VwGH vom 21.12.2006, 2002/17/0314
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Holeschofsky, Dr. Köhler, Dr. Zens und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Schiffkorn, über die Beschwerde des HL in W, vertreten durch Dr. Michael Kinberger und Dr. Alexander Schuberth, Rechtsanwälte in 5700 Zell am See, Salzachtal Bundesstraße 13, gegen den Bescheid der Salzburger Landesregierung vom , Zl. 1/02-38.312/4-2002, betreffend Vorschreibung von Interessentenbeiträgen (mitbeteiligte Partei: Gemeinde Wald im Pinzgau, Wald 34, 5742 Wald im Pinzgau), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Salzburg hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom wurde dem Beschwerdeführer als Eigentümer einer näher bezeichneten Liegenschaft eine Vorauszahlung auf den Interessentenbeitrag gemäß §§ 1, 2, 4 bis 6 und 11 des Salzburger Interessentenbeiträgegesetzes in der Höhe von S 38.874,-- vorgeschrieben.
Der Beschwerdeführer erhob Berufung. Darin brachte er im Wesentlichen vor, dass das auf der Liegenschaft errichtete Gebäude von seinem Voreigentümer im Jahre 1989 errichtet und im Jahre 1991 bezogen worden sei. Spätestens zu diesem Zeitpunkt sei der Anschluss an den Kanal erfolgt. Die Gebühr sei daher spätestens 1991 fällig gewesen. Eine Vorschreibung der Abgabe gegenüber dem Eigentümer des Grundstücks im Jahre 1999 sei daher rechtswidrig.
Mit Bescheid der Gemeindevorstehung vom wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen. Begründend führte die Gemeindevorstehung aus, dass im Jahre 1990 gegenüber dem Voreigentümer die Beitragsvorschreibung ergangen sei. Trotz Mahnungen sei dieser seiner Zahlungsverpflichtung nicht nachgekommen. Der Beschwerdeführer hätte aus Anlass des Eigentumserwerbs Erkundigungen bei der Gemeinde über offene Abgabenschulden eingeholt und sei damals (im Jahre 1995) mündlich über die noch nicht bezahlte Anschlussgebühr in Kenntnis gesetzt worden. Der Beschwerdeführer habe weder die Zahl der Bewertungspunkte noch die Höhe der Vorschreibung bekämpft. Er stütze sich vielmehr darauf, dass eine Vorschreibung nur innerhalb von zwei Jahren nach Fertigstellung der Anlage zulässig gewesen sei und außerdem von Verjährung auszugehen sei.
Der Beschwerdeführer erhob Vorstellung gegen diesen Bescheid. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wurde die Vorstellung als unbegründet abgewiesen. Begründend führte die belangte Behörde nach Wiedergabe des § 80 Abs. 4 der Salzburger Gemeindeordnung 1994 und Ausführungen zum Vorliegen eines etwaigen Verfahrensmangels wegen nicht ausreichender Sachverhaltsermittlung aus, der Beschwerdeführer bringe in seiner Vorstellung erstmals vor, dass die erstmalige Vorschreibung der Vorauszahlung auf den Interessentenbeitrag bereits im Jahre 1991 an den Rechtsvorgänger erfolgt sei. Dieser Betrag sei daher mit dieser Vorschreibung fällig geworden; die letzte Zahlungserinnerung sei im Dezember 1992 erfolgt; die Forderung sei somit gemäß § 9 Salzburger Interessentenbeiträgegesetz verjährt.
Zu diesem Vorbringen verweist die belangte Behörde "auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes". Danach sehe "das Interessentenbeiträgegesetz eine dingliche Wirkung einer Abgabenschuld nicht vor (VwGH-Erkenntnis vom , Zl. 85/17/0037). Ob der Eigentümer eines Grundstückes im Sinne des § 1 Abs. 3 Salzburger Interessentenbeiträgegesetz zur Leistung eines Interessentenbeitrages verpflichtet ist, hängt nicht davon ab, ob gegenüber einem Rechtsvorgänger im Eigentum desselben Grundstückes bereits eine Beitragsvorschreibung erfolgte oder nicht (VwGH-Erkenntnis vom , Zl. 93/17/0067)." Im gegenständlichen Fall bedeute dies, dass der Beschwerdeführer mit dem Erwerb des Wohnhauses seiner Rechtsvorgänger auch Eigentümer im Sinne des § 1 Abs. 3 IBG geworden sei und "es sich bei der mit Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde W vom Zl. ... vorgeschriebenen Vorauszahlung auf den Interessentenbeitrag für Herrn L (das ist der Beschwerdeführer) um die erstmalige Vorschreibung dieser Abgabenschuld" handle.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und ebenso wie die mitbeteiligte Gemeinde eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die im Beschwerdefall maßgeblichen Vorschriften des Gesetzes vom über die Leistung von Interessentenbeiträgen für die Herstellung gemeindeeigener Abwasseranlagen in Gemeinden des Landes Salzburg mit Ausnahme der Landeshauptstadt Salzburg (Salzburger Interessentenbeiträgegesetz, im Folgenden: Sbg IBG), LGBl. Nr. 161, zuletzt geändert durch das Landesgesetz LGBl. Nr. 55/1988, lauten:
"Allgemeine Bestimmungen
§ 1
(1) Zu den Herstellungskosten gemeindeeigener Abwasseranlagen - im folgenden kurz Anlagen bezeichnet - haben in Gemeinden des Landes Salzburg mit Ausnahme der Landeshauptstadt Salzburg die Interessenten nach Maßgabe der Bestimmungen dieses Gesetzes Beiträge zu leisten.
(2) Herstellungskosten sind jene Kosten, die der Gemeinde für die Herstellung, Erweiterung oder technische Verbesserung der Anlage sowie für die Wiedererrichtung nicht mehr funktionsfähiger größerer Teile der Anlage erwachsen, einschließlich den Beträgen, die sich aus der Aufwertung der Vorauszahlungen gemäß § 5 Abs. 2 ergeben.
(3) Interessenten sind die Eigentümer von Grundstücken, von denen Abwässer unmittelbar oder mittelbar in die Anlage eingeleitet werden und zwar gleichgültig, ob der Anschluss an die Anlage im Zuge ihrer Herstellung oder zu einem späteren Zeitpunkt erfolgt. Im Falle eines Baurechtes gelten die Berechtigten als Interessenten.
...
Beitrag
§ 4
(1) Der Beitrag ist in jenem Ausmaß zu leisten, das sich durch die Vervielfachung der den Interessenten treffenden Anzahl der Bewertungspunkte (§ 2) mit der Berechnungszahl und einer allfälligen Steigerung nach Abs. 4 bestimmt.
(2) Berechnungszahl ist jene Zahl, ...
Beitragsvorschreibung
§ 5
(1) Der Beitrag ist dem Interessenten vom Bürgermeister mit Bescheid vorzuschreiben.
(2) Bei der Anrechnung von Vorauszahlungen (§ 11) sind diese um 4 v.H. jährlich aufzuwerten, wobei das Halbjahr, in dem die Vorauszahlung geleistet worden ist, außer Betracht zu bleiben hat.
Haftung
§ 8
(1) Wenn Personenvereinigungen ohne eigene Rechtspersönlichkeit als solche beitragspflichtig sind, haften die Gesellschafter (Mitglieder) für die Zahlungsschulden der Gesellschaft im gleichen Ausmaß wie sie für die Schulden der Gesellschaft nach den Bestimmungen des bürgerlichen oder des Handelsrechtes haften.
(2) Juristische Personen, die dem Willen eines anderen Unternehmens (Unternehmers) derart untergeordnet sind, dass sie keinen eigenen Willen haben (Organgesellschaft), haften für diejenigen Zahlungsschulden des beherrschenden Unternehmens (Unternehmers), bei denen die Zahlungspflicht sich auf den Betrieb des beherrschten Unternehmens gründet.
(3) Wird ein Unternehmen oder ein im Rahmen eines Unternehmens gesondert geführter Betrieb im ganzen übereignet, so haftet der Erwerber für Zahlungsschulden, soweit diese auf die Zeit seit dem Beginn des letzten vor der Übereignung liegenden Kalenderjahres entfallen. Diese Bestimmung gilt nicht bei einem Erwerb aus einer Konkursmasse oder im Zuge eines Vollstreckungsverfahrens.
(4) Bei Gesamtrechtsnachfolge geht die Zahlungsschuld des Rechtsvorgängers auf den Rechtsnachfolger über. Für den Umfang der Inanspruchnahme der Erben gelten die Bestimmungen des bürgerlichen Rechtes (§§ 801 und 802 ABGB).
(5) Für die Zahlungsschulden haftet auf dem Grundstück - im Falle eines Baurechtes auf diesem - (§ 1 Abs. 3) ein gesetzliches Pfandrecht.
Verjährung
§ 9
Das Recht, einen fälligen Beitrag einzufordern, verjährt binnen sechs Jahren nach Ablauf des Jahres, in welchem der Beitrag fällig geworden ist. Die Verjährung wird durch jede zur Geltendmachung des Anspruches gegen den Zahlungsschuldner gerichtete Handlung, wie durch Zustellung einer Mahnung, durch Einleitung von Maßnahmen zur zwangsweisen Einbringung oder durch Bewilligung einer Zahlungsfrist (Stundung, Ratenbewilligung) unterbrochen. Nach Ablauf des Jahres, in welchem die letzte Mahnung zugestellt, der letzte Schritt zur zwangsweisen Einbringung vollzogen oder die letzte Zahlungsfrist abgelaufen ist, beginnt eine neue Verjährungsfrist zu laufen.
§ 11
(1) Liegt für eine Anlage ein nach den in Betracht kommenden gesetzlichen Vorschriften bewilligtes und mit einem Kostenvoranschlag belegtes Projekt vor und wurde diesem von der Gemeindevertretung zugestimmt, so ist die Gemeinde berechtigt, auf Grund eines Beschlusses der Gemeindevertretung vom Zeitpunkt des Baubeginnes der Anlage an Vorauszahlungen auf den nach § 4 zu leistenden Beitrag zu erheben.
(2) Zur Leistung einer Vorauszahlung sind die Eigentümer (Berechtigten aus einem Baurecht) von Grundstücken verpflichtet, von denen nach dem Projekt Abwässer unmittelbar oder mittelbar in die Anlage eingeleitet werden sollen, soferne
Tabelle in neuem Fenster öffnen
a) | das Grundstück bebaut ist oder | |||||||||
b) | sich auf dem Grundstück ein Gebäude in Bau befindet. |
(3) Die Vorauszahlung ist einheitlich in einem Hundertsatz, jedoch nicht mehr als mit 80 v.H. jenes Betrages zu erheben, der unter Zugrundelegung des Projektes der Anlage sowie des Umfanges und Zweckes des bestehenden oder in Bau befindlichen Gebäudes gemäß § 4 als Beitrag zu entrichten wäre. In diesem Rahmen dürfen Vorauszahlungen nur in dem Ausmaß erhoben werden, als dies zur Deckung
der bisherigen sowie der im laufenden und im nächstfolgenden
Jahr zu erwartenden Baukosten erforderlich ist.
..."
Wie der Verwaltungsgerichtshof in dem von der belangten Behörde (nicht vollständig) zitierten (und offenbar missverstandenen) Erkenntnis vom , Zl. 93/17/0067, ausgeführt hat, hängt die Zulässigkeit der Vorschreibung eines Interessentenbeitrages gegenüber einem Rechtsnachfolger eines Grundstückseigentümers im Sinne des § 1 Abs. 3 Sbg IBG zwar nicht davon ab, ob gegenüber einem Rechtsvorgänger im Eigentum desselben Grundstückes bereits eine Beitragsvorschreibung erfolgte oder nicht. Zu fragen ist vielmehr danach (und diese Ausführungen im genannten Erkenntnis hat die belangte Behörde außer Acht gelassen), wer nach dem Sbg IBG Schuldner des Interessentenbeitrages ist und in welchem Zeitpunkt der Abgabenanspruch ihm gegenüber entsteht. Ist nämlich die Abgabenschuld gegenüber einem bestimmten Grundstückseigentümer entstanden, dann kann ein Rechtsnachfolger nur unter den Voraussetzungen des § 8 Abs. 3 bis 5 Sbg IBG für die Abgabenschuld zahlungspflichtig werden (in diesem Zusammenhang verwies der Verwaltungsgerichtshof in dem Erkenntnis vom auf das hg. Erkenntnis vom , Zl. 85/17/0037, und die dort genannte weitere Rechtsprechung).
Die nunmehrige Vorschreibung stützt sich auf denselben Tatbestand. Die Verwirklichung des Abgabentatbestandes erfolgte im Beschwerdefall vor dem Übergang des Eigentums an dem gegenständlichen Grundstück (vgl. zum Zeitpunkt des Entstehens der Abgabenschuld das auch von der belangten Behörde genannte hg. Erkenntnis vom , Zl. 85/17/0037; in dem diesem Erkenntnis zu Grunde liegenden Fall wurde gegenüber dem damaligen Beschwerdeführer die endgültige Vorschreibung des Beitrages vorgenommen, ohne dass geklärt war, ob der Abgabentatbestand vor oder nach dem Rechtsübergang im Eigentum am Grundstück verwirklicht worden war). Der Beschwerdefall unterscheidet sich somit im Sachverhalt von jenem Fall, der dem zuletzt genannten Erkenntnis zu Grunde lag.
Hinsichtlich der Rechtslage nach dem Sbg IBG ist zunächst auf die genannten Erkenntnisse vom und vom zu verweisen, in denen bereits festgehalten wurde, dass das Sbg IBG weder eine dingliche Wirkung von Abgabenbescheiden vorsähe, noch eine Vorschrift enthalte, der zufolge im Falle eines Rechtsüberganges im Eigentum an einem Grundstück nach dem Entstehen eines Abgabenanspruches ein (erstmaliger) Abgabenbescheid dem Rechtsnachfolger gegenüber erlassen werden könnte. Die Haftungsbestimmung des § 8 Sbg IBG betrifft nicht den Fall des Eigentumsübergangs, sondern die dort geregelten Fälle der Haftung der Gesellschafter von Personenvereinigungen, der Unternehmensübereignung oder der Rechtsnachfolge im Wege einer Gesamtrechtsnachfolge. Ebenso wie in dem dem hg. Erkenntnis vom zu Grunde liegenden Fall sind insbesondere die Voraussetzungen des § 8 Abs. 3 bis 5 Sbg IBG im Beschwerdefall nicht gegeben. Die Gemeindebehörden haben auch keinen Haftungsbescheid erlassen oder etwa eine endgültige Abgabenvorschreibung hinsichtlich des Interessentenbeitrages vorgenommen, sondern vielmehr neuerlich eine Vorauszahlung auf den Interessentenbeitrag festgesetzt.
Die belangte Behörde hat somit die Rechtslage verkannt, wenn sie davon ausgegangen ist, dass die Vorschreibung der Vorauszahlung auf den Interessentenbeitrag dem Beschwerdeführer gegenüber zulässig gewesen sei.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.
Wien, am