VwGH vom 08.03.1991, 90/17/0503

VwGH vom 08.03.1991, 90/17/0503

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Kramer, Dr. Wetzel, Dr. Puck und Dr. Gruber als Richter, im Beisein der Schriftführerin Regierungskommissär Mag. Kirchner, über die Beschwerde des R und der TN gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom , Zl. II/1-BE-11-11/9-90, betreffend Vorschreibung eines Säumniszuschlages (mitbeteiligte Partei: Gemeinde X), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

1.0. Aus der Beschwerde und dem angefochtenen Bescheid ergibt sich nachstehender Sachverhalt:

1.1. Mit Abgabenbescheid vom schrieb der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde den Beschwerdeführern für den Anschluß einer näher bestimmten Liegenschaft an den öffentlichen Mischwasserkanal eine Kanaleinmündungsabgabe und eine Sonderabgabe im Gesamtbetrag von S 959.207,70 vor. Im Spruch dieses Bescheides wurde darauf hingewiesen, daß dieser Betrag innerhalb eines Monates nach Zustellung des Bescheides mit beiliegendem Zahlschein zur Einzahlung zu bringen sei. Auf die Bestimmungen der §§ 165 bis 169 der NÖ Abgabenordnung 1977 - NÖ AO 1977, LGBl. 3400-2, sowie auf ein angeschlossenes Beiblatt wurde verwiesen. Auf diesem als "Hinweis zu beiliegendem Abgabenbescheid" bezeichneten Beiblatt wurden folgende Zahlungskonditionen ermöglicht:

"1. Bei Zahlung innerhalb von vier Wochen gewährt Ihnen die Gemeinde X 3 Prozent Skonto.

2. Bei Zahlung innerhalb von zwölf Wochen werden Ihnen weder Mahngebühren noch Säumniszuschläge verrechnet. Ein Skonto ist jedoch nicht mehr möglich..."

Mit Bescheid des Gemeinderates der Gemeinde X vom wurde der Berufung gegen diesen Abgabenbescheid keine Folge gegeben.

Mit Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom wurde die gegen den Bescheid des Gemeinderates erhobene Vorstellung abgewiesen.

Mit Beschluß vom lehnte der Verfassungsgerichtshof die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde vor dem Verfassungsgerichtshof ab. Die Beschwerde wurde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten und wurde mit Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 90/17/0328, abgewiesen. Einem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde wurde weder vom Verfassungsgerichtshof noch vom Verwaltungsgerichtshof bis zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides Folge gegeben.

1.2. Mit Bescheid vom schrieb der Bürgermeister der Gemeinde X den Beschwerdeführern wegen der nicht rechtzeitigen Entrichtung der mit Abgabenbescheid vom vorgeschriebenen Abgaben einen Säumniszuschlag in der Höhe von 2 Prozent (S 19.184,--) vor. Die Abgabe sei nämlich trotz Fälligkeit nicht entrichtet worden.

1.3. Die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung wurde mit Bescheid des Gemeinderates vom abgewiesen.

1.4. Mit Bescheid vom gab die Niederösterreichische Landesregierung der Vorstellung der Beschwerdeführer gegen den vorgenannten Bescheid keine Folge. Nach der Begründung dieses Bescheides entstehe die Pflicht zur Leistung eines Säumniszuschlages mit dem ungenützten Ablauf des Fälligkeitstages der betreffenden Abgabe bzw. der hinausgeschobenen Zahlungsfrist für dieselbe. Es sei daher ausreichend, daß die objektiven Voraussetzungen für die Vorschreibung eines Säumniszuschlages vorlägen. Obwohl im Beschwerdefall ein rechtskräftiger Abgabenbescheid vorliege, sei festzuhalten, daß die Rechtskraft des die Abgabe festsetzenden Bescheides keine Voraussetzung für den Eintritt der Fälligkeit und somit für die Verhängung eines Säumniszuschlages sei.

Die Beschwerdeführer übersähen, daß die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts im Beschwerdeverfahren betreffend die Kanaleinmündungsabgabe eine aufschiebende Wirkung nicht zuerkannt hätten. Überdies beziehe sich jenes Beschwerdeverfahren nicht auf die Vorschreibung des Säumniszuschlages, sondern auf die der Vorschreibung des Säumniszuschlages zugrundeliegende Abgabe. Die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung könne sich jedoch nur auf das anhängige Verfahren beziehen.

Daß die objektiven Voraussetzungen für die Vorschreibung eines Säumniszuschlages vorgelegen seien, werde nicht bestritten. Selbst wenn man das dem Abgabenbescheid vom angeschlossene Beiblatt als Bestandteil der Abgabenvorschreibung ansehen wollte, wäre die vorgeschriebene Kanaleinmündungsabgabe und Sonderabgabe, wie dies von den Beschwerdeführern eingeräumt werde, am fällig geworden. Im Zeitpunkt der erstinstanzlichen Vorschreibung des Säumniszuschlages sei auch kein anhängiges Ansuchen um Zahlungserleichterung vorgelegen; es seien auch keine noch laufenden Zahlungserleichterungen bewilligt worden.

Auch in dem Umstand, daß die Abgabenbehörden kein Ermittlungsverfahren unter Beiziehung der Abgabenschuldner durchgeführt hätten, ob ein rechtskräftiger Abgabenbescheid vorliege, könne keine Rechtsverletzung erblickt werden. Das Vorliegen eines rechtskräftigen Abgabenbescheides sei nämlich nicht Voraussetzung für die Vorschreibung eines Säumniszuschlages.

1.5. Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes, Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

2.0. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

2.1.1. Unter dem Gesichtspunkt der Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides machen die Beschwerdeführer geltend, der NÖ AO 1977 fehle eine dem § 254 BAO entsprechende Vorschrift, wonach durch die Einbringung einer Berufung die Wirksamkeit des bekämpften Bescheides nicht gehemmt werde. Die Regel, daß der Fälligkeitstag im Sinne der NÖ AO mit einem Monat nach Bekanntgabe des Abgabenbescheides anzunehmen sei, gelte daher nur für den Fall, daß nicht in der Zwischenzeit Berufung erhoben worden sei. Auch die Auffassung der belangten Behörde, ein rechtskräftiger Abgabenbescheid liege bereits vor, entspreche nicht den Tatsachen. Auch das außerordentliche Rechtsmittel einer Beschwerde an die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts hindere nämlich die Rechtskraft des Bescheides unter der Voraussetzung, daß der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkannt werde. Unzutreffend sei "daher" die Ansicht der belangten Behörde, daß die aufschiebende Wirkung im Beschwerdefall nicht zuerkannt worden sei, vielmehr sei die Entscheidung darüber noch ausständig. Auch verkenne die belangte Behörde die akzessorische Wirkung "des Abgabenverfahrens gegenüber dem Verfahren zur Vorschreibung des Säumniszuschlages". Die der Beschwerde im zugrundeliegenden Abgabenverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof zuzuerkennende aufschiebende Wirkung hindere jedenfalls auch die Vorschreibung und Eintreibung des Säumniszuschlages.

2.1.2. § 165 NÖ AO 1977, LGBl. 3400-2, bestimmt auszugsweise:

"(1) Wird eine Abgabe nicht spätestens am Fälligkeitstag entrichtet, so tritt mit Ablauf dieses Tages die Verpflichtung zur Entrichtung eines Säumniszuschlages ein, soweit der Eintritt dieser Verpflichtung nicht gemäß Abs. 2 bis 6 oder § 166 hinausgeschoben wird. Auf Nebengebühren der Abgaben (§ 2 Abs. 2 lit. d) finden die Bestimmungen über den Säumniszuschlag keine Anwendung.

(2) Beginnt eine gesetzlich zustehende oder durch Bescheid zuerkannte Zahlungsfrist spätestens mit Ablauf des Fälligkeitstages oder einer sonst für die Entrichtung einer Abgabe zustehenden Frist, so tritt die Verpflichtung zur Entrichtung des Säumniszuschlages erst mit dem ungenützten Ablauf der zuletzt endenden Zahlungsfrist ein."

2.1.3. Die Rechtsansicht der Beschwerdeführer ist unzutreffend.

Dies gilt zunächst für die Rechtsmeinung, es werde nach der NÖ AO 1977 die Verbindlichkeit von Abgabenbescheiden durch die Einbringung einer Berufung gehemmt. Es genügt, hiezu auf § 198 NÖ AO 1977 hinzuweisen, wonach durch Einbringung einer Berufung die Wirksamkeit des angefochtenen Bescheides nicht gehemmt, insbesondere die Einhebung und zwangsweise Einbringung einer Abgabe nicht aufgehalten wird.

Zur Vermeidung von Mißverständnissen wird ferner auf § 30 Abs. 1 VwGG hingewiesen, wonach den Beschwerden vor dem Verwaltungsgerichtshof eine aufschiebende Wirkung kraft Gesetzes nicht zukommt. Die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung setzt vielmehr einen Beschluß des Gerichtshofes gemäß § 30 Abs. 2 VwGG voraus.

Darüberhinaus sind die Beschwerdeführer jedoch auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum Säumniszuschlag zu verweisen. Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem (zur inhaltsgleichen Vorschrift der WAO ergangenen) Erkenntnis vom , Zl. 84/17/0181, ausgeführt hat, besteht bei festgesetzten Abgaben die Pflicht zur Entrichtung des Säumniszuschlages ohne Rücksicht auf die sachliche Richtigkeit der Festsetzung der Abgabe. Die Pflicht zur Entrichtung des Säumniszuschlages setzt nicht den Bestand einer sachlich richtigen Abgabenschuld voraus, sondern nur den einer formellen Abgabenzahlungsschuld. Wird gegen eine vermeintlich unrichtige Abgabenfestsetzung berufen, kann dies mit Rücksicht darauf, daß dem Rechtsmittel keine aufschiebende Wirkung zukommt, die Verwirkung des Säumniszuschlages nicht hindern, wenn die Abgabe zum bescheidmäßig vorgesehenen Fälligkeitstag nicht entrichtet wird. Auch eine spätere allfällige Herabsetzung dieser Schuld (und zwar gegebenenfalls bis auf Null) hat auf den durch Säumnis verwirkten Säumniszuschlag keinen Einfluß. Dabei hat der Verwaltungsgerichtshof auf seine ständige Rechtsprechung zu den bis zur BAO-Novelle 1980, BGBl. Nr. 151, inhaltsgleichen Vorschriften der BAO hingewiesen. Diese Rechtsprechung hat der Gerichtshof auch in letzter Zeit, z.B. in den Erkenntnissen vom , Zl. 89/17/0143 bis 0147 (zur Stmk LAO) und vom , Zl. 90/17/0118 (zur WAO) aufrecht erhalten.

Der Verwaltungsgerichtshof hat im übrigen schon im zuletzt genannten Erkenntnis darauf hingewiesen, daß es sich beim Säumniszuschlag, der gemäß § 2 Abs. 2 lit. d WAO eine Nebengebühr der Abgaben darstelle, um einen Nebenanspruch zu den Abgaben handle und daß die Nebenansprüche gemäß § 2 Abs. 1 WAO selbst Abgaben im Sinne der WAO seien. Der Säumniszuschlag weise daher grundsätzlich eine abgabenrechtliche Selbständigkeit auf, die Akzessorietät hingegen bedürfe einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung (wie sie z.B. in § 221 a Abs. 2 BAO, der in der WAO keine Entsprechung habe, enthalten sei). Dies gilt auch für die inhaltsgleichen Bestimmungen der NÖ AO 1977.

Aus diesen Erwägungen folgt, daß im Beschwerdefall im Zeitpunkt der Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides über die Vorschreibung des Säumniszuschlages der Abgabentatbestand für diesen Nebenanspruch durch ungenütztes Verstreichen der Zahlungsfrist verwirklicht war und insbesondere die im Abgabenverfahren, im Vorstellungsverfahren und vor den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechts ergriffenen Rechtsmittel (einschließlich der Aufschiebungsanträge) der Geltendmachung des Säumniszuschlages nicht entgegenstanden. Ebensowenig wie eine spätere allfällige Herabsetzung der Abgabenhauptschuld (und zwar gegebenenfalls bis auf Null) hätte eine allfällige Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerden durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts auf den durch frühere Säumnis bereits verwirkten Säumniszuschlag einen Einfluß gehabt. Die Abweisung der Vorstellung gegen die gemeindebehördliche Vorschreibung des Säumniszuschlages ist daher nicht mit der geltend gemachten inhaltlichen Rechtswidrigkeit belastet.

2.2.1. Die Beschwerdeführer machen unter dem Gesichtspunkt der Verletzung von Verfahrensvorschriften die Verletzung des Parteiengehörs geltend und bringen vor, daß sie bei Vermeidung dieses Mangels Einwendungen gegen den in der Hauptsache erhobenen Abgabenanspruch vorbringen hätten können.

2.2.2. Vor dem Hintergrund der Ausführungen unter Punkt 2.1.3. wird mit dieser Verfahrensrüge, es hätte eine inhaltlich den Hauptanspruch betreffendes Vorbringen im Verfahren betreffend den Säumniszuschlag nicht vorgebracht werden können, kein Umstand dargetan, der den Schluß rechtfertigen könnte, die belangte Behörde hätte bei Vermeidung dieses Mangels zu einem anderen Bescheid kommen können.

2.3.1. Unter dem Gesichtspunkt der "Unzuständigkeit der belangten Behörde" wird von den Beschwerdeführern ferner Befangenheit der Gemeindeorgane geltend gemacht, da der Bürgermeister den Beschwerdeführern im Jahr 1968 Abgabenfreiheit für jegliche zukünftigen Kanalanschlüsse zugesichert habe.

2.3.2. Mit diesem Beschwerdeeinwand wird in Wahrheit nicht Unzuständigkeit der belangten Vorstellungsbehörde, sondern eine inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides geltend gemacht, die darin liege solle, daß der geltend gemachte Verfahrensmangel (Befangenheit) nicht zum Anlaß einer aufsichtsbehördlichen Behebung des Bescheides des Gemeinderates gemacht worden sei. Eine solche Rechtswidrigkeit ist der belangten Behörde indessen keinesfalls unterlaufen, da bei der gegebenen rechtlichen Situation davon auszugehen ist, daß der Gemeinderat auch bei Vermeidung des gerügten Verfahrensmangels (wäre ein solcher Verstoß überhaupt gegeben und im Vorstellungsverfahren geltend gemacht worden) zu keinem anderen Bescheid hätte kommen können.

2.4. Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen ließ, daß die von den Beschwerdeführern behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Bei diesem Ergebnis war ein Auftrag zur Behebung der der Beschwerde anhaftenden Mängel (Vollmachtsvorlage oder eingenhändige Unterfertigung der Beschwerde durch die Beschwerdeführer) entbehrlich.

2.5. Es wird darauf hingewiesen, daß die Beendigung des Beschwerdeverfahrens, für dessen Dauer die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung beantragt wird, einen Abspruch über diesen Antrag entbehrlich macht (vgl. z.B. den hg. Beschluß vom , Zlen. 1902, 1903/78 = ZfVB 1979/2/513).

2.6. Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.