VwGH vom 28.04.2003, 2002/17/0211
Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):
2002/17/0215
2002/17/0253
2002/17/0254
Serie (erledigt im gleichen Sinn):
2002/17/0240 E
2002/17/0213 E
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Höfinger, Dr. Holeschofsky, Dr. Köhler und Dr. Zens als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerden
Tabelle in neuem Fenster öffnen
1. | der C GmbH in P (Zl. 2002/17/0211), | |||||||||
2. | der V GmbH in L (Zl. 2002/17/0215), | |||||||||
3. | der S GmbH in J (Zl. 2002/17/0253) und | |||||||||
4. | der C GmbH in P (Zl. 2002/17/0254), | |||||||||
alle beschwerdeführenden Parteien vertreten durch Dr. Josef Hofer und Mag. Dr. Thomas Humer, Rechtsanwälte in 4600 Wels, Ringstraße 4, gegen die Bescheide jeweils des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft ad 1. vom , Zl. 17.450/117-I/7/02, | ||||||||||
ad 2. vom , Zl. 17.450/120-I/7/02, | ||||||||||
ad 3. vom , Zl. 17.450/168-I/7/02, und | ||||||||||
ad 4. vom , Zl. 17.450/163-I/7/02, | ||||||||||
sämtliche betreffend Abweisung von Anträgen auf Aussetzung der Einhebung bescheidmäßig vorgeschriebener Agrarmarketingbeiträge für die Schlachtung von Rindern, Kälbern und Schweinen, zu Recht erkannt: |
Spruch
Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben.
Der Bund (Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft) hat den Beschwerdeführern jeweils je Beschwerde Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.088,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die beschwerdeführenden Parteien betreiben jeweils Schlachtbetriebe. Für die vorgenommene Schlachtung von Rindern, Kälbern und Schweinen wurden ihnen von der Agrarmarkt Austria (AMA) Agrarmarketingbeiträge wie folgt vorgeschrieben:
Der erst- und gleichzeitig viertbeschwerdeführenden Partei mit Bescheid vom für den Beitragsmonat Dezember 2001 EUR 3.191,43;
der zweitbeschwerdeführenden Partei mit Bescheid vom für die Beitragsmonate September 2001 bis einschließlich Dezember 2001 EUR 19.934,92;
der drittbeschwerdeführenden Partei mit Bescheid vom für die Beitragsmonate Dezember 2001 und Jänner 2002 EUR 18.190,63; und
der erst- und gleichzeitig viertbeschwerdeführenden Partei mit Bescheid vom für den Beitragsmonat Jänner 2002 EUR 3.679,97 und mit Bescheid vom für den Beitragsmonat Februar 2002 EUR 2.683,32.
Die jeweiligen beschwerdeführenden Parteien erhoben gegen diese Abgabenvorschreibungen Berufung, in welcher sie jeweils mit gemeinschaftsrechtlichen Argumenten die Anwendbarkeit der von der erstinstanzlichen Behörde als Grundlage ihrer Abgabenvorschreibungen herangezogenen §§ 21a bis 21i des AMA-Gesetzes 1992, BGBl. Nr. 376, bestritten. Die beschwerdeführenden Parteien verbanden ihre Berufungen mit Anträgen auf Aussetzung der Einhebung der vorgeschriebenen Abgaben.
Diese Anträge wies die AMA mit Bescheiden vom (erst- und gleichzeitig viertbeschwerdeführende Partei hinsichtlich des Beitragszeitraumes Dezember 2001), vom (zweitbeschwerdeführende Partei), vom (drittbeschwerdeführende Partei), vom (erst- und gleichzeitig viertbeschwerdeführende Partei für den Beitragszeitraum Jänner 2002) und vom (erst- und gleichzeitig viertbeschwerdeführende Partei für den Beitragszeitraum Februar 2002) ab.
Begründend führte die erstinstanzliche Behörde in diesen Bescheiden im Wesentlichen gleich lautend aus, gemäß § 212a Abs. 2 lit. a der Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 (im Folgenden: BAO), sei die Aussetzung nicht zu bewilligen, wenn die Berufung nach Lage des Falles wenig erfolgversprechend erscheine. Die belangte Behörde habe als Berufungsbehörde die Argumente der beschwerdeführenden Parteien, wonach der Vorschreibung der Agrarmarketingbeiträge der Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechtes vorgehe, bereits verworfen.
Gegen die eben zitierten, die Aussetzungsanträge der beschwerdeführenden Parteien abweisenden Bescheide wurde gleichfalls Berufung erhoben.
Mit dem erstangefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung der erst- und gleichzeitig viertbeschwerdeführenden Partei gegen den sie betreffenden Bescheid vom , mit dem zweitangefochtenen Bescheid die Berufung der zweitbeschwerdeführenden Partei gegen den sie betreffenden Bescheid vom , mit dem drittangefochtenen Bescheid die Berufung der drittbeschwerdeführenden Partei gegen den Bescheid vom und mit dem viertangefochtenen Bescheid die Berufungen der erst- und gleichzeitig viertbeschwerdeführenden Partei gegen die Bescheide vom und vom als unbegründet ab.
In der Begründung dieser Berufungsbescheide führte die belangte Behörde im Wesentlichen gleich lautend aus, bei der Beurteilung eines Aussetzungsantrages sei die Berufungsentscheidung nicht vorweg zu nehmen; vielmehr seien lediglich die Erfolgsaussichten der Berufung anhand des Berufungsvorbringens abzuschätzen. Lasse eine Vorschrift verschiedene Interpretationen zu und bewege sich die angefochtene Entscheidung in diesem Bereich möglichen Verständnisses oder liege zur konkreten Streitfrage noch keine eindeutige und ständige Rechtsprechung, sondern etwa nur widersprüchliche Judikatur vor, so könne die Berufung nicht von Vornherein als "wenig erfolgsversprechend" angesehen werden. Vorliegendenfalls habe die belangte Behörde bereits eine Mehrzahl von Berufungen mit gleichartigen Argumenten wie jene der beschwerdeführenden Parteien abgewiesen. Zwar treffe es zu, dass in den genannten Fällen auch ein Rechtszug an den Verwaltungsgerichtshof zulässig sei. Dennoch sei auch eine Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof nicht als erfolgsversprechend einzustufen, weil letzterer bislang eine Gemeinschaftsrechtswidrigkeit der Vorschreibungen von Agrarmarketingbeiträgen nicht erkannt habe, wie aus dem hg. Erkenntnis vom , Zl. 99/17/0189, hervorgehe. Überdies habe der Verwaltungsgerichtshof selbst Beschwerden in vergleichbaren Fällen bisher keine aufschiebende Wirkung zuerkannt.
Gegen diese Bescheide richten sich die vorliegenden Beschwerden vor dem Verwaltungsgerichtshof. Die beschwerdeführenden Parteien erachten sich in ihrem aus § 212a BAO resultierenden Recht auf Aussetzung der Einhebung verletzt. Sie machen Rechtswidrigkeit des Inhaltes der angefochtenen Bescheide mit dem Antrag geltend, sie aus diesem Grunde aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte, die Beschwerden als unbegründet abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die wegen ihres sachlichen und rechtlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Beschlussfassung verbundenen Beschwerden erwogen:
§ 212a Abs. 1 und 2 BAO in der Fassung dieser Absätze nach der Novelle BGBl. Nr. 312/1987 lauten:
"§ 212a. (1) Die Einhebung einer Abgabe, deren Höhe unmittelbar oder mittelbar von der Erledigung einer Berufung abhängt, ist auf Antrag des Abgabepflichtigen insoweit auszusetzen, als eine Nachforderung unmittelbar oder mittelbar auf einen Bescheid, der von einem Anbringen abweicht, oder auf einen Bescheid, dem kein Anbringen zu Grunde liegt, zurückzuführen ist, höchstens jedoch im Ausmaß der sich bei einer dem Begehren des Abgabepflichtigen Rechnung tragenden Berufungserledigung ergebenden Herabsetzung der Abgabenschuld. Dies gilt sinngemäß, wenn mit einer Berufung die Inanspruchnahme für eine Abgabe angefochten wird.
(2) Die Aussetzung der Einhebung ist nicht zu bewilligen,
a) insoweit die Berufung nach Lage des Falles wenig
erfolgversprechend erscheint, oder
b) insoweit mit der Berufung ein Bescheid in Punkten
angefochten wird, in denen er nicht von einem Anbringen des
Abgabepflichtigen abweicht, oder
c) wenn das Verhalten des Abgabepflichtigen auf eine
Gefährdung der Einbringlichkeit der Abgabe gerichtet ist."
Die belangte Behörde hat die Abweisung des Aussetzungsantrages ausschließlich auf den Fall des § 212a Abs. 2 lit. a BAO gestützt.
Zutreffend hat sie dabei auch erkannt, dass im Zuge der Beurteilung einer Berufung nach der zitierten Gesetzesbestimmung deren Erfolgsaussichten lediglich abzuschätzen sind. Ihr ist auch insoweit beizupflichten, als eine Berufung nicht schon deshalb von Vornherein als wenig erfolgversprechend angesehen werden kann, weil sich der erstinstanzliche Bescheid im Bereich des möglichen Verständnisses einer verschiedene Interpretationen zulassenden Vorschrift bewegt und zur konkreten Streitfrage noch keine eindeutige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vorliegt. Lediglich dann, wenn die Berufung einen Standpunkt vertritt, welcher mit zwingenden Bestimmungen ganz eindeutig und ohne jeden Zweifel unvereinbar ist oder mit der ständigen Rechtsprechung in Widerspruch steht, könnte von einer wenig erfolgversprechenden Berufung die Rede sein (vgl. hiezu Stoll, BAO III, 2273).
Die gebotene Abschätzung der Erfolgaussichten einer Berufung hat demnach nicht auf Grund des bloßen Bestehens einer bestimmten Entscheidungspraxis der Berufungsbehörde, sondern vielmehr nach den eben dargelegten Kriterien zu erfolgen. Der Verwaltungsgerichtshof hat sich in seinem Erkenntnis vom , Zl. 2000/17/0084, mit der Frage der Vereinbarkeit der Erhebung von Agrarmarketingbeiträgen für die Schlachtung von Rindern, Kälbern und Schweinen auseinander gesetzt und dargelegt, von welchen Tatsachen (betreffend die Verwendung dieser Beiträge, bzw. der Notifikation der Maßnahme) die gemeinschaftsrechtliche Zulässigkeit einer Erhebung abhängt. Auf die Entscheidungsgründe dieses Erkenntnisses wird gemäß § 43 Abs. 2 VwGG und unter Bezugnahme auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, verwiesen. Vor einer Abklärung der dort näher umschriebenen Tatsachenfragen betreffend die Verwendung der Agrarmarketingbeiträge bzw. des Vorliegens einer allfälligen Notifikation als Beihilfe kann nicht von einer "wenig erfolgversprechenden" Berufung der Beschwerdeführer gesprochen werden.
An dieser Beurteilung vermag auch der Hinweis der belangten Behörde auf das hg. Erkenntnis vom , Zl. 99/17/0189, nichts zu ändern, betraf dieses doch nicht Agrarmarketingbeiträge für die Schlachtung von Rindern, Kälbern und Schweinen, sondern solche für Legehennen, wobei sich in diesem Zusammenhang die für die Frage der Zulässigkeit der hier gegenständlichen Agrarmarketingbeiträge maßgebliche Frage des Vorliegens einer möglichen Beihilfe im Hinblick auf die Werbung für Gütesiegelfleisch nicht gestellt hat.
Schließlich ist auch aus dem von der belangten Behörde weiters ins Treffen geführten Umstand, der Verwaltungsgerichtshof habe in vergleichbaren Fällen erhobenen Beschwerden keine aufschiebende Wirkung zuerkannt, für die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides nichts zu gewinnen. Die Kriterien des § 212a Abs. 2 BAO für die Bewilligung der Aussetzung der Einhebung unterscheiden sich nämlich von jenen des § 30 Abs. 2 VwGG für die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung einer Verwaltungsgerichtshofsbeschwerde insbesondere dadurch, dass die letztgenannte Bestimmung - anders als lit. a der erstgenannten Bestimmung - auf die Erfolgswahrscheinlichkeit nicht abstellt.
Die von der belangten Behörde herangezogenen Gründe sind demnach ungeeignet, die Abweisung der Aufschiebungsanträge zu tragen. Indem sie diese Rechtslage verkannte, belastete die belangte Behörde die angefochtenen Bescheide mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit, weshalb diese gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben waren.
Die Kostenentscheidungen gründen sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. II Nr. 501/2001.
Wien, am