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VwGH vom 30.04.2003, 2002/16/0271

VwGH vom 30.04.2003, 2002/16/0271

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Steiner, Dr. Fellner, Dr. Höfinger und Dr. Kail als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Stummer, über die Beschwerde der I AG in Wien, vertreten durch die Exinger GmbH, Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft in Wien I, Friedrichstraße 10, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , GZ RV/699-09/01, betreffend Gesellschaftsteuer, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von 332,-- EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die beschwerdeführende Aktiengesellschaft wurde mit Satzung vom mit einem Grundkapital in Höhe von 70.000,-- EUR gegründet und am im Firmenbuch eingetragen.

Mit einer am beim Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern in Wien eingelangten Gesellschaftsteuererklärung vom gab die Beschwerdeführerin eine Kapitalerhöhung im Nominale von 234.338,-- EUR zuzüglich eines Agios von 20,094.881,87 EUR bekannt. Nach dem angeschlossenen Protokoll der zweiten außerordentlichen Hauptversammlung vom wurde der Beschluss gefasst, das Grundkapital von bisher 70.000,-- EUR auf 304.338,-- EUR durch Ausgabe von

234.338 Stück Inhaberaktien im Nominale von jeweils 1,-- EUR zuzüglich eines Agios von 85,7517 EUR zu erhöhen. Der Erhöhungsbetrag der Kapitalerhöhung werde von den - einzeln angeführten - neu hinzukommenden Aktionären der Gesellschaft gezeichnet.

In einer Eingabe vom wurde unter Hinweis auf die angeschlossene Ablichtung eines Protokolls über die dritte außerordentliche Hauptversammlung vom ausgeführt, der Kapitalerhöhungsbeschluss der Hauptversammlung vom sei durch den Kapitalerhöhungsbeschluss vom dahingehend sistiert und abgeändert worden, dass nunmehr eine nominelle ordentliche Kapitalerhöhung von 70.000,-- EUR um 234.338,-- EUR auf 304.338,-- EUR beschlossen worden sei. Das von den Zeichnern der Kapitalerhöhung gemäß der Beschlussfassung vom an die Gesellschaft bezahlte Agio in Höhe von 20,094.881,87 EUR verbleibe bei der Gesellschaft, wobei dieses nunmehr als Gesellschafterzuschuss in den Jahresabschluss der Beschwerdeführerin aufgenommen werde. Es sei demnach durch die Sistierung und Abänderung des Kapitalerhöhungsbeschlusses vom keine zusätzliche Zuführung von Gesellschafterleistungen an die Beschwerdeführerin erfolgt.

Mit Bescheid vom wurde von einer Bemessungsgrundlage von 279,736.164,18 S Gesellschaftsteuer in Höhe von 2,797.362,-- S vorgeschrieben.

In der Berufung gegen diesen Bescheid wurde die Steuerbefreiung iS des Art XXVII § 1 des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 818/1993 geltend gemacht. Die Beschwerdeführerin sei mit der in der Satzung verankerten Absicht der Errichtung einer Mittelstandsfinanzierungsgesellschaft gegründet worden. Die Beschwerdeführerin besitze den Mittelstandsfinanzierungs-Status von Anfang an. Die Voraussetzungen des § 6b KStG seien durch die Erhöhung des Grundkapitals erfüllt worden.

Gegen eine die Berufung als unbegründet abweisende Berufungsvorentscheidung wurde der Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz gestellt. Darin wurde insbesondere ausgeführt, dem Gesetz können kein Anhaltspunkt entnommen werden, dass die Abgabenbegünstigung zeitlich erst dann zustehen solle, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen zur Gänze erfüllt sind. Vielmehr stünden die abgabenrechtlichen Begünstigungen ab der Gründung der Mittelstandsfinanzierungsgesellschaft zu, wenn innerhalb des vom Gesetz vorgegebenen mehrjährigen Zeitraumes bestimmte Kriterien erfüllt würden. Gerade der mehrjährige Zeitraum, den das Gesetz einräume, um den Status einer Gesellschaft als Mittelstandsfinanzierungsgesellschaft iS des § 6b KStG zu dokumentieren, sei ein charakteristisches Merkmal dieser das Beteiligungskapital fördernden legistischen Maßnahme. Für die Frage, ob eine Mittelstandsfinanzierungsgesellschaft vorliege, sei auf die körperschaftsteuerliche Beurteilung abzustellen. Diese körperschaftsteuerlichen Vorschriften würden aber ausdrücklich keine statische Momentaufnahme, sondern eine dynamische Beurteilung dieser Frage vorsehen. Auf eine dynamische Betrachtung weise das Vorliegen der Voraussetzungen durch eine jährliche Bestätigung eines inländischen Wirtschaftsprüfers hin. Eine jährliche Bestätigung weise darauf hin, dass ein Erreichen der geforderten Voraussetzungen innerhalb dieses Jahres genüge. Auch der Umstand, dass (bloß) bei nachhaltiger Verletzung der genannten Voraussetzungen die Gesellschaft rückwirkend unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig wird, weise auf eine dynamische Betrachtungsweise hin. Auch die Verordnung BGBl. Nr. 554/1994 beinhalte dynamische Komponenten.

Weiters vertrat die Beschwerdeführerin die Auffassung, dass jedenfalls nach Erreichen des Grundkapitals von 100 Millionen S jede weitere Eigenkapitalzufuhr, die zu einer Ausgabe von Anteilen führt, nicht der Gesellschaftsteuer unterliegen könne. Die Festsetzung von Gesellschaftsteuer für die verbleibenden 13,061.936,46 EUR sei keinesfalls gerechtfertigt.

Nach weiteren Erhebungen der Abgabenbehörden wurde die Berufung mit dem angefochtenen Bescheid als unbegründet abgewiesen. Zum Sachverhalt wurde in der Begründung dieses Bescheides insbesondere festgestellt, die Beschwerdeführerin sei am mit einem Grundkapital von 70.000,-- EUR gegründet worden. In der ersten außerordentlichen Hauptversammlung am sei die Satzung insoferne abgeändert worden, als das Grundkapital der Gesellschaft statt in 700 auf Namen lautende Aktien im Nennwert von je 100 EUR in 70.000 Stück Aktien im Nennwert von je 1 EUR zerlegt ist, davon drei Stück Namensaktien und 69.997 Inhaberaktien. Laut Punkt III a) der Satzung idF vom sei Gegenstand des Unternehmens der Erwerb und der Besitz, die Verwaltung und die Veräußerung von Beteiligungen an anderen Unternehmen und Gesellschaften, gleichgültig in welcher Rechtsform. Die Gesellschaft beabsichtige, nach erfolgter Kapitalerhöhung den Unternehmensgegenstand auf die Beteiligung an Unternehmen iS des § 6b KStG 1988 auszudehnen.

Im Bericht des Abschlussprüfers vom sei in den Erläuterungen zur Bilanz zum ausgeführt, dass das Grundkapital 304.338,-- EUR betrage und zur Gänze einbezahlt sei und dass die gebundene Kapitalrücklage in Höhe von 20,094.881,88 EUR einen von den Gesellschaftern geleisteten Gesellschafterzuschuss beinhalte. Im Lagebericht für das Geschäftsjahr vom bis werde festgehalten, dass es Ziel der Gesellschaft sei, im Jahr 2001 in eine Mittelstandsfinanzierungsgesellschaft umgewandelt zu werden.

In der ersten ordentlichen Hauptversammlung vom sei beschlossen worden, das Grundkapital der Gesellschaft aus Gesellschaftsmitteln durch Auflösung eines Teiles der Kapitalrücklage und Umwandlung dieses Teiles der Kapitalrücklage in Grundkapital der Gesellschaft zu erhöhen, sodass das Grundkapital von 304.338,-- EUR um 6,963.104,-- EUR auf 7,267.442,-

- EUR erhöht werde, und zwar durch Ausgabe von 6,963.104 Stück auf Inhaber lautenden Aktien im Nominale von 1 EUR.

In rechtlicher Hinsicht vertrat die belangte Behörde die Auffassung, ein Vorgang könne nur dann von der Gesellschaftsteuer befreit sein, wenn bei der Gesellschaft im Zeitpunkt des möglichen Entstehens der Steuerschuld die Voraussetzungen einer Mittelstandsfinanzierungsgesellschaft vorliegen. Eine Mittelstandsfinanzierungsgesellschaft liege erst dann vor, wenn eine Aktiengesellschaft über ein Grundkapital von 100 Millionen S (= 7,267.283,42 EUR) verfüge. Vor der Beschlussfassung in der Hauptversammlung vom habe eine der Grundvoraussetzungen für das Vorliegen einer Mittelstandsfinanzierungsgesellschaft gefehlt. Die Beschlüsse vom und vom hätten lediglich eine Erhöhung des Grundkapitals auf 304.338,-- EUR vorgesehen, sodass der erste Erwerb von Gesellschaftsrechten durch jene Personen, die insgesamt 234.338 Stück Inhaberaktien mit einem Nominale von 234.338,-- EUR gezeichnet hatten, nicht steuerfrei sei. Da nach den Erläuterungen des Jahresabschlusses zum ausgeführt sei, dass das Grundkapital von 304.338,-- EUR zur Gänze einbezahlt sei und dass in der gebunden Kapitalrücklage (20,094.881,88 EUR) der von den Gesellschaftern geleistete Gesellschafterzuschuss ausgewiesen werde, sei davon auszugehen, dass die insgesamt von den neuen Aktionären für den Erwerb der Gesellschaftsrechte zu erbringende (Gegen-)Leistung von 20,329.219,87 EUR bereits im Jahr 2000 erbracht worden sei. Da die Beschwerdeführerin weder im Zeitpunkt der Erbringung der Gegenleistung noch im Zeitpunkt des Erwerbes der Gesellschaftsrechte durch die neuen Aktionäre über das geforderte Grundkapital von 100 Millionen S verfügte, seien die Voraussetzungen für die Steuerbefreiung nicht vorgelegen.

In der Beschwerde gegen diesen Bescheid erachtet sich die Beschwerdeführerin in ihrem Recht auf Nichtfestsetzung der Gesellschaftsteuer verletzt.

Die belangte Behörde erstatte eine Gegenschrift und legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor. Die Beschwerdeführerin replizierte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 2 Z 1 KVG unterliegt der Gesellschaftsteuer der Erwerb von Gesellschaftsrechten an einer inländischen Kapitalgesellschaft durch den ersten Erwerber.

Nach Art XXVII § 1 Steuerreformgesetz 1993, BGBl. Nr. 818/1993, sind die Ausgabe von Aktien und Genussrechten (§ 174 AktG) durch Mittelstandsfinanzierungsgesellschaften (§ 5 Z 14 KStG 1988) sowie sonstige bei diesen als Steuerschuldner (§ 9 Abs. 1 KVG) verwirklichte Rechtsvorgänge gemäß § 2 KVG von der Gesellschaftsteuer befreit.

Die eine befristete Befreiung der Mittelstandsfinanzierungsgesellschaften von der unbeschränkten Körperschaftsteuerpflicht vorsehende Bestimmung des § 5 Z 14 KStG 1988 enthält eine Verweisung auf § 6b KStG. Nach Abs. 1 dieser Gesetzesstelle sind Mittelstandsfinanzierungsgesellschaften in dem im § 5 Z 14 KStG genannten Umfang von der Körperschaftsteuer befreit, wenn die in den Z 1 bis 7 genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Nach Z 1 ist die Gesellschaft eine Aktiengesellschaft, die ein Grundkapital von mindestens 100 Millionen S hat.

Für die Frage des Entstehens der Steuerschuld im Bereich des KVG ist die Generalklausel des § 4 Abs. 1 BAO anzuwenden (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 95/16/0199). Danach entsteht der Abgabenanspruch, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Abgabepflicht knüpft. Der Zeitpunkt, an dem die Steuerschuld - grundsätzlich - entsteht, ist auch für die Beurteilung der Voraussetzungen einer Steuerbefreiung von Bedeutung.

Ist ein Abgabenanspruch entstanden, so ist grundsätzlich der Wegfall des Abgabenanspruchs durch nachträgliche Dispositionen des Abgabepflichtigen ausgeschlossen. Daher kann der Abgabenanspruch durch rückwirkende Rechtsgeschäfte nicht in Wegfall gebracht werden (vgl. Ritz, BAO2, § 4 Rz 11, und die dort wiedergegebene hg. Rechtsprechung). Insbesondere bei Verkehrsteuern gilt dabei der Grundsatz, dass die einmal entstandene Steuerpflicht durch nachträgliche Ereignisse nicht wieder beseitigt werden kann (vgl. zB das hg. Erkenntnis vom , Zl. 92/16/0160).

Im Beschwerdefall kam es anlässlich der Hauptversammlung vom zu einer Kapitalerhöhung durch Ausgabe von Inhaberaktien, die durch neue Aktionäre übernommen wurden. Nach den unwidersprochen gebliebenen Feststellungen der belangten Behörde wurde die Gegenleistung der Aktionäre bis zum erbracht. Damit wurde aber der der Gesellschaftsteuer unterliegende Tatbestand verwirklicht, wodurch die Steuerschuld entstanden ist.

Alle Vorgänge, wodurch die Beschwerdeführerin zu einer Mittelstandsfinanzierungsgesellschaft im Sinne des Art XXVII StRefG 1993 geworden ist, haben sich erst nach der am beschlossenen Kapitalerhöhung ereignet und können daher keinen Einfluss auf die in Rede stehende Steuerschuld haben. Insbesondere wurde die Erhöhung des Grundkapitals auf 7,267.442,-- EUR erst in der Hauptversammlung vom beschlossen. Durch diesen Vorgang konnte der bereits entstandene Abgabenanspruch an Gesellschaftsteuer nicht mehr beseitigt werden.

Die Ausführungen der Beschwerdeführerin darüber, inwieweit die Steuerbefreiung nach Art XXVII StRefG 1993 bei Gründung einer Gesellschaft mit einem Grundkapital von 100 Millionen S zuzubilligen ist, gehen ins Leere, weil dem Beschwerdefall der Erwerb von Gesellschaftsrechten an einer Kapitalgesellschaft mit eben nicht diesem Grundkapital zugrunde liegt. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin liegt auch keine Ungleichbehandlung gegenüber von vornherein mit einem dementsprechenden Grundkapital ausgestatteten Gesellschaften vor. Dass eine Verkehrsteuer bei einer anderen Gestaltung des Sachverhaltes durch die am Rechtsvorgang beteiligten Parteien allenfalls vermieden werden kann, macht die Entstehung des Steuertatbestandes nicht unsachlich.

Soweit die Beschwerdeführerin mit umfangreichen Ausführungen unter Bedachtnahme insbesondere auf § 6b KStG 1988 und die dazu ergangene Verordnung BGBl. Nr. 554/1994 die Meinung vertritt, die Voraussetzungen einer Mittelstandsfinanzierung seien in einer "dynamischen Betrachtungsweise" über einen längeren Zeitraum zu prüfen, ist ihr - abgesehen von der aufgezeigten Maßgeblichkeit des Stichtags der Entstehung der Steuerschuld - auch entgegenzuhalten, dass erst in der Hauptversammlung vom die Beteiligung an Unternehmen iS des § 6b KStG beschlossen wurde. Im Zeitpunkt der Entstehung der Schuld der in Rede stehenden Gesellschaftsteuer enthielt aber die Satzung nur eine Absichtserklärung, die Gesellschaft im Jahre 2001 in eine solche Mittelstandsfinanzierungsgesellschaft umzuwandeln. Zu dem für den Beschwerdefall maßgeblichen Stichtag handelte es sich bei der Beschwerdeführerin somit noch nicht um eine solche Gesellschaft. Damit erübrigte es sich aber auch, auf die weitwendigen Ausführungen der Beschwerdeführerin über die Anwendbarkeit der - auf die Tatbestände des Kapitalverkehrsteuergesetzes nicht ausreichend Bedacht nehmenden und insbesondere keinen Nachsteuerungstatbestand enthaltenden - Bestimmungen des Art XXVII StRefG 1993 auf solche Mittelstandsfinanzierungsgesellschaften näher einzugehen.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen, wobei von der Durchführung der beantragten Verhandlung aus den Gründen des § 39 Abs. 1 Z 6 VwGG abgesehen werden konnte.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.

Wien, am