VwGH vom 20.11.2002, 2002/17/0266
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Höfinger, Dr. Holeschofsky, Dr. Köhler und Dr. Zens als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 67, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom , Zlen. UVS-05/K/12/5752/2001/2, UVS- 05/V/12/5754/2001, betreffend Absehen von der weiteren Durchführung von Strafverfahren in Angelegenheiten von Übertretungen des Wiener Parkometergesetzes (mitbeteiligte Partei: K in München), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
Mit Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien vom wurde die mitbeteiligte Partei des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens zweier Übertretungen nach dem Parkometergesetz, LGBl. für Wien Nr. 47/1974, für schuldig befunden und hiefür bestraft, wogegen diese Berufung erhob.
Darüber entschied die belangte Behörde mit ihrem Bescheid vom dahingehend, dass sie gemäß § 21 Abs. 1a VStG von der weiteren Durchführung des Strafverfahrens absah.
Begründend zitierte die belangte Behörde § 21 Abs. 1a VStG und führte aus, dass in den vorliegenden Fällen zur Abklärung der Sachverhalte eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen wäre, in der der in Deutschland lebende Berufungswerber als Partei zu befragen wäre bzw. weitere Erhebungen zur Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts erforderlich wären, die nur mit erheblichem Aufwand anzustellen wären. Der für die Durchführung des Berufungsverfahrens erforderliche Aufwand stünde angesichts der von der Behörde erster Instanz verhängten Geldstrafen in Höhe von jeweils S 500,-- (entspreche jeweils EUR 36,34) in einem Missverhältnis zum Grad und zur Bedeutung der in den Verwaltungsübertretungen liegenden Verletzung öffentlicher Interessen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, unter anderem auf § 14a des Gesetzes über den Unabhängigen Verwaltungssenat Wien, LGBl. für Wien Nr. 53/1990, gestützte Beschwerde des Magistrates der Stadt Wien, über die der Verwaltungsgerichtshof in dem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat nach Vorlage der Akten des Verwaltungsverfahrens durch die belangte Behörde, die auf die Erstattung einer Gegenschrift verzichtet hat, erwogen hat:
§ 21 Abs. 1a VStG wurde durch Art. II des Verwaltungsreformgesetzes 2001, BGBl. I Nr. 65/2002, in das VStG eingefügt und hat folgenden Wortlaut:
"Die Behörde kann von der Einleitung und Durchführung eines Strafverfahrens absehen, wenn die Verfolgung aussichtslos erscheint oder der hiefür erforderliche Aufwand in einem Missverhältnis zum Grad und zur Bedeutung der in der Verwaltungsübertretung liegenden Verletzung öffentlicher Interessen steht."
Nach dem Wortlaut dieser Bestimmung kann die Behörde nur dann von der (weiteren) Durchführung des Strafverfahrens absehen, wenn ein "Missverhältnis" im Sinne dieser Bestimmung vorliegt. Von einem solchen kann allerdings nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes jedenfalls nur dann gesprochen werden, wenn der Unrechtsgehalt gering ist und der im Interesse eines rechtsstaatlichen Verfahrens erforderliche Aufwand für die (Einleitung und) Durchführung des gegenständlichen Strafverfahrens jenen Aufwand, der üblicherweise mit einem Strafverfahren betreffend Delikte solcher Art verbunden ist, erheblich übersteigt. Eine andere Betrachtungsweise würde etwa bei so genannten "Bagatelldelikten" - außer im Fall eines Geständnisses - in der Regel zur Anwendung des § 21 Abs. 1a VStG führen, obwohl der Materiengesetzgeber auch bei diesen Delikten von der Strafwürdigkeit eines Verstoßes gegen eine Verwaltungsvorschrift - unter Zugrundelegung öffentlicher Interessen - ausgeht; der Beschuldigte hätte es nämlich in der Hand, den Strafanspruch des Staates etwa durch bloßes Bestreiten und Stellen von Beweisanträgen zunichte zu machen.
Ausgehend davon, hat die belangte Behörde mit der bloßen Bezugnahme auf die von der Erstbehörde jeweils verhängte Geldstrafe die Rechtslage verkannt; dass dies kein wesentliches Kriterium im Sinne des § 21 Abs. 1a VStG darstellen kann, lässt sich schon daraus erkennen, dass u.a. bei der Strafbemessung nach § 19 Abs. 2 letzter Satz VStG auch die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten zu berücksichtigen sind und daher die Strafhöhe mit dem "Aufwand" im Sinne des § 21 Abs. 1a VStG nicht im Zusammenhang steht (vgl. zum Ganzen das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2002/02/0163). Dass der von der belangten Behörde im vorliegenden Fall als erforderlich erachtete Aufwand - selbst wenn von einem geringen Unrechtsgehalt der Tat auszugehen wäre - den üblicherweise mit einem Strafverfahren wegen der angelasteten Übertretungen verbundenen Aufwand vergleichbarer Fälle erheblich übersteigt, ergibt sich aus dem bloßen Hinweis auf den Wohnsitz des im verwaltungsgerichtlichen Verfahren Mitbeteiligten in der Bundesrepublik Deutschland (München) jedenfalls nicht mit hinreichender Deutlichkeit.
Da die belangte Behörde, wie sich aus der Begründung ihrer Entscheidung ergibt, die Rechtslage verkannt hat, brauchte sich der Verwaltungsgerichtshof im vorliegenden Verfahren nicht mit der Frage zu befassen, welche Bedeutung allfällige Hindernisse, die der Vollstreckung einer Verwaltungsstrafe wegen des hier in Rede stehenden Deliktes der Nichterteilung einer Lenkerauskunft nach § 1a des Wiener Parkometergesetzes in der Bundesrepublik Deutschland aus dem dortigen ordre public im Hinblick auf Art. 6 MRK entgegenstehen könnten, für die Beurteilung, ob ein "Missverhältnis" im Sinne des § 21 Abs. 1a VStG vorliegt, haben könnten.
Der angefochtene Bescheid war sohin gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert werden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.
Wien, am