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VwGH vom 03.05.2005, 2002/18/0053

VwGH vom 03.05.2005, 2002/18/0053

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Stummer, über die Beschwerde des D, geboren 1972, vertreten durch Dr. Christian Falkner, Rechtsanwalt in 2500 Baden, Biondekgasse 4, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Salzburg vom , Zl. Fr-70/3/98, betreffend Zurückweisung eines Antrages gemäß § 75 Abs. 1 des Fremdengesetzes 1997, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Salzburg vom wurde auf Grund des Antrages des Beschwerdeführers, eines albanischen Staatsangehörigen, vom auf Feststellung der Unzulässigkeit der Abschiebung nach Albanien festgestellt, dass keine stichhaltigen Gründe für die Annahme bestünden, dass er in diesem Staat im Sinn des § 57 Abs. 1 und/oder 2 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, bedroht sei.

Der Beschwerdeführer erhob gegen diesen Bescheid die Berufung vom .

2. Mit Bescheid vom sprach die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Salzburg (die belangte Behörde) aus, dass die Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 66 Abs. 4 AVG abgewiesen und der erstinstanzliche Bescheid dahin abgeändert werde, dass der Antrag des Beschwerdeführers vom als unzulässig zurückgewiesen werde.

Begründend führte die belangte Behörde aus, dass sie mit "Teilberufungsbescheid" vom gemäß § 38 AVG das Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung des den Beschwerdeführer betreffenden Asylverfahrens ausgesetzt habe. Dieser habe am beim Bundesasylamt einen Asylantrag gestellt und gegen die negative Entscheidung des Bundesasylamtes berufen. Seine Berufung sei mit Bescheid des Bundesministers für Inneres abgewiesen worden. Gegen den Berufungsbescheid habe der Beschwerdeführer an den Verwaltungsgerichtshof Beschwerde erhoben.

Mit Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom , welcher am in Rechtskraft erwachsen sei, sei das Asylverfahren endgültig negativ abgeschlossen worden. Gemäß § 8 des Asylgesetzes 1997 - AsylG habe die Asylbehörde dabei auch festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in seinen Herkunftsstaat zulässig sei.

Auf Grund der Bestimmung des § 75 Abs. 1 zweiter Satz FrG sei daher spruchgemäß zu entscheiden gewesen.

3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

4. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die mit "Feststellung der Unzulässigkeit der Abschiebung in einen bestimmten Staat" überschriebene Bestimmung des § 75 Abs. 1 FrG hat folgenden Wortlaut:

"§ 75. (1) Auf Antrag eines Fremden hat die Behörde mit Bescheid festzustellen, ob stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dieser Fremde in einem von ihm bezeichneten Staat gemäß § 57 Abs. 1 oder 2 bedroht ist. Dies gilt nicht, insoweit über die Frage der Unzulässigkeit der Abschiebung in einen bestimmten Staat die Entscheidung einer Asylbehörde vorliegt oder diese festgestellt hat, dass für den Fremden in einem Drittstaat Schutz vor Verfolgung besteht."

Gemäß § 8 AsylG hat die Behörde, dann, wenn ein Asylantrag abzuweisen ist, von Amts wegen bescheidmäßig festzustellen, ob die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der Fremden in den Herkunftsstaat zulässig ist (§ 57 FrG); diese Entscheidung ist mit der Abweisung des Asylantrages zu verbinden.

2. Die Beschwerde bringt (u.a.) vor, dass der im angefochtenen Bescheid genannte Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom nicht rechtskräftig erlassen worden sei, weil er dem Beschwerdeführer nicht rechtswirksam zugestellt worden sei, weshalb § 75 Abs. 1 zweiter Satz FrG nicht hätte angewendet werden dürfen.

3. Dieses Vorbringen führt die Beschwerde zum Erfolg.

3.1. Vorauszuschicken ist, dass es der Fremdenpolizeibehörde nach § 75 Abs. 1 zweiter Satz FrG nicht erst dann verwehrt ist, eine Feststellung betreffend die Zulässigkeit oder Unzulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in den Herkunftsstaat zu treffen, wenn der die Entscheidung nach § 8 AsylG umfassende Bescheid in Rechtskraft erwachsen ist, sondern bereits dann, wenn ein solcher Bescheid zugestellt und damit erlassen worden ist, auch wenn dagegen Berufung erhoben worden und dieser daher nicht rechtskräftig geworden ist (vgl. aus der hg. Rechtsprechung etwa die Erkenntnisse vom , Zl. 2003/18/0013, und vom , Zl. 99/18/0224).

3.2. Aus den Verwaltungsakten geht hervor, dass mit dem Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom über die vom Beschwerdeführer gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom erhobene Berufung entschieden wurde (vgl. dazu den "AIS-Auszug" vom , S. 133 der Akten der belangten Behörde). Dieser - vor Inkrafttreten des AsylG ergangene - erstinstanzliche Asylbescheid enthält keinen Ausspruch nach § 8 leg. cit (vgl. dazu S. 61 der Akten der belangten Behörde).

Bei Zutreffen des Beschwerdevorbringens, dass der Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates - laut den von der Beschwerde insoweit nicht bestrittenen Ausführungen im angefochtenen Bescheid sei "dabei" auch gemäß § 8 AsylG festgestellt worden, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in seinen Herkunftsstaat zulässig sei - dem Beschwerdeführer nicht zugestellt und ihm gegenüber nicht erlassen worden sei, stünde die Zurückweisung des gegenständlichen Feststellungsantrags nach § 75 Abs. 1 FrG mit dem Gesetz nicht in Einklang.

3.3. Der Berücksichtigung dieses Vorbringens steht das im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltende Neuerungsverbot (vgl. § 41 Abs. 1 VwGG) aus folgenden Gründen nicht entgegen:

Mit dem erstinstanzlichen Bescheid vom wurde über den Feststellungsantrag des Beschwerdeführers vom meritorisch entschieden. Schon im Hinblick auf diese meritorische Erledigung bestand für den Beschwerdeführer keine Veranlassung, in seiner dagegen erhobenen Berufung vom auf die Zulässigkeit des Feststellungsantrages unter dem Blickwinkel des § 8 AsylG einzugehen.

Mit Bescheid vom hat die belangte Behörde das gegenständliche Berufungsverfahren gemäß § 38 AVG bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Asylverfahrens ausgesetzt und in der Begründung dieses Bescheides (u.a.) auf die Regelungen des § 75 Abs. 1 FrG und des § 8 AsylG hingewiesen (vgl. S. 117 der Akten der belangten Behörde). Mit Schreiben vom teilte das Bundesasylamt mit, dass die Berufung des Beschwerdeführers (gegen den erstinstanzlichen Asylbescheid) mit Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom gemäß § 7 AsylG abgewiesen worden sei und dieser Berufungsbescheid am in Rechtskraft erwachsen sei (vgl. S. 121 der Akten der belangten Behörde). In weiterer Folge erließ die belangte Behörde den vorliegend angefochtenen Zurückweisungsbescheid.

Den Verwaltungsakten kann nicht entnommen werden, dass die belangte Behörde vor Bescheiderlassung dem Beschwerdeführer zur Kenntnis gebracht habe, dass ein Bescheid gemäß § 8 AsylG erlassen worden sei, oder ihm die Gelegenheit eingeräumt worden sei, zu dieser Annahme Stellung zu nehmen.

Bezieht die Behörde - wie im Beschwerdefall - in ihre rechtliche Würdigung Sachverhaltselemente ein, die dem Beschwerdeführer nicht bekannt waren, so verstößt sie gegen das auch im Verwaltungsverfahren geltende "Überraschungsverbot" (vgl. etwa die in Hauer/Leukauf, Verwaltungsverfahren6, zu § 37 AVG E 1e zitierte hg. Judikatur). Will die Berufungsbehörde ihrer Entscheidung in wesentlichen Punkten einen anderen Sachverhalt unterstellen als die erstinstanzliche Behörde, muss sie zur Wahrung des Parteiengehörs der Partei Gelegenheit geben, sich zu den neuen Sachverhaltsannahmen zu äußern (vgl. etwa die in Hauer/Leukauf, aaO, zu § 37 AVG E 65c zitierte hg. Rechtsprechung).

Im vorliegenden Fall hat daher die belangte Behörde den Beschwerdeführer in seinem Recht auf Parteiengehör verletzt, weshalb das zitierte Beschwerdevorbringen zulässig ist.

3.4. Vor dem Hintergrund dieses Vorbringens können die im angefochtenen Bescheid enthaltenen Sachverhaltsfeststellungen die darin getroffene weitere Annahme, dass der Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom in Rechtskraft erwachsen sei, was voraussetzt, dass dieser Bescheid gegenüber dem Beschwerdeführer rechtswirksam erlassen wurde, nicht tragen, ergibt sich doch aus dem angefochtenen Bescheid nicht, auf welche Weise und zu welchem Zeitpunkt gegenüber dem Beschwerdeführer ein bescheidmäßiger Abspruch nach § 8 AsylG ergangen sei.

Wenn die belangte Behörde in ihrer im Beschwerdeverfahren erstatteten Gegenschrift vom vorbringt, dass sie auf Grund einer "AIS-Auskunft" vom rechtskräftigen Abschluss des Asylverfahrens Kenntnis erlangt habe und der Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates dem Beschwerdeführer nachweislich durch Hinterlegung zugestellt worden sei, so ist damit für ihren Standpunkt nichts gewonnen, können doch Ausführungen in einer Gegenschrift dem angefochtenen Bescheid fehlende Feststellungen nicht ersetzen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 98/18/0161, mwN).

4. Der angefochtene Bescheid war sohin gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

5. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Wien, am