zl. B-G10-8/95, betreffend Einkommensteuer 1994, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von 4.565 S binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer ist selbständiger Handelsvertreter. Über mehrere Jahre war er weitaus überwiegend für jenen Unternehmer tätig, der Ende Juli 1994 das Vertragsverhältnis aufkündigte. Ab dem Jahr 1995 war der Beschwerdeführer für drei neue Unternehmer tätig.

Aufgrund der genannten Beendigung des Vertragsverhältnisses erhielt der Beschwerdeführer im November 1994 eine Zahlung nach § 24 HandelsvertreterG 1993, BGBl. 88, in Höhe von 1,100.000 S. Er erblickte in dem Vorgang eine Teilbetriebsveräußerung und berechnete jenen Teil des Gewinnes aus Gewerbebetrieb für 1994, den er bei der Veranlagung 1994 mit dem begünstigten Steuersatz nach § 37 Abs. 2 Z. 1 EStG 1988 besteuert wissen wollte, wie folgt:

Ausgleichsentschädigung für Kundenstock 1,100.000 S

abzüglich anteiligem Freibetrag -90.000 S

"Teilbetriebsveräußerungsgewinn" 1,010.000 S

Mit dem Einkommensteuerbescheid 1994 setzte das Finanzamt die Steuer ohne Anwendung des begünstigten Steuersatzes fest.

Der Beschwerdeführer berief. Ein Unternehmen bestehe einerseits aus dem "Betrieb" bzw. "Bereitstellungsbetrieb", andererseits aus den Kunden. Der Beschwerdeführer als selbständiger Handelsvertreter habe die Ausgleichszahlung von 1,100.000 S für den von ihm aufgebauten Kundenstock erhalten. Rund 95 % seines Gesamtumsatzes habe er durch die Vertretung für den betreffenden Unternehmer erzielt. Das Gesamtunternehmen habe den Teilbetrieb "Kunden" veräußert und den Teilbetrieb "Bereitstellungsbetrieb" zurückbehalten. Die Aufteilung des Gesamtunternehmens führe zu einem Verhältnis 90:10, weshalb der Freibetrag nach § 24 Abs. 4 EStG mit 90.000 S geltend gemacht worden sei. Der veräußerte Kundenstock erfülle die Voraussetzungen eines Teilbetriebes, zumal er den Erwerber objektiv in die Lage versetze, die gleiche Erwerbstätigkeit fortzusetzen. Die organisatorische Geschlossenheit innerhalb des bestehenden Gesamtbetriebes ergebe sich daraus, daß der Kundenstock als eigener und eigenständiger Betriebsteil dem Bereitstellungsvermögen gegenüberzustellen sei.

Das Finanzamt wies die Berufung mit Berufungsvorentscheidung ab. Die einzelne Vertretung eines Handelsvertreters stelle keinen Teilbetrieb dar. Wenn der Beschwerdeführer der Ansicht sei, er habe einen "aus einem einzigen Kundenstock bestehenden" Betrieb veräußert, so werde dem entgegengehalten, daß er seinen Betrieb nicht aufgegeben, sondern nur eingeschränkt habe. Er habe die Umsätze für 1995 mit 800.000 S prognostiziert.

Der Beschwerdeführer stellte den Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz. Er verwies darauf, daß er bis 1994 beinahe ausschließlich für einen Unternehmer tätig gewesen sei. Es habe im Jahr 1994 eine Teilbetriebsveräußerung "im Sinne des Kundenstockes des einzigen Geschäftsherrn" stattgefunden. Gemäß § 24 HandelsvertreterG 1993 stehe dem Handelsvertreter ein Ausgleichsanspruch zu, wenn und soweit

1. er dem Unternehmer neue Kunden zugeführt oder bereits bestehende Geschäftsverbindungen wesentlich erweitert habe,


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2.
zu erwarten sei, daß der Unternehmer oder dessen Rechtsnachfolger aus diesen Geschäftsverbindungen auch noch nach Auflösung des Vertragsverhältnisses erhebliche Vorteile ziehen könne, und
3.
die Zahlung eines Ausgleiches unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere der dem Handelsvertreter aus Geschäften mit den betreffenden Kunden entgehenden Provisionen, der Billigkeit entspreche.

Wie sich aus dieser gesetzlichen Bestimmung ergebe, sei der Ausgleichsanspruch ein Entgelt dafür, daß der Handelsvertreter dem Unternehmer neue Kunden zugeführt oder bereits bestehende Geschäftsverbindungen erweitert habe. Die Summe dieser Kunden stelle den Kundenstock dar, den der Unternehmer bei Beendigung des Vertragsverhältnisses vom Handelsvertreter erwerbe. Ein weiterer Grund für den Ausgleichsanspruch liege darin, daß der Unternehmer nach dem entgeltlichen Erwerb des Kundenstockes erhebliche Vorteile ziehe und die Erwerbstätigkeit ohne Unterbrechung fortsetze. Es liege eine Teilbetriebsveräußerung unter Aufdeckung von über einen längeren Zeitraum hinweg angesammelten stillen Reserven vor. Würde der Kundenstock keinen Wert darstellen, wäre der Unternehmer nicht bereit, für diesen einen Erwerbspreis zu bezahlen.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Der strittige Betrag sei ein Ausgleichsanspruch nach § 24 HandelsvertreterG 1993. Der Beschwerdeführer sei für mehrere Unternehmer, wenn auch überwiegend für einen, tätig gewesen. Die einzelne Vertretung bilde jedoch keinen Teilbetrieb, weil es an der organisatorischen Geschlossenheit bzw Selbständigkeit fehle. Selbst bei Vorliegen eines Teilbetriebes läge aber kein Anwendungsfall für den ermäßigten Steuersatz nach § 37 Abs. 2 Z. 1 EStG 1988 vor. Die Ausgleichszahlung nach § 24 HandelsvertreterG 1993 werde nicht für die Aufgabe eines (Teil)Betriebes, sondern infolge Auflösung des Vertragsverhältnisses gezahlt. Dem Ausgleichsanspruch entsprächen auch nicht die stillen Reserven des Handelsvertreters. Verfehlt sei auch die Ansicht des Beschwerdeführers, wonach er bei Vertragsbeendigung seinen Kundenstock an den Unternehmer übertragen und dafür die Ausgleichszahlung erhalten habe. Der Kundenstock werde nämlich von vornherein, also während des Vertragsverhältnisses, für den Unternehmer erworben. Der Unternehmer leiste daher nicht eine Zahlung für ein Aktivum in Form des Kundenstockes, welches er durch die Beendigung des Vertragsverhältnisses erwerbe.

Gegen diesen Bescheid wendet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde. Der Beschwerdeführer erachtet sich im Recht auf "gesetzmäßige Anwendung der Bestimmung des § 37 Abs. 2 Z. 1 EStG 1988" verletzt.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer bringt vor, sein "Teilbetriebskundenstock" erfülle die Voraussetzungen eines Teilbetriebes, der aufgegeben worden sei. Er habe einen Erwerber objektiv in die Lage versetzt, die gleiche Erwerbstätigkeit fortzusetzen und sei ein organisatorisch geschlossener Betriebsteil im Rahmen des Gesamtbetriebes gewesen. Die für einen Teilbetrieb geforderte Selbständigkeit ergebe sich daraus, daß sich der Betriebsteil Kundenstock von der üblichen betrieblichen Tätigkeit abgehoben habe. Der Jahresumsatz sei zu beinahe 94 % für den einen Unternehmer erzielt worden. Beim restlichen Umsatz habe es sich um Provisionen für kleine Mitnahmeartikel für einen weiteren Unternehmer gehandelt, die "ohne Existenz des praktisch einen großen Geschäftsherrn gar nicht erzielt worden wären, da sie eben nur nebenbei anfielen". Es habe sohin nicht mehrere gleichwertige Unternehmer gegeben. Im gegenständlichen Fall habe das Unternehmen des Beschwerdeführers seine Kunden veräußert und den übrigen Betrieb behalten. Die Summe der Kunden, in einer Kundenkartei zusammengefaßt, stelle den Kundenstock dar, den ein Unternehmer bei Beendigung des Vertragsverhältnisses vom Handelsvertreter übernehme. Darin liege im gegenständlichen Fall die Teilbetriebsveräußerung begründet.

Mit diesem Vorbringen vermag der Beschwerdeführer eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht aufzuzeigen.

Ein Handelsvertreter bewirkt durch seine laufende aktive Tätigkeit den Aufbau eines Kundenstocks beim Unternehmer. Unzutreffend ist, daß es im Zusammenhang mit der Beendigung des Vertragsverhältnisses zwischen dem Handelsvertreter und dem Unternehmer zu einer Übertragung eines Kundenstockes kommt. Auch aus dem Wortlaut des § 24 HandelsvertreterG 1993 ergibt sich, daß der Ausgleichsanspruch nicht ein Entgelt für die Übertragung eines Kundenstocks des Handelsvertreters darstellt. In diesem Sinne hat der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom , 91/14/0165, zu einem Anspruch nach § 89b des deutschen HGB - diese Bestimmung entspricht weitgehend § 24 HandelsvertreterG 1993 - ausgesprochen, daß der Ausgleichsanspruch in erster Linie künftig entgehende Provisionen des Handelsvertreters abgelten will (vgl. auch Doralt, EStG3, § 9 Tz 35, Stichwort "Handelsvertreter").

Die belangte Behörde ist sohin im angefochtenen Bescheid zu Recht nicht der Ansicht des Beschwerdeführers gefolgt, die Ausgleichszahlung sei das Entgelt für die Übertragung eines Kundenstockes gewesen. Es ist im Zusammenhang mit der Beendigung des Vertragsverhältnisses nicht zu einer Übertragung von Wirtschaftsgütern gekommen, woraus sich ergibt, daß eine (Teil)Betriebsveräußerung jedenfalls nicht vorgelegen ist.

Daß der Beschwerdeführer im Jahr 1994 seinen Betrieb insgesamt aufgegeben hätte, behauptet er nicht. Selbst wenn er für einige Monate keine werbende Tätigkeit entfaltet haben sollte, bestehen beim gegebenen Sachverhalt keine Zweifel, daß stets die Absicht bestanden hat, den Betrieb in gleicher Weise wieder fortzusetzen, sodaß in rechtlicher Hinsicht keine Betriebsaufgabe, sondern allenfalls ein kurzfristiges Ruhen des Betriebes (vgl. zum ruhenden Betrieb das hg Erkenntnis vom , 1296/73) vorgelegen ist.

Der Beschwerdeführer bringt auch vor, daß die Aufgabe eines Teilbetriebes gegeben gewesen sei.

Ein Teilbetrieb ist ein organisch in sich geschlossener, mit einer gewissen Selbständigkeit ausgestatteter Teil eines Betriebes, der es vermöge seiner Geschlossenheit ermöglicht, die gleiche Erwerbstätigkeit fortzusetzen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 89/14/0156).

Wie sich aus § 28 BAO ergibt, stellt der Betrieb eine Betätigung dar, woraus abzuleiten ist, daß es auch beim Teilbetrieb auf die Betätigung ankommt. Der Teilbetrieb muß sich aus der Gesamtbetätigung ohne organisatorische Schwierigkeiten herauslösen lassen; der Teilbetrieb setzt mindestens einen weiteren Teilbetrieb (Restbetrieb) voraus (vgl. Doralt, EStG3, § 24 Tz 52).

Soweit das Beschwerdevorbringen dahingehend zu verstehen ist, daß durch die im Juli 1994 erfolgte Vertragsbeendigung die werbende Tätigkeit gänzlich eingestellt worden ist, kann von der Aufgabe eines Teilbetriebes deshalb keine Rede sein, weil die aktiven und passiven Wirtschaftsgüter (der "Bereitstellungsbetrieb") als solche entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers keinen verbleibenden Teilbetrieb (Restbetrieb) bilden.

Ein Teilbetrieb läge aber auch nicht vor, wenn aufgrund anderer Vertretungsverhältnisse kontinuierlich eine werbende Tätigkeit aufrecht geblieben sein sollte. Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits im Erkenntnis , 974/70, Slg.N.F. 4112/F, zum Ausdruck gebracht hat, stellt im Fall, daß ein Handelsvertreter für mehrere Unternehmer tätig ist, nicht jede der Vertretungen für sich einen Teilbetrieb dar.

Der Beschwerdeführer wurde sohin durch den angefochtenen Bescheid nicht in subjektiven Rechten verletzt. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VO BGBl. 416/1994.