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VwGH vom 28.05.1998, 96/15/0083

VwGH vom 28.05.1998, 96/15/0083

Beachte

Serie (erledigt im gleichen Sinn):

96/15/0084 E

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Fuchs, Dr. Zorn und Dr. Robl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Hajicek, über die Beschwerde der A in S, vertreten durch Dr. Kurt Ludwig Breit, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Dominikanerbastei 22/2, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland (Berufungssenat IX) vom , Zl. GA 6-94/5087/05, betreffend Einkommensteuer für das Jahr 1988, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.800,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom setzte das Finanzamt die Einkommensteuer für das Jahr 1988 mit S 220.389,72 fest, wobei es von den Angaben der Beschwerdeführerin in der Einkommensteuererklärung für 1988 vom ausging und auch für einen Betrag von S 856.200,-- die Tarifbegünstigung nach § 37 Abs. 1 EStG 1972 zuerkannte.

Am langte beim Finanzamt eine berichtigte Einkommensteuererklärung für 1988 ein, in welcher Einkünfte aus Gewerbebetrieb als Beteiligter an der S-KG in Höhe von S 6.545,-- verzeichnet wurden. Hinsichtlich der Einkünfte aus Gewerbebetrieb "als Einzelunternehmer" (richtig wohl: als Mitunternehmer der KG) in Höhe von S 1,000.000,-- wurde gemäß § 37 Abs. 2 EStG 1972 der Hälftesteuersatz beantragt.

Mit Bescheid vom wurden die im Kalenderjahr 1988 durch die S-KG erzielten Einkünfte gemäß § 188 BAO festgestellt und der Beschwerdeführerin mit einem Anteil von S 6.545,-- zugerechnet.

Mit dem gemäß § 295 Abs. 1 BAO geänderten Einkommensteuerbescheid für 1988 vom setzte das Finanzamt die Einkommensteuer mit S 559.460,-- fest und verweigerte die Anerkennung des beantragten Hälftesteuersatzes.

Die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung wies die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid vom ab. In der Begründung ging die belangte Behörde von einer Beteiligung der Beschwerdeführerin im Jahr 1988 mit 45,44 % als Kommanditistin an der S-KG aus. In einem zwischen den Gesellschaftern der KG und der KG selbst als Verkäufer und Herrn K als Käufer abgeschlossenen Vorvertrag für eine geplante Geschäftsveräußerung sei letzterem ein an Dritte übertragbares Vorkaufsrecht für das Objekt eingeräumt und ein Angeld in Höhe von S 2,000.000,-- vereinbart worden, das bei Nichtzustandekommen des Kaufvertrages verfallen sollte. In dem gemäß § 295 Abs. 1 BAO geänderten Einkommensteuerbescheid für 1988 sei die beantragte Tarifbegünstigung nicht berücksichtigt worden, zumal durch das Nichtzustandekommen der Grundstücksveräußerung der Beschwerdeführerin kein meßbarer, materieller Schaden entstanden sei und auch im Vorvertrag weder formal noch inhaltlich eine Entschädigung vereinbart, sondern nichts anderes als ein befristetes Vorkaufsrecht an Herrn K eingeräumt worden sei. Der in Rede stehende Betrag sei daher nicht als Entschädigung, sondern als Entgelt für ein gewährtes Recht anzusehen. Der anwaltliche Vertreter der Beschwerdeführerin habe dazu mitgeteilt, daß es sich bei dem gegenständlichen Vorvertrag um kein Vorkaufsrecht, sondern um einen echten Vorvertrag handle, wobei sämtliche wesentliche Bedingungen des später abzuschließenden Kaufvertrages bereits enthalten gewesen seien. Wirtschaftlich stelle der Betrag von S 2,000.000,-- einen pauschalierten Schadenersatz dar, der nach dem Willen des später verstorbenen Herrn S bei Nichtzustandekommen des Kaufvertrages jene Schäden abdecken sollte, die durch die lange Bindungsfrist, durch das Entgehen anderer Verkaufsmöglichkeiten und auch dadurch entstanden seien, daß während der Bindungsfrist Investitionen, welche für das Jahr 1987 geplant gewesen seien, nicht hätten durchgeführt werden können.

Entschädigungen für Vermögenseinbußen seien keine Entschädigung im Sinne des § 32 Z. 1 EStG 1972. Der Umstand, daß eine Wertminderung am Vermögen oder auch der Verlust eines Vermögensgegenstandes meist mit einer Minderung oder dem Entgang künftiger Erträge verbunden sei, mache die Entschädigung für die Vermögenseinbuße noch nicht zum Ersatz für künftig entgehende Einnahmen. Das für die Entwertung des Unternehmens erhaltene Angeld stelle somit eine Entschädigung für Vermögenseinbußen dar, die aber keiner Entschädigung im Sinne des § 32 Z. 1 EStG 1972 entspreche. Selbst der Umstand, daß eine Schmälerung des Unternehmenswertes wiederum mit Umsatz- und Gewinnrückgängen verbunden sei, mache die Entschädigung für die Vermögenseinbuße noch nicht zum Ersatz für künftig entgehende Einnahmen.

Sei ein Bescheid von einem Feststellungsbescheid abzuleiten, so sei er gemäß § 295 Abs. 1 BAO ohne Rücksicht darauf, ob die Rechtskraft eingetreten ist, im Fall der nachträglichen Abänderung, Aufhebung oder Erlassung des Feststellungsbescheides von Amts wegen durch einen neuen Bescheid zu ersetzen. Der Anlaß für die gemäß § 295 Abs. 1 BAO durchgeführte Änderung des Einkommensteuerbescheides für das Jahr 1988 sei die Mitteilung über die gesonderte Feststellung gewesen, wonach auf die Beschwerdeführerin von den durch die Firma S-KG erzielten und gemäß § 188 BAO festgestellten Einkünften solche aus Gewerbebetrieb in Höhe von S 6.545,-- entfielen. Im Zuge dieser Bescheidänderung sei der beantragte Hälftesteuersatz für das in Rede stehende Angeld im Gegensatz zum Erstbescheid nicht berücksichtigt worden. § 295 BAO ermögliche, den abgeleiteten Bescheid auch in Belangen abzuändern, die über den Änderungsgrund hinausreichen. Seien die Voraussetzungen für eine Folgeänderung nach § 295 BAO erfüllt, müsse es zu einer entsprechenden Maßnahme kommen; für ein Ermessen sei hier kein Raum.

Zum Vorwurf der Beschwerdeführerin, das Vorgehen der Behörde verstoße gegen den Grundsatz von Treu und Glauben, führte die belangte Behörde aus, daß das Abgehen von einer Verwaltungsübung, von einer einmal bezogenen und fortgeführten Rechtsauffassung oder einer einmal eingeschlagenen Tatsachenwürdigung keine Rechtswidrigkeit bedeute, wenn die Behörde eine nachträglich als gesetzwidrig, also als objektiv unrichtig erkannte Position aufgebe und zu einer gesetzmäßigen, richtigen Position übergehe. Im Gegenteil sei die Behörde dazu sogar verpflichtet. Aus einer rechtswidrigen Verwaltungsübung könne kein Anspruch auf Beibehaltung abgeleitet werden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn erkennbar wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Zur behaupteten Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften bringt die Beschwerdeführerin im wesentlichen vor, die Behörde hätte keinen Einkommensteuerbescheid gemäß § 295 Abs. 1 BAO über Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von S 1,006.545,-- erlassen dürfen, weil ein Feststellungsbescheid über die einheitliche Feststellung der Einkünfte über lediglich S 6.545,-- existiere. Der abgeleitete Bescheid stimme also diesbezüglich nicht mit dem Grundlagenbescheid überein.

Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerdeführerin eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.

Gemäß § 295 Abs. 1 BAO ist ein Bescheid, welcher von einem Feststellungsbescheid abzuleiten ist, ohne Rücksicht darauf, ob die Rechtskraft eingetreten ist, im Fall der nachträglichen Abänderung, Aufhebung oder Erlassung des Feststellungsbescheides von Amts wegen durch einen neuen Bescheid zu ersetzen, oder, wenn die Voraussetzungen für die Erlassung des abgeleiteten Bescheides nicht mehr vorliegen, aufzuheben. Mit der Änderung oder Aufhebung des abgeleiteten Bescheides kann gewartet werden, bis die Abänderung oder Aufhebung des Feststellungsbescheides oder der nachträglich erlassene Feststellungsbescheid rechtskräftig geworden ist.

§ 295 BAO sieht nicht nur den Fall der Änderung des Feststellungsbescheides vor; vielmehr wird seit der insoweit klarstellenden Novelle BGBl. Nr. 134/1969 der Fall der nachträglichen Erlassung des Feststellungsbescheides ausdrücklich erwähnt. Schon vor dieser Gesetzesänderung hat der Verwaltungsgerichtshof aber die in Rede stehende Bestimmung in diesem Sinne ausgelegt (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Slg. Nr. 4798/F). § 295 BAO ordnet dem Gebot der Folgeänderung somit auch Fälle unter, in denen der Grundlagenbescheid später ergeht als der Folgebescheid (vgl. dazu unter anderem das hg. Erkenntnis vom , Zl. 90/14/0148). Es besteht keine Verpflichtung der Behörde, mit der Erlassung eines abgeleiteten Bescheides bis zur Erlassung bzw. Abänderung des Grundlagenbescheides zuzuwarten (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 94/16/0176).

Vorliegend wurde ein Grundlagenbescheid gemäß § 188 BAO über die Einkünfte der S-KG nach Erlassung des die Beschwerdeführerin betreffenden Einkommensteuerbescheides für das Jahr 1988 erlassen, weshalb die Behörde gemäß § 295 Abs. 1 BAO zur Erlassung eines neuen Einkommensteuerbescheides an sich berechtigt war. Nach der früheren Bestimmung des § 218 Abs. 4 RAO war eine Folgeänderung dergestalt normiert, daß neue Bescheide zu ergehen hatten, "die der Änderung Rechnung tragen". Demnach durfte der Bescheid höherer Ordnung nur insoweit geändert werden, als der Grundlagenbescheid geändert wurde. § 295 BAO kennt eine solche Einschränkung nicht und ermöglicht daher, den abgeleiteten Bescheid auch in Belangen abzuändern, die über den Änderungsgrund hinausreichen, denn der bisherige abgeleitete Bescheid tritt zur Gänze außer Kraft. Der neue Bescheid ist aber folgerichtig dann auch in vollem Umfang, also nicht nur hinsichtlich des Änderungsgrundes oder der tatsächlich durchgeführten Änderung anfechtbar, allerdings gemäß § 252 BAO nicht mit Gründen, die gegen den vorangehenden Grundlagenbescheid zu richten gewesen wären (Stoll, BAO Kommentar, Band 3, Seite 2862, unter Hinweis auf die hg. Rechtsprechung; Ritz, BAO Kommentar, § 295/Tz. 8). Die belangte Behörde verkannte aber insofern die Rechtslage, als sie die Bindungswirkung des § 192 BAO nicht berücksichtigte, derzufolge im Einkommensteuerverfahren die gemäß § 188 BAO erfolgte einheitliche und gesonderte Feststellung von Einkünften maßgeblich ist. Um im Rahmen der Einkünfte aus Gewerbebetrieb Berücksichtigung finden zu können, hätte das Angeld in anteiliger Höhe in den Feststellungsbescheid aufgenommen werden müssen. Indem die belangte Behörde diese Rechtslage verkannte, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich im Rahmen des Begehrens auf die §§ 47 Abs. 1, 48 Abs. 1 VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.