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VwGH vom 03.03.1994, 93/18/0538

VwGH vom 03.03.1994, 93/18/0538

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Sauberer, Dr. Graf und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde der L in B, vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in B, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom , Zl. Fr 886/93, betreffend Feststellung gemäß § 54 Abs. 1 Fremdengesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom stellte die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich (die belangte Behörde) gemäß § 54 des Fremdengesetzes-FrG, BGBl. Nr. 838/1992, fest, daß keine stichhaltigen Gründe für die Annahme bestünden, daß die Beschwerdeführerin, eine chinesische Staatsangehörige, in China gemäß § 37 Abs. 1 oder 2 leg. cit. bedroht sei.

Die Beschwerdeführerin habe (gemeinsam mit ihrem Ehegatten) in ihrem Heimatland seit dem Jahr 1989 die Demokratiebewegung unterstützt und auch an einer Demonstration gegen die Parteiführung teilgenommen. Die Beschwerdeführerin sei nach der am erfolgten Niederschlagung der Demokratiebewegung jedoch nicht belangt worden. Ende Feber 1991 sei ihr und ihrem Ehemann von einem (namentlich genannten) gemeinsamen Freund mitgeteilt worden, daß die Polizei von ihren Aktivitäten für die Demokratiebewegung erfahren habe und sie bald inhaftiert werden würden. Im Mai 1991 habe die Beschwerdeführerin China legal mit einem bis gültigen Reisepaß und einem rumänischen Visum (gültig von 6. Februar bis ) sowie einem Ausreisezertifikat der Sicherheitsbehörde auf dem Luftweg verlassen. Der Gatte der Beschwerdeführerin sei nach einigen Monaten Aufenthalt in Rumänien Ende 1991 in Österreich eingereist, während die Beschwerdeführerin nach einem weiteren ca. einjährigen Aufenthalt in Rumänien Ende Dezember 1992 über Ungarn in das Bundesgebiet eingereist sei.

Die Teilnahme an einer Demonstration im Zusammenhang mit der Demokratiebewegung im Jahr 1989 stelle sicher eine Handlung dar, die geeignet sei, um vom chinesischen Regime (zumindest kurzfristig) inhaftiert und verurteilt zu werden. Die Beschwerdeführerin sei jedoch bei diesen Demonstrationen niemals festgenommen oder sonst behördlich verfolgt worden. Sie habe nur von einem Bekannten erfahren, daß sie verfolgt werde. Der Beschwerdeführerin sei erst eineinhalb Jahre nach Niederschlagung der Demokratiebewegung ein Reisepaß ausgestellt worden. Die Sicherheitsbehörde habe aber nicht nur ein Reisedokument, sondern auch noch ein für das Verlassen des Landes erforderliches Ausreisezertifikat ausgestellt. Die Beschwerdeführerin habe nicht erklären können, warum es ihrem Bekannten möglich gewesen sei, dieses Zertifikat ohne Probleme zu beschaffen, obwohl sie angeblich von der Polizei gesucht worden sei. Die Beschwerdeführerin habe in ihrer Berufung selbst ausgeführt, daß den Behörden nicht jeder Teilnehmer an einer Demonstration bekannt sei. Das Vorbringen hinsichtlich einer Verfolgung wegen der Unterstützung der Demokratiebewegung sei demnach bloß eine allgemein gehaltene Verantwortung. Eine persönliche, nur sie betreffende behördliche Verfolgung habe die Beschwerdeführerin nicht behauptet; sie habe sich lediglich auf Angaben eines Bekannten berufen können, der über eine bevorstehende Verhaftung der Beschwerdeführerin erfahren habe.

Die (von der Beschwerdeführerin beantragte) Einvernahme des Ehegatten sei unterblieben, da dieser nur Angaben zum bisherigen Vorbringen der Beschwerdeführerin hätte machen bzw. dieses hätte bestätigen können. In den Asylakt des Ehegatten der Beschwerdeführerin sei Einsicht genommen worden; daraus hätten sich keine neuen Anhaltspunkte für eine Verfolgung der Beschwerdeführerin ergeben.

Zusammenfassend sei festzuhalten, daß das Vorbringen der Beschwerdeführerin im Antrag auf Feststellung gemäß § 54 FrG, in der Berufung und auch im Asylverfahren nicht geeignet sei, stichhaltige Gründe für das Bestehen von Gefahren i.S. des § 37 Abs. 1 und 2 FrG zu liefern.

2. Der Verfassungsgerichtshof hat die Behandlung der dagegen zunächst an ihn gerichteten Beschwerde mit Beschluß vom , B 1259/93, abgelehnt und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.

Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren macht die Beschwerdeführerin Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften sowie inhaltliche Rechtswidrigkeit geltend und begehrt aus diesen Gründen die Aufhebung des angefochtenen Bescheides.

3. Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in der von ihr erstatteten Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Die Beschwerdeführerin hat dazu eine Gegenäußerung

erstattet.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gemäß § 54 Abs. 1 FrG hat die Behörde auf Antrag eines Fremden mit Bescheid festzustellen, ob stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, daß dieser Fremde in einem von ihm bezeichneten Staat gemäß § 37 Abs. 1 oder 2 bedroht ist.

Nach § 37 Abs. 1 FrG ist die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung eines Fremden in einen Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, daß er Gefahr liefe, dort einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe unterworfen zu werden.

Zufolge des § 37 Abs. 2 leg. cit. ist die Zurückweisung oder Zurückschiebung eines Fremden in einen Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, daß dort sein Leben oder seine Freiheit aus Gründen seiner Rasse, seiner Religion, seiner Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder seiner politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z. 1 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, idF des Protokolles über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974).

2. Die in der Beschwerde behauptete Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften wegen Unterbleibens der Einvernahme des Ehegatten der Beschwerdeführerin liegt nicht vor. Dies deshalb, weil die dazu in der Berufung angeführten Beweisthemen im gegebenen Zusammenhang ohne rechtliche Relevanz sind. Denn weder das - von der belangten Behörde im übrigen nicht in Zweifel gezogene - regimekritische Verhalten der Beschwerdeführerin im Jahr 1989 noch die im Jahr 1991 für das Verlassen Chinas bestimmenden Motive noch die Umstände, unter denen zuerst der Ehegatte und sodann die Beschwerdeführerin nach einem längeren Aufenthalt in Rumänien nach Österreich gelangt sind, sind für den Ausgang des Verfahrens von wesentlicher Bedeutung, konnte doch damit nicht zumindest glaubhaft gemacht werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 93/18/0381), daß der Beschwerdeführerin aktuell, also im Fall der Abschiebung in ihr Heimatland, die im § 37 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG genannten Gefahren drohten.

3. Auch die Rechtsrüge versagt. Mit dem Vorbringen, die Verständigung von einer bevorstehenden Verhaftung der Beschwerdeführerin müsse unter den konkreten Umständen als drohende Gefahr des Freiheitsentzuges und somit als stichhaltiger Grund für die Annahme einer Bedrohung i.S. des § 37 Abs. 2 FrG angesehen werden, läßt die Beschwerde außer acht, daß die belangte Behörde im bekämpften Bescheid zu der Annahme gelangt ist, es sei schon im Jahr 1991 nicht mit einer Inhaftierung der Beschwerdeführerin zu rechnen gewesen. Die dazu gegebene Begründung ist keineswegs unschlüssig. Läßt schon der Umstand, daß die Beschwerdeführerin erst ein Jahr und neun Monate nach der Niederschlagung der Demokratiebewegung von einer angeblich bevorstehenden Verhaftung erfahren haben will, ihre Darstellung wenig glaubwürdig erscheinen, so verstärkt sich dieser Eindruck noch beträchtlich durch die - von der belangten Behörde zutreffend betonte - Tatsache, daß der Beschwerdeführerin von den Sicherheitsbehörden, gerade als ihr behauptetermaßen die Verhaftung gedroht habe, ein bis gültiger Reisepaß und zudem noch ein Ausreisezertifikat ausgestellt wurde - mit der Folge, daß ihr solcherart ein völlig legales Verlassen ihres Heimatlandes möglich war.

4. Da nach dem Gesagten die behauptete Rechtswidrigkeit des bekämpften Bescheides ncht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

5. Von der in der Beschwerde beantragten mündlichen Verhandlung konnte im Hinblick auf § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.

6. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 Z. 1 und 2 VwGG iVm der VO BGBl. Nr. 104/1991.