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VwGH vom 27.08.2002, 96/14/0166

VwGH vom 27.08.2002, 96/14/0166

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und den Senatspräsidenten Dr. Karger sowie die Hofräte Mag. Heinzl, Dr. Zorn und Dr. Robl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. iur. Mag. (FH) Schärf, über die Beschwerde der B-GmbH in W, vertreten durch Freshfields Bruckhaus Deringer, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Seilergasse 16, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich vom , Zl 302/1-6/Mi-1992, betreffend Investitionsprämie für das 4. Kalenderviertel 1986 und das

1. Kalenderviertel 1987,

1.) den Beschluss gefasst:

Die Beschwerde wird, so weit sie sich gegen Säumniszuschläge richtet, zurückgewiesen;

2.) zu Recht erkannt:

Spruch

Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen von 332 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin machte für das 4. Kalenderviertel 1986 rund 470.000 S und für das 1. Kalenderviertel 1987 rund 60.000 S an Investitionsprämien geltend, die vom Finanzamt dem Abgabenkonto der Beschwerdeführerin gutgeschrieben wurden.

Anlässlich einer im Jahr 1991 durchgeführten abgabenbehördlichen Prüfung stellte der Prüfer fest, die Wirtschaftsgüter, für die von der Beschwerdeführerin der Großteil der Investitionsprämien geltend gemacht worden sei, seien von verschiedenen Lieferanten gekauft worden, um so eine Produktionsanlage zur Erzeugung von Pulverlacken zu errichten. Die Beschwerdeführerin habe diese Produktionsanlage als einheitliches Wirtschaftsgut "Drylac Produktionsanlage" aktiviert und an die P Gesellschaft, eine 100 %ige Tochtergesellschaft in den USA, verleast. Der Prüfer vertrat die Auffassung, es seien nicht einzelne Wirtschaftsgüter (Maschinen) angeschafft, sondern eine einheitliche Produktionsanlage errichtet worden. Die Produktionsanlage sei im September 1988 fertig gestellt worden (Fertigstellungszeitpunkt). Die Gewährung von Investitionsprämien für ins Ausland vermietete Gegenstände, die nach dem hergestellt worden seien, sei jedoch nicht mehr möglich.

Das Finanzamt folgte der Auffassung des Prüfers und setzte die Investitionsprämie für das 4. Kalenderviertel 1986 mit rund 6.000 S sowie für das 1. Kalenderviertel 1987 mit rund 14.000 S bescheidmäßig fest.

Mit Berufung wandte die Beschwerdeführerin im Wesentlichen ein, die Produktionsanlage bestehe aus verschiedenen Maschinen, die jede für sich selbstständig eingesetzt werden könne. Die Erzeugung von Pulverlacken erfolge in drei Produktionsstufen, wobei die jeweils halbfertigen Produkte selbstständig gelagert und verkauft werden könnten. Die Maschinen der drei Produktionsstufen seien nicht miteinander verbunden, weswegen jede Produktionsstufe für sich einsatzfähig sei. Sie habe nicht für die Funktionsfähigkeit der Produktionsanlage garantiert, sondern bloß einzelne Wirtschaftsgüter über Auftrag angeschafft und verleast. Sie habe auch über kein Personal zur Errichtung der Produktionsanlage verfügt. Allein aus dem Umstand, dass die P Gesellschaft erst ab dem Jahr 1988 Leasingraten bezahlt habe, könne nicht auf das Vorliegen einer einheitlichen Produktionsanlage geschlossen werden. Überdies sei dem Finanzamt der Sachverhalt bereits lange Zeit vor der abgabenbehördlichen Prüfung bekannt gewesen. Es seien zwar im Jahr 1987 keine Bescheide erlassen, sondern die Investitionsprämien lediglich ihrem Abgabenkonto gutgeschrieben worden. Es widerspreche aber dem Grundsatz von Treu und Glauben, wenn Jahre später der Auffassung eines Prüfers folgend der Sachverhalt anders beurteilt werde. Die Abgabenbehörde könne daher die bereits gewährten Investitionsprämien nur bei Vorliegen der Voraussetzungen der §§ 299 BAO bzw 303 Abs 4 BAO abändern.

In seiner Stellungnahme zur Berufung (idF nur: Stellungnahme) führte der Prüfer aus, auch bei einheitlichen Produktionsanlagen bestehe oft die Möglichkeit, den Produktionsvorgang zu unterbrechen und nur halbfertige Produkte zu verkaufen. Dies ändere jedoch nichts am Vorliegen einer einheitlichen Produktionsanlage. Hinsichtlich der Behauptung, die Maschinen der drei Produktionsstufen seien nicht miteinander verbunden, sei anzumerken, dass zumindest bei der von ihm in Österreich besichtigten Produktionsanlage, die nach der Behauptung der Beschwerdeführerin bis auf wenige Abweichungen (zB Kühlung) gleich wie die in den USA befindliche sei, die Maschinen zum Teil sogar räumlich und zur Gänze technisch durch gemeinsame Installationsvorrichtungen für Strom und Luft miteinander verbunden seien. Aus der Aktivierung als einheitliches Wirtschaftsgut "Drylac Produktionsanlage" sei ersichtlich, dass selbst die Beschwerdeführerin von einer einheitlichen Produktionsanlage ausgegangen sei. Hinsichtlich der Behauptung, die Beschwerdeführerin habe über kein Personal zur Errichtung der Produktionsanlage verfügt, werde darauf hingewiesen, dass die Personalkosten von der P Gesellschaft verrechnet und von der Beschwerdeführerin ebenfalls beim Wirtschaftsgut "Drylac Produktionsanlage" aktiviert worden seien. Überdies sei der Gesellschafter-Geschäftsführer der Beschwerdeführerin auch Gesellschafter-Geschäftsführer einer großen Lackfabrik, aus der das "Know-how" und das Personal für die Errichtung der "Drylac Produktionsanlage" stammten. Es widerspreche auch den Erfahrungen des täglichen Lebens, dass ein Leasinggeber nach Überlassung des funktionsfähigen Leasinggutes durch 18 Monate hindurch auf die Zahlung von Leasingraten verzichte. Unter Berücksichtigung dieser Umstände müsse folglich der Schluss gezogen werden, die Beschwerdeführerin habe ein im September 1988 fertig gestelltes einheitliches Wirtschaftsgut verleast.

Das Finanzamt übermittelte der Beschwerdeführerin die Stellungnahme, wobei es ihr zusätzlich vorhielt, eine abschließende Beurteilung der Sachlage sei dem Finanzamt anlässlich der Ermittlungen betreffend die Investitionsprämien im Juni 1987 nicht möglich gewesen. Nach der Aktenlage sei damals mit der Errichtung der Produktionsanlage bei der P Gesellschaft in den USA wegen behördlicher Probleme noch gar nicht begonnen worden. Ein Teil der Maschinen habe sich damals noch bei den Lieferanten befunden, obwohl diese Maschinen bereits mehr als sechs Monate zuvor gekauft worden seien. Wenn nun, wie behauptet, kein einheitliches Wirtschaftsgut hergestellt worden sei, stelle sich die Frage, weswegen diese teuren Maschinen bei den Lieferanten belassen worden seien, wenn sie doch selbstständig hätten eingesetzt werden können. Auch dieses Sachverhaltselement lege den Schluss nahe, dass das einheitliche Wirtschaftsgut "Drylac Produktionsanlage" hergestellt worden sei, nicht jedoch bloß Maschinen angeschafft werden sollten.

In ihrer Gegenäußerung zur Stellungnahme brachte die Beschwerdeführerin vor, im Stammhaus in Österreich (das ist die bereits erwähnte große Lackfabrik) sei die Anlagenkonzeption "On-Line", bei der P Gesellschaft in den USA jedoch die Anlagenkonzeption "Off-Line" gewählt worden. Der Unterschied zwischen den beiden Konzeptionen liege darin, dass bei der "On-Line" Konzeption die Produktionsstufen fix miteinander verbunden seien, weswegen die einzelne Nutzung der jeweiligen Produktionsstufe nur bedingt möglich sei. Bei der "Off-Line" Konzeption seien die Produktionsstufen nicht zusammen installiert bzw örtlich getrennt aufgestellt, weswegen eine wesentlich verbesserte Einzelnutzung gewährleistet sei.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung ab, wobei sie zur Begründung im Wesentlichen ausführte, was Teil eines Wirtschaftsgutes oder ein eigenständiges Wirtschaftsgut sei, entscheide sich nicht nach zivilrechtlichen, sondern nach wirtschaftlichen Kriterien bzw nach der Verkehrsauffassung. Für das Vorliegen eines einheitlichen Wirtschaftsgutes spreche zunächst die Aktivierung der Produktionsanlage als einheitliches Wirtschaftsgut "Drylac Produktionsanlage". Die Formulierung "Leasingobjekt" im von der Beschwerdeführerin mit der P Gesellschaft abgeschlossenen Leasingvertrag spreche für das Vorliegen eines einheitlichen Wirtschaftsgutes. Im Leasingvertrag würden einzelne Produktionsstufen nicht einmal erwähnt. Die gekauften Maschinen hätten nicht sofort zur Erzeugung von Pulverlacken verwendet werden können. Vielmehr hätten diese Maschinen zunächst in besonderer Art und Weise durch fachkundiges Personal aufgestellt und justiert werden müssen, wobei die Beschwerdeführerin diese Kosten getragen habe. Die gesamte Produktionsanlage sei offensichtlich darauf ausgerichtet, dass das jeweils im vorherigen Arbeitsgang hergestellte oder bearbeitete Produkt von den jeweils folgenden Maschinen weiterbearbeitet bzw veredelt werde. Der Umstand, dass bei einem einheitlichen Erzeugungssprozess auch halbfertige Produkte anfielen, die verkauft werden könnten, stehe der Annahme eines einheitlichen Wirtschaftsgutes nicht entgegen. Unbestritten sei, dass im Juni 1987 mit der Errichtung der Anlage bei der P Gesellschaft in den USA noch gar nicht begonnen worden sei, weswegen der Fertigstellungszeitpunkt des Wirtschaftsgutes "Drylac Produktionsanlage" jedenfalls nach dem Juni 1987 liege. Dies ergebe sich auch aus der vertraglich geplanten Übergabe des geleasten Wirtschaftsgutes mit . Ungeachtet der Frage, ob Gegenstände ins Ausland vermietet worden seien, seien daher nach § 15 Abs 1 IPrämG keine Investitionsprämien für die Herstellung der "Drylac Produktionsanlage" zu gewähren. Hinsichtlich der Ausführungen zu den §§ 299 bzw § 303 Abs 4 BAO sei lediglich anzumerken, dass zunächst gar keine Bescheide betreffend Investitionsprämien ergangen seien, weswegen sich die Frage deren Aufhebung bzw der Wiederaufnahme von Verfahren nicht stelle.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Da der angefochtene Bescheid nicht über Säumniszuschläge abspricht, war die Beschwerde insoweit zurückzuweisen.

Gemäß § 15 Abs 1 IPrämG ist die Investitionsprämie nur zu

gewähren, wenn die ... Herstellung eines Wirtschaftsgutes ... vor

dem erfolgt.

Entscheidend ist, ob die von der belangten Behörde vorgenommene Beweiswürdigung, die von der Beschwerdeführerin an die P Gesellschaft verleaste Produktionsanlage sei als einheitliches Wirtschaftgut anzusehen, dessen Fertigstellungszeitpunkt nach dem Juni 1987 liege, wobei der Wille der Beschwerdeführerin von vornherein auf die Herstellung dieses einheitlichen Wirtschaftsgutes und nicht bloß auf die Anschaffung seiner Bestandteile gerichtet gewesen sei, der Prüfung durch den Verwaltungsgerichtshof stand hält.

Die Beweiswürdigung der belangten Behörde ist insofern der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle zugänglich, als es sich um die Beurteilung handelt, ob der Sachverhalt genügend erhoben ist und ob die bei der Beweiswürdigung vorgenommenen Erwägungen schlüssig sind, sie somit den Denkgesetzen und dem allgemeinen Erfahrungsgut entsprechen (vgl für viele das hg Erkenntnis vom , 96/14/0162).

Diesen Anforderungen entspricht der angefochtene Bescheid.

Die Beschwerdeführerin hat die Produktionsanlage als einheitliches Wirtschaftsgut "Drylac Produktionsanlage" - wie vom Prüfer unbestritten festgestellt - aktiviert, somit zum Ausdruck gebracht, dass das verleaste Wirtschaftsgut eine wirtschaftliche Einheit darstellt. Auch im von der Beschwerdeführerin mit der P Gesellschaft abgeschlossenen Leasingvertrag wurde nur vom "Leasingobjekt", bestehend aus Bau-Adaptierungen, Einrichtungen und Maschinen, alles einschließlich Installationen, gesprochen und der Übergabetermin des "Leasingobjektes" mit festgelegt. Die Beschwerdeführerin hat es auch übernommen, die einzelnen Maschinen in den USA durch fachkundiges Personal aufzustellen und zu justieren, wobei die so entstandenen Kosten von der P Gesellschaft verrechnet und von der Beschwerdeführerin ebenfalls beim Wirtschaftsgut "Drylac Produktionsanlage" aktiviert worden sind. Gegen die Behauptung der Beschwerdeführerin, es lägen selbstständig nutzbare Wirtschaftsgüter (einzelne Maschinen) vor, spricht auch der Umstand, dass ein Teil der gekauften Maschinen für längere Zeit bei den Lieferanten belassen und nicht sofort an die P Gesellschaft geliefert bzw dafür Leasingraten vorgeschrieben worden sind. Die bloße Möglichkeit, die in den verschiedenen Produktionsstufen hergestellten halbfertigen Produkte zu verkaufen, spricht jedenfalls nicht gegen die Annahme, bei der "Drylac Produktionsanlage" handle es sich um ein einheitliches Wirtschaftsgut, das erst nach dem Juni 1987 fertig gestellt worden ist. Der belangten Behörde kann daher nicht entgegengetreten werden, wenn sie für die von der Beschwerdeführerin installierte, von vornherein als einheitliches Wirtschaftsgut herzustellende "Drylac Produktionsanlage" keine Investitionsprämien gewährt hat.

Mit der Behauptung, es wäre der Grundsatz von Treu und Glauben durch die Abänderung der bereits gewährten Investitionsprämien verletzt worden, zeigt die Beschwerdeführerin keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf. Abgesehen davon, dass das Beschwerdevorbringen, der entscheidungswesentliche Sachverhalt sei dem Finanzamt bereits im Juni 1987 zur Gänze bekannt gewesen, aktenwidrig ist, kommt dem Grundsatz von Treu und Glauben, soweit überhaupt ein Vollzugsspielraum vorliegt (vgl das hg Erkenntnis vom , 98/15/0158, mwN), nur bei einer von der zuständigen Abgabenbehörde erteilten Auskunft, falls sich diese nachträglich als unrichtig herausstellt, Bedeutung zu. Hiebei muss der Abgabepflichtige im Vertrauen auf die Richtigkeit der Auskunft, die nicht offensichtlich unrichtig gewesen sein darf, Dispositionen getroffen haben, die er ohne die unrichtige Auskunft nicht getroffen hätte (vgl das hg Erkenntnis vom , 94/15/0104, mwN). Abgesehen davon, dass in der Gutschrift der Investitionsprämien auf dem Abgabenkonto der Beschwerdeführerin keine Auskunft iSd eben erwähnten hg Rechtsprechung zu erblicken ist, liegen auch keine Anhaltspunkte vor, dass die Beschwerdeführerin ihre wirtschaftlichen Beziehungen zur P Gesellschaft anders gestaltet hätte, falls ihr die Nichtgewährung der Investitionsprämien bekannt gewesen wäre.

Die Beschwerde erweist sich insgesamt als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl II Nr 501/2001.

Wien, am