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VwGH vom 18.06.1993, 90/17/0383

VwGH vom 18.06.1993, 90/17/0383

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Kramer, Dr. Puck, Dr. Gruber und Dr. Höfinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schidlof, über die Beschwerde der L-Gesellschaft m.b.H. & Co. KG in W, vertreten durch Dr. F, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Abgabenberufungskommission der Bundeshauptstadt Wien vom , Zl. MDR - H 14/90, betreffend die Vorschreibung von Getränkesteuer sowie eines Säumnis- und Verspätungszuschlages, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Bundeshauptstadt Wien hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.540,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1.1. Mit Bescheid des Magistrates der Bundeshauptstadt Wien vom wurde der beschwerdeführenden Gesellschaft "gemäß der §§ 1, 3 und 9 des Getränkesteuergesetzes für Wien 1971, LGBl. für Wien Nr. 2, in der geltenden Fassung, und des Beschlusses des Wiener Gemeinderates vom , Pr. Z. 921, über die Ausschreibung einer Abgabe auf den Verbrauch von Bier, verlautbart im Amtsblatt der Stadt Wien Nr. 17 vom , sowie der §§ 145 und 149 Abs. 2 der Wiener Abgabenordnung - WAO, LGBl. für Wien Nr. 21/1962, in der geltenden Fassung" für die Zeit vom bis eine Getränkesteuer im Betrag von S 146.957,-- zur Zahlung vorgeschrieben; gleichzeitig wurden gemäß § 104 Abs. 1 WAO wegen unterlassener Einbringung der Getränkesteuererklärung ein Verspätungszuschlag von S 3.051,-- sowie gemäß §§ 164 und 166 WAO wegen nicht fristgerechter Entrichtung der Getränkesteuer ein Säumniszuschlag in Höhe von S 2.173,-- auferlegt.

Begründend heißt es in diesem Bescheid im wesentlichen, es seien für den genannten Prüfungszeitraum keine vollständigen Unterlagen hinsichtlich der entgeltlichen Abgabe von Frühstücksgetränken vorgelegt worden, weshalb die daraus erzielten Losungen und die hierauf entfallende Getränkesteuer hätten geschätzt werden müssen. Der geschätzte Getränkeanteil des Frühstückes betrage 40 % der Losungsabrechnung; die gesamte Bemessungsgrundlage für die Getränkesteuer mache S 1,469.572,18 aus (Bier- und Erfrischungsgetränke: S 383.243,19;

Frühstücksgetränke: S 1,086.328,99).

In der dagegen erhobenen Berufung machte die beschwerdeführende Gesellschaft unter Hinweis auf § 5 des Getränkesteuergesetzes für Wien 1971 im wesentlichen geltend, daß sie hinsichtlich der Frühstücksgetränke nicht als Steuerpflichtige anzusehen sei. Sie betreibe einen Beherbergungsbetrieb, bei welchem Übernachtungen sowohl mit als auch ohne Frühstück möglich seien. Da die Zubereitung eines Frühstückes im eigenen Hotel auf Grund der räumlichen und personellen Situation unmöglich gewesen sei, sei mit dem benachbarten Kaffeehausbetrieb eine Vereinbarung geschlossen worden, nach der sich dieser verpflichtet hätte, das Frühstück für die Hotelgäste zu verabreichen. Der Kaffeehausbetrieb habe die an die Hotelgäste verabreichten Portionen der beschwerdeführenden Gesellschaft monatlich in Rechnung gestellt; die steuerpflichtigen Frühstücksgetränke seien daher unbestreitbar vom Kaffeehausbetrieb abgegeben worden.

1.2. Mit Berufungsvorentscheidung vom wies der Magistrat der Stadt Wien diese Berufung als unbegründet ab. Begründend heißt es in diesem Bescheid, auf Grund einer Vereinbarung zwischen der beschwerdeführenden Gesellschaft und der Kaffeehausbesitzerin Frau H (Cafe D) seien die für die Hotelgäste vorgesehenen Frühstücke im Kaffeehaus auf Grund eines Berechtigungsbons des Hotels verabreicht worden. Um einen Berechtigungsbon zum Konsum eines Frühstückes zu erhalten, habe der Hotelgast eine Zahlung an das Hotel leisten müssen. Das Hotel habe dem Gast nicht den durch die Kaffeehausbesitzerin dem Hotel verrechneten, sondern einen höheren Preis in Rechnung gestellt. Daraus ergebe sich, daß die Kaffeehausbesitzerin nur in Vertretung der Letztverbraucher aufgetreten sei; sie habe vermittlungsweise ihre Räumlichkeiten und das Bedienungspersonal für die Hotelgäste zur Verfügung gestellt. Die Betreiberin des Kaffeehausbetriebes sei daher hinsichtlich der von den Hotelgästen konsumierten Frühstücksgetränke nicht als Wiederverkäuferin, sondern nur als Vermittlerin anzusehen. Schließlich spreche der Berechtigungsbon, der nur im Kaffeehausbetrieb hätte eingelöst werden können, für die entgeltliche Abgabe der Frühstücksgetränke durch die Hotelbetreiberin.

1.3. Auf Grund des Vorlageantrages der beschwerdeführenden Gesellschaft änderte die Abgabenberufungskommission der Bundeshauptstadt Wien mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom den Spruch des erstinstanzlichen Bescheides unter Abweisung der Berufung dahingehend, daß nach den (den Verspätungszuschlag betreffenden) Worten "wegen unterlassener Einbringung der Getränkesteuererklärung" die Wortfolge "für den Zeitraum Jänner 1982 bis Dezember 1983" einzufügen sei. In der Begründung dieses Bescheides wurde festgestellt, daß die beschwerdeführende Partei einen Hotelbetrieb führe. Habe ein Hotelgast ein Frühstück konsumieren wollen, sei ihm von der beschwerdeführenden Gesellschaft ein Betrag von S 30,-- zuzüglich zum Zimmerpreis verrechnet worden. Als Gegenwert habe der Gast bis Mitte April 1988 einen Bon erhalten, der ihn zur Konsumation eines Frühstückes im benachbarten Kaffeehaus berechtigt habe; ab Mitte April 1988 sei dann die Abgabe des Frühstückes durch die beschwerdeführende Gesellschaft selbst erfolgt.

Im Hinblick auf den vorliegenden Sachverhalt könne es nicht zweifelhaft sein, daß der Getränkeanteil des Frühstückes der Getränkesteuer unterliege und die Steuerpflicht die beschwerdeführende Partei treffe. Die beschwerdeführende Gesellschaft habe sich gegenüber ihren Hotelgästen zur Einbringung einer vereinbarten Leistung, des Frühstückes, verpflichtet. Der Kaffeehausbetrieb, in dem die Abgabe des Frühstückes tatsächlich erfolgt sei, habe somit als Erfüllungsgehilfe der beschwerdeführenden Gesellschaft fungiert. Die Einnahmen aus dem Verkauf der Frühstücksbons seien der beschwerdeführenden Gesellschaft zugeflossen, wobei im Hinblick auf das von der Inhaberin des Kaffeehausbetriebes in Rechnung gestellte niedrigere Entgelt auch ausgeschlossen sei, daß die beschwerdeführende Gesellschaft bloß als Einkaufsmittlerin fungiert habe. Somit sei die Abgabe des Frühstückes im Namen und auf Rechnung der beschwerdeführenden Partei erfolgt.

1.4. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Nach dem gesamten Inhalt ihres Vorbringens erachtet sich die beschwerdeführende Gesellschaft in ihrem Recht verletzt, bezüglich der Frühstücksgetränke nicht als Steuerpflichtige herangezogen zu werden. Sie beantragt, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

1.5. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift.

2.0. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

2.1. Gemäß § 1 Abs. 1 des Getränkesteuergesetzes für Wien 1971, Anlage zur Wiederverlautbarungskundmachung LGBl. für Wien Nr. 2 (in der Folge: Wr GetrStG), unterliegt im Anwendungsbereich dieses Gesetzes die entgeltliche Abgabe von Getränken mit Ausnahme von Bier und Milch an den Letztverbraucher der Getränkesteuer. Steuerpflichtiger ist gemäß § 5 Abs. 1 Wr GetrStG, wer steuerpflichtige Getränke entgeltlich abgibt. Gemäß Art. IV Abs. 1 der Verordnung der Wiener Landesregierung vom zur Durchführung des Getränkesteuergesetzes für Wien, LGBl. für Wien Nr. 12 idF LGBl. Nr. 9/1952 und 7/1955 (im folgenden: Durchführungsverordnung), ist steuerpflichtig der Unternehmer, das ist derjenige, auf dessen Namen und Rechnung die Abgabe steuerpflichtiger Getränke erfolgt.

2.2. Im Beschwerdefall ist lediglich strittig, ob die beschwerdeführende Gesellschaft als Steuerpflichtige anzusehen ist oder nicht.

2.2.1. Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom , Zl. 81/17/0199, dargelegt hat, handelt es sich bei dem in § 1 Abs. 1 Wr GetrStG gebrauchten Ausdruck "entgeltliche Abgabe von Getränken" nicht um einen im Zivilrecht vorkommenden Ausdruck. Eine Verweisung des Abgabenrechtes auf zivilrechtliche Gesichtspunkte - so führte der Verwaltungsgerichtshof in diesem Erkenntnis weiter aus - sei daher durch den Gesetzeswortlaut nicht angezeigt. Da § 19 Abs. 1 WAO der wirtschaftlichen Betrachtungsweise den Vorzug gebe und die Getränkesteuer als Verbrauchsabgabe in erster Linie auf den Konsum an einem bestimmten Ort abstelle (vgl. auch die Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes vom , Slg. Nr. 2796, und vom , Slg. Nr. 8099), bestünde auch aus dem Regelungszweck kein sachgerechter Zusammenhang mit zivilrechtlichen Vorschriften, sei doch für den Konsum von Getränken nicht die Beschaffung der rechtlichen Verfügungsgewalt, sondern die Verschaffung der tatsächlichen Verfügungsgewalt des Letztverbrauchers entscheidend. Vom Verwaltungsgerichtshof sei die Vorschrift des § 1 Abs. 1 Wr GetrStG daher - obwohl sie nicht so eindeutig war, daß schon die grammatikalische Interpretation eine Gleichstellung des Begriffes der "entgeltliche Abgabe" mit der "entgeltlichen Einräumung der tatsächlichen Verfügungsgewalt" erfordert hätte (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Slg. Nr. 5106/F) - doch im Zusammenhang mit den anderen Bestimmungen des Getränkesteuergesetzes in diesem letzteren Sinn verstanden. Eine Auslegung, nach welcher es beim Begriff der entgeltlichen Abgabe der Getränke im Sinne des § 1 Abs. 1 Wr GetrStG auf die Einräumung der rechtlichen Verfügungsgewalt ankäme, lasse sich daher nicht als vertretbare Rechtsansicht erkennen. Als Ort der Abgabe sei somit jener Ort anzusehen, an welchem dem Letztverbraucher die TATSÄCHLICHE Verfügungsgewalt über die Getränke eingeräumt werde. Als Letztverbraucher sei dabei derjenige zu verstehen, der das Getränk vom Lieferer als Letzter gegen Entgelt übernehme, es also nicht zum Wiederverkauf erwerbe (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 83/17/0146).

2.2.2. Im Beschwerdefall ist unbestritten, daß zwei selbständige, getrennte Unternehmen - zum einen der Hotelbetrieb der beschwerdeführenden Gesellschaft und zum anderen der Kaffeehausbetrieb (Cafe D) - vorliegen. Es steht weiters außer Streit, daß die Frühstücksgetränke tatsächlich im Kaffeehausbetrieb an die Hotelgäste der beschwerdeführenden Gesellschaft abgegeben worden sind.

Wendet man die oben zum Begriff "entgeltliche Abgabe von Getränken" dargelegten Grundsätze auf den vorliegenden Beschwerdefall an und betrachtet man zunächst den rechtlichen Vorgang der Abgabe der Bons an die Hotelgäste, so ergibt sich, daß es auf die zivilrechtlichen Verhältnisse zwischen Hotelunternehmer, Hotelgast und Kaffeehausunternehmer, durch die der Gast seitens der beschwerdeführenden Gesellschaft den Anspruch eingeräumt bekommt, sein Frühstück von der Kaffeehausunternehmerin zu beziehen, nicht ankommt; entscheidend ist vielmehr, durch wen und durch welchen Vorgang dem Letztverbraucher die TATSÄCHLICHE Verfügungsgewalt über die Getränke eingeräumt wird. Die Einräumung des Anspruches zum Bezug eines Frühstückes anhand eines Berechtigungsbons durch die beschwerdeführende Gesellschaft erfüllt daher nicht das Tatbestandsmerkmal "Abgabe von Getränken an den Letztverbraucher" im Sinne des § 1 Wr GetrStG.

Zu prüfen ist aber auch der Vorgang der Abgabe der Frühstücksgetränke durch die Kaffeehausunternehmerin. Dieser Vorgang würde dann die Abgabepflicht der beschwerdeführenden Gesellschaft auslösen, wenn dieses Abgeben der Frühstücksgetränke der beschwerdeführenden Partei im Sinne des im angefochtenen Bescheid zitierten § 5 Abs. 1 Wr GetrStG ("wer steuerpflichtige Getränke entgeltlich abgibt") zugerechnet werden könnte. Ohne den Art. IV Abs. 1 der Durchführungsverordnung zu zitieren, welcher als steuerpflichtig den Unternehmer und diesen wiederum als denjenigen definiert, auf dessen Namen und Rechnung die Abgabe steuerpflichtiger Getränke erfolgt, kommt die belangte Behörde bei der rechtlichen Würdigung des festgestellten Sachverhaltes zum Ergebnis, die Frühstücksgetränke seien durch die Kaffeehausunternehmerin auf Namen und Rechnung der beschwerdeführenden Inhaberin des Hotelgewerbebetriebes abgegeben worden. Eine solche rechtliche Würdigung ist allerdings nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes bei der im angefochtenen Bescheid festgestellten Sachlage jedenfalls


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zu welchem Ergebnis immer eine gesetzeskonforme Auslegung der zitierten Verordnungsbestimmung gelangen möge - unzutreffend. Durch die oben unter Punkt 1.3. wiedergegebenen Feststellungen der belangten Behörde - dem Hotelgast, der ein Frühstück habe konsumieren wollen, sei von der Beschwerdeführerin ein Betrag von S 30,-- verrechnet worden, wofür der Gast einen Bon erhalten habe, der ihn zur Konsumation eines Frühstückes im benachbarten Kaffeehaus berechtigt habe - ist die rechtliche Würdigung, die beschwerdeführende Partei habe sich gegenüber ihren Hotelgästen zur Erbringung einer VEREINBARTEN LEISTUNG (FRÜHSTÜCK) VERPFLICHTET, der Kaffeehausbetrieb habe daher als Erfüllungsgehilfe fungiert, nicht gedeckt. Eine Verpflichtung dieses Inhaltes hat die beschwerdeführende Partei nach dem festgestellten Sachverhalt nicht übernommen. Es kann somit nicht davon gesprochen werden, daß die Getränke im Kaffeehaus an die Hotelgäste (Letztverbraucher) im Namen und auf Rechnung der beschwerdeführenden Gesellschaft abgegeben worden wären. Vielmehr spricht der festgestellte, dem Hotelgast als Letztverbraucher gegenüber in Erscheinung getretene Sachverhalt
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Ausfolgung von Bons zur Einnahme eines Frühstückes im entsprechenden Gegenwert in einem selbständigen Gastgewerbebetrieb mit eigener Geschäftsbezeichnung außerhalb des Hotels - gegen eine solche Zurechnung und dafür, daß die Kaffeehausinhaberin als Unternehmerin dem Letztverbraucher gegenüber in Erscheinung getreten ist.

2.3. Da jedoch die belangte Behörde die beschwerdeführende Gesellschaft in Verkennung der Rechtslage hinsichtlich des Bemessungszeitraumes bis Mitte April 1988 als Steuerpflichtige im Sinne des § 5 Wr GetrStG ansah, hat sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet. Der angefochtene Bescheid mußte daher im Hinblick auf die Untrennbarkeit seines Abspruches zur Gänze gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufgehoben werden.

2.4. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit Art. I Z. 1 sowie Art. III Abs. 2 der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991.