VwGH vom 13.11.1992, 90/17/0444
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Kramer, Dr. Puck, Dr. Gruber und Dr. Höfinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schidlof, über die Beschwerde der XY-Gesellschaft m.b.H. & Co KG in W, vertreten durch Dr. C, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Abgabenberufungskommission der Bundeshauptstadt Wien vom , Zl. MDR - B 18/90, betreffend Anzeigenabgabe, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Die Bundeshauptstadt Wien hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.540,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Eingabe an den Magistrat der Stadt Wien, MA 4/4, vom ersuchte die Beschwerdeführerin um "erneute Prüfung des Sachverhaltes, daß wir für Chiffregebühren Anzeigenabgabe bezahlen müssen". Nach Auffassung der Beschwerdeführerin seien Chiffregebühren nicht abgabepflichtig, da sie nur eine Dienstleistung, also Nebenleistung zu ihrer gratis ausgeführten Hauptleistung, nämlich der Gratisveröffentlichung von privaten Kleinanzeigen, darstelle. Die Chiffregebühr in Höhe von S 50,-- pro Inserat werde als Bearbeitungsgebühr für die Evidenzhaltung der Daten und die Zusendung der Post durch die Beschwerdeführerin an den Kunden verlangt und stelle somit kein Entgelt für das erschienene Inserat dar.
Mit Bescheid vom setzte der Magistrat der Stadt Wien "gemäß § 149 Abs. 2 der Wiener Abgabenordnung - WAO, LGBl. für Wien Nr. 21/1982 in der derzeit geltenden Fassung, in Verbindung mit den §§ 1 und 3 bis 9 und 5 des Wiener Anzeigenabgabegesetzes 1983, LGBl. für Wien Nr. 22/1983, in der derzeit geltenden Fassung" gegenüber der Beschwerdeführerin die Anzeigenabgabe für die anläßlich der Vornahme und Verbreitung von Anzeigen aller Art vereinnahmten Entgelte im Zeitraum September 1989 mit S 104.962,-- fest. Weiters wurde gemäß den §§ 164 und 166 WAO für die nicht rechtzeitig gezahlte Abgabe von S 5.465,-- ein Säumniszuschlag von S 109,-- vorgeschrieben. In der Begründung dieses Bescheides wird im wesentlichen ausgeführt, die vorliegende Festsetzung betreffe die anläßlich der Vornahme oder Verbreitung von Anzeigen im Medienwerk "XY" vereinnahmten Chiffregebühren für Gratisinserate, deren Höhe bei der amtlichen Nachschau am festgestellt worden sei. Diese Chiffregebühren würden ebenso wie das Entgelt aus Anlaß der Verbreitung der Anzeige gefordert und bezahlt, es bilde also einen integrierenden Bestandteil des aus Anlaß der Anzeigenverbreitung zu entrichtenden Entgeltes und gehöre somit zur Bemessungsgrundlage. Daß es sich in diesem Fall um Gratiseinschaltungen handle, sei für die Abgabepflicht von Chiffregebühren unerheblich. Die Beschwerdeführerin habe eine zu niedrige Erklärung über diese Entgelte eingereicht, wodurch die gesetzlichen Voraussetzungen für die bescheidmäßige Festsetzung der Abgabe gegeben seien.
Weiters begründete die Abgabenbehörde erster Instanz die Verhängung des Säumniszuschlages.
Dagegen erhob die Beschwerdeführerin Berufung.
Mit Berufungsvorentscheidung vom wies der Magistrat der Stadt Wien die Berufung als unbegründet ab. Dies im wesentlichen mit der Begründung, im vorliegenden Fall stelle die Beschwerdeführerin bei Anzeigen, die ansonsten unentgeltlich aufgenommen würden, dem Inserenten eine Chiffregebühr in Rechnung, wenn dieser die Aufnahme der Anzeige unter einer Chiffrebezeichnung wünsche. Damit sei aber die vom Gesetz für das Entstehen der Abgabepflicht geforderte Entgeltlichkeit der Anzeige erfüllt, da die Chiffregebühr unmittelbar im Zusammenhang mit der Aufnahme der Anzeige, nämlich deren Aufnahme unter einer Chiffrebezeichnung, stehe. Gemäß § 5 Abs. 1 des Wiener Anzeigenabgabegesetzes 1983 bilde das gesamte Entgelt, das seitens des die Anzeige oder Verbreitung besorgenden Medieninhabers aus Anlaß der Vornahme oder Verbreitung der Anzeige vereinnahmt wird, die Bemessungsgrundlage. Für die Zugehörigkeit einer aus Anlaß der Anzeigenaufnahme vom Inserenten zu leistenden Zahlung zum abgabepflichtigen Gesamtentgelt bzw. für die Wertung der Zahlung als Anzeigenentgelt könne es ebensowenig von Belang sein, unter welchem Titel diese verlangt bzw. geleistet werde, wie der Umstand, welche Leistungen der Verlag im Zusammenhang mit der Anzeigenaufnahme im einzelnen erbracht habe. Darüber hinaus sei dem Wiener Anzeigenabgabegesetz die Unterteilung des Entgeltes in Zahlungen für Haupt- und Nebenleistungen fremd.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies über Vorlageantrag der Beschwerdeführerin auch die Abgabenberufungskommission der Bundeshauptstadt Wien die Berufung als unbegründet ab. Sie führte hiezu im wesentlichen aus, unbestritten sei, daß die in Frage kommenden Medienwerke in Wien erschienen und die Beschwerdeführerin für diese in Wien anzeigenabgabepflichtig sei. Strittig sei lediglich, ob die Chiffregebühren bei sogenannten Gratisanzeigen Teil der steuerpflichtigen Bemessungsgrundlage seien. Die Beschwerdeführerin verneine dies im Hinblick auf die Unentgeltlichkeit der Anzeige. Die Chiffregebühr habe für den Inserenten die Funktion, gegenüber den Lesern bzw. Interessenten in der Anzeige vorerst anonym zu bleiben. Somit stehe die Chiffregebühr in einem untrennbaren Zusammenhang mit der Vornahme und Verbreitung der Anzeige. Wenn also eine Anzeige mit einer Chiffregebühr verknüpft werde, liege keine "Gratisanzeige" mehr vor. Dafür spreche, daß die Chiffregebühr unabhängig davon anfalle, ob es tatsächlich zum Einlangen von Antwortschreiben auf das Inserat bzw. deren Weiterleitung an den Inserenten komme. Eine Teilung in eine rechtlich relevante Haupt- und Nebenleistung sei dem Wiener Anzeigenabgabegesetz fremd. Die ziffernmäßige Richtigkeit der Bemessung der Anzeigenabgabe sei unbestritten.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Nach ihrem Vorbringen erachtet sich die Beschwerdeführerin in ihrem Recht auf Nichtfestsetzung der Anzeigenabgabe für die von ihr in Rechnung gestellten Chiffregebühren verletzt. Sie beantragt, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die im Beschwerdefall relevanten Bestimmungen des Wiener Anzeigenabgabegesetzes 1983, LGBl. Nr. 22 idF LGBl. Nr. 29/1984 (AnzAG), lauten:
"Gegenstand der Abgabe
§ 1. (1) Anzeigen, die in die in Wien erscheinenden Medienwerke (§ 1 Abs. 1 Z 3 des Mediengesetzes, BGBl. Nr. 314/1981) gegen Entgelt aufgenommen oder mit solchen ausgesendet oder verbreitet werden, unterliegen, sofern die Verbreitung nicht ausschließlich im Ausland erfolgt, einer Abgabe nach Maßgabe der Bestimmungen dieses Gesetzes.
...
Bemessungsgrundlage
§ 5. (1) Bemessungsgrundlage bildet das gesamte Entgelt, das seitens des die Anzeige oder Verbreitung besorgenden Medieninhabers (Verlegers) aus Anlaß der Vornahme oder Verbreitung der Anzeige vereinnahmt wird ..."
Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem auch von der belangten Behörde zitierten Erkenntnis vom , Zl. 1495/77, sowie im Erkenntnis vom , Zl. 17/2724/80, - damit übereinstimmend Höld, Kommentar zu den Anzeigenabgabe- und Ankündigungsabgabegesetzen, Seite 62, - ausgeführt hat, kommen dem Begriff des Entgeltes nach den genannten Bestimmungen zwei Funktionen zu. Zum einen ist es Tatbestandsmerkmal, denn ohne Gegenleistung wird der Tatbestand, an den das Gesetz die Abgabepflicht knüpft, nicht verwirklicht; zum anderen bildet das Entgelt die Bemessungsgrundlage. Wie die Beschwerdeführerin zutreffend betont, ist somit Voraussetzung der Entstehung der Abgabepflicht, daß zwischen der Aufnahme, Aussendung oder Verbreitung der Anzeigen und den Leistungen des Inserenten eine Entgeltbeziehung besteht. Die Beschwerdeführerin ist auch im Recht, wenn sie zur Auslegung der Worte "gegen Entgelt" auf Lehre und Rechtsprechung zur gleichen Wortfolge im § 1 Abs. 1 Z. 1 UStG 1972 verweist. Danach muß ein wirtschaftlicher Leistungsaustausch, d.h. eine innere Verknüpfung zwischen Leistung und Gegenleistung im Sinne des sogenannten "do-ut-des"-Prinzipes vorliegen (vgl. die Erkenntnisse vom , Zl. 83/15/0045, vom , Zl. 83/15/0172, und vom , Zl. 85/15/0098; ferner Doralt-Ruppe, Grundriß des österreichischen Steuerrechts4 I, Seite 288).
Nun steht im Beschwerdefall unbestritten fest, daß die Aufnahme der Anzeigen in das Medienwerk "XY" grundsätzlich unentgeltlich erfolgt. Nur bei Chiffreanzeigen wird eine Chiffregebühr in der Höhe von S 50,-- pro Inserat nach der Behauptung der Beschwerdeführerin in ihrem Schriftsatz vom als Bearbeitungsgebühr für die Evidenthaltung der Daten und für die Zusendung der Post an die Kunden, also NICHT für die Aufnahme der Inserate in das genannte Medienwerk gefordert und bezahlt. Träfe diese Behauptung zu, was die Behörden des Abgabenverfahrens weder festgestellt noch ausdrücklich in Abrede gestellt haben, dann wäre es in der Tat rechtswidrig, die sogenannten Chiffregebühren der Anzeigenabgabe zu unterziehen. Denn der Umstand, daß die Chiffregebühr im Sinne des § 5 Abs. 1 AnzAG ein Entgelt darstellt, das AUS ANLAß der Vornahme oder Verbreitung der Anzeige vereinnahmt wird, (nichts anderes sagt die belangte Behörde mit den Worten, die Chiffregebühr stehe in einem "untrennbaren Zusammenhang" mit der Vornahme oder Verbreitung der Anzeige, aus), vermag nicht das im Sinne des § 1 Abs. 1 AnzAG unabdingbare Sachverhaltselement zu ersetzen, daß das Entgelt im Leistungsaustausch FÜR DIE AUFNAHME ETC. DER ANZEIGE SELBST gegeben wird. Aus der Definition der Bemessungsgrundlage kann, wie die Beschwerdeführerin weiters zutreffend darlegt, nicht auf den Steuergegenstand rückgeschlossen werden.
Ohne rechtliche Bedeutung ist in diesem Zusammenhang auch - entgegen der Auffassung der belangten Behörde - der Umstand, daß die Chiffregebühr für den Inserenten die "Funktion" habe, gegenüber den Lesern bzw. Interessenten vorerst anonym zu bleiben. Denn hiebei handelt es sich in Wahrheit lediglich um das Motiv, das den Inserenten zur Aufgabe einer Chiffreanzeige bestimmen mag.
Es ist daher auch ohne Bedeutung, daß, wie die belangte Behörde annimmt, die Chiffregebühr unabhängig davon anfällt, ob es tatsächlich zum Einlangen von Antwortschreiben auf das Inserat bzw. deren Weiterleitung an den Inserenten kommt; dies ganz abgesehen davon, daß nach der Behauptung der Beschwerdeführerin die Chiffregebühr nicht nur für die Zusendung der Post, sondern auch als Bearbeitungsgebühr für die Evidenthaltung der Daten gefordert wird. Ebensowenig kommt es darauf an, ob das Wiener Anzeigenabgabegesetz eine Unterscheidung von Haupt- und Nebenleistung kennt oder nicht.
Da die belangte Behörde auf Grund ihrer unzutreffenden Rechtsansicht die Behauptungen der Beschwerdeführerin über die Funktion der Chiffregebühr nicht geprüft hat, hat sie den Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet, was zu dessen Aufhebung im Sinne des § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG führen mußte.
Auf das weitere Vorbringen der Beschwerdeführerin mußte sohin nicht mehr eingegangen werden.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff, insbesondere auch auf § 59 Abs. 3 letzter Satz VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991, insbesondere auch auf deren Art. III Abs. 2.