VwGH vom 20.03.2003, 2002/17/0276
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Höfinger, Dr. Holeschofsky, Dr. Köhler und Dr. Zens als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde des H S in K, vertreten durch Dr. Wolfgang Winiwarter, Rechtsanwalt in 3500 Krems, Utzstraße 9, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom , Zl. IVW3- BE-3211401/018-2002, betreffend Vorstellungsentscheidung in Angelegenheiten einer Kanalbenützungsgebühr (mitbeteiligte Partei:
Marktgemeinde Kirchberg am Wagram, Marktplatz 6, 3470 Kirchberg am Wagram), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von EUR 332,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1.1. Der Beschwerdeführer ist Eigentümer einer Liegenschaft im Gemeindegebiet der mitbeteiligten Partei.
Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Marktgemeinde vom wurde dem Beschwerdeführer der Anschluss seiner Liegenschaft an den neu gelegten Schmutzwasserkanal rechtskräftig aufgetragen.
1.2. Der Bürgermeister der mitbeteiligten Marktgemeinde schrieb nunmehr mit Bescheid vom dem Beschwerdeführer für die streitgegenständliche Liegenschaft eine jährliche Kanalbenützungsgebühr ab im Ausmaß von EUR 323,50 vor; er legte dabei eine Berechnungsfläche von 185,90 m2 und einen Einheitssatz von EUR 1,74 zugrunde.
1.3. In seiner dagegen erhobenen Berufung brachte der Beschwerdeführer im Wesentlichen vor, das Stiegenhaus im Ausmaß von 70 m2 sei nicht Bestandteil seiner Wohnung; es führe durch drei Geschosse in eine nicht mit Wasser- und Kanalanschluss versehene Etage. Aus der Art der Nutzung sei auch die Verwendung als landwirtschaftliches Magazin deutlich erkennbar.
1.4. Der Gemeindevorstand der mitbeteiligten Marktgemeinde gab mit Bescheid vom dieser Berufung keine Folge.
Das gegenständliche Objekt sei ein altes Schlossgebäude, das aus einem bewohnten und an die öffentliche Kanalanlage anzuschließenden Gebäudeteil (Wohngebäude) und aus einem ehemals landwirtschaftlich genutzten, nicht anzuschließenden Teil bestehe. Das Wohngebäude einschließlich des "Stiegeneinganges" weise eine Geschossfläche von 185,90 m2 auf, wobei der "Stiegeneingang" 71,68 m2 groß sei. An die Kanalanlage sei das Erdgeschoss angeschlossen.
Das niederösterreichische Kanalgesetz zähle nichtangeschlossene Gebäudeteile zur unbebauten Fläche. Für die Qualifikation eines Gebäudeteiles im Sinne des Gesetzes seien jedoch zwei Kriterien maßgeblich, und zwar einerseits die bauliche Gestaltung und andererseits die Nutzung des Gebäudeteils. Die streitgegenständliche Fläche des "Stiegeneinganges" lasse eine Qualifikation als Gebäudeteil mangels entsprechender Nutzung nicht zu. Der Stiegenaufgang sei eindeutig Teil des Wohngebäudes und in die Berechnungsfläche aufzunehmen.
1.5. In seiner dagegen erhobenen Vorstellung brachte der Beschwerdeführer unter anderem vor, das Objekt sei seit vier Generationen in "Familienbesitz" und werde ausschließlich von der Familie bewohnt. Wie schon in seiner Berufung ausgeführt, sei das Stiegenhaus mit ca. 70 m2 nicht Bestandteil der Wohnung, sodass als Bemessungsgrundlage nur eine Fläche von 114,66 m2 verbleibe. Bei einer "Begehung" wäre die Art der Nutzung als teilweise gewerblicher bzw. landwirtschaftlicher Lagerraum nachgewiesen worden.
1.6. Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Vorstellung als unbegründet ab. Strittig sei nur mehr die Frage der Einbeziehung des Stiegenhauses in die Berechnungsfläche. Obzwar einzuräumen sei, dass der streitgegenständliche Stiegeneingang auf Grund seiner baulichen Gestaltung prinzipiell als Gebäudeteil zu werten sei, dürfe nicht übersehen werden, dass dieser nicht als Garage, als gewerblicher oder industrieller Lager- oder Ausstellungsraum oder für land- und forstwirtschaftliche Zwecke genutzt werde. Der Stiegeneingang sei daher zu Recht in die Berechnungsfläche miteinbezogen worden.
1.7. Der Beschwerdeführer bekämpft diesen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Er erachtet sich in seinem Recht auf eine dem Gesetz entsprechende Vorschreibung der Kanalbenützungsgebühr gemäß § 5 des Niederösterreichischen Kanalgesetzes, insbesondere durch Nichtbeachtung der Privilegierungsbestimmung des § 1a Z 7 leg. cit. verletzt.
1.8. Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift mit dem Antrag erstattet, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen. Die mitbeteiligte Partei hat sich im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht geäußert.
2.0. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
2.1. Das Niederösterreichische Kanalgesetz, Anlage zur Wiederverlautbarungskundmachung der niederösterreichischen Landesregierung, LGBl. Nr. 8230-0 (im Folgenden: NÖ KanalG 1977), in der Fassung durch die 6. Novelle, LGBl. Nr. 8230-6, die gemäß ihrem Art. II am in Kraft getreten ist, regelt unter anderem die Kanalbenützungsgebühren. Nach § 1 Abs. 1 dieses Gesetzes werden die Gemeinden gemäß § 8 Abs. 5 Finanzverfassungsgesetz 1948, BGBl. Nr. 45, ermächtigt, unter anderem Kanalbenützungsgebühren nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen zu erheben.
Nach § 5 Abs. 1 des NÖ KanalG 1977 ist für die Möglichkeit der Benützung der öffentlichen Kanalanlage eine jährliche Kanalbenützungsgebühr zu entrichten, wenn der Gemeinderat die Einhebung einer solchen Gebühr beschlossen hat. Diese Kanalbenützungsgebühr errechnet sich nach § 5 Abs. 2 erster Satz leg. cit. aus dem Produkt der Berechnungsfläche und dem Einheitssatz zuzüglich eines schmutzfrachtbezogenen Gebührenanteiles. Die Berechnungsfläche wiederum ergibt sich nach § 5 Abs. 3 leg. cit. aus der Summe aller an die Kanalanlage angeschlossenen Geschossflächen. Die Geschossfläche angeschlossener Kellergeschosse und nicht angeschlossener Gebäudeteile wird nicht berücksichtigt. Angeschlossene Kellergeschosse werden jedoch dann berücksichtigt, wenn eine gewerbliche Nutzung vorliegt, ausgenommen Lagerräume, die mit einem Unternehmen im selben Gebäude in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang stehen. Wird die Liegenschaft trotz bestehender Anschlussverpflichtung nicht an die Kanalanlage angeschlossen, so ist die Berechnungsfläche so zu ermitteln, als ob die Liegenschaft an die Kanalanlage angeschlossen wäre.
Der in der zuletzt genannten Bestimmung bezogene Begriff des "Gebäudeteiles" wird in § 1a Z 7 NÖ KanalG 1977 dahin definiert, dass ein Gebäudeteil ein vom übrigen Gebäude durch eine bis zu seiner obersten Decke durchgehende Wand getrennter Teil mit einer Nutzung als Garage, als gewerblicher oder industrieller Lager- oder Ausstellungsraum oder mit einer Nutzung für land- und forstwirtschaftliche Zwecke ist. Räume innerhalb eines Gebäudeteils gelten auch dann als eigener Gebäudeteil, wenn bis zur obersten Decke durchgehende Wände nicht vorhanden sind.
2.2. Strittig ist im vorliegenden Beschwerdeverfahren nur die Frage, ob das Stiegenhaus als "Gebäudeteil" im Sinne des § 1a Z 7 NÖ KanalG 1977 anzusehen ist oder nicht.
Der Beschwerdeführer vertritt hiezu zunächst offenbar die Ansicht, dass ein eigener Gebäudeteil - unabhängig von der Nutzung - schon dann vorliege, wenn bis zur obersten Decke durchgehende Wände nicht vorhanden seien. Dies ergibt sich jedoch aus dem insofern eindeutigen Wortlaut des Gesetzes gerade nicht, da sonst die Erwähnung der Nutzungsarten überflüssig wäre. Auch der Hinweis, dass Räume innerhalb eines Gebäudeteils auch dann als eigener Gebäudeteil gelten würden, wenn bis zur obersten Decke durchgehende Wände nicht vorhanden seien, vermag nicht zu überzeugen, ist doch Voraussetzung für die Heranziehung dieser Bestimmung für Räume innerhalb eines Gebäudeteils, dass ein Gebäudeteil überhaupt vorliegt. Aber auch bei "Räumen innerhalb eines Gebäudeteils" wäre nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes die Frage der Nutzung zu prüfen, wie sich aus dem Sinnzusammenhang ergibt.
Ein Gebäudeteil liegt daher nicht schon auf Grund seiner baulichen Gestaltung - wenngleich diese häufig in erster Linie für die Frage, ob ein Gebäudeteil anzunehmen ist oder nicht, entscheidend sein wird (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 99/17/0262, mwN) - allein vor, es bedarf auch der im Gesetz näher umschriebenen Nutzung.
2.3. Der Beschwerdeführer führt hiezu aus, das Gesetz sehe eine "Privilegierung" sogar dann vor, wenn nur eine eingeschränkte Nutzung für bestimmte Zwecke möglich sei. Dies müsse umso mehr dann gelten, wenn wie im Beschwerdefall überhaupt keine Nutzung möglich sei. Es könne dem Gesetzgeber nicht unterstellt werden, eine "sinnlose Hürde für eine mögliche Privilegierung einzubauen". Wenn nämlich nicht einmal die Verwendung eines Gebäudeteiles für eingeschränkte Zwecke möglich sei, weil der abgesonderte Gebäudeteil völlig unbenützbar sei, habe die im Gesetz vorgesehene Privilegierung stattzufinden.
Der Beschwerdeführer erkennt mit seinen Ausführungen somit selbst zutreffend, dass - ausgehend von seinem Beschwerdevorbringen, es liege überhaupt keine Nutzung vor - die im Gesetz genannten Fälle (Nutzung als Garage, als gewerblicher oder industrieller Lager- oder Ausstellungsraum oder für land- und forstwirtschaftliche Zwecke) zur Begründung der Eigenschaft des vorliegenden Stiegenhauses als "Gebäudeteil" nicht herangezogen werden können.
Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers sind jedoch die vom Gesetz näher angeführten Nutzungsarten nicht Einschränkungen einer ansonsten vollständig gegebenen Nutzung, sondern dienen einem - näher umschriebenen - Zweck. Zutreffend ist allerdings, dass bei den im Gesetz umschriebenen Zwecken zumindest in der Regel eine geringere Abwassermenge anfallen wird, als dies etwa bei Wohnzwecken typischerweise der Fall ist.
Im Beschwerdefall dient die unstrittig als Berechnungsfläche zugrundegelegte Fläche ausschließlich Wohnzwecken, sodass grundsätzlich (im Falle eines benützbaren Stiegenhauses) keine der im Gesetz umschriebenen Nutzungsarten vorliegt. In diesem Fall ergäbe sich jedoch die Einbeziehung in die Berechnungsfläche aus dem Gesetz, da das Stiegenhaus mit zur Geschossfläche im Sinne des § 5 Abs. 3 erster Satz NÖ KanalG 1977 zählt.
Ausgehend davon, ist jedoch die Frage der Benützung bzw. Benützbarkeit nicht wesentlich; das Gesetz kennt ein diesbezügliches Unterscheidungskriterium nicht. Damit trägt aber der Gesetzgeber nur dem Umstand Rechnung, dass Teile von Geschossflächen, wie etwa Wintergärten, Schuppen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 97/17/0461) oder auch Stiegenaufgänge und Hallen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 98/17/0329), obwohl dort typischerweise weniger Abwasser anfällt, dennoch anderen Bereichen, wie etwa dem Wohnbereich, zumindest dienend zugeordnet sein können. Dass dies aber im Beschwerdefall trotz der behaupteten Unbenützbarkeit nicht gegeben wäre, ist nicht zu erkennen.
2.5. Aus den dargelegten Erwägungen ergibt sich, dass der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid in seinen Rechten weder wegen der geltend gemachten noch wegen einer vom Verwaltungsgerichtshof aus eigenem aufzugreifenden Rechtswidrigkeit verletzt worden ist.
Die Beschwerde war infolgedessen gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
2.5. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.
2.6. Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.
Wien, am