VwGH vom 20.02.1992, 90/16/0185
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Iro und die Hofräte Dr. Närr, Mag. Meinl, Dr. Kramer und Dr. Höfinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Kommissär Dr. Ladislav, über die Beschwerde des ET in B, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich vom , Zl. 344/1-9/Mü-1990, betreffend Grunderwerbsteuer, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Aus den vorgelegten Verwaltungsakten und den vom Verwaltungsgerichtshof beigeschafften Akten AZ. A n1/84 des Bezirksgerichtes Grieskirchen ergibt sich im wesentlichen folgendes:
Auf Grund des mit den Ehegatten Karl und Pauline H als Verkäufern geschlossenen Kaufvertrages vom
(25./) hatte Gertrude B (in der Folge: Erblasserin) das Eigentum an einem bestimmten, in Oberösterreich gelegenen, unbebauten Grundstück erworben und für diesen Erwerbsvorgang beim Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern in Linz die besondere Ausnahme von der Besteuerung gemäß § 4 Abs. 1 Z. 2 lit. a GrEStG 1955 (in der Folge: GrEStG) beantragt.
Die am verstorbene Erblasserin hatte den Beschwerdeführer in ihrem Testament vom als Alleinerben eingesetzt und ihrer Schwester das erwähnte Grundstück vermacht, und zwar mit der Ergänzung vom , daß sie auch den Schmuck sowie die Kleidung bekomme und das von der Erblasserin aufgenommene Bauspardarlehen zurückzahlen müsse. Am hatte der Beschwerdeführer zum gesamten Nachlaß der Erblasserin die unbedingte Erbserklärung abgegeben. Der Nachlaß war dem Beschwerdeführer mit - auf Grund Rechtsmittelverzichtes rechtskräftig gewordenem - Beschluß des Bezirksgerichtes Grieskirchen vom eingeantwortet worden. Die Schwester hatte das auf Grund des Vermächtnisses erworbene - nach wie vor unbebaute - Grundstück mit Kaufvertrag vom an Sieglinde E veräußert.
Im vorliegenden verwaltungsgerichtlichen Verfahren ist die Beantwortung der Rechtsfrage entscheidend, ob (im Sinne der angefochtenen Berufungsentscheidung) der Beschwerdeführer für den Erwerbsvorgang vom (25./) Grunderwerbsteuer zu entrichten hat oder (im Sinne der vorliegenden Beschwerde) nicht.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 43 Abs. 2 VwGG ist jedes Erkenntnis zu begründen. Soweit die Rechtsfrage durch die bisherige Rechtsprechung klargestellt ist, genügt es, diese anzuführen.
Nach § 12 Abs. 2 erster Satz GrEStG 1987 sind auf vor dem verwirklichte Erwerbsvorgänge die bis zum Inkrafttreten dieses Gesetzes in Geltung stehenden gesetzlichen Vorschriften anzuwenden.
Daher ist im Hinblick auf den hier in Rede stehenden Kaufvertrag vom (25./) - abgesehen u.a. von § 19 Abs. 1 BAO - das GrEStG die zur Lösung der angeführten Rechtsfrage maßgebende Rechtsquelle, und zwar § 4 Abs. 1 Z. 2 lit. a und Abs. 2 dritter Satz in der durch Abschnitt VIII des Abgabenänderungsgesetzes 1985, BGBl. Nr. 557, unberührt gebliebenen Fassung.
Auf Grund des § 4 Abs. 1 Z. 2 lit. a GrEStG ist beim Arbeiterwohnstättenbau der Erwerb eines Grundstückes zur Schaffung von Arbeiterwohnstätten von der Besteuerung ausgenommen.
Gemäß § 4 Abs. 2 dritter Satz GrEStG unterliegen die im Abs. 1 Z. 1 bis 4 und Z. 7 bezeichneten Erwerbsvorgänge der Steuer, wenn der begünstigte Zweck innerhalb von acht Jahren aufgegeben wird.
Nach § 19 Abs. 1 BAO gehen bei Gesamtrechtsnachfolge die sich aus Abgabenvorschriften ergebenden Rechte und Pflichten des Rechtsvorgängers auf den Rechtsnachfolger über. Für den Umfang der Inanspruchnahme des Rechtsnachfolgers gelten die Bestimmungen des bürgerlichen Rechtes.
Auf Grund des § 547 ABGB stellt der Erbe, sobald er die Erbschaft angenommen hat, in Rücksicht auf dieselbe den Erblasser vor. Beide werden in Beziehung auf einen Dritten für eine Person gehalten. Vor der Annahme des Erben wird die Verlassenschaft so betrachtet, als wenn sie noch von dem Verstorbenen besessen würde.
Diese Gesetzesstelle spricht zwar für den Eintritt der Universalsukzession mit der Erbserklärung; sie erfolgt jedoch nach herrschender Meinung erst mit der Rechtskraft der Einantwortung (siehe z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 88/16/0050, ÖStZB 15/16/1990, S. 245, und Welser in Rummel, Kommentar zum Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuch, 1. Bd.2, Wien 1990, Rz 1 zu § 547 in Verbindung mit Rz 3 zu § 532 und Rz 5 zu § 797).
In dem soeben angeführten Erkenntnis hat der Verwaltungsgerichtshof mit weiterem Hinweis u.a. noch dargetan, daß die Abgabenschuld auf den Gesamtrechtsnachfolger dann übergeht, wenn der Abgabenanspruch vor dem die Gesamtrechtsnachfolge bewirkenden Ereignis (z.B. Tod) entstanden ist. Nach dem Tode des Erblassers ist ein Bescheid über eine in dessen Person entstandene Abgabenschuld vor der Einantwortung an die Verlassenschaft (vertreten durch den Verlassenschaftskurator, Erbenmachthaber oder erbserklärten Erben) zu richten, erst nach Einantwortung jedoch an den Erben als Rechtsnachfolger des Abgabepflichtigen.
Der Beschwerdeführer scheint aber im vorstehenden Zusammenhang folgendes zu übersehen:
Der den Grundstückerwerb der Erblasserin betreffende Rechtsvorgang im Sinne des § 1 Abs. 1 Z. 1 GrEStG war auf Grund der von ihr erklärten Absicht, auf diesem Grundstück eine Arbeiterwohnstätte errichten zu wollen, nur vorläufig von der Steuer ausgenommen gewesen. Das ändert aber nichts daran, daß die Erblasserin durch den am verwirklichten Rechtsvorgang ein Grunderwerbsteuerrechtsverhältnis begründet hatte. Ein Steuerrechtsverhältnis ist der Inbegriff der Rechte und Pflichten, die die Beteiligten dieses Rechtsverhältnisses haben, wobei die Rechte und Pflichten durch Gesetz begründet werden (siehe z.B. Gassner, Die Bedeutung der Rechtsnachfolge im Steuerrecht, in Steuern im Rechtsstaat, Festschrift für Gerold Stoll zum 65. Geburtstag, Wien 1990, S. 317 ff, insbesondere S. 320 Mitte).
Der Beschwerdeführer war als eingeantworteter Erbe als Gesamtrechtsnachfolger der Erblasserin (auch) auf Grund des § 19 Abs. 1 BAO in dieses Grunderwerbsteuerrechtsverhältnis eingetreten. Das Wesen der Gesamtrechtsnachfolge besteht darin, daß der Rechtsnachfolger hinsichtlich der Rechte und Pflichten voll an die Stelle des Rechtsvorgängers tritt, und zwar in materiell- und in verfahrensrechtlicher Sicht. Der Gesamtrechtsnachfolger kann daher auch die dem Rechtsvorgänger gewährte Grunderwerbsteuerfreiheit in Anspruch nehmen.
Der Übergang eines Grundstückes im Erbwege kann zwar nicht als Veräußerung im Sinne des § 4 Abs. 2 GrEStG angesehen werden, die Steuerfreiheit geht aber (erst) verloren, wenn der Erbe innerhalb von acht Jahren, gerechnet vom Erwerb des Erblassers an, den begünstigten Zweck entweder nicht erfüllt oder aufgibt (siehe z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 89/16/0209, ÖStZB 20/1991, S. 471, mit weiterem Hinweis).
Dieses Nichterfüllen oder Aufgeben ist verschuldensunabhängig (siehe z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 88/16/0072, ÖStZB 15/16/1989, S. 259, mit weiterem Hinweis).
Bei den im § 4 Abs. 1 Z. 2 lit. a GrEStG angeführten Erwerbsvorgängen entsteht die Steuerschuld erst mit der Aufgabe des begünstigten Zwecks oder mit Ablauf von acht Jahren nach dem Erwerbsvorgang, sofern innerhalb dieser Zeit der begünstigte Zweck nicht erfüllt wurde (Verwaltungsgerichtshof vom , Zl. 1510/72, Slg. Nr. 4472/F).
Hat nun der Nachlaß der Erblasserin oder nach dessen Einantwortung an den Beschwerdeführer dieser auf Grund des Testamentes das Grundstück als Gegenstand des Vermächtnisses der Vermächtnisnehmerin herausgegeben, dann hat dies nicht nur zur Folge, daß das Grundstück vom Beschwerdeführer als dem Erben nicht mehr selbst zu dem begünstigten Zweck - Schaffung einer Arbeiterwohnstätte - verwendet werden kann, also mit der Herausgabe des Grundstückes der begünstigte Zweck aufgegeben wird, sondern auch, daß die Grunderwerbsteuerschuld mit der Aufgabe des begünstigten Zweckes nach dem Tode der Erblasserin nicht mehr ihr gegenüber, sondern gegenüber dem Beschwerdeführer, der als Gesamtrechtsnachfolger in das betreffende Steuerrechtsverhältnis eingetreten war, entstanden ist.
Diese Ausführungen zeigen, daß der Beschwerdeführer durch die hier in Rede stehende Grunderwerbsteuerfestsetzung jedenfalls dem Grunde nach - die Höhe der festgesetzten Grunderwerbsteuer wurde weder im Abgabenverfahren noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren bekämpft - in keinem subjektiv-öffentlichen Recht verletzt wurde.
Der Vollständigkeit halber ist noch folgendes zu bemerken:
Ist die vermachte Sache verpfändet oder belastet, so übernimmt der Empfänger gemäß § 662 dritter Satz ABGB auch die darauf haftenden Lasten.
Selbst wenn man unter solchen (auch in dem § 686 zweiter Satz ABGB erwähnten) Lasten nicht nur Pfandrechte und andere dingliche Belastungen, sondern auch überhaupt auf die Sache bezügliche schuldrechtliche Pflichten verstehen wollte (siehe in diesem Sinne z.B. Welser, a.a.O., Rz 8 zu § 662, mit weiterem Hinweis), darf nicht übersehen werden, daß sich die Übernahme bloßer schuldrechtlicher Verbindlichkeiten nur auf das Innenverhältnis (hier: Erbe zur Vermächtnisnehmerin) bezieht, im Verhältnis zum Dritten (hier: Abgabengläubiger) jedoch keine Änderung der Rechtslage erfolgt (siehe auch hiezu Welser, a.a.O.).
Die vorliegende Beschwerde ist daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Zuerkennung des Aufwandersatzes gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.