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VwGH vom 31.07.2003, 2002/17/0212

VwGH vom 31.07.2003, 2002/17/0212

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):

2002/17/0214

2002/17/0247

2002/17/0250

2002/17/0251

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Höfinger und Dr. Holeschofsky als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerden


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1.
der S GmbH in L (Zl. 2002/17/0212),
2.
der T GmbH in F (Zl. 2002/17/0214),
3.
der T GmbH in F (Zl. 2002/17/0247),
4.
der S GmbH in B (Zl. 2002/17/0250) und
5.
der S GmbH in L (Zl. 2002/17/0251),
alle beschwerdeführenden Parteien vertreten durch Dr. Josef Hofer und Mag. Dr. Thomas Humer, Rechtsanwälte in 4600 Wels, Ringstraße 4, gegen die Bescheide jeweils des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft
ad 1. vom , Zl. 17.450/119-I/7/02, ad 2. vom , Zl. 17.450/122-I/7/02, ad 3. vom , Zl. 17.450/164-I/7/02,
ad 4. vom , Zl. 17.450/166-I/7/02, und
ad 5. vom , Zl. 17.450/169-I/7/02, sämtliche betreffend Abweisung von Anträgen auf Aussetzung
der Einhebung bescheidmäßig vorgeschriebener Agrarmarketingbeiträge für die Schlachtung von Rindern und Kälbern, bzw. von Rindern, Kälbern, Lämmern und Schafen sowie im Fall der erst- und gleichzeitig fünftbeschwerdeführenden Partei von Schweinen, zu Recht erkannt:

Spruch

Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben.

Der Bund (Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft) hat den Beschwerdeführern jeweils je Beschwerde Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.088,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die beschwerdeführenden Parteien betreiben jeweils Schlachtbetriebe. Für die vorgenommene Schlachtung von Rindern, Kälbern und Schweinen wurden ihnen von der Agrarmarkt Austria (AMA) Agrarmarketingbeiträge wie folgt vorgeschrieben:

Der erst- und gleichzeitig fünftbeschwerdeführenden Partei mit Bescheiden je vom für die Beitragsmonate Dezember 2001 und Jänner 2002 insgesamt EUR 8.773,64;

der zweit- und gleichzeitig drittbeschwerdeführenden Partei mit Bescheid vom für den Beitragsmonat Dezember 2001 EUR 2.726,68;

der zweit- und gleichzeitig drittbeschwerdeführenden Partei mit Bescheiden vom und vom für die Beitragsmonate Jänner und Februar 2002 insgesamt EUR 3.775,98;

der viertbeschwerdeführenden Partei mit Bescheid vom für die Beitragsmonate Jänner und Februar 2002 EUR 38.851,90 und

der erst- und gleichzeitig fünftbeschwerdeführenden Partei mit Bescheid vom für den Beitragsmonat Februar 2002 EUR 3.948,57.

Die jeweiligen beschwerdeführenden Parteien erhoben gegen diese Abgabenvorschreibungen Berufungen, in welchen sie jeweils mit gemeinschaftsrechtlichen Argumenten die Anwendbarkeit der von der erstinstanzlichen Behörde als Grundlage ihrer Abgabenvorschreibungen herangezogenen §§ 21a bis 21i des AMA-Gesetzes 1992, BGBl. Nr. 376, bestritten. Die beschwerdeführenden Parteien verbanden ihre Berufungen mit Anträgen auf Aussetzung der Einhebung der vorgeschriebenen Abgaben.

Diese Anträge wies die AMA mit Bescheiden vom (erst- und gleichzeitig fünftbeschwerdeführende Partei hinsichtlich des Beitragszeitraumes Dezember 2001 und Jänner 2002), vom (zweit- und gleichzeitig drittbeschwerdeführende Partei hinsichtlich des Beitragszeitraumes Dezember 2001), vom und (zweit- und gleichzeitig drittbeschwerdeführende Partei hinsichtlich des Beitragszeitraumes Jänner und Februar 2002), vom (viertbeschwerdeführende Partei) und vom (erst- und gleichzeitig fünftbeschwerdeführende Partei für den Beitragszeitraum Februar 2002) ab.

Begründend führte die erstinstanzliche Behörde in diesen Bescheiden im Wesentlichen gleich lautend aus, gemäß § 212a Abs. 2 lit. a der Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 (im Folgenden: BAO), sei die Aussetzung nicht zu bewilligen, wenn die Berufung nach Lage des Falles wenig erfolgversprechend erscheine. Die belangte Behörde habe als Berufungsbehörde die Argumente der beschwerdeführenden Parteien, wonach der Vorschreibung der Agrarmarketingbeiträge der Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechtes vorgehe, bereits verworfen.

Gegen die eben zitierten, die Aussetzungsanträge der beschwerdeführenden Parteien abweisenden Bescheide wurde gleichfalls Berufung erhoben.

Mit dem erstangefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung der erst- und gleichzeitig fünftbeschwerdeführenden Partei gegen den sie betreffenden Bescheid vom , mit dem zweitangefochtenen Bescheid die Berufung der zweit- und gleichzeitig drittbeschwerdeführenden Partei gegen den sie betreffenden Bescheid vom , mit dem drittangefochtenen Bescheid die Berufungen der zweit- und gleichzeitig drittbeschwerdeführenden Partei gegen die Bescheide vom und , mit dem viertangefochtenen Bescheid die Berufung der viertbeschwerdeführenden Partei gegen den Bescheid vom und mit dem fünftangefochtenen Bescheid die Berufung der erst- und gleichzeitig fünftbeschwerdeführenden Partei gegen den Bescheid vom als unbegründet ab.

In der Begründung dieser Berufungsbescheide führte die belangte Behörde im Wesentlichen gleich lautend aus, bei der Beurteilung eines Aussetzungsantrages sei die Berufungsentscheidung nicht vorweg zu nehmen; vielmehr seien lediglich die Erfolgsaussichten der Berufung anhand des Berufungsvorbringens abzuschätzen. Lasse eine Vorschrift verschiedene Interpretationen zu und bewege sich die angefochtene Entscheidung in diesem Bereich möglichen Verständnisses oder liege zur konkreten Streitfrage noch keine eindeutige und ständige Rechtsprechung, sondern etwa nur widersprüchliche Judikatur vor, so könne die Berufung nicht von Vornherein als "wenig erfolgsversprechend" angesehen werden. Vorliegendenfalls habe die belangte Behörde bereits eine Mehrzahl von Berufungen mit gleichartigen Argumenten wie jene der beschwerdeführenden Parteien abgewiesen. Zwar treffe es zu, dass in den genannten Fällen auch ein Rechtszug an den Verwaltungsgerichtshof zulässig sei. Dennoch sei auch eine Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof nicht als erfolgsversprechend einzustufen, weil letzterer bislang eine Gemeinschaftsrechtswidrigkeit der Vorschreibungen von Agrarmarketingbeiträgen nicht erkannt habe, wie aus dem hg. Erkenntnis vom , Zl. 99/17/0189, hervorgehe. Überdies habe der Verwaltungsgerichtshof selbst Beschwerden in vergleichbaren Fällen bisher keine aufschiebende Wirkung zuerkannt.

Gegen diese Bescheide richten sich die vorliegenden Beschwerden vor dem Verwaltungsgerichtshof. Die beschwerdeführenden Parteien erachten sich in ihrem in § 212a BAO gewährleisteten Recht auf Aussetzung der Einhebung verletzt. Sie machen Rechtswidrigkeit des Inhaltes der angefochtenen Bescheide mit dem Antrag geltend, sie aus diesem Grunde aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte, die Beschwerden als unbegründet abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die wegen ihres sachlichen und rechtlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Beschlussfassung verbundenen Beschwerden erwogen:

§ 212a Abs. 1 und 2 BAO in der Fassung dieser Absätze nach der Novelle BGBl. Nr. 312/1987 lauten:

"§ 212a. (1) Die Einhebung einer Abgabe, deren Höhe unmittelbar oder mittelbar von der Erledigung einer Berufung abhängt, ist auf Antrag des Abgabepflichtigen insoweit auszusetzen, als eine Nachforderung unmittelbar oder mittelbar auf einen Bescheid, der von einem Anbringen abweicht, oder auf einen Bescheid, dem kein Anbringen zu Grunde liegt, zurückzuführen ist, höchstens jedoch im Ausmaß der sich bei einer dem Begehren des Abgabepflichtigen Rechnung tragenden Berufungserledigung ergebenden Herabsetzung der Abgabenschuld. Dies gilt sinngemäß, wenn mit einer Berufung die Inanspruchnahme für eine Abgabe angefochten wird.

(2) Die Aussetzung der Einhebung ist nicht zu bewilligen,

a) insoweit die Berufung nach Lage des Falles wenig

erfolgversprechend erscheint, oder

b) insoweit mit der Berufung ein Bescheid in Punkten

angefochten wird, in denen er nicht von einem Anbringen des

Abgabepflichtigen abweicht, oder

c) wenn das Verhalten des Abgabepflichtigen auf eine

Gefährdung der Einbringlichkeit der Abgabe gerichtet ist."

Die belangte Behörde hat die Abweisung des Aussetzungsantrages ausschließlich auf den Fall des § 212a Abs. 2 lit. a BAO gestützt.

Zutreffend hat sie dabei auch erkannt, dass im Zuge der Beurteilung einer Berufung nach der zitierten Gesetzesbestimmung deren Erfolgsaussichten lediglich abzuschätzen sind. Ihr ist auch insoweit beizupflichten, als eine Berufung nicht schon deshalb von Vornherein als wenig erfolgversprechend angesehen werden kann, weil sich der erstinstanzliche Bescheid im Bereich des möglichen Verständnisses einer verschiedene Interpretationen zulassenden Vorschrift bewegt und zur konkreten Streitfrage noch keine eindeutige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vorliegt. Lediglich dann, wenn die Berufung einen Standpunkt vertritt, welcher mit zwingenden Bestimmungen ganz eindeutig und ohne jeden Zweifel unvereinbar ist oder mit der ständigen Rechtsprechung in Widerspruch steht, könnte von einer wenig erfolgversprechenden Berufung die Rede sein (vgl. hiezu Stoll, BAO III, 2273).

Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom , Zlen. 2002/17/0211, 0215, 0253, 0254, dargelegt hat, hat die gebotene Abschätzung der Erfolgaussichten einer Berufung demnach nicht auf Grund des bloßen Bestehens einer bestimmten Entscheidungspraxis der Berufungsbehörde, sondern nach den eben dargelegten Kriterien zu erfolgen. Wie der Verwaltungsgerichtshof in diesem Erkenntnis, auf welches gemäß § 43 Abs. 2 VwGG und unter Bezugnahme auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, verwiesen wird, unter Hinweis auf das Erkenntnis vom , Zl. 2000/17/0084, dargelegt hat, konnte vor einer Abklärung der dort näher umschriebenen Tatsachenfragen betreffend die Verwendung der Agrarmarketingbeiträge bzw. des Vorliegens einer allfälligen Notifikation als Beihilfe nicht von einer "wenig erfolgversprechenden" Berufung der Beschwerdeführer gesprochen werden.

An dieser Beurteilung vermag - wie der Verwaltungsgerichtshof in dem genannten Erkenntnis ebenfalls näher begründet hat - weder der Hinweis der belangten Behörde auf das hg. Erkenntnis vom , Zl. 99/17/0189, noch der von der belangten Behörde weiters ins Treffen geführte Umstand, der Verwaltungsgerichtshof habe in vergleichbaren Fällen erhobenen Beschwerden keine aufschiebende Wirkung zuerkannt, etwas zu ändern.

Die von der belangten Behörde herangezogenen Gründe sind demnach ungeeignet, die Abweisung der Aufschiebungsanträge zu tragen. Indem sie diese Rechtslage verkannte, belastete die belangte Behörde die angefochtenen Bescheide mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit, weshalb diese gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben waren.

Die Kostenentscheidungen gründen sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. II Nr. 501/2001.

Es wird darauf hingewiesen, dass die Beendigung des Beschwerdeverfahrens, für dessen Dauer die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung beantragt wird, einen Abspruch über diesen Antrag entbehrlich macht (vgl. z.B. den hg. Beschluss vom , Zlen. 1902, 1903/78).

Wien, am