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VwGH vom 08.09.2003, 2002/17/0202

VwGH vom 08.09.2003, 2002/17/0202

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Höfinger, Dr. Holeschofsky, Dr. Köhler und Dr. Zens als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde der W KG in K, vertreten durch Dr. Gerhard Zanier, Rechtsanwalt in 6370 Kitzbühel, Posthof, Josef-Pirchl-Straße 17, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom , Zl. Ib- 17128/1, betreffend Vorschreibung von Erschließungsbeiträgen (mitbeteiligte Partei: Stadtgemeinde Kitzbühel, 6370 Kitzbühel), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Tirol hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin gab anlässlich eines Bauvorhabens in einem beim Stadtbauamt der mitbeteiligten Stadtgemeinde am eingelangten Schreiben folgende Erklärung ab:

"ERKLÄRUNG ZUR WIDMUNGSFLÄCHENUMLEGUNG BEI UNSERER

LIEGENSCHAFT AM SEEBICHL IN KITZBÜHEL

1. Die Zufahrtsstraße ist auf unsere Kosten zu vermessen und in das öffentliche Gut abzutreten.

2. Die Zufahrtsstraße ist auf unsere Kosten zu errichten, wobei zur Kenntnis genommen wird, daß die Straße bis zur Einreichung zum Bauverfahren des 1. Objektes in ihrer Rohtrasse (geschottert) bereits vorhanden sein muß,

3. daß der Seebichlweg ab Hotel Seebichl bis zur Einfahrt des künftigen Achrainweges auf Kosten des Einschreiters verbreitert wird und zwar auf eine Fahrbahnbreite von 4,80m, einschließlich Grünstreifen in einer Breite von 0,80m sowie eines Gehsteiges in der Breite von 1,50m, wobei die Bepflanzung des Grünstreifens in Absprache mit dem Gemeindegärtner ebenfalls auf Kosten des Einschreiters auszuführen ist.

4. Weiters geben wir die verpflichtende Erklärung ab, den künftigen Achrainweg ab der Abzweigung vom Seebichlweg bis zu dem zu bebauenden Grundstück in einer Fahrbahnbreite von 4,50m zuzüglich Bankette in der Breite von 0,30m auszubilden,

5. sowie die Verpflichtung, mit der Stadtgemeinde Kitzbühel einen Vertrag abzuschließen, wonach die verbleibende Fläche (der bestehenden Widmung) zu den Bedingungen der Wohnbauförderungsrichtlinien zu vergeben sind. (Davon ausgenommen ist die umgelegte Fläche, laut neuer Flächenwidmung).

6. Von der Gemeinde bzw. Herrn D.I. R, wird ein Bebauungsplan auf unsere Kosten erstellt, der für die umgelegte Fläche des Flächenwidmungsplanes eine GFZ von 0,5 und für die verbleibende Fläche des feststehenden Flächenwidmungsplanes, eine GFZ von 0,65 aufweist."

Mit insgesamt zehn Bescheiden vom schrieb der Bürgermeister der mitbeteiligten Stadtgemeinde der Beschwerdeführerin gemäß den §§ 7 bis 12 des Tiroler Verkehrsaufschließungsabgabengesetzes, LGBl. Nr. 22/1998, und des Gemeinderatsbeschlusses vom Erschließungsbeiträge vor.

In den dagegen erhobenen Berufungen brachte die Beschwerdeführerin vor, sie habe in Absprache mit dem Stadtbauamt der mitbeteiligten Stadtgemeinde den Unterbau für einen 5 m breiten und 210 m langen Gemeindeweg, der in der Endausbaustufe auch asphaltiert werden sollte und in das Gemeindevermögen der mitbeteiligten Stadtgemeinde übergehe, errichtet. Die Kosten für die Errichtung dieser Straße seien enorm, weil die Beschwerdeführerin von der mitbeteiligten Stadtgemeinde den Auftrag erhalten habe, die Frostkofferschicht derart auszugestalten, dass auch LKW auf der Straße zufahren könnten, die dann über einen Landwirtschaftsweg direkt zu einem näher bezeichneten Hof führen solle. Diesem Auftrag der mitbeteiligten Stadtgemeinde sei die Beschwerdeführerin nachgekommen. Sie habe die entsprechenden Frostkofferarbeiten so ausgelegt, wie es das Stadtbauamt der mitbeteiligten Stadtgemeinde gewollt habe. Die Bescheide seien daher aufzuheben und der Erschließungsbeitrag zu erlassen.

Mit den insgesamt zehn Berufungsvorentscheidungen wies der Bürgermeister der mitbeteiligten Stadtgemeinde die Berufungen als unbegründet ab und bestätigte die bekämpften Bescheide. In der Begründung heißt es jeweils, es treffe zu, dass die Beschwerdeführerin Aufwendungen für die Erschließung des Bauplatzes erbracht habe. Sie habe diese Aufwendungen jedoch nicht auf Grund einer privatrechtlichen Vereinbarung mit der Gemeinde, sondern in Befolgung einer Auflage und einseitigen Verpflichtungserklärung im Verfahren zur Baulandwidmung geleistet. Ein Anwendungsfall des § 9 Abs. 4 des Tiroler Verkehrsaufschließungsabgabengesetzes liege nicht vor.

In den dagegen eingebrachten Vorlageanträgen brachte die Beschwerdeführerin vor, die Ausführungen in den Berufungsvorentscheidungen seien unzutreffend. Es handle sich nicht um Auflagen, die Nebenbestimmungen zum Hauptinhalt eines Bescheides darstellten und gesetzlich ausdrücklich vorgesehen sein müssten. Bei einem Flächenwidmungsplan handle es sich jedoch nicht um einen Bescheid, sondern um eine Verordnung, die an einen generellen Adressatenkreis gerichtet sei, weshalb die "Verhängung" einer Auflage im Flächenwidmungsverfahren weder möglich noch vorgesehen sei. Die in der Berufungsvorentscheidung zitierte Verpflichtungserklärung vom sei eine privatrechtliche Vereinbarung zwischen der Beschwerdeführerin und der mitbeteiligten Stadtgemeinde. Es handle sich nicht um eine einseitige Verpflichtungserklärung, weil die Abgabe der Verpflichtungserklärung bzw. eben die Errichtung der Zufahrtsstraße Voraussetzung für den Widmungsbeschluss der mitbeteiligten Stadtgemeinde gewesen sei, was aus dem Wortlaut der Erklärung eindeutig zu entnehmen sei.

Mit dem Bescheid vom wies der Stadtrat der mitbeteiligten Stadtgemeinde die Berufungen als unbegründet ab und bestätigte die bekämpften Bescheide. Dies mit der Begründung, es treffe zu, dass die Beschwerdeführerin die von ihr genannten Aufwendungen für die Erschließung der Bauplätze durch die Errichtung der Zufahrtsstraße und deren Abtretung ins öffentliche Gut erbracht habe. Ebenso treffe zu, dass diese Straße nicht nur der Erschließung des Wohnprojektes der Beschwerdeführerin, sondern auch der Erschließung des näher bezeichneten Weilers diene. Es handle sich um eine Gemeindestraße ohne Nutzungsbeschränkung. Die Beschwerdeführerin habe diese Aufwendungen jedoch nicht auf Grund einer privatrechtlichen Vereinbarung mit der Gemeinde, sondern in Befolgung einer Auflage und einseitigen Verpflichtungserklärung im Verfahren zur Baulandwidmung getätigt. Ein Anwendungsfall des § 9 Abs. 4 Tiroler Verkehrsaufschließungsabgabengesetz liege nicht vor.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Vorstellung wies die Beschwerdeführerin darauf hin, der Stadtrat der mitbeteiligten Stadtgemeinde habe außer Acht gelassen, dass die "Verhängung" von Auflagen im Flächenwidmungsverfahren nicht möglich sei. Jegliche Vereinbarung zwischen der mitbeteiligten Stadtgemeinde und der Beschwerdeführerin sei daher privatrechtlicher Natur. Darüber hinaus sei die im bekämpften Bescheid zitierte Verpflichtungserklärung vom keineswegs eine einseitige Erklärung, sondern diese sei eine Voraussetzung für den Widmungsbeschluss der Gemeinde gewesen. Es liege daher eine privatrechtliche Vereinbarung mit der Gemeinde vor, auf Grund welcher eine LKW-taugliche Zufahrtsstraße nicht nur zu den eigenen Baugrundstücken, sondern auch zur Erschließung des näher bezeichneten Weilers auf Kosten der Beschwerdeführerin errichtet und an das öffentliche Gut abgetreten worden sei. Die entsprechende Gegenleistung der Gemeinde sei die Durchführung der Umwidmung bzw. des Widmungstausches von Teilen bestimmter Grundstücke gewesen. Eine Berücksichtigung dieser Aufwendungen gemäß § 9 Abs. 4 Tiroler Verkehrsaufschließungsabgabengesetz habe daher zu erfolgen.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Vorstellung als unbegründet ab. In der Begründung heißt es, nach Ansicht der belangten Behörde liege nur dann eine Vereinbarung im Sinne des § 9 Abs. 4 Tiroler Verkehrsaufschließungsabgabengesetzes vor, wenn in einer solchen Vereinbarung darüber Einigung erzielt werde, dass die Kosten, die für die Aufwendungen für die Verkehrserschließung des betreffenden Bauplatzes entstanden seien, bei der Vorschreibung des Erschließungsbeitrages berücksichtigt werden sollten. Im Beschwerdefall sei jedoch die Situation eine andere. Die Grundflächen seien vorher Freiland gewesen. Die Voraussetzung, dass der Gemeinderat der mitbeteiligten Stadtgemeinde die Umwidmung in Bauland-Wohngebiet vorgenommen habe, sei eben gewesen, dass die Errichtung der Zufahrtsstraße und die kostenlose Abtretung des entsprechenden Straßengrundes durch die vom Widmungsverfahren Begünstigte erfolge. Hierauf habe sich auch die in den Bescheiden angeführte Verpflichtungserklärung vom bezogen. Die Vereinbarung zwischen der Gemeinde und der Beschwerdeführerin habe lediglich das "Geschäft" betroffen:

"Hie Umwidmung, da Straßenerrichtung". Eine weitere Vereinbarung betreffend die Anrechnung bei den Erschließungskosten liege jedoch nicht vor. Dass eine solche zusätzliche Vereinbarung abgeschlossen worden sei, behaupte selbst die Beschwerdeführerin nicht. Sie vertrete die Ansicht, dass jede Vereinbarung, die die Erbringung von Aufwendungen für die Verkehrserschließung betreffe, bei der Vorschreibung des Erschließungsbeitrages Berücksichtigung finden müsse. Da es jedoch zum Wesen einer Vereinbarung gehöre, dass beide Parteien über Umfang und Wirkung des Rechtsgeschäftes Einigung erzielt hätten, und im Beschwerdefall eine solche Einigung betreffend Anrechnung auf die Erschließungskosten offensichtlich nicht vorliege, habe die Bestimmung des § 9 Abs. 4 Tiroler Verkehrsaufschließungsabgabengesetzes nicht zur Anwendung gelangen können.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof, mit der sowohl Rechtswidrigkeit des Inhaltes als auch Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht auf Anrechnung der von ihr erbrachten Leistungen auf die Vorschreibung der Erschließungsbeiträge verletzt.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Das Tiroler Verkehrsaufschließungsabgabengesetz, LGBl. Nr. 22/1998, lautet auszugsweise wie folgt:

"§ 7

Abgabengegenstand, Erschließungsbeitragssatz

(1) Die Gemeinden werden ermächtigt, im Falle des Neubaus eines Gebäudes oder der Änderung eines Gebäudes, durch die seine Baumasse vergrößert wird, einen Erschließungsbeitrag zu erheben...

...

§ 9

Bemessungsgrundlage und Höhe der Abgabe

...

(4) Soweit der Abgabenschuldner oder einer seiner Rechtsvorgänger auf Grund privatrechtlicher Vereinbarungen mit der Gemeinde Aufwendungen für die Verkehrserschließung des betreffenden Bauplatzes erbracht hat, sind diese bei der Vorschreibung des Erschließungsbeitrages entsprechend zu berücksichtigen."

Eine Anrechnung von auf Grund privatrechtlicher Vereinbarungen erbrachten Aufwendungen auf eine Aufschließungsabgabe oder einen Erschließungsbeitrag ist nur dann möglich, wenn dies im Gesetz ausdrücklich vorgesehen ist. Nach § 9 Abs. 4 des Tiroler Verkehrsaufschließungsabgabengesetzes ist eine solche Anrechnung auf den Erschließungsbeitrag - dieser ist gemäß § 1 Abs. 2 leg. cit. eine ausschließliche Gemeindeabgabe - normiert.

Die belangte Behörde vertritt nun im angefochtenen Bescheid die Ansicht, es hätte neben der Vereinbarung über die Erbringung der Leistungen für die Verkehrserschließung auch einer ausdrücklichen Einigung über die Anrechnung "auf die Erschließungskosten" (auf den Erschließungsbeitrag) bedurft.

Privatrechtlichen Vereinbarungen zwischen dem Abgabenschuldner oder einem seiner Rechtsvorgänger mit der Gemeinde über die Erbringung von Aufwendungen des Abgabenschuldners für die Verkehrserschließung des betreffenden Bauplatzes sind gemäß § 9 Abs. 4 Tiroler Verkehrsaufschließungsabgabengesetz bei der Vorschreibung des Erschließungsbeitrages entsprechend zu berücksichtigen. Für die Frage der Anrechnung ist nicht entscheidend, ob auch eine weitere Vereinbarung zwischen der mitbeteiligten Stadtgemeinde und der Beschwerdeführerin über die Anrechnung auf den Erschließungsbeitrag getroffen wurde, weil Tatbestand der Anrechnungsvorschrift nur die auf Grund privatrechtlicher Vereinbarungen erbrachten Aufwendungen für die Verkehrserschließung des betreffenden Grundstückes ist und nicht auch eine Vereinbarung über die Anrechnung auf den Erschließungsbeitrag und weil die gesetzliche Bestimmung über die Anrechnung nicht durch privatrechtliche Vereinbarungen abgeändert werden kann.

Da die belangte Behörde dies verkannte, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003, insbesondere deren § 3 Abs. 2.

Wien, am