VwGH vom 04.09.2003, 2002/17/0012
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Höfinger, Dr. Holeschofsky, Dr. Köhler und Dr. Zens als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde des AG in Linz, vertreten durch Dr. Roland Gabl, Dr. Josef Kogler und Mag. Harald Papesch OEG, Rechtsanwälte in 4020 Linz, Karl-Wiser-Straße 1, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich vom , Zl. RV 1103/1-10/2000, betreffend Befreiung von der Rundfunk- und Fernsehgebühr, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund (Bundesministerium für Finanzen) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid vom gab die Gebühreninkasso-Service GmbH dem Antrag des Beschwerdeführers auf Befreiung von der Entrichtung der Radio- und Fernsehgebühren vom gemäß §§ 47 ff der Fernmeldegebührenordnung (FGO) nicht statt. Dies mit der Begründung, gemäß § 48 Abs. 1 und 3 FGO sei die Zuerkennung einer Gebührenbefreiung an Personen, denen ein Anspruch nach § 47 FGO zustehe, unzulässig, wenn das Haushalts-Nettoeinkommen den für die Gewährung einer Ausgleichszulage für einen Ein- oder Mehrpersonenhaushalt festgesetzten Richtsatz um mehr als 12 % übersteige. Um das Haushalts-Nettoeinkommen zu ermitteln, sei der Beschwerdeführer aufgefordert worden, das Einkommen von Mag. H, die laut Mietvertrag gemeinsam mit ihm Mieterin der 30 m2 Wohnung sei, nachzuweisen. Der Beschwerdeführer sei dieser Aufforderung nicht nachgekommen, sondern habe in seiner Stellungnahme die gemeinsame Haushaltsführung dementiert. Eine Erhebung der Wohnverhältnisse sei von ihm wegen Abwesenheit von Mag. H nicht gestattet worden. Laut Mietvertrag bestehe die Wohnung aus Vorraum, Küche, Wohnzimmer, Schlafzimmer, Bad und WC. Die meisten dieser Räume würden gemeinsam genützt. Eine getrennte Haushaltsführung wäre also schon auf Grund der vorhandenen Räumlichkeiten nicht möglich.
In der gegen diesen Bescheid erhobenen, als Rechtsbehelf bezeichneten Berufung brachte der Beschwerdeführer vor, es sei ihm unmöglich, das Einkommen von Mag. H mitzuteilen, weil er keinen Zugriff auf die persönlichen Daten seiner Mitbewohnerin habe. Es sei an diese ein Schreiben vom (zugestellt am ) ergangen, in dem eine Ladung zum ausgesprochen worden sei. Die Entscheidung der Behörde sei aber bereits am verfasst worden. Der Beschwerdeführer und seine Mitbewohnerin führten zwei "verschiedene" Haushalte.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. In der Begründung heißt es, nach § 48 Abs. 1 FGO sei die Zuerkennung einer Gebührenbefreiung an Personen nach § 47 FGO dann unzulässig, wenn das Haushalts-Nettoeinkommen den für die Gewährung einer Ausgleichszulage für einen Ein- oder Mehrpersonenhaushalt festgesetzten Richtsatz um mehr als 12 % übersteige. Weiters setze gemäß § 49 Z 1 FGO voraus, dass der Antragsteller nicht bereits von der Entrichtung der Gebühr für eine weitere Rundfunk- oder Fernsehbewilligung befreit sei. Wie der Beschwerdeführer in seinem Schreiben vom dargelegt habe, sei ihm bereits durch die Gebührenzentrale der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten in der Bundesrepublik Deutschland eine Befreiung von der deutschen Rundfunkgebühr gewährt worden. Nach der eindeutigen Bestimmung des § 49 Z 1 FGO komme eine Befreiung von der Fernseh- und Rundfunkgebühr nur in Betracht, wenn nicht schon bereits für eine weitere Rundfunk- oder Fernsehbewilligung eine Befreiung erteilt sei. Eine derartige Gebührenbefreiung liege vor. Dabei sei es unbeachtlich, dass die Befreiung von einer ausländischen Behörde erfolgt sei, da die deutsche Rundfunkgebühr mit der österreichischen Fernseh- und Rundfunkgebühr durchaus vergleichbar sei. Die Bestimmung des § 49 Z 1 FGO schränke nämlich nicht ein, dass nur inländische Gebührenbefreiungen relevant seien. Die Frage, ob der Beschwerdeführer in einem Ein- oder Mehrpersonenhaushalt lebe, sei im Beschwerdefall für die Zuerkennung der Befreiung zweitrangig, zumal schon aus einem anderen Grund keine Befreiung von der Fernseh- und Rundfunkgebühr zulässig sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde, mit der sowohl Rechtwidrigkeit des Inhaltes als auch Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht auf Befreiung von der Fernseh- und Rundfunkgebühr verletzt.
Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Das Rundfunkgebührengesetz (RGG), BGBl. I Nr. 159/1999 in der Fassung BGBl. I Nr. 98/2001, lautet auszugsweise wie folgt:
"Artikel I
Rundfunkempfangseinrichtungen
§ 1. (1) Rundfunkempfangseinrichtungen im Sinne dieses Bundesgesetzes sind technische Geräte, die Darbietungen im Sinne des Artikels I Abs. 1 des Bundesverfassungsgesetzes über die Sicherung der Unabhängigkeit des Rundfunks, BGBl. Nr. 396/1974, unmittelbar optisch und/oder akustisch wahrnehmbar machen.
...
Gebührenpflicht, Meldepflicht
§ 2. (1) Wer eine Rundfunksempfangseinrichtung im Sinne des § 1 Abs. 1 in Gebäuden betreibt (Rundfunkteilnehmer), hat Gebühren nach § 3 zu entrichten. Dem Betrieb einer Rundfunkempfangseinrichtung ist deren Betriebsbereitschaft gleichzuhalten.
(2) Die Gebührenpflicht nach § 1 besteht nicht, wenn
1. dem Rundfunkteilnehmer eine Befreiung (§ 3 Abs. 5) erteilt wurde oder
2. für den Standort bereits die Gebühren nach § 3 entrichtet werden.
Standort ist die Wohnung oder eine sonstige Räumlichkeit bzw. ein geschlossener Verband von Räumlichkeiten mit einheitlichem Nutzungszweck, wo eine Rundfunkempfangseinrichtung betrieben wird.
...
Rundfunkgebühren
§ 3. (1) Die Gebühren sind für jeden Standort (§ 2 Abs. 2) zu
entrichten und betragen für
Radio-Empfangseinrichtungen .............................. 0,36 Euro
Fernseh-Empfangseinrichtungen ........................... 1,16 Euro
monatlich.
...
(4) Die Gebühren sind erstmals für den Monat zu entrichten, in dem die Gebührenpflicht beginnt, und letztmalig für den Monat, in dem sie endet.
(5) Von den Gebühren nach Abs. 1 sind auf Antrag jene Rundfunkteilnehmer zu befreien, bei denen die in §§ 47 bis 49 der Anlage zum Fernmeldegebührengesetz (Fernmeldegebührenordnung), BGBl. Nr. 170/1970, zuletzt geändert durch Bundesgesetz BGBl. I Nr. 26/1999, genannten Voraussetzungen für eine Befreiung von der Rundfunkgebühr bzw. Fernsehgebühr vorliegen.
Einbringung der Gebühren
§ 4. (1) Die Einbringung der Gebühren und sonstiger damit verbundener Abgaben und Entgelte einschließlich der Entscheidung über Befreiungsanträge (§ 3 Abs. 5) obliegt der 'Gebühreninkasso Service GmbH' (Gesellschaft).
...
Verfahren
§ 6. (1) Die Wahrnehmung der behördlichen Aufgaben nach § 4 Abs. 1 obliegt in erster Instanz der Gesellschaft;
Berufungsbehörde und sachlich in Betracht kommende Oberbehörde ist die örtlich zuständige Finanzlandesdirektion. Das AVG 1991 ist anzuwenden.
(2) Im Verfahren über Befreiungen sind die §§ 50, 51 und 53 der Anlage zum Fernmeldegebührengesetz (Fernmeldegebührenordnung), BGBl. Nr. 170/1970, zuletzt geändert durch Bundesgesetz BGBl. I Nr. 26/1999, sinngemäß anzuwenden."
Art. I des Fernmeldegebührengesetzes, BGBl. Nr. 170/1970, lautet:
"Für die durch die Fernmeldebehörden erteilten Bewilligungen (§ 3 Abs. 1 und § 4 Abs. 2 des Fernmeldegesetzes, BGBl. Nr. 170 /1949) und für die Benützung der Fernmeldeanlagen des öffentlichen Verkehrs (§ 15 des Fernmeldegesetzes) sind die in der Anlage (Fernmeldegebührenordnung) festgesetzten Gebühren zu entrichten."
Die Anlage zum Fernmeldegebührengesetz (Fernmeldegebührenordnung), BGBl. Nr. 170/1970 in der Fassung BGBl. Nr. 637/1994, lautet auszugsweise wie folgt:
"Beginn und Beendigung der Pflicht zur Zahlung der monatlichen Gebühren
§ 1. (1) Soweit in dieser Gebührenordnung nichts anderes bestimmt ist, beginnt die Pflicht zur Zahlung
a) von monatlichen Benützungsgebühren nach Ablauf des Tages, von dem an die betreffenden Fernmeldeeinrichtungen von der Post- und Telegraphenverwaltung bereitgestellt werden;
b) von monatlichen Bewilligungsgebühren mit dem Ersten des Monats, in dem die Bewilligung erteilt wird.
(2) Die monatlichen Benützungsgebühren sind für den ersten Monat von dem der Bereitstellung der Einrichtungen durch die Post- und Telegraphenverwaltung folgenden Tag an bis zum Monatsende anteilmäßig (§ 7) und für jeden folgenden Monat oder Teil eines solchen im vollen monatlichen Ausmaß zu entrichten.
...
Befreiungsbestimmungen
§ 47. (1) Über Antrag sind von der Entrichtung
Tabelle in neuem Fenster öffnen
- | der Fernsprech-Grundgebühr (§ 9 Abs. 1) einschließlich der Gesprächsgebühr für eine Gebührenstunde pro Monat, | |||||||||
- | der Rundfunkgebühr (§ 44 Z 1), | |||||||||
- | der Fernsehgebühr (§ 44 Z 3) | |||||||||
zu befreien: | ||||||||||
1. Bezieher einer Blindenbeihilfe oder einer vergleichbaren Leistung, | ||||||||||
2. Bezieher eines Hilflosenzuschusses oder einer vergleichbaren Leistung, | ||||||||||
3. Bezieher von Leistungen nach pensionsrechtlichen Bestimmungen oder diesen Zuwendungen vergleichbare sonstige wiederkehrende Leistungen versorgungsrechtlicher Art, | ||||||||||
4. Bezieher von Leistungen nach dem Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977, | ||||||||||
5. Bezieher von Beihilfen nach dem Arbeitsmarktförderungsgesetz, | ||||||||||
6. Bezieher von Beihilfen nach dem Studienförderungsgesetz 1983, | ||||||||||
7. Bezieher von Leistungen und Unterstützungen aus der Sozialhilfe oder der freien Wohlfahrtspflege oder aus sonstigen öffentlichen Mitteln wegen sozialer Hilfsbedürftigkeit. | ||||||||||
... |
§ 48. (1) Die Zuerkennung einer Gebührenbefreiung an Personen nach § 47 ist jedoch dann unzulässig, wenn das Haushalts-Nettoeinkommen den für die Gewährung einer Ausgleichszulage für einen Ein- oder Mehrpersonenhaushalt festgesetzten Richtsatz um mehr als 12 % übersteigt.
...
§ 49. Eine Gebührenbefreiung setzt ferner voraus:
1. Der Antragsteller darf nicht bereits von der Entrichtung der Gebühr für einen weiteren Fernsprechanschluss oder für eine weitere Rundfunk- oder Fernsehbewilligung befreit sein,
2. der Antragsteller muss bis zur Entscheidung über den Befreiungsantrag die vorgeschriebenen Gebühren entrichtet haben,
3. der Antragsteller darf nicht von anderen Personen zur Erlangung der Gebührenbefreiung vorgeschoben sein,
4. der Antragsteller muss seinen Hauptwohnsitz im Inland haben,
...
§ 50. (1) Das Vorliegen des Befreiungsgrundes ist vom Antragsteller nachzuweisen, und zwar:
1. in den Fällen des § 47 Abs. 1 durch den Bezug einer der dort genannten Leistungen,
..."
Die belangte Behörde stützt die Versagung der Befreiung von der Rundfunk- und Fernsehgebühr ausschließlich darauf, dass die Bundesrepublik Deutschland dem Beschwerdeführer eine Befreiung von der mit der österreichischen Rechtslage vergleichbaren deutschen Rundfunkgebühr für ein an seinem Wohnsitz in Deutschland aufgestelltes Radio- und Fernsehgerät erteilt habe und somit eine der Voraussetzungen für die Gebührenbefreiung fehle.
In dem vom Beschwerdeführer vorgelegten, in den Verwaltungsakten befindlichen Schreiben der Gebühreneinzugszentrale der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten in der Bundesrepublik Deutschland vom wurde diesem mitgeteilt, dass er vom bis von der Rundfunkgebühr befreit sei.
Entgegen der im angefochtenen Bescheid vertretenen Ansicht der belangten Behörde, kann aus der Bestimmung des § 49 Z 1 FGO nicht abgeleitet werden, dass eine von ausländischen Stellen gewährte Befreiung von nicht näher umschriebenen Gebühren für Rundfunk- und Fernsehbewilligungen nach ausländischen Bestimmungen für einen Standort im Ausland die Gebührenbefreiung nach der FGO für einen Standort im Inland ausschließt. Die Gebührenbefreiung nach § 49 Z 1 FGO setzt voraus, dass der Antragsteller nicht bereits von der Entrichtung der Gebühr für eine weitere Rundfunk- oder Fernsehbewilligung befreit sein darf. Nach Art. I des Fernmeldegebührengesetzes, BGBl. Nr. 170/1970, sind für die Benützung der Fernmeldeanlagen des öffentlichen Verkehrs die in der FGO festgesetzten Gebühren zu entrichten. Diese Bestimmung verweist zusätzlich auf § 15 des (durch das Fernmeldegesetz 1993, BGBl. Nr. 908/1993, aufgehobenen) Fernmeldegesetzes BGBl. Nr. 170/1949. Fernmeldeanlagen des öffentlichen Verkehrs sind danach nur die inländischen Fernmeldeanlagen, für deren Benützung nach der FGO entsprechende Gebühren zu entrichten sind oder die unter den entsprechenden Voraussetzungen gebührenbefreit benutzt werden können. § 49 Z 1 FGO regelt den Fall, dass ein Antragsteller mit Hauptwohnsitz im Inland, der über zwei oder mehr Rundfunk- und Fernsehbewilligungen im Anwendungsbereich der FGO verfügt, von der Entrichtung für nur eine Rundfunk- und Fernsehbewilligung, nicht aber von der Entrichtung für weitere Rundfunk- und Fernsehbewilligungen befreit werden kann. Erfolgte Befreiungen von Gebühren oder Entgelten für die Nutzung von ausländischen Rundfunk- und Fernsehbewilligungen sind hier nicht erwähnt und somit im Hinblick auf Art. I des Fernmeldegebührengesetzes kein Hindernis für die Gebührenbefreiung nach § 49 Z 1 FGO. Da die belangte Behörde dies verkannte, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit.
Aus den oben dargestellten Erwägungen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Die in der Beschwerde verzeichnete Umsatzsteuer für Schriftsatzaufwand war nicht gesondert zuzusprechen.
Wien, am