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VwGH vom 16.06.1999, 99/01/0024

VwGH vom 16.06.1999, 99/01/0024

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Bachler und Dr. Rigler als Richter, im Beisein des Schriftführers DDDr. Jahn, über die Beschwerde des LR, geboren am , vertreten durch Dr. Richard Soyer und Mag. Wilfried Embacher, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Kärntner Ring 6, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom , Zl. 206.294/0-XII/37/98, betreffend Abweisung des Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Antrag des Beschwerdeführers vom auf Asylgewährung wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes vom als offensichtlich unbegründet abgewiesen. Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer persönlich am ausgefolgt. Dem Bescheid war eine Übersetzung des Spruches und der Rechtsmittelbelehrung in englisch (einer dem Beschwerdeführer verständlichen Sprache) beigeschlossen. Nach der zum damaligen Zeitpunkt geltenden Fassung des § 32 Abs. 1 erster Satz AsylG 1997 endete die Frist für die Einbringung der Berufung mit Ablauf des . Mit Schriftsatz vom beantragte der Beschwerdeführer die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Erhebung der Berufung gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom , zugestellt am . Der Antrag ist folgendermaßen begründet:

"Mit Bescheid der BH Baden vom wurde über den Berufungswerber die Schubhaft angeordnet. Der Berufungswerber wurde an diesem Tag in Haft genommen (vgl. Kopie des Bescheides der BH Baden vom ).

Dem Berufungswerber wurde einige Tage nach seiner Einlieferung in das PGH Roßauer Lände ein Informationsformular über mögliche Besuche durch den Sozialen Dienst ausgehändigt und wurde dies vom Berufungswerber auch verlangt. Auf Grund eines Hungerstreiks wurde der Berufungswerber am enthaftet. Eine Kontaktaufnahme mit einem von ihm gewünschten Rechts- bzw. sonstigen Beistand kam bis zu diesem Zeitpunkt nicht zu Stande.

Die unmittelbare im Anschluss an die Übergabe des negativen Asylbescheides erfolgte Inschubhaftnahme des Berufungswerbers und die fehlende Möglichkeit der Kontaktaufnahme mit einem Rechts- bzw. sonstigen Beistand sowie die unrichtige Rechtsmittelbelehrung stellen aus der Sicht des Berufungswerbers ein unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis im Sinne des § 71 AVG dar, welches die Wiedereinsetzung in die versäumte Berufungsfrist rechtfertigt.

Im Erkenntnis 93/01/1117 hat der VwGH festgehalten, dass sicherzustellen ist, dass ein Asylwerber - auch oder gerade wegen der Einengung seiner Freiheit während der Schubhaft - den von ihm gewünschten Rechts- oder sonstigen Beistand rechtzeitig erhält, ohne ihm aber ständige Urgenzen zuzumuten.

Der Wegfall des Hindernisses erfolgte durch die Enthaftung des Berufungswerbers am , die Frist zur Stellung des Wiedereinsetzungsantrages gemäß § 71 Abs. 5 AVG ist sohin gewahrt.

Ergänzend ist auszuführen, dass der Berufungswerber sich über den Inhalt des vorliegenden Bescheides nicht bewusst war und er selbst bei der Übersetzung des selben vor unüberwindlichen Hindernissen gestanden wäre."

Das Bundesasylamt wies den Antrag mit Bescheid vom ab. Die dagegen erhobene Berufung wurde mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid gemäß § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG abgewiesen. Der angefochtene Bescheid wurde am dem Beschwerdeführer zugestellt, er erhob mit Schriftsatz vom , eingelangt im Verwaltungsgerichtshof am , Beschwerde. Der Beschwerdeführer macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde, verzichtete jedoch auf die Erstattung einer Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Im gegenständlichen Fall kann dahingestellt bleiben, ob die Aufhebung der in § 32 Abs. 1 erster Satz AsylG enthaltenen Wortfolge "als offensichtlich unbegründet abgewiesen oder" durch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , G 210/1998, u.a., kundgemacht im Bundesgesetzblatt am (BGBl. I Nr. 41/1999), überhaupt eine Anlassfallwirkung auf gegenständlichen Fall entfaltet. Die im hg. Erkenntnis vom , Zl. 98/01/0258 (auf das gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird), ausgeführten nachteiligen Folgen der zweitägigen Berufungsfrist zum Zeitpunkt der Zustellung des Bescheides erster Instanz liegen im konkreten Fall jedenfalls deshalb nicht vor, weil der Beschwerdeführer auch die zweiwöchige Berufungsfrist des § 63 Abs. 5 AVG iVm § 23 AsylG ablaufen ließ, ohne dass er innerhalb dieser Zeit Berufung erhoben hat.

Der im Verwaltungsverfahren herrschende Grundsatz der amtswegigen Ermittlung der materiellen Wahrheit entbindet einen Wiedereinsetzungswerber nicht von der Pflicht, alle Wiedereinsetzungsgründe innerhalb der gesetzlichen Frist vorzubringen und glaubhaft zu machen. Gerade zufolge der Befristung eines Wiedereinsetzungsantrages ist es nicht Sache der Behörde, tatsächliche Umstände zu erheben, die einen Wiedereinsetzungsantrag bilden können. (vgl. die in Hauer/Leukauf, Handbuch des Verwaltungsverfahrens5, Seite 681 wiedergegebene

hg. Rechtsprechung). Die bloße Tatsache der Schubhaftnahme bildet allein für sich - wie die belangte Behörde zu Recht ausführt - keinen Verhinderungsgrund im Sinne des § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG. Ein solcher läge nur dann vor, wenn nicht sichergestellt wäre, dass ein Schubhäftling während der Einengung seiner Freiheit den von ihm gewünschten Rechts- oder sonstigen Beistand rechtzeitig erhält (ohne ihm ständige Urgenzen zuzumuten) bzw. wenn ihm auch die Möglichkeit genommen wäre, trotz eines diesbezüglichen Wunsches keine Berufung verfassen und einbringen zu können (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 93/01/1117). Es kommt daher wesentlich darauf an, dass der Beschwerdeführer im Wiedereinsetzungsantrag konkret in nachvollziehbarer Weise (zB. durch Nennung des Tages, der Aufsichtsperson) glaubhaft macht, dass er in der Schubhaft den Wunsch geäußert habe, in Kontakt mit einem Rechtsvertreter gelangen zu können bzw. Schreibmaterial zu erhalten, um selbst eine Berufung erheben zu können und dass diese Wünsche abgelehnt oder ignoriert worden wären.

Der Beschwerdeführer behauptet auch nicht, dass er während der Zeit seines Hungerstreiks (dessen Beginn er zudem nicht ausführt) dispositionsunfähig gewesen sei.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Von der vom Beschwerdeführer beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am

Fundstelle(n):
HAAAE-53756