VwGH vom 23.03.1999, 98/21/0491
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Rosenmayr, Dr. Pelant und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Ogris, über die Beschwerde des SA, (geboren am ), in Wien, vertreten durch Dr. Georg Walderdorff, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Schwarzenbergplatz 7, gegen den Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom , Zl. IV-841.951-FrB/98, betreffend Abschiebungsaufschub, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die vorliegende Beschwerde ist gegen einen Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom gerichtet, mit dem der am gestellte Antrag des Beschwerdeführers, eines pakistanischen Staatsbürgers, auf Erteilung eines Abschiebungsaufschubes abgewiesen wurde.
Der angefochtene Bescheid wurde im Wesentlichen damit begründet, dass der Beschwerdeführer angegeben habe, aufgrund seiner Parteizugehörigkeit zu der Pakistan Muslim League bis zu seiner Flucht im Dezember 1995 mehrfach von der Polizei verhaftet und im Gefängnis gefoltert worden zu sein. Weiters habe der Beschwerdeführer angegeben, dass er als Mitglied der besagten Partei von der pakistanischen People Party, "fälschlicherweise Beschuldigungen, alle möglichen Straftaten begangen zu haben", ausgesetzt gewesen wäre. Er wäre daher im Jahr 1995 zwei Wochen in Haft genommen und dabei schwer misshandelt worden. Weiters habe er angegeben, dass es der Behörde trotz mehrfacher Inschubhaftnahme nicht gelungen wäre, für ihn ein Heimreisezertifikat zu erlangen und daher eine Abschiebung auch aus tatsächlichen Gründen unmöglich wäre. Dem Vorbringen des Beschwerdeführers mangle es an Sachverhalten, welche geeignet seien, aus objektiver Sicht betrachtet eine konkrete Verfolgung geltend zu machen. Aus diesen Gründen sei auch der Asylantrag des Beschwerdeführers vom Bundesminister für Inneres mit Bescheid vom abgewiesen worden.
Zum Vorbringen des Beschwerdeführers werde festgestellt, dass er Staatsbürger von Pakistan sei und es nicht glaubhaft sei, dass er wegen seiner Mitgliedschaft zur Muslim League Partei in seiner Heimat Pakistan verfolgt werde. Außerdem müsse bemerkt werden, dass auch dann, wenn er tatsächlich von der Polizei verhaftet worden sei, keine spezielle Verfolgung gegenüber seiner Person erblickt werden könne. Es könne jedem Bürger eines jeden Staates jederzeit widerfahren, wegen Beschuldigungen in ein Strafverfahren einbezogen zu werden, ohne dass eine konkrete politische Verfolgung hiefür maßgeblich wäre. Noch dazu habe der Beschwerdeführer vor der Asylbehörde keinen genauen Zeitpunkt oder genaue Daten zu den von ihm ins Treffen geführten angeblichen Verhaftungen durch die Polizei angegeben. Weiters bringe der Beschwerdeführer vor, dass es der Behörde bis jetzt nicht gelungen wäre, für ihn ein Heimreisezertifikat zu erwirken, und es daher nicht möglich wäre, aus tatsächlichen Gründen eine Abschiebung durchzuführen. Dazu werde festgestellt, dass der Beschwerdeführer am von "Beamten des Fremdenpolizeilichen Büros" wegen der Ausstellung eines Heimreisezertifikates zu seiner Botschaft ausgeführt worden sei, wo er sich geweigert habe, die dazu nötigen Formulare auszufüllen. Er habe somit das Unterbleiben der Ausstellung eines Heimreisezertifikates selbst zu verantworten, weshalb kein tatsächliches und objektives Hindernis zur Abschiebung vorliege.
Als Beschwerdegründe werden inhaltliche Rechtswidrigkeit sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, erstattete eine Gegenschrift und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Beschwerdeführer macht zusammengefasst geltend, dass die Ermittlungen der belangten Behörde mangelhaft gewesen seien, weil keine näheren Nachforschungen über die derzeitige soziale und politische Lage in Pakistan angestellt worden seien. Schon aufgrund der Tatsache, dass in den österreichischen und internationalen Medien häufig über Menschenrechtsverletzungen an politisch anders denkenden Menschen und über Unruhen in Pakistan berichtet werde, hätte die belangte Behörde ein detailliertes und den Erfordernissen des AVG entsprechendes Ermittlungsverfahren durchführen müssen. Die belangte Behörde sei auf das Vorbringen des Beschwerdeführers nicht eingegangen. Die bloße Begründung, es sei kein einwandfreier Anhaltspunkt dafür gegeben, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers auch tatsächlich zutreffe, bilde für den angefochtenen Bescheid keine taugliche Grundlage. Der Beschwerdeführer müsse damit rechnen, dass er bei einem Verbleib in Pakistan besonderen Repressalien, der Gefahr der akuten Verfolgung und möglicherweise sogar der Gefahr des "Verschwindens" im Gefängnis ausgesetzt sein werde. Er sei im Mai 1995 aufgrund seiner Unterstützung der Muslim League Partei über zwei Wochen in Haft gewesen und habe - nachdem er die Reisekosten zusammengespart habe - sofort nach Vorliegen einer sicheren Ausreisemöglichkeit diese wahrgenommen. Die belangte Behörde hätte durch entsprechendes Befragen den Beschwerdeführer zu einem ausführlichen Vorbringen veranlassen und bei Zweifeln objektive Informationen über die Situation beischaffen müssen. Das für die rechtmäßige Abschiebung erforderliche Heimreisezertifikat habe nach wie vor von der pakistanischen Botschaft (offensichtlich zu ergänzen: "nicht") eingeholt werden können.
Gemäß § 56 Abs. 2 FrG ist die Abschiebung eines Fremden auf Antrag oder von Amts wegen auf bestimmte, jeweils ein Jahr nicht übersteigende Zeit aufzuschieben (Abschiebungsaufschub), wenn sie unzulässig ist (§ 57) oder aus tatsächlichen Gründen unmöglich scheint. Im Verfahren über einen Antrag auf Gewährung eines Abschiebungsaufschubes kann vom Antragsteller zwar nicht verlangt werden, gegen ihn gerichtete Misshandlungen oder Verfolgungen "nachzuweisen"; es trifft ihn aber die Verpflichtung, zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes durch Erstattung eines mit Beweisanboten untermauerten konkreten Vorbringens zumindest bezüglich jener Umstände beizutragen, die in seiner Sphäre gelegen sind und deren Kenntnis sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen kann (vgl. zur gleich lautenden Bestimmung des § 36 Abs. 2 des Fremdengesetzes aus 1992 das hg. Erkenntnis vom , Zl. 98/21/0123, mwN). Der zur Entscheidung über einen Abschiebungsaufschub zuständigen Behörde ist es aufgrund des in § 46 AVG verankerten Grundsatzes der Unbeschränktheit der Beweismittel auch nicht verwehrt, die Ergebnisse eines denselben Fremden betreffenden Asylverfahrens zu berücksichtigen; davon unberührt bleibt freilich ihre Verpflichtung, im Fall der Abweisung eines solchen Antrages gemäß § 56 Abs. 2 FrG auch zu begründen, aus welchen Erwägungen in Bezug auf den Antragsteller die in § 57 Abs. 1 und 2 FrG genannten Gefahren nicht vorliegen (vgl. auch dazu das genannte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes).
Im vorliegenden Fall ist dem angefochtenen Bescheid erkennbar zu entnehmen, dass der Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung eines Abschiebungsaufschubes gemäß § 56 Abs. 2 FrG deswegen versagt wurde, weil die belangte Behörde seinen Angaben hinsichtlich der ihm in Pakistan drohenden Gefahren mangels deren Konkretisierung keinen Glauben geschenkt hat. Darin kann im Hinblick auf die genannte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes angesichts des Vorbringens des Beschwerdeführers, das keine konkreten Hinweise bezüglich die näheren Umstände, den Ort und die Zeit der von ihm behaupteten Vorfälle enthält, keine Rechtswidrigkeit erblickt werden, weil dem Beschwerdeführer angesichts der Abweisung seines Asylantrages bewusst sein musste, dass die Glaubhaftmachung einer gemäß § 56 Abs. 2 FrG relevanten Gefahr konkretere Angaben voraussetzt, als jene, die er im Asylverfahren gemacht hatte. Somit kann der belangten Behörde trotz des Umstandes, dass die dem Beschwerdeführer in der in den Verwaltungsakten befindlichen "Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme" vom gestellten Fragen nicht als Aufforderung zur Konkretisierung seines Vorbringens gewertet werden können, keine Verletzung von Verfahrensvorschriften vorgeworfen werden.
Dazu, ob die Abschiebung des Beschwerdeführers im Sinn des § 56 Abs. 2 FrG aus tatsächlichen Gründen unmöglich scheint, hat die belangte Behörde ausgeführt, der Beschwerdeführer habe das Unterbleiben der Ausstellung eines Heimreisezertifikates durch die pakistanische Botschaft selbst zu verantworten, weil er sich geweigert habe, die hiefür nötigen Formulare auszufüllen. Darin ist im Ergebnis keine Rechtswidrigkeit zu erblicken, weil eine tatsächliche Unmöglichkeit im Sinn des § 56 Abs. 2 FrG nur dann gegeben ist, wenn die einer Abschiebung entgegenstehenden Gründe nicht auf zumutbare Weise vom Fremden selbst beseitigt werden können. Dass dies vorliegend angesichts der Weigerung des Beschwerdeführers, die zur Erlangung eines Heimreisezertifikates notwendigen Formulare auszufüllen, der Fall gewesen wäre, ist nicht ersichtlich. Dass die Abschiebung des Beschwerdeführers aus anderen Gründen tatsächlich unmöglich erschienen wäre, wird aber weder in der Beschwerde geltend gemacht, noch ist dies aus den vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens ersichtlich, sodass dem angefochtenen Bescheid auch insofern keine Rechtswidrigkeit anhaftet.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am