zurück zu Linde Digital
TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
VwGH vom 15.12.2003, 2002/17/0349

VwGH vom 15.12.2003, 2002/17/0349

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Höfinger, Dr. Holeschofsky, Dr. Köhler und Dr. Zens als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Racek, über die Beschwerde des Dr. Alexander Hasch als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der HC GmbH in Linz, vertreten durch Hasch & Partner, Anwaltsgesellschaft mbH in 4020 Linz, Landstraße 47, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom , Zl. RU1-V-02101/00, betreffend Akteneinsicht in einer Angelegenheit betreffend die Entrichtung einer Aufschließungsabgabe (mitbeteiligte Partei: Stadtgemeinde St. Valentin, 4300 St. Valentin, Hauptplatz 7), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Niederösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer ist Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der HC GmbH in Linz, die auf Grund einer Verschmelzung Gesamtrechtsnachfolgerin der HS GmbH ist. Dem Beschwerdeführer ist ein im Juni 1994 an die HS GmbH ergangener Bescheid betreffend Vorschreibung einer Aufschließungsabgabe für ein bestimmtes Grundstück zugekommen, hinsichtlich dessen auch eine Vorschreibung der Aufschließungsabgabe an Ch. H erfolgt ist. Der Beschwerdeführer beantragte Akteneinsicht zur Klärung der Frage, ob die H GmbH oder Ch. H die Aufschließungsabgabe entrichtet habe und wer deswegen berechtigt sei, eine allfällige Rückforderung der Aufschließungsabgabe zu beantragen.

Der Bürgermeister der mitbeteiligten Stadtgemeinde versagte am dem Vertreter des beschwerdeführenden Masseverwalters die von diesem begehrte Akteneinsicht. Auf die Frage des Rechtsvertreters: "Zusammengefasst gesagt, verweigern Sie hiermit die Akteneinsicht?", habe der Bürgermeister der mitbeteiligten Stadtgemeinde mit "Ja" geantwortet. Nach den Ausführungen im Beschwerdeschriftsatz habe der Bürgermeister der mitbeteiligten Stadtgemeinde auf die Frage, ob dies ein mündlicher Bescheid sei, mit "Ja" geantwortet. Nach den Feststellungen des angefochtenen Bescheides, habe der Bürgermeister dem in einem Aktenvermerk des Rechtsvertreters festgehaltenen Satz: "Damit kann ich leben, da das dann ein mündlich verkündeter Bescheid ist", zugestimmt.

Der beschwerdeführende Masseverwalter erhob gegen den "mündlich verkündeten Bescheid" vom betreffend seinen Antrag auf Akteneinsicht Berufung. Er vertrat die Ansicht, der Bürgermeister der mitbeteiligten Stadtgemeinde habe die Akteneinsicht nicht nur faktisch verwehrt, sondern einen mündlichen Bescheid erlassen, der rechtswidrig sei. Zum rechtlichen Interesse der Akteneinsicht brachte der beschwerdeführende Masseverwalter vor, er habe als Masseverwalter die Interessen der Gläubiger des nunmehr in Konkurs befindlichen Nachfolgeunternehmens zu wahren und es sei daher notwendig und erforderlich, alle Umstände dieses Abgabenverfahrens in Erfahrung zu bringen. Die Behörde habe ihm einen schlecht kopierten Einzahlungsbeleg betreffend Aufschließungsabgabe zum Beweis dafür vorgelegt, dass die Zahlung nicht aus dem Vermögen des nunmehrigen Gemeinschuldners stamme. Nicht erkennbar sei, dass die Bezahlung nicht durch die Rechtsvorgängerin der Gemeinschuldnerin erfolgt sei. Es sei vielmehr davon auszugehen, das der Betrag von dieser bezahlt worden sei. Das rechtliche Interesse des beschwerdeführenden Masseverwalters an der Akteneinsicht ergebe sich aus dem unter bestimmten Voraussetzungen gegebenen Rückforderungsrecht sowie aus den Rechten und Pflichten des Beschwerdeführers als Masseverwalter.

Mit Bescheid vom gab der Stadtrat der mitbeteiligten Stadtgemeinde der Berufung gegen den mündlichen Bescheid vom unter Anwendung der Bestimmungen des AVG keine Folge und bestätigte den angefochtenen Bescheid. Dies mit der Begründung, der Bürgermeister der mitbeteiligten Stadtgemeinde habe mit mündlichem Bescheid vom dem Beschwerdeführer die Akteneinsicht in einen näher bezeichneten Akt verwehrt. Dem Beschwerdeführer stehe ein Recht auf Akteneinsicht nicht zu, weil hiefür jedes rechtliche Interesse fehle.

Dies bestritt der Beschwerdeführer in seiner gegen diesen Bescheid erhobenen Vorstellung und stellte darin sein rechtliches Interesse in dieser Angelegenheit näher dar.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Vorstellung als unbegründet ab. In der Begründung dieses Bescheides heißt es nach der Zitierung der Rechtsgrundlagen des AVG, der Bürgermeister der mitbeteiligten Stadtgemeinde habe "keine besondere Niederschrift im Sinne des § 14 AVG zur Beurkundung des Inhalts und der Verkündung eines mündlichen Bescheides" aufgenommen. Lediglich die Rechtsvertreter des Masseverwalters hätten am intern einen Aktenvermerk verfasst, der jedoch nicht der Beurkundung im Sinne des § 62 Abs. 2 iVm § 14 AVG entspreche. Es sei somit kein mündlicher Bescheid erlassen worden. Der Stadtrat der mitbeteiligten Stadtgemeinde wäre somit gehalten gewesen, die Berufung des Beschwerdeführers mangels Vorliegens eines Bescheides als unzulässig zurückzuweisen. Da jedoch nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ein Beschwerdeführer, dessen Berufung, statt als unzulässig zurückgewiesen zu werden, abgewiesen werde, durch die Abweisung seiner Berufung nicht schlechter gestellt werde, als durch deren Zurückweisung, habe der Beschwerdeführer durch die Abweisung seiner Berufung in seinen Rechten tatsächlich nicht verletzt werden können.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die zunächst vor dem Verfassungsgerichtshof erhobene Beschwerde. Der Verfassungsgerichtshof lehnte die Behandlung der Beschwerde mit Beschluss vom , B 1534/02-3, ab und trat die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

Vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich der Beschwerdeführer in seinem Recht auf Akteneinsicht verletzt und macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes und in eventu Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.

Die belangte Behörde und die mitbeteiligte Stadtgemeinde erstatteten Gegenschriften, in denen sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die belangte Behörde vertritt die Ansicht, der Bürgermeister der mitbeteiligten Stadtgemeinde habe keinen mündlichen Bescheid anlässlich der Verweigerung der Akteneinsicht am erlassen, weil keine Niederschrift nach § 14 AVG zur Beurkundung des Inhalts und der Verkündung eines mündlichen Bescheides aufgenommen worden sei; eine solche wäre Voraussetzung für das Ergehen eines mündlichen Bescheides gewesen.

Dabei übersieht die belangte Behörde, dass die vom Beschwerdeführer begehrte Akteneinsicht in einen Abgabenakt verweigert worden ist. Mit dieser Akteneinsicht sollte Klarheit darüber verschafft werden, wer den Aufschließungsbeitrag entrichtet hat, nämlich die Rechtsvorgängerin der Gemeinschuldnerin oder Ch. H, und wem deswegen ein allfälliger Rückforderungsanspruch zusteht. Der beschwerdeführende Masseverwalter ging jedenfalls davon aus, dass die Rechtsvorgängerin der Gemeinschuldnerin den Aufschließungsbeitrag entrichtet habe und die Gemeinschuldnerin als deren Rechtsnachfolgerin einen Rückforderungsanspruch habe könne. Es besteht daher ein rechtliches Interesse an der Akteneinsicht des beschwerdeführenden Masseverwalters.

Da es sich um die Akteneinsicht in einen Abgabenakt und die Klärung einer abgabenrechtlich relevanten Frage gehandelt hat, waren in dieser Angelegenheit nicht die Verfahrenbestimmungen des AVG, sondern gemäß § 1 Abs. 1 NÖ Abgabenordnung 1977 (NÖ AO 1977) jene der NÖ Abgabenordnung 1977 anzuwenden.

Gemäß § 67 Abs. 1 NÖ AO 1977 hat die Abgabenbehörde den Parteien Einsicht in die ihre Sache betreffenden Akten oder Aktenteile zu gestatten, deren Kenntnis zur Geltendmachung oder Verteidigung ihrer abgabenrechtlichen Interessen oder zur Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten erforderlich ist; die Parteien können sich davon an Ort und Stelle Abschriften selbst anfertigen oder nach Maßgabe der vorhandenen technischen Möglichkeiten auf ihre Kosten Kopien anfertigen lassen.

Gemäß § 67 Abs. 2 NÖ AO 1977 sind von der Akteneinsicht Beratungsprotokolle, Amtsvorträge, Erledigungsentwürfe und sonstige Schriftstücke (Mitteilungen anderer Behörden, Meldungen, Berichte und dergleichen) ausgenommen, deren Einsichtnahme eine Schädigung berechtigter Interessen dritter Personen herbeiführen würde.

Nach § 67 Abs. 3 NÖ AO 1977 ist gegen die Verweigerung der Akteneinsicht ein abgesondertes Rechtsmittel nicht zulässig.

Die Verweigerung der Akteneinsicht nach der NÖ AO 1977 hat im Zuge eines Abgabenverfahrens durch eine das Verfahren betreffende Verfügung im Sinne des § 190 NÖ AO 1977 zu erfolgen, gegen die ein abgesondertes Rechtsmittel gemäß § 67 Abs. 3 NÖ AO 1977 nicht zulässig ist. Erfolgt die Verweigerung der Akteneinsicht wegen fehlender Parteistellung oder zwar der Partei gegenüber, aber außerhalb eines Verfahrens, so ist stets ein Bescheid zu erlassen, der - wenn ihn die Abgabenbehörde erster Instanz erlässt - mit Berufung abgesondert anfechtbar ist (vgl. Ritz, Bundesabgabenordnung, Kommentar2, Rz 12 zu dem mit § 67 NÖ AO 1977 vergleichbaren § 90 BAO). Ein solcher Bescheid bedarf gemäß § 69 Abs. 2 NÖ AO 1977 der Schriftform, da die Abgabenvorschriften im gegebenen Zusammenhang die mündliche Form weder vorschreiben noch gestatten.

Der Bürgermeister der mitbeteiligten Stadtgemeinde wäre daher im Beschwerdefall aus den oben genannten Gründen verpflichtet gewesen, die Verweigerung der Akteneinsicht mit einem schriftlichen Bescheid nach § 67 NÖ AO 1977 auszusprechen, der im Instanzenzug der NÖ AO 1977 hätte bekämpft werden können.

Da die belangte Behörde in Verkennung der Rechtslage die Vorstellung gegen den unzuständigerweise ergangenen Bescheid des Stadtrates der mitbeteiligten Stadtgemeinde vom (angesichts des Umstandes, dass ein mündlicher Bescheid erster Instanz nicht zustande gekommen war, hat der Stadtrat funktionell unzuständig über die Verweigerung der Akteneinsicht durch den Bürgermeister der mitbeteiligten Stadtgemeinde erstmals meritorisch entschieden) mit der Begründung abwies, durch die Abweisung der Berufung könne der Beschwerdeführer in seinen Rechten nicht verletzt werden, und nicht diesen Berufungsbescheid behob, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003, insbesondere deren § 3 Abs. 2.

Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert werden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.

Wien, am