VwGH vom 29.01.1998, 96/15/0066
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Fuchs, Dr. Zorn und Dr. Robl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Hajicek, über die Beschwerde der L in Canada, vertreten durch Dr. Johannes Patzak, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Johannesgasse 16, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Steiermark (Berufungssenat) vom , Zl. B-L12-10/95, betreffend Umsatzsteuer 1992, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin ist eine Gesellschaft, die in Österreich weder ihren Sitz noch eine Betriebsstätte hat. Sie machte (für das Jahr 1992) durch die Einreichung einer Umsatzsteuervoranmeldung Vorsteuern in Höhe von S 85.790,50 geltend.
Im Zuge einer abgabenbehördlichen Prüfung stellte das Finanzamt fest, der von der Beschwerdeführerin für das Jahr 1992 erklärte Umsatz von S 1.000,-- resultiere aus der Lieferung eines einzigen Sackes Hefe (Gewicht 2 kg) an die Obstgenossenschaft Krems (im folgenden Obstgenossenschaft), sohin aus einer einzigen Lieferung. Diese Lieferung sei zudem in Österreich nicht umsatzsteuerbar, weil die Ware von Kanada aus direkt an die Obstgenossenschaft in Österreich gesandt worden sei.
Das Finanzamt erließ sodann einen Umsatzsteuerbescheid, mit welchem es keinen Vorsteuerabzug gewährte, aber Umsatzsteuer in Höhe von S 200,-- festsetzte.
Die Beschwerdeführerin berief gegen diesen Bescheid und beantragte die Anerkennung der geltend gemachten Vorsteuern. Das Finanzamt habe den Bescheid darauf gestützt, daß es nur eine Lieferung gegeben habe und diese zudem in Kanada erbracht worden sei. Dem halte die Beschwerdeführerin entgegen, daß die Ware von ihr zu ihren Handen nach Österreich verbracht und bei der Spedition G gelagert worden sei. Infolge des Konkurses der Spedition G seien deren Agenden von der Spedition P übernommen worden. Es liege kein Versendungsgeschäft von Kanada aus an die Obstgenossenschaft in Österreich vor, der Obstgenossenschaft sei erst in Österreich die Verfügungsmacht über die Ware übertragen worden. Soweit das Finanzamt seinen Bescheid darauf stütze, daß nur eine einzige Lieferung getätigt worden sei, verweise die Beschwerdeführerin darauf, daß sie die Einfuhrumsatzsteuer und die Zollspesen der Obstgenossenschaft weiterverrechnet habe. "Hiebei handelt es sich eindeutig um weiterverrechnete Spesen und damit um eine sonstige Leistung im Inland." Es lägen sohin eine Lieferung und eine sonstige Leistung in Österreich vor.
Das Finanzamt hielt der Beschwerdeführerin die Stellungnahme des Betriebsprüfers zur Berufung vor. In dieser Stellungnahme wird u.a. ausgeführt, § 12 Abs. 1 UStG 1972 normiere als Voraussetzung für den Vorsteuerabzug, daß Leistungen (Plural) im Inland erbracht worden seien; eine einzige Leistung vermittle sohin nicht das Recht auf Vorsteuerabzug. Den vorgelegten Zollpapieren sei zu entnehmen, daß die Beschwerdeführerin lediglich einen einzigen Sack Hefe verkauft habe. Die weiterverrechnete Einfuhrumsatzsteuer und die weiterverrechneten Zollspesen stellten keine eigene sonstige Leistung dar, sie teilten lediglich das Schicksal der zugrundeliegenden Hauptleistung. Im übrigen habe es keine Disposition der Beschwerdeführerin über die Ware in Österreich gegeben. Es liege ein Versendungsgeschäft im Sinne des § 3 Abs. 8 UStG 1972 von Kanada zur Obstgenossenschaft in Österreich vor; der Ort dieser Lieferung liege nicht in Österreich.
Auch in der abweisenden Berufungsvorentscheidung des Finanzamtes wird darauf verwiesen, daß aufgrund der Regelung des § 12 Abs. 1 UStG 1972 das Recht auf Vorsteuerabzug nicht durch einen einzigen Umsatz in Österreich begründet werden könne, die Beschwerdeführerin aber lediglich einen einzigen Sack Hefe verkauft habe. In der Weiterverrechnung von Einfuhrumsatzsteuer und Zollspesen könne keine sonstige Leistung erblickt werden. Zudem sei im gegenständlichen Fall die Ware von Kanada aus an den österreichischen Abnehmer versandt worden, sodaß der Ort der Lieferung nicht in Österreich liege.
Im Antrag der Beschwerdeführerin auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz wird vorgebracht, im "Doorspeed" der Fluglinie sei eine Adresse angegeben, die nicht mit jener der Obstgenossenschaft übereinstimme. Daraus ergebe sich, daß die Ware zu Handen der Beschwerdeführerin nach Österreich geliefert und erst anschließend in Österreich an die Obstgenossenschaft verkauft worden sei. Hinsichtlich der Weiterverrechnung der Einfuhrumsatzsteuer und der Zollspesen an die Obstgenossenschaft vertrete die Beschwerdeführerin die Ansicht, daß darin eine eigenständige sonstige Leistung gelegen sei.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Weder die Beschwerdeführerin noch die Obstgenossenschaft habe der Behörde jenes Schreiben vorweisen können, mit welchem die 2 kg Hefe bestellt worden seien. Der ehemalige Geschäftsführer der Obstgenossenschaft habe sich bei seiner Einvernahme "an genaue Geschäftsvorgänge im Jahr 1992" nicht mehr erinnern können. Normalerweise habe die Obstgenossenschaft eine geringere Menge Hefe (jährlich ca. 1/2 kg) zu einem geringeren Preis von einer ortsansässigen Firma angekauft. Der Ankauf von Hefe per Luftfracht aus einem außereuropäischen Land sei daher ein ungewöhnlicher Vorgang gewesen; aber trotz dieser Ungewöhnlichkeit habe sich der Geschäftsführer nicht mehr an den Vorgang erinnern können. Nach Ansicht der belangten Behörde habe die teure und umständliche Bestellung der Hefe für die Obstgenossenschaft keinen wirtschaftlichen Sinn ergeben. Der Bezug der Hefe beim ausländischen Händler (statt beim inländischen Großhändler) habe zur Anlastung sämtliche Spesen geführt; zudem sei mit 2 kg Hefe das Vierfache des üblichen Jahresbedarfes gekauft worden, wobei zu beachten sei, daß die Hefe mit längerer Lagerung einen "Aktivitätsverlust" erleide. Es sei nicht erläutert worden, aus welchen Gründen die Obstgenossenschaft trotz der mit zunehmender Dauer der Lagerung eintretenden Aktivitätseinbuße die vierfache Jahresmenge zu einem überhöhten Preis bezogen habe. In der von der Spedition P erstellten Warenerklärung sei die Obstgenossenschaft als Warenempfängerin angeführt; diese Vorgangsweise wäre nicht einsichtig, wenn die Ware zur Verfügung der Beschwerdeführerin nach Österreich geliefert worden wäre. Die Spedition P habe ihre Spesen (S 413,60 + S 300,-- Einfuhrumsatzsteuer) mit Rechnung vom der Beschwerdeführerin angelastet; diese habe sie mit Rechnung vom der Obstgenossenschaft weiterverrechnet. Die Einfuhrumsatzsteuer sei sowohl von der Beschwerdeführerin als auch von der Obstgenossenschaft als Vorsteuer geltend gemacht worden. Die Überwälzung der Verzollungs- und Abfertigungsspesen von der Beschwerdeführerin an die Obstgenossenschaft stelle keine umsatzsteuerliche Leistung dar; Auslagenersätze und Ersätze der vom Unternehmer geschuldeten Steuern gehörten auch dann zum Entgelt (für die Hauptleistung), wenn sie offen auf den Abnehmer überwälzt würden. Selbst wenn hinsichtlich der Hefelieferung von einer Lieferung im Sinn des § 1 UStG ausgegangen werden könnte, fehlte es sohin an einer zweiten selbständigen Lieferung. Hinsichtlich der Hefelieferung gelange die belangte Behörde jedoch zu der Überzeugung, daß sie "nicht im Rahmen eines auf Erhalt eines Entgeltes gerichteten Leistungsaustausches erbracht worden ist und es demnach an der dem Tatbestand des
§ 1 Abs. 1 Z. 1 UStG 1972 ... immanenten finalen Verknüpfung
von Leistung und Gegenleistung gefehlt hat". Sohin stehe der Beschwerdeführerin ein Vorsteuerabzug nicht zu. Da sie aber eine Rechnung mit gesondertem Steuerausweis erstellt habe, obwohl sie eine Lieferung oder sonstige Leistung nicht ausgeführt habe, sei Umsatzsteuer im Grunde des § 11 Abs. 14 UStG 1972 festzusetzen gewesen.
Gegen diesen Bescheid wendet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde. Die Beschwerdeführerin erachtet sich im Recht auf Inanspruchnahme des Vorsteuerabzuges verletzt.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 12 Abs. 1 UStG 1972 kann der Unternehmer, der im Inland Lieferungen oder sonstige Leistungen ausführt oder im Inland seinen Sitz oder eine Betriebsstätte hat, nach Maßgabe weiterer Voraussetzungen Vorsteuerbeträge abziehen.
Die Beschwerdeführerin bringt im wesentlichen vor, sie habe der Obstgenossenschaft einen Sack Hefe zu 2 kg geliefert, aber nicht in Form eines Versendungsgeschäftes aus Kanada, sondern in Form einer Lieferung in Österreich. Die Lieferung nach Österreich sei zu ihren eigenen Handen erfolgt, sodaß der Übergang der Verfügungsmacht (an die Obstgenossenschaft) in Österreich erfolgt sei. Dies entspreche auch den Feststellungen der belangten Behörde. Die belangte Behörde habe zu Unrecht angenommen, daß die Hefelieferung nicht im Rahmen eines auf Erhalt eines Entgeltes ausgerichteten Leistungsaustausches erbracht worden sei. Nach Ansicht der Beschwerdeführerin sei es das Ergebnis einer nahezu unvertretbaren Ansicht, daß hinter einer tatsächlichen Lieferung gegen Entgelt kein Lieferungs- oder Leistungswille stehe; die belangte Behörde habe diese Ansicht im angefochtenen Bescheid auch nicht näher begründet.
Die Beschwerdeführerin wendet sich nicht gegen die Feststellung des angefochtenen Bescheides, wonach es lediglich eine einzige Lieferung von Hefe gegeben habe und die Weiterverrechnung der Einfuhrumsatzsteuer und der Zollspesen nicht zu einer eigenständigen sonstigen Leistung geführt habe. Es sei dennoch darauf hingewiesen, daß die belangte Behörde bei dem gegebenen Sachverhalt zu Recht das Vorliegen einer solchen sonstigen Leistung verneint hat. Für den Fall, daß sich die Ware bei der Einfuhr in der Verfügungsmacht der Beschwerdeführerin befunden hat und für deren Unternehmen nach Österreich eingeführt worden ist, können Dienstleistungen im Zusammenhang mit der Verzollung und der Erhebung der Einfuhrumsatzsteuer nicht für die Obstgenossenschaft erbracht worden sein. Aber auch für den Fall, daß die Ware im Sinn des § 12 Abs. 1 Z. 2 letzter Satz UStG 1972 als für die Obstgenossenschaft eingeführt gilt, sind die Leistungen der Beschwerdeführerin im Zusammenhang mit der Verzollung und der Erhebung der Einfuhrumsatzsteuer unselbständige Nebenleistungen zu der (Versendungs)Lieferung der Ware (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Slg. N.F. 5880/F).
Aus dem Wortlaut des § 12 Abs. 1 UStG 1972 ergibt sich, daß einem Unternehmer, der im Inland weder seinen Sitz noch eine Betriebsstätte hat, nur dann das Recht auf Vorsteuerabzug eingeräumt ist, wenn er im Inland Lieferungen oder sonstige Leistungen ausgeführt hat. Diese Voraussetzung für den Vorsteuerabzug ist dahingehend zu verstehen, daß im jeweiligen Veranlagungsjahr durch Lieferungen bzw. sonstige Leistungen iSd § 1 Abs. 1 Z. 1 UStG 1972 ein Anknüpfungspunkt an das Inland von einigem wirtschaftlichen Gewicht gegeben sein muß, was im Beschwerdefall bei einem einzigen Umsatz im Wert von S 1.000,-- nicht der Fall ist (vgl. Kolacny/Mayer, Anmerkung 4 zu § 12 UStG 1972).
Diese Lieferung von Hefe hätte der Beschwerdeführerin den Anspruch auf Vorsteuerabzug auch dann nicht vermitteln können, wenn sie in Österreich erbracht worden wäre. Daraus folgt, daß die Beschwerdeführerin durch den angefochtenen Bescheid im Rahmen des geltend gemachten Beschwerdepunktes nicht in ihren Rechten verletzt worden ist. Es erübrigt sich daher zu prüfen, ob die genannte Hefelieferung eine inländische Leistung im Sinn des § 1 Abs. 1 Z. 1 UStG 1972 darstellt.
Die Beschwerde war sohin gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.