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VwGH vom 20.05.1994, 94/02/0006

VwGH vom 20.05.1994, 94/02/0006

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):

94/02/0007

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Stoll und Dr. Holeschofsky als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Strohmaier, über die Beschwerden des R in X, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in W, gegen die beiden Bescheide des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom , Zl. UVS-07/06/00973/93-E, sowie vom , Zl. UVS-07/06/00852/93-K, jeweils betreffend Übertretung der Bauarbeiterschutzverordnung,

Spruch

I. den Beschluß gefaßt:

Die Behandlung der Beschwerde gegen den Bescheid vom wird abgelehnt.

II. zu Recht erkannt:

Die Beschwerde gegen den Bescheid vom wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen von insgesamt S 2.782,50 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien vom wurde der Beschwerdeführer für schuldig befunden, er habe es als das zur Vertretung nach außen berufene Organ der B.-GesmbH in Wien zu verantworten, daß anläßlich einer am durchgeführten Überprüfung einer örtlich umschriebenen Baustelle folgendes festgestellt worden sei:

1. Beim Abbruch eines ca. 2,60 m breiten und 3,0 m langen Deckenteiles seien drei Arbeitnehmer, die bereits ca. die Hälfte des 2,60 m breiten Deckenteiles abgebrochen hätten, mitsamt dem restlichen Deckenteil 4,0 m abgestürzt, da beim Abbruch zwischen den Trägern kein sicherer Standplatz vorhanden gewesen sei.

2. Von den insgesamt fünf auf der Baustelle zum Unfallzeitpunkt anwesenden Arbeitnehmern sei keiner als Anordnungsbefugter für die Einhaltung der für die Arbeitsstelle geltenden Arbeitnehmerschutzbestimmungen bestimmt und belehrt worden.

Der Beschwerdeführer habe dadurch Verwaltungsübertretungen und zwar zu 1. nach § 66 Abs. 3 der Bauarbeiterschutzverordnung (BGBl. Nr. 267/1954) in Verbindung mit § 31 Abs. 2 lit. p, § 33 Abs. 7 und § 33 Abs. 1 lit. a Z. 12 Arbeitnehmerschutzgesetz sowie zu 2. nach § 3 Abs. 2 der Bauarbeiterschutzverordnung in Verbindung mit denselben Bestimmungen des Arbeitnehmerschutzgesetzes begangen. Über den Beschwerdeführer wurden Geldstrafen und zwar zu 1. S 20.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 20 Tage) und zu 2. S 10.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 10 Tage) verhängt.

Die dagegen vom Beschwerdeführer erhobene Berufung wurde mit Bescheid der belangten Behörde vom hinsichtlich Punkt 1. (durch die Kammer) sowie mit Bescheid vom hinsichtlich Punkt 2. (durch das Einzelmitglied) jeweils als unbegründet abgewiesen.

Gegen diese beiden Bescheide richten sich die vorliegenden Beschwerden an den Verwaltungsgerichtshof. Dieser hat beschlossen, die beiden Rechtssachen wegen des persönlichen und sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung zu verbinden. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Zu I. (Bescheid vom ):

Gemäß § 33a VwGG kann der Verwaltungsgerichtshof die Behandlung einer Beschwerde gegen einen Bescheid des unabhängigen Verwaltungssenates in einer Verwaltungsstrafsache durch Beschluß ablehnen, wenn weder eine primäre Freiheitsstrafe noch eine S 10.000,-- übersteigende Geldstrafe verhängt wurde und die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil der unabhängige Verwaltungssenat von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Voraussetzungen für eine Ablehnung der vorliegenden Beschwerde nach dieser Gesetzesstelle sind erfüllt. Es wurde weder eine primäre Freiheitsstrafe noch eine S 10.000,-- übersteigende Geldstrafe verhängt. Die Fällung einer Sachentscheidung über die Beschwerde hängt auch von keiner Rechtsfrage ab, der grundsätzliche Bedeutung zukommt (vgl. insbesondere die Ausführungen zu II.).

Zu II. (Bescheid vom ):

Soweit der Beschwerdeführer vorbringt, wegen desselben Vorfalles sei gegen ihn vom Gericht ein Strafverfahren nach § 88 Abs. 1 und 4, erster Fall, StGB geführt worden, das schließlich rechtskräftig mit seinem Freispruch gemäß § 259 Z. 3 StPO beendet worden sei, ist zunächst gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG auf das hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 93/02/0110, zu verweisen, in welchem sich der Gerichtshof gleichfalls mit der Frage der "Subsidiarität" im Zusammenhang mit § 31 Abs. 2 lit. p Arbeitnehmerschutzgesetz auseinandergesetzt hat. Insbesondere hat der Gerichtshof dort unter Hinweis auf seine Vorjudikatur dargelegt, daß nur im Falle einer verurteilenden Entscheidung durch das Strafgericht eine Bindung der Verwaltungsstrafbehörde in der Frage bestehe, ob ein gerichtlich zu ahndender Tatbestand vorliege, der die Ahndung als Verwaltungsübertretung ausschließe; bei Freispruch und Einstellung des Verfahrens habe eine selbständige Prüfung durch die Verwaltungsstrafbehörde zu erfolgen, ob sie zur Ahndung zuständig sei.

Im vorliegenden Fall bringt der Beschwerdeführer u.a. vor, das Strafgericht habe einen Kausalitätszusammenhang zwischen der Körperverletzung (der abgestürzten Arbeitnehmer) einerseits und dem Verhalten des Beschwerdeführers andererseits nicht feststellen können, sodaß der Schuldbeweis im Sinne des Strafrechtes nicht erbracht worden sei. Damit räumt der Beschwerdeführer selbst ein, daß die ihm mit dem hier angefochtenen Bescheid vorgeworfene "Tat" nicht von einer gerichtlich strafbaren Tat umfaßt ist, sodaß die im § 31 Abs. 2 lit. p (letzter Halbsatz) Arbeitnehmerschutzgesetz enthaltene "Subsidiaritätsklausel" nicht die Bestrafung des Beschwerdeführers nach dieser Gesetzesstelle hinderte.

Soweit der Beschwerdeführer darauf hinweist, er sei als handelsrechtlicher Geschäftsführer für die kaufmännischen Agenden verantwortlich gewesen, während für die "Abwicklung und Überwachung von Bauvorhaben" der gewerberechtliche Geschäftsführer "bestellt" gewesen sei, ist zunächst zu bemerken: Der gewerberechtliche Geschäftsführer kann nach der ständigen hg. Rechtsprechung (vgl. etwa das Erkenntnis vom , Zl. 91/19/0373) nur für die Einhaltung der gewerberechtlichen Vorschriften zur Verantwortung gezogen werden; dazu gehören nicht die dem Schutz der Arbeitnehmer bei ihrer beruflichen Tätigkeit dienenden Normen. Was aber den Hinweis des Beschwerdeführers anlangt, hinsichtlich des gewerberechtlichen Geschäftsführers lägen alle Kriterien eines verantwortlichen Beauftragten im Sinne des § 9 Abs. 4 VStG vor, dieser habe "für den seiner Verantwortung unterliegenden, klar abgegrenzten Bereich eine entsprechende Anordnungsbefugnis zugewiesen erhalten und seiner Bestellung auch nachweislich zugestimmt", so wird damit nicht behauptet, daß der Beschwerdeführer dieses Vorbringen bereits im Verwaltungsverfahren gemacht und unter Beweis gestellt hat (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 91/19/0196). Gleiches gilt hinsichtlich der vom Beschwerdeführer vorgetragenen Behauptung, auf der Baustelle sei der Vorarbeiter M. als "Anordnungsbefugter eingeteilt" gewesen, sodaß in diesem Zusammenhang auch nicht mehr auf die Frage des Verschuldens des Beschwerdeführers trotz einer allfälligen Bestellung einer geeigneten Aufsichtsperson im Sinne des § 3 der Bauarbeiterschutzverordnung (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 90/19/0522) eingegangen werden muß. Daß aber der Beschwerdeführer sein mangelndes Verschulden durch die Einrichtung eines entsprechenden Maßnahmen- und Kontrollsystems, das unter vorhersehbaren Verhältnissen die Verletzung von Arbeitnehmerschutzvorschriften verhindert (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 91/19/0323) dargetan habe, ist nicht ersichtlich. Der Schuldspruch ist daher frei von Rechtsirrtum.

Auch die Strafbemessung begegnet im Ergebnis keinen Bedenken. Zu Recht wird in der Begründung des angefochtenen Bescheides darauf verwiesen, daß die verhängte Geldstrafe lediglich zwei Fünftel der zulässigen Höchststrafe beträgt. Selbst wenn man mit dem Beschwerdeführer einen "kausalen Zusammenhang" zwischen der ihm zur Last gelegten Verwaltungsübertretung und dem Arbeitsunfall verneint, kann von einem geringen Unrechtsgehalt nicht die Rede sein. Für ein geringes Verschulden des Beschwerdeführers ergibt sich kein Anhaltspunkt. Sohin ist eine Überschreitung des der Behörde eingeräumten Ermessensspielraumes nicht zu erblicken.

Die vorliegende Beschwerde erweist sich als unbegründet und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Ein Kostenzuspruch in der Beschwerdesache zu I. (Ablehnung der Behandlung der Beschwerde) findet nicht statt (vgl. etwa den hg. Beschluß vom , Zl. 93/02/0185). Aus demselben Grund ist der belangten Behörde lediglich die Hälfte des Vorlageaufwandes zuzusprechen, zumal die Aktenvorlage für beide Beschwerden gemeinsam erfolgte.