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VwGH vom 15.04.1997, 96/14/0140

VwGH vom 15.04.1997, 96/14/0140

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Karger, Dr. Graf, Mag. Heinzl und Dr. Zorn als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Hajicek, über die Beschwerde der L in W, vertreten durch Dr. B, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , Zl. GA 8 - 1768/96, betreffend erhöhte Familienbeihilfe, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die am geborene Beschwerdeführerin beantragte durch ihre Sachwalterin am die Zuerkennung der erhöhten Familienbeihilfe seit . Im Antrag wurde ausgeführt, daß die Beschwerdeführerin aufgrund ihrer geistigen Behinderung nicht imstande sei, ihren Lebensunterhalt selbst zu bestreiten. Gemäß § 22 des Wr. Behindertengesetzes besuche sie seit die Beschäftigungstherapie bei einer näher bezeichneten Einrichtung und lebe in einer von der selben Institution betreuten Wohngemeinschaft.

Das Finanzamt wies diesen Antrag ab, weil sich die Beschwerdeführerin ihren Unterhalt dauernd selbst verschaffen könne.

Die dagegen erhobene Berufung wies die belangte Behörde mit Bescheid vom ab und führte begründend aus, die Beschwerdeführerin sei Anfang 1984 aufgrund der gerichtlichen Anordnung der Erziehungshilfe in einem Heim untergebracht worden. Die Kosten der Heimunterbringung seien von der öffentlichen Hand übernommen worden. Der Eintritt der Großjährigkeit sei mit Gerichtsbeschluß bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres hinausgeschoben worden. Seit Oktober 1991 lebe die Beschwerdeführerin in einer Wohngemeinschaft eines näher bezeichneten Hilfswerks, der eine Werkstätte angeschlossen sei, in der die Beschwerdeführerin in Beschäftigungstherapie stehe. Die vollen Kosten dafür trage die öffentliche Hand. Die Beschwerdeführerin erhalte ein Taschengeld. Im Dezember 1994 habe die Beschwerdeführerin eine Gemeindewohnung erhalten, die sie seit Mai 1995 bewohne. Seit erhalte die Beschwerdeführerin Pflegegeld der Stufe 2 (1993 monatlich S 3.500,--, 1994 monatlich S 3.588,--, 1995 monatlich S 3.688,--). Seither sei die Beschwerdeführerin zu einem Kostenersatz an die Stadt Wien verpflichtet. Seit erhalte die Beschwerdeführerin vom Sozialamt des Magistrats der Stadt Wien nach dem Wiener Sozialhilfegesetz eine Hilfe zur Sicherung des Lebensunterhaltes als Dauerleistung. Diese Leistung betrage monatlich S 8.156,-- (ab 1996 S 8.494,--).

Aufgrund dieses Sachverhaltes sei davon auszugehen, daß sich die Beschwerdeführerin seit ihrer Übernahme in Gemeindepflege im Jahr 1984 auf Kosten der Sozialhilfe in Heimerziehung befinde. Dies gelte auch für die seit Oktober 1991 erfolgte Unterbringung in der genannten Wohngemeinschaft. Es liege daher der im § 6 Abs. 5 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 umschriebene Ausschließungsgrund vor.

Dieser Bescheid wurde mit Bescheid des Bundesministers für Umwelt, Jugend und Familie vom gemäß § 299 Abs. 2 BAO aufgehoben. Begründend wurde in diesem Bescheid ausgeführt, von der abweisenden Berufungsentscheidung werde auch der Zeitraum umfaßt, in dem die Beschwerdeführerin eine Gemeindewohnung bewohne. Dies erfülle aber nach dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 89/13/0248, nicht den Ausschließungsgrund des § 6 Abs. 5 Familienlastenausgleichsgesetz 1967, auch wenn die Unterbringung in der Wohnung aus öffentlichen Mitteln finanziert werde.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid teilweise Folge und sprach aus, daß für die Zeit vom bis kein Anspruch auf Familienbeihilfe bestehe. Für die Zeit ab bestehe Anspruch auf Familienbeihilfe und den Erhöhungsbetrag für erheblich behinderte Kinder.

In der Begründung dieses Bescheides verwies die belangte Behörde zunächst auf die Sachverhaltsdarstellung in ihrem Bescheid vom und vertrat unter Bezugnahme auf das oben genannte Erkenntnis vom die Auffassung, daß für die Zeit, in der die Beschwerdeführerin in einer Gemeindewohnung untergebracht worden sei, kein Ausschließungsgrund nach § 6 Abs. 5 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 vorliege, weil die Unterbringung in einer Wohnung nicht der in dieser Gesetzesstelle genannten Heimerziehung gleichgesetzt werden könne. Für die Zeit davor sei zu prüfen, ob sich die Beschwerdeführerin in Heimerziehung befunden habe. Es komme dabei nicht auf die Bezeichnung der Einrichtung an, in der das Kind untergebracht worden sei, sondern auf die tatsächlichen Gegebenheiten. Entscheidend sei, ob sich ein Kind durch die Unterbringung in einer Institution auf Kosten der öffentlichen Hand um die allgemeinen Dinge der Lebensführung nicht zu kümmern brauche. Die Beschwerdeführerin erhalte seit Pflegegeld der Stufe 2. Davon sei an die öffentliche Hand Ersatz zu leisten. Sie trage somit zu ihren Lebenshaltungskosten bei und habe sich daher ab nicht auf Kosten der Jugendwohlfahrtspflege oder der Sozialhilfe in Heimerziehung befunden. Für den Zeitraum vom bis , in dem der Beschwerdeführerin lediglich ein geringfügiges Taschengeld zur Verfügung gestanden sei, sei davon auszugehen, daß die Lebenshaltungskosten zur Gänze bzw. zum größten Teil aus öffentlichen Mitteln finanziert worden seien und daher die Unterbringung der Beschwerdeführerin eine Heimerziehung auf Kosten der Jugendwohlfahrtspflege oder der Sozialhilfe dargestellt habe, woraus sich der Ausschluß von der Familienbeihilfe ergebe.

Gegen den abweisenden Teil dieses Bescheides richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag auf kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes oder wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Strittig ist im Beschwerdefall, ob sich die Beschwerdeführerin in der Zeit vom bis auf Kosten der Jugendwohlfahrtspflege oder der Sozialhilfe in Heimerziehung befunden hat, wie es dem Standpunkt der belangten Behörde entspricht, oder ob dies, wie die Beschwerdeführerin meint, deshalb nicht der Fall war, weil die Unterbringung in der Wohngemeinschaft bei der genannten Einrichtung keine auf Kosten der Jugendwohlfahrtspflege oder der Sozialhilfe erfolgte Heimerziehung im Sinne des § 6 Abs. 5 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 darstellte.

Der Verwaltungsgerichtshof teilt die Auffassung der belangten Behörde, daß sich die Beschwerdeführerin im Streitzeitraum auf Kosten der Jugendwohlfahrtspflege oder der Sozialhilfe in Heimerziehung befunden hat. Richtig ist zwar der Hinweis in der Beschwerde, daß der Ausschließungsgrund des § 6 Abs. 5 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 nur dann vorliegt, wenn das Kind aus öffentlichen Mitteln (Sozialhilfe bzw. Jugendwohlfahrt) in einem Heim erzogen wird (vgl. die Erläuterungen zur Regierungsvorlage betreffend die Änderung des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 durch das Bundesgesetz, BGBl. Nr. 296/1981, 694 der Beilagen zu den stenographischen Protokollen des NR XV. GP, 4), weil nur dann das Kind der Sorge um seinen Lebensunterhalt enthoben wird. Insofern entspricht zwar der im vorletzten Absatz des angefochtenen Bescheides enthaltene Hinweis, es sei daher davon auszugehen, daß die Lebenshaltungskosten "zur Gänze bzw. zum größten Teil" aus öffentlichen Mitteln finanziert worden seien, nicht exakt der Rechtslage, weil eine nur teilweise Kostentragung durch die öffentliche Hand keinen Ausschlußgrund darstellt, doch liegt eine Verletzung von Rechten der Beschwerdeführerin deshalb nicht vor, weil in der - aus dem Bescheid vom übernommenen - Sachverhaltsdarstellung - unbekämpft und nach der Aktenlage in unbedenklicher Weise - die Feststellung getroffen wurde, daß die vollen Kosten für die Unterbringung in der genannten Wohngemeinschaft und die Beschäftigungstherapie die öffentliche Hand getragen hat. Dies gilt auch für das der Beschwerdeführerin zur Verfügung gestellte Taschengeld von rund S 600,-- monatlich, weil es sich dabei nach der von der Beschwerdeführerin vorgelegten Bestätigung der genannten Einrichtung vom um eine pädagogische Maßnahme im Rahmen der beschäftigungstherapeutischen Betreuung nach dem Wr. Behindertengesetz handelt. Leistungen nach dem Wr. Behindertengesetz sind aber nach der hg. Rechtsprechung (siehe das hg. Erkenntnis vom , 89/13/0156, mwN) im Sinne des § 6 Abs. 5

Familienlastenausgleichsgesetz 1967 den Leistungen aus der Sozialhilfe gleichzuhalten. Eigene, das heißt nicht aus Leistungen der Jugendwohlfahrtspflege oder der Sozial-(Behinderten-)hilfe stammende Mittel, mit denen die Beschwerdeführerin zu den Kosten ihrer Unterbringung hätte beitragen können, besaß sie nach der Aktenlage im Streitzeitraum nicht. Auch die Beschwerde enthält diesbezüglich keine Behauptungen. Es ist daher davon auszugehen, daß die Kosten der Unterbringung der Beschwerdeführerin in der genannten Einrichtung zur Gänze aus Mitteln der Jugendwohlfahrtspflege oder der Sozialhilfe getragen wurden. Ob der Beschwerdeführerin der Lebensunterhalt gemäß § 12 Wr. Sozialhilfegesetz zur Gänze geleistet wurde, ist für die Frage, ob sie sich im Sinne des § 6 Abs. 5 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 auf Kosten der Jugendwohlfahrtspflege oder der Sozialhilfe in Heimerziehung befunden hat, nicht entscheidend, sodaß der in diesem Zusammenhang gerügte Verfahrensmangel nicht relevant ist.

Die Beschwerdeführerin meint, die Unterbringung in der bei der genannten Einrichtung bestehenden Wohngemeinschaft stelle keine Heimerziehung im Sinne des § 6 Abs. 5 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 dar. Sie verweist in diesem Zusammenhang auf das hg. Erkenntnis vom , 89/13/0248, in dem ausgesprochen wurde, daß die Unterbringung von Kindern in einer Wohnung auf Kosten der Sozialhilfe keine Heimerziehung im Sinne des § 6 Abs. 5 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 darstelle.

Diesen Ausführungen ist zu erwidern, daß es bei der Beurteilung der Frage, ob sich ein Kind in Heimerziehung befindet, nicht auf die Bezeichnung der Einrichtung, in der das Kind untergebracht ist, ankommt. Wesentliche Kriterien, die eine Heimerziehung im Sinne der genannten Gesetzesstelle von der bloßen Unterbringung in einer Wohnung unterscheiden, können - wie in der Gegenschrift zutreffend ausgeführt wird - darin bestehen, daß bei der Heimerziehung das Kind sich um die allgemeinen Dinge der Lebensführung nicht zu kümmern braucht, einer gewissen Reglementierung des Tagesablaufes und einer regelmäßigen Aufsicht unterliegt und ihm - soweit erforderlich - eine regelmäßige Pflege gewährt wird.

Nach der Aktenlage wurde die Beschwerdeführerin mit Beschluß des Jugendgerichtshofes Wien vom in Gemeindepflege übernommen und befand sich bis 1991 in einem näher bezeichneten Kinderheim. In der Folge wurde sie in die genannte Einrichtung überstellt, weil sie aufgrund ihres Alters nicht mehr in das Kinderheim paßte. Sie lebte dann in einer Wohngemeinschaft der genannten Einrichtung. Nach deren Bericht vom hatte sie damals eine gewisse "Betreuungsmüdigkeit", d.h. sie wollte keine Betreuer mehr haben, die "immer nur etwas wollen". Die Unterbringung in der Wohngemeinschaft der genannten Einrichtung ist somit nicht mit der - dem zitierten Erkenntnis vom zugrunde liegenden - bloßen Unterbringung in einer Wohnung vergleichbar, sondern erfüllt wesentliche der oben beschriebenen Kriterien für die Annahme einer Heimerziehung in § 6 Abs. 5 Familienlastenausgleichsgesetz 1967, sodaß der belangten Behörde nicht mit Erfolg entgegengetreten werden kann, wenn sie für den Streitzeitraum angenommen hat, daß sich die Beschwerdeführerin in Heimerziehung befunden habe.

Aus den dargelegten Erwägungen erweist sich die Beschwerde als unbegründet. Sie war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.