VwGH vom 24.09.1993, 90/17/0110
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Kramer, Dr. Puck, Dr. Gruber und Dr. Höfinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Mag. Raunig, über die Beschwerde der Republik Österreich - Bund, vertreten durch den Bundesminister für Unterricht und Kunst in Wien I, Minoritenplatz 5, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom , Zl. SanRB - 4746/2 - 1989 - K/P, betreffend Vorschreibung von Kurtaxe für das Jahr 1987, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
1.1. Mit Bescheid vom schrieb die Kurkommission St. Wolfgang im Salzkammergut der Republik Österreich (Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Sport) "als Rechtsträger des Bundesinstitutes für Erwachsenenbildung St. Wolfgang für die Monate Jänner 1987 bis einschließlich Dezember 1987" eine Kurtaxe in Höhe von S 52.025,-- vor. Begründend heißt es in diesem Bescheid im wesentlichen, der Bund betreibe im Kurbezirk ein Institut zur Aus- und Fortbildung von Erwachsenenbildnern und von Volksbibliothekaren. Diesem Institut seien Unterkünfte und Verpflegungseinrichtungen angeschlossen, deren Benützung den Kurs- und Seminarteilnehmern gegen Entrichtung eines angemessenen Beitrages offenstehe. Das Ermittlungsverfahren habe ergeben, daß im oben genannten Zeitraum in den Unterkünften des Bundesinstitutes 3.559 Kurs- und Seminarteilnehmer genächtigt hätten, wobei insgesamt
12.896 Nächtigungen angefallen seien. Die Kurtaxe sei vorzuschreiben gewesen, weil die Befreiungsbestimmung des § 4 Abs. 1 lit. b des Oberösterreichischen Kurtaxengesetzes, LGBl. Nr. 43/1970 (im folgenden: Oö KurtaxenG), nicht zur Anwendung komme; ebensowenig lägen die Befreiungsvoraussetzungen des § 4 Abs. 1 lit. a und c Oö KurtaxenG vor.
In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung wird zunächst ausgeführt, daß es sich beim Bundesinstitut für Erwachsenenbildung St. Wolfgang (im folgenden: BIfEB) um eine Anstalt ohne eigene Rechtspersönlichkeit handle, deren Rechtsträger der Bund sei. Die Aufgabenstellung des Institutes ergebe sich aus § 11 des Bundesgesetzes über die Förderung der Erwachsenenbildung und des Volksbüchereiwesens aus Bundesmitteln, BGBl. Nr. 171/1973; nach dieser Bestimmung hätten die Institute ihre Aufgabe durch die Veranstaltung von Kursen und Seminaren zu erfüllen. Was weiters den ersten Befreiungstatbestand in § 4 Abs. 1 lit. b Oö KurtaxenG ("zur Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit") anlange, sei zwar von der Kurkommission zu Recht angenommen worden, daß dieser auf das Lehr- und Hilfspersonal des BIfEB sowie auf die Vortragenden zutreffe; darüber hinaus hielten sich jedoch im überwiegenden Ausmaß Kursteilnehmer, die öffentlich Bedienstete (Verwaltungsbedienstete und Lehrer) seien, im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit im BIfEB auf, sei es, daß sie der im Dienstrecht verankerten Verpflichtung zur beruflichen Fortbildung nachkämen (§ 58 Beamtendienstrechtsgesetz 1979), sei es, daß sie auf Grund eines Dienstauftrages an den Veranstaltungen teilnähmen; in der Regel würden von den Teilnehmern Reisegebühren nach der Reisegebührenvorschrift 1955 verrechnet. Zum zweiten Befreiungstatbestand in § 4 Abs. 1 lit. b Oö KurtaxenG ("zur Berufsausbildung") führte die beschwerdeführende Partei aus, daß die in Rede stehenden Kurse und Seminare Ausbildungslehrgänge seien, weil neue bzw. höhere Qualifikationen vermittelt würden. Schließlich seien die genannten Befreiungstatbestände unter Bedachtnahme auf den Sinn und Zweck der Kurtaxe (finanzielle Förderung des Kurbetriebes des jeweiligen Kurortes) dahingehend zu verstehen, daß eine Nächtigung in Verbindung mit einer Ausübung der beruflichen Tätigkeit bzw. Berufsausbildung dann nicht abgabepflichtig sei, wenn die Ausübung der beruflichen Tätigkeit bzw. die Berufsausbildung in keinem wie immer gearteten Zusammenhang mit dem Kurbetrieb stehe; die Kursteilnehmer nähmen in der Regel keine Leistungen des Kurortes in Anspruch und hielten sich im BIfEB auch nur für kurze Zeit (wenige Tage) auf.
1.2. Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid. In der Begründung wird ausgeführt, daß die Befreiung einer Person von der Entrichtung der Kurtaxe wegen Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit nur erfolgen könne, wenn zwei Voraussetzungen zuträfen. So ergebe sich einerseits aus der Formulierung "zur Ausübung", daß der Aufenthalt dem Zweck diene, im Kurbezirk den Beruf auszuüben; die zweite Voraussetzung für die Anwendung des genannten Befreiungstatbestandes sei, daß die Person IHRE berufliche Tätigkeit im Kurbezirk ausübe, das heißt, daß sie im Rahmen des Berufes solche Tätigkeiten verrichte, die im Zusammenhang mit der berufsspezifischen Qualifikation typisch für den Beruf seien und in Erfüllung des Zweckes des Berufes verrichtet würden. Dieser enge Berufsbegriff umfasse also nicht jede Tätigkeit, die im Rahmen eines Berufes in der Arbeitszeit verrichtet werde, wie z.B. die Fahrt zur Erreichung eines Dienstortes (Dienstreise), die Fortbildung zur Erlangung einer höheren Qualifikation für die eigentliche Berufstätigkeit, die Einnahme einer Mahlzeit, ein Arztbesuch oder Krankenhausaufenthalt; solche Tätigkeiten seien Voraussetzung dafür, daß der Beruf (im engeren Sinn) ausgeübt werden könne. Öffentlich Bedienstete, die als Kursteilnehmer im BIfEB nächtigten, hielten sich zwar in Erfüllung des Berufes und der sich daraus ergebenden Dienstpflichten im Kurbezirk auf, übten jedoch ihren Beruf im Sinne des oben definierten Berufsbegriffes nicht aus. Der Schwerpunkt der Tätigkeit liege in diesem Fall in der Erlangung zusätzlicher Kenntnisse und nicht in der Ausübung des jeweiligen Berufes: So hielten z.B. Lehrer keinen Unterricht und verrichteten Verwaltungsbedienstete keine administrative Tätigkeit. Der zweite Befreiungstatbestand in § 4 Abs. 1 lit. b Oö KurtaxenG komme nicht in Betracht, weil die in den dem BIfEB angeschlossenen Unterkünften nächtigenden Personen am Institut zwar eine Ausbildung, nicht jedoch eine Berufsausbildung absolvierten; die Berufsausbildung betreffe das Erlernen aller gesetzlich anerkannten Ausbildungsberufe, die von Jugendlichen als Erstausbildung erlernt würden. Der Sinn der Kurtaxe sei schließlich eine pauschalierte Gegenleistung der im Kurbezirk nächtigenden Personen für die Möglichkeit der meist unentgeltlichen Inanspruchnahme von Leistungen des Kurortes; die Kurtaxenpflicht entstehe auf Grund des Tatbestandes der Nächtigung unabhängig von der tatsächlichen Inanspruchnahme von Leistungen des Kurortes, der Dauer des Aufenthaltes sowie der Tatsache, daß der Beherbergungsbetrieb nicht nach kommerziellen Gesichtspunkten geführt werde.
1.3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Die Beschwerdeführerin behauptet inhaltliche Rechtswidrigkeit, in eventu Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und beantragt deshalb die Aufhebung des angefochtenen Bescheides.
1.4. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift.
2.0. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
2.1. Die für den Beschwerdefall maßgeblichen Bestimmungen des Oö KurtaxenG, LGBl. Nr. 43/1970, lauten auszugsweise:
"§ 2
Art und Höhe der Kurtaxe
(1) Die Kurtaxe ist aus Anlaß der Nächtigung im Kurbezirk zu entrichten.
...
§ 3
Abgabenschuldner, Abgabenpflicht, Einhebung der Kurtaxe
(1) Abgabenschuldner der Kurtaxe ist jede Person, die im Kurbezirk nächtigt, dort nicht ihren ordentlichen Wohnsitz hat und nicht von der Entrichtung der Kurtaxe befreit ist. Die Abgabenpflicht entsteht mit der Nächtigung. Die Kurtaxe wird mit diesem Zeitpunkt fällig. ...
(2) Die einen Nächtigungsplatz zur Verfügung stellende Person (Quartiergeber) hat jede Nächtigung einer nach Abs. 1 abgabenpflichtigen Person der Kurkommission bekanntzugeben.
(3) Der Abgabenschuldner kann die Kurtaxe unmittelbar bei der Kurkommission entrichten. ...
(4) Wird die Kurtaxe nicht unmittelbar bei der Kurkommission entrichtet, so ist der Abgabenschuldner verpflichtet, die Kurtaxe an den Quartiergeber zu entrichten. Der Quartiergeber ist verpflichtet, die Kurtaxe vom Abgabenschuldner für die Kurkommission einzuheben, hierüber Aufzeichnungen zu führen, die eingehobenen Kurtaxen mit der Kurkommission abzurechnen und sie vollständig an die Kurkommission abzuführen. Der Quartiergeber haftet für die Entrichtung der Abgabe mit dem Abgabenschuldner zur ungeteilten Hand.
...
§ 4
Befreiung von der Entrichtung der Kurtaxe
(1) Von der Entrichtung der Kurtaxe sind befreit:
...
b) Personen, die sich zur Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit, zur Berufsausbildung oder zum Schulbesuch im Kurbezirk aufhalten;
..."
2.2.1. Im Beschwerdefall steht außer Streit, daß die öffentlich Bediensteten, die als Kursteilnehmer im BIfEB nächtigten, sich in Erfüllung ihres Berufes und der sich daraus ergebenden Dienstpflichten im Kurbezirk aufgehalten haben.
2.2.2. Zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ist das Vorliegen des Befreiungstatbestandes "zur Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit" strittig. Während die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid davon ausgeht, daß sich die öffentlich Bediensteten im Kurbezirk zwar in Erfüllung ihres Berufes und der sich daraus ergebenden Dienstpflichten aufgehalten, jedoch ihren Beruf im Sinne eines "engen Berufsbegriffes" nicht ausgeübt hätten, vertritt die beschwerdeführende Partei in der Beschwerde ebenso wie schon auf der Verwaltungsebene die Ansicht, daß die öffentlich Bediensteten (Verwaltungsbedienstete und Lehrer) im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit einer im Dienstrecht verankerten Verpflichtung zur beruflichen Fortbildung nachgekommen seien. Gemäß § 58 BDG 1979 habe der Beamte, wenn es die dienstlichen Interessen erforderten, an Lehrveranstaltungen teilzunehmen, in denen die für die Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten vermittelt, ergänzt und erweitert würden bzw. in denen er die für seine Tätigkeit notwendige praktische Unterweisung erhalte. Aus § 58 BDG 1979 ergebe sich eindeutig, daß eine Weiterbildung zu den Dienstpflichten des Beamten gehöre (vgl. auch die Überschrift zum 6. Abschnitt des BDG 1979); damit stehe aber zweifelsfrei fest, daß Beamte und Lehrer, die im Rahmen ihrer dienstlichen Verpflichtung zur Aus- und Fortbildung im BIfEB nächtigen müßten, sich dort in Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit aufhielten.
2.2.3. Mit diesen Beschwerdeausführungen ist die Beschwerdeführerin im Recht.
Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem (zum Salzburger KurtaxenG ergangenen) Erkenntnis vom , Zl. 85/17/0158, dargetan hat, ist der "berufsmäßige" Aufenthalt eines Richters im Sinne des Befreiungstatbestandes des "berufsmäßigen" Aufenthaltes im Salzburger KurtaxenG nicht nur ein solcher in Ausübung des richterlichen Amtes (Art. 87 Abs. 2 B-VG), sondern auch ein solcher in Erfüllung sonstiger Dienstpflichten; zu diesen Dienstpflichten zähle auch die richterliche Fort- bzw. Weiterbildung (vgl. § 57 RDG). Der Verwaltungsgerichtshof führte im oben zitierten Erkenntnis weiter aus, für Richter, Richteramtsanwärter und Beamte des Bundesministeriums für Justiz, welche zur Richterwoche zugelassen seien, sei die Teilnahme an der Veranstaltung Dienstpflicht. Sie erfolge daher in Ausübung des Berufes, der sich beim Richter, wie sich z.B. § 57 Abs. 2 RDG entnehmen lasse, nicht in der Ausübung des richterlichen Amtes erschöpfe.
Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung besteht auch im Beschwerdefall kein Anhaltspunkt für die Annahme, das Oö KurtaxenG hätte unter dem Begriff des Aufenthaltes "zur Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit" im ersten Befreiungstatbestand des § 4 Abs. 1 lit. b einen engeren Begriffsinhalt umschreiben wollen, als ihn der Salzburger Landesgesetzgeber durch die Wendung "die sich berufsmäßig ... im Kurbezirk aufhalten" zum Ausdruck gebracht hat. Es ist vielmehr der Rechtsauffassung der beschwerdeführenden Partei zu folgen, wonach unter dem Aufenthalt einer Person zur Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit auch der in Erfüllung einer Dienstpflicht (§ 58 BDG 1979) gelegene Aufenthalt eines öffentlich Bediensteten (Verwaltungsbediensteten oder Lehrers) zur Teilnahme an Qualifikations- und Fortbildungsveranstaltungen am BIfEB zu verstehen ist. Auch die pflichtgemäße Teilnahme an Fortbildungskursen und -seminaren ist als eine Form der Ausübung der beruflichen Tätigkeit zu beurteilen. Der von der belangten Behörde dem angefochtenen Bescheid zugrundegelegte "enge Berufsbegriff" findet im § 4 Abs. 1 lit. b Oö KurtaxenG keine Deckung.
2.3. Aus den dargelegten Erwägungen folgt, daß die belangte Behörde das Vorliegen des Befreiungstatbestandes "zur Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit" des § 4 Abs. 1 lit. b Oö KurtaxenG zu Unrecht verneint hat, weshalb der angefochtene Bescheid schon aus diesem Grund gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben war.
2.4. Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.