VwGH vom 18.05.2004, 2002/17/0185
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Höfinger und Dr. Holeschofsky als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Schiffkorn, über die Beschwerde des MM in Wien, vertreten durch Dr. Brigitte Birnbaum und Dr. Rainer Toperczer, Rechtsanwälte in 1030 Wien, Beatrixgasse 3, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom , Zlen. UVS- 05/K/48/9999/2001/10, UVS-05/V/48/10000 - 10002/2001, betreffend Übertretungen des Wiener Parkometergesetzes, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtenen Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Die Bundeshauptstadt Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit Straferkenntnis vom wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, ein näher bezeichnetes mehrspuriges Kraftfahrzeug 1) am um 12.35 Uhr, 2) am um 15.46 Uhr, 3) am um 18.09 Uhr und 4) am um 18.46 Uhr in einer bestimmten gebührenpflichtigen Kurzparkzone abgestellt zu haben, ohne für seine Kennzeichnung mit einem für die Beanstandungszeitpunkte gültig entwerteten Parkschein gesorgt zu haben. Er habe dadurch § 1 Abs. 3 Parkometergesetz, LGBl. für Wien Nr. 47/1974 in der geltenden Fassung, verletzt und die Parkometerabgabe fahrlässig verkürzt. Wegen dieser vier Verwaltungsübertretungen wurden über den Beschwerdeführer gemäß § 4 Abs. 1 Parkometergesetz Geldstrafen von je S 1.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe je 24 Stunden) verhängt.
Dies mit der Begründung, der Pkw sei beanstandet worden, weil er jeweils ohne gültigen Parkschein abgestellt gewesen sei. Der Beschwerdeführer habe angegeben, das Fahrzeug bereits vor der Kundmachung der Kurzparkzone abgestellt zu haben. Einer Aufforderung zur Rechtfertigung habe er jedoch keine Folge geleistet. Die Mitwirkung des Beschwerdeführers hätte darin bestanden, der Behörde die Behauptung glaubhaft zu machen, er habe sein Kraftfahrzeug schon vor der Kundmachung der Kurzparkzone abgestellt. In diesem Fall hätten die Verfahren eingestellt werden können.
Jeder Lenker eines mehrspurigen Kraftfahrzeuges, der ein solches in einer Kurzparkzone abstelle, müsse bei Beginn des Abstellens die Parkometerabgabe entrichten (§ 1 Abs. 3 des Parkometergesetzes). Dieser Verpflichtung sei der Beschwerdeführer nicht nachgekommen und die Parkometerabgabe sei fahrlässig verkürzt worden.
In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung brachte der Beschwerdeführer vor, der Pkw sei außerhalb der schon bestehenden Kurzparkzone (für den 3. Bezirk) abgestellt worden, weil er zu dieser Zeit kein "Parkpickerl" für diesen Bezirk bekommen habe. Am Abstellort (im 2. Bezirk) sei noch keine Kurzparkzone kundgemacht gewesen. Seine Lebensgefährtin sei vom 27. Februar bis im Krankenhaus und danach im Krankenstand gewesen. Er habe sich um die bis pflegebedürftige Lebensgefährtin und ihr Kind gekümmert und das Fahrzeug nach der Kundmachung der Kurzparkzone deswegen bis nicht benutzt. Am habe er die "Strafzettel" vorgefunden und sich sofort zum Magistrat der Stadt Wien begeben, um die Angelegenheit zu klären. Dort habe er die Zusage erhalten, dass "die Sache" bereinigt sei. Dem Antrag auf Nachsicht der Parkometerabgabe sei mit Bescheid stattgegeben worden und in der Annahme, dass damit alles geregelt sei, habe er keine weiteren Rechtfertigungen abgegeben.
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung keine Folge und bestätigte das angefochtene Straferkenntnis. In der Begründung heißt es, der Beschwerdeführer behaupte nicht, die Kundmachung der das gesamte Straßennetz des 2. Wiener Gemeindebezirkes umfassenden Kurzparkzone sei nicht gesetzmäßig erfolgt. Es bleibe unbestritten, dass der Beschwerdeführer sein Fahrzeug in den Tatzeitpunkten am Tatort in einer gebührenpflichtigen Kurzparkzone abgestellt gehabt und dass sich im Fahrzeug kein ordnungsgemäß entwerteter Parkschein befunden habe. Der Beschwerdeführer habe daher die Parkometerabgabe durch Nichtentrichtung verkürzt und sich somit tatbestandsmäßig und rechtswidrig verhalten. Die Unkenntnis eines Gesetzes könne nur dann als unverschuldet angesehen werden, wenn einer Person die Verwaltungsvorschrift trotz Anwendung der nach den Verhältnissen erforderlichen Sorgfalt unbekannt geblieben sei. Dem Beschwerdeführer habe als aufmerksamem Verkehrsteilnehmer bei Aufwendung der im Straßenverkehr erforderlichen Sorgfalt nicht entgehen dürfen, dass die gebührenpflichtige Kurzparkzone, in der sein Kraftfahrzeug abgestellt gewesen sei, gesetzmäßig durch Straßenverkehrszeichen samt Zusatztafeln kundgemacht gewesen sei. Die Kenntnis der für ihn maßgebenden Vorschriften des Wiener Parkometergesetzes sei ihm zuzumuten. Sei dem Beschwerdeführer das gesetzmäßig aufgestellte Straßenverkehrszeichen mit der Kundmachung der Gebührenpflicht jedoch entgangen, dann müssten Gründe vorliegen, die eine solche mangelnde Aufmerksamkeit entschuldigten. Solche besonderen oder außergewöhnlichen Umstände seien aber nicht behauptet worden, sodass die Unkenntnis der Gebührenpflicht für den verwendeten Parkplatz mit Recht nicht als unentschuldigt angesehen werden könne. Eine spätere (nach dem Zeitpunkt des Abstellens des Kraftfahrzeuges erfolgte) Kundmachung allein könne den Beschwerdeführer nicht entschuldigen, wenn nicht weitere besondere Gründe hinzuträten, noch dazu, wo die Beanstandungen erst Tage nach dem Geltungsbeginn der flächendeckenden Kurzparkzonenregelung für den 2. Bezirk erfolgt seien. Der Beschwerdeführer habe daher durch die Verletzung der für ihn bestehenden und ihm auch zumutbaren Sorgfaltspflicht, somit fahrlässig, die Abgaben verkürzt.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde, mit der Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht wird. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht auf Nichtbestrafung nach dem Wiener Parkometergesetz verletzt.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und nahm von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Dem Beschwerdeführer wurde die Übertretung des § 1 Abs. 3 Wiener Parkometergesetz angelastet.
§ 1 Abs. 1 und 3 sowie § 4 Abs. 1 des Wiener Parkometergesetzes, LGBl. Nr. 47/1974 idF LGBl. Nr. 28/2000, lauten:
"§ 1. (1) Der Gemeinderat kann für das Abstellen von mehrspurigen Fahrzeugen in Kurzparkzonen (§ 25 der Straßenverkehrsordnung 1960 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 275/1982) nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen die Entrichtung einer Abgabe vorschreiben.
...
(3) Zur Entrichtung der Abgabe sind der Lenker, der Besitzer und Zulassungsbesitzer zur ungeteilten Hand verpflichtet. Jeder Lenker eines mehrspurigen Fahrzeuges, der ein solches Fahrzeug in einem Gebiet abstellt, für das eine Anordnung nach Abs. 1 getroffen wurde, hat die Parkometerabgabe bei Beginn des Abstellens des Fahrzeuges zu entrichten. Die Lenker haben bei der Durchführung der angeordneten Kontrollmaßnahmen mitzuwirken.
...
§ 4. (1) Handlungen oder Unterlassungen, durch die die Abgabe hinterzogen oder fahrlässig verkürzt wird, sind als Verwaltungsübertretungen mit Geldstrafen bis zu 210 Euro zu bestrafen. "
Im Beschwerdefall ist unstrittig, dass die Kundmachung der Kurzparkzone durch Aufstellen der Verkehrszeichen am erfolgte und das Fahrzeug des Beschwerdeführers an diesem Tag in diesem Bereich bereits abgestellt war und bis zum dort verblieb.
Nach § 1 Abs. 3 Wiener Parkometergesetz ist Voraussetzung für die Verpflichtung zur Entrichtung der Parkometerabgabe bei Beginn des Abstellens eines mehrspurigen Kraftfahrzeuges das Vorliegen einer für diesen Bereich kundgemachten Kurzparkzone. Im Beschwerdefall hat der Beschwerdeführer sein Kraftfahrzeug nicht in einer Kurzparkzone abgestellt und daher war bei Beginn des Abstellens keine Parkometerabgabe zu entrichten.
Nach dem Abstellen des Kraftfahrzeuges erfolgte die Kundmachung der Kurzparkzone auch für den Abstellort des Kraftfahrzeuges. Damit entstand für die Abgabenzeiträume nach der Kundmachung der Kurzparkzone jeweils auch die Verpflichtung zur Entrichtung der Parkometerabgabe, weil bei Belassen des Fahrzeuges in der Kurzparkzone mit Beginn des folgenden Abgabenzeitraumes und Nichtentrichtung der Parkometerabgabe hinsichtlich dieses Abgabenzeitraumes eine (weitere) Abgabenpflicht entsteht (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 95/17/0765).
Der Beschwerdeführer verwirklichte somit den objektiven Tatbestand der Verkürzung der Parkometerabgabe, weil er die Parkometerabgabe für die jeweiligen Abgabenzeiträume nicht entrichtete.
Der Beschwerdeführer hat im verwaltungsbehördlichen Verfahren Gründe vorgebracht, die seiner Ansicht nach die Unkenntnis der kundgemachten Kurzparkzonenregelung entschuldigten.
Die belangte Behörde vertritt hingegen nach Wiedergabe der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes im Falle kundgemachter Kurzparkzonen die Ansicht, eine spätere Kundmachung allein könne den Beschwerdeführer nicht entschuldigen, wenn nicht weitere besondere Gründe hinzuträten, noch dazu, wo eine Beanstandung erst einige Tage nach dem Geltungsbeginn erfolgt sei.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann die Unkenntnis eines Gesetzes nur dann als unverschuldet angesehen werden, wenn jemandem die Verwaltungsvorschrift trotz Anwendung der nach seinen Verhältnissen erforderlichen Sorgfalt unbekannt geblieben ist (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 94/17/0006, und vom , Zl. 90/17/0004).
Auf die vom Beschwerdeführer im verwaltungsbehördlichen Verfahren vorgebrachten Argumente für die behauptete entschuldbare Unkenntnis der Kundmachung der Kurzparkzone ist die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid nicht konkret und fallbezogen eingegangen. Sie hat es dabei unterlassen zu begründen, dass dem Beschwerdeführer sein Verhalten strafrechtlich auch unter den glaubhaft vorgebrachten besonderen Umständen des Beschwerdefalles vorwerfbar gewesen sei.
Damit belastete die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. c VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333, insbesondere deren § 3 Abs. 2. Der Ersatz der geltend gemachten Kosten für eine "Anfragengebühr der MA 46" in der Höhe von EUR 17,36 ist nach den Kostenbestimmungen des VwGG (§§ 48 Abs. 1 und 49) nicht vorgesehen.
Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert werden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.
Wien, am