VwGH vom 21.09.2000, 98/20/0564
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Baur und Dr. Nowakowski als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Winter, über die Beschwerde des NA (auch FO; auch AN), geboren am , vertreten durch Dr. Brigitta Weis, Rechtsanwalt in 1210 Wien, Holzmeistergasse 12, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom , Zl. 200.289/0-VI/17/98, betreffend Zurückweisung eines Asylantrages gemäß § 68 AVG (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundeskanzleramt) Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, nach seinen Angaben ein Staatsangehöriger des Irak, reiste erstmals am in das Bundesgebiet ein und beantragte am Asyl. Dieser (erste) Asylantrag wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes vom rechtskräftig abgewiesen. Nach der infolge unerlaubter Einreise nach Deutschland erfolgten Zurückschiebung des Beschwerdeführers nach Österreich durch die deutschen Behörden stellte der Beschwerdeführer am den hier gegenständlichen (zweiten) Asylantrag.
Mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom wurde dieser Asylantrag im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG i.V.m. § 68 Abs. 1 AVG und § 44 Abs. 5 AsylG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen.
Nach Darstellung des Verlaufes des Verwaltungsverfahrens führte die belangte Behörde zur Begründung aus, der Beschwerdeführer habe als "wesentliche Änderung der Situation seit Jänner 1997 in seinem Heimatstaat" angegeben, dass türkische Truppen in den Nordirak einmarschiert seien und die "Leute im Nordirak durch die PUK" bekämpft würden. Der Beschwerdeführer habe aber eingestanden, dass sich diese Umstände nicht auf seine Person bezögen. Weiters stehe fest, "dass der zweite Asylantrag deswegen gestellt wurde, da die unerlaubte Ausreise des Berufungswerbers aus dem Irak unter hoher Strafe stehe, eine Asylantragstellung im Ausland im Irak als grober Akt der Illoyalität aufgefasst würde, und er bei einer eventuellen Rückkehr mit Verfolgungsmaßnahmen zu rechnen hätte". Der Beschwerdeführer habe aber dazu "inhaltlich keine Äußerung bei der Einvernahme abgeben" können.
In rechtlicher Hinsicht verwies die belangte Behörde zunächst auf § 44 Abs. 5 AsylG, wonach Bescheide nach dem Asylgesetz 1991 bei Identität der Sache in einem Verfahren nach dem Asylgesetz 1997 den Zurückweisungstatbestand der entschiedenen Sache begründeten. Gemäß § 68 Abs. 1 AVG seien Anbringen von Beteiligten - von hier nicht in Betracht kommenden Ausnahmefällen abgesehen -, die die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, grundsätzlich wegen entschiedener Sache zurückzuweisen. Die selbe Sache liege dann nicht vor, wenn in den entscheidungsrelevanten Fakten bzw. in den die Entscheidung tragenden Normen wesentliche, somit die Erlassung eines inhaltlich anders lautenden Bescheides ermöglichende oder gebietende Änderungen eingetreten seien. Eine Modifizierung des Parteibegehrens in Nebenumständen, die für die rechtliche Beurteilung der Hauptsache unerheblich sind, vermöge an der Identität der Sache nichts zu ändern.
Der Beschwerdeführer habe zur Begründung des zweiten Asylantrages im Verwaltungsverfahren vorgebracht, dass ihm durch die "geänderte Situation in seiner Heimat", durch "die Tatsache der illegalen Ausreise aus dem Irak" sowie durch "die Asylantragstellung" eine asylrelevante Gefährdung drohen würde. Dazu sei anzumerken, dass diese "Gefährdungstatbestände" schon während des ersten Asylverfahrens vorgelegen sein müssten. So sei im Schriftsatz des Beschwerdeführers
"beispielsweise die Art. 180 des irakischen Strafgesetzbuches Nr. 111/1969 sowie Art. 202 angeführt, von denen nicht behauptet würde, dass sie zwischenzeitlich etwa novelliert worden seien. Auch ist nicht erkennbar, warum durch den Aufmarsch der türkischen Armee im Nordirak, durch Kämpfe zwischen Anhängern der KDP und PUK sowie Vorstöße der irakischen Armee ein 'neuer' individueller 'Gefährdungstatbestand' im Sinne der behaupteten 'Nachfluchtgründe' vorliegen sollte; dies ergibt sich schon daraus, dass die behaupteten Tatbestände, die Desertion vom Militärdienst und die Teilnahme am kurdischen Volksaufstand, für sich alleine, ohne Hinzutreten weiterer Umstände, keine asylrelevanten Verfolgungsgründe sind".
Soweit der Beschwerdeführer in seiner Berufung weiters ausführe, dass er vor seiner Ausreise einer "latenten Gefährdungslage" ausgesetzt gewesen sei, sei ihm entgegenzuhalten, dass die allenfalls vor der Ausreise verwirklichten Tatbestände eben Gegenstand seines ersten Asylverfahrens gewesen seien. Zum Nachfluchtgrund der illegalen Ausreise sei auszuführen, dass eine Übertretung von den Aufenthalt regelnden Vorschriften des Heimatstaates dann asylrechtlich irrelevant sei, wenn die zu erwartende Bestrafung keinen Konnex zu den in der Genfer Flüchtlingskonvention verankerten Gründen aufweise. Ein derartiger Zusammenhang könnte zwar dann vorliegen, wenn ein Asylwerber im Vergleich zur anderen, die selbe Vorschrift übertretenden Personen eine strengere Bestrafung zu gewärtigen hätte oder die Bestrafung losgelöst vom gewöhnlichen Strafanspruch gerade wegen oder doch zumindest im überwiegenden Ausmaß wegen einer der in der Genfer Flüchtlingskonvention normierten Gründe erfolgte. Derartiges liege jedoch nicht vor, zumal der (erste) Asylantrag des Beschwerdeführers rechtskräftig abgewiesen worden sei. Warum der "Tatbestand der Asylantragstellung" beim Beschwerdeführer vorliegen sollte, sei nicht nachvollziehbar. Die Behauptung, der irakische Staat würde von der gegenständlichen Asylantragstellung Kenntnis erlangen, stelle lediglich eine Vermutung dar. Im Übrigen sei von ihm nicht glaubhaft gemacht worden, dass ein solcher Umstand erst nach Abweisung des ersten Asylantrages eingetreten sein sollte. Der Beschwerdeführer habe bei seiner niederschriftlichen Einvernahme nicht anzugeben vermocht, wie er seinen (zweiten) Asylantrag begründen solle. Die Behauptung in der Berufung, der Beschwerdeführer habe bei seiner Einvernahme am darauf hingewiesen, dass ihm nach rechtskräftigem Abschluss seines ersten Asylverfahrens zur Kenntnis gelangt sei, dass Mitaktivisten des kurdischen Volksaufstandes vom irakischen Geheimdienst im Juni bzw. Juli 1996 getötet worden seien, könne noch keinen den Beschwerdeführer selbst betreffenden asylrelevanten Umstand bescheinigen; im Übrigen könnte ein derartiger Umstand "höchstens einen Wiederaufnahmsgrund bilden". Nach Bescheiderlassung bekannt gewordene Tatsachen oder Beweismittel könnten lediglich im Wege eines Antrages auf Wiederaufnahme des Verfahrens nach § 69 Abs. 1 Z 2 AVG geltend gemacht werden, sofern sie im Verfahren ohne Verschulden des Beschwerdeführers nicht vorgebracht werden konnten.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.
Die belangte Behörde beantragte, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in dem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Nach dem die Wiederaufnahme eines Verwaltungsverfahrens regelnden § 69 Abs. 1 Z 2 AVG rechtfertigen neu hervorgekommene Tatsachen (also solche, die bereits zur Zeit des früheren Verfahrens bestanden haben, aber erst später bekannt wurden) - bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen - eine Wiederaufnahme des Verfahrens, wenn sie die Richtigkeit des angenommenen Sachverhalts in einem wesentlichen Punkt als zweifelhaft erscheinen lassen.
Hingegen ist bei Sachverhaltsänderungen, die nach der Entscheidung eingetreten sind, kein Antrag auf Wiederaufnahme, sondern ein neuer Antrag zu stellen, weil in diesem Fall einem auf der Basis des geänderten Sachverhaltes gestellten Antrag die Rechtskraft bereits erlassener Bescheide nicht entgegensteht (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 96/01/0242, m.w.N.). Verschiedene "Sachen" im Sinne des § 68 Abs. 1 AVG würden vorliegen, wenn in der für den Vorbescheid maßgeblichen Rechtslage (vgl. insoweit aber § 44 Abs. 5 AsylG) oder in den für die Beurteilung des Parteibegehrens im Vorbescheid als maßgebend erachteten tatsächlichen Umständen eine Änderung eingetreten ist oder wenn das neue Parteibegehren von dem früheren (abgesehen von Nebenumständen, die für die rechtliche Beurteilung der Hauptsache unerheblich sind) abweicht (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 96/20/0266). Liegt keine relevante Änderung der Rechtslage oder des Begehrens vor und ist in dem für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhalt keine Änderung eingetreten, so steht die Rechtskraft des ergangenen Bescheides dem neuerlichen Antrag entgegen und berechtigt die Behörde zu seiner Zurückweisung.
Ist also eine Sachverhaltsänderung, die eine andere rechtliche Beurteilung nicht von vornherein ausgeschlossen erscheinen ließe, entgegen den Behauptungen der Partei in Wahrheit nicht eingetreten, so ist der Asylantrag gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückzuweisen.
Der Auffassung der belangten Behörde, dass die vom Beschwerdeführer geltend gemachten Umstände der drohenden Bestrafung wegen der Ausreise aus dem Irak sowie wegen der Stellung eines Asylantrages im Bundesgebiet nur solche darstellten, die bereits zum Zeitpunkt der Entscheidung über den ersten Asylantrag des Beschwerdeführers vorgelegen waren, kann nicht entgegen getreten werden. Soweit die Beschwerde in diesem Zusammenhang darauf Bezug nimmt, dass der Beschwerdeführer eine "subjektive Kenntnis" hinsichtlich der angeführten "Gefährdungstatbestände" (erst) nach der Abweisung seines ersten Asylantrages gewonnen habe, ist dem Beschwerdeführer entgegenzuhalten, dass es für die Frage des Vorliegens von die Stellung eines neuen Asylantrages rechtfertigenden Tatsachen auf das (objektive) Eintreten derartiger Umstände erst nach Erlassung eines abweislichen Asylbescheides, der auf derartige Umstände noch nicht Bezug genommen hatte, ankommt.
Es kann auch die Auffassung der belangten Behörde nicht als rechtswidrig erkannt werden, wenn sie davon ausging, das Vorbringen des Beschwerdeführers betreffend den Einmarsch der türkischen Armee in die "sogenannte UN-Schutzzone im Nordirak nach rechtskräftigem Abschluss des ersten Asylverfahrens" lasse nicht erkennen, welcher konkrete asylrechtliche Bezug dadurch zum Beschwerdeführer selbst hergestellt würde. Auch in der Beschwerde wird diesbezüglich lediglich eine Verletzung von Verfahrensvorschriften behauptet, jedoch nicht konkret dargelegt, welche Feststellungen die belangte Behörde in diesem Zusammenhang hätte treffen können, die zu einem anderen Bescheid geführt hätten.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.
Wien, am