VwGH vom 16.07.1996, 96/14/0013
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Karger und Dr. Graf als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Hajicek, über die Beschwerde des Dkfm. Dr. J in B, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid (Beschwerdeentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich vom , Zl. 632/31-2/T-1995, betreffend Einleitung eines Finanzstrafverfahrens, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid des Finanzamtes vom wurde gegen den Beschwerdeführer, einen Wirtschaftsprüfer, ein Finanzstrafverfahren eingeleitet, weil der Verdacht bestehe, daß er in Wahrnehmung der steuerlichen Agenden des A.R. vorsätzlich durch Verletzung einer abgabenrechtlichen Offenlegungs- und Wahrheitspflicht, nämlich zur Abgabe wahrheitsgemäßer Einkommensteuer- und Gewerbesteuererklärungen für das Jahr 1989, eine Abgabenverkürzung in der Höhe von S 328.573,-- (Einkommensteuer S 252.450,--, Gewerbesteuer S 76.123,--) dadurch bewirkt habe, daß kein Privatanteil betreffend KFZ- und Telefonprivatnutzung angesetzt, ein Versicherungserlös in der Höhe von S 100.000,-- nicht berücksichtigt und zu Unrecht eine Rückstellung für noch zu erbringende Leistungen in der Höhe von S 500.000,-- angesetzt worden sei. Er habe dadurch ein Finanzvergehen nach § 33 Abs. 1 Finanzstrafgesetz (FinStrG) begangen.
Die dagegen erhobene Beschwerde wies die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid als unbegründet ab. In den Entscheidungsgründen dieses Bescheides führte sie im wesentlichen aus, bei der in den Monaten Mai bis Juli 1991 erfolgten abgabenbehördlichen Prüfung im Unternehmen des A.R. sei dem Prüfungsorgan aufgefallen, daß es entgegen der Vorgangsweise in den Vorjahren unterlassen worden sei, im Rahmen der Umbuchungen anläßlich der Bilanzerstellung zum entsprechende Privatanteile für KFZ-Kosten und Telefon auszuscheiden. Eine betriebliche Schadensvergütung einer Versicherung in der Höhe von S 100.000,-- sei entgegen der ursprünglichen Buchungsanweisung im Rahmen der Bilanzerstellung durch die Kanzlei des Beschwerdeführers ohne sachlichen Grund als "privat" ausgebucht worden. Ferner sei anläßlich der Erstellung der Bilanz für 1989 offenkundig ohne sachliche Grundlage eine "Rückstellung für noch zu leistende Arbeiten" in der Höhe von S 500.000,-- gebildet worden, ohne daß Angaben über Art und Umfang der angeblich noch zu leistenden Arbeiten gemacht worden wären bzw. zweckdienliche Berechnungsgrundlagen hätten vorgelegt werden können.
Daraus folge, daß das steuerliche Rechenwerk für 1989 hinsichtlich der genannten Fakten eine nicht mit der Realität übereinstimmende Ausfertigung erfahren habe. Nach der Aktenlage habe A.R. die Ausgestaltung des Jahresabschlusses 1989 und die Erstellung der Steuererklärungen in den Verantwortungsbereich des Beschwerdeführers als seines steuerlichen Vertreters übertragen. A.R. habe die erforderliche Fachkenntnis zur Manipulation betreffend die Rückstellung für noch zu leistende Arbeiten gefehlt.
Es sei davon auszugehen, daß die mit der Bearbeitung der Steuererklärungen des A.R. beschäftigten Dienstnehmer des Beschwerdeführers nicht ohne begründeten Anlaß Abweichungen von den sich ursprünglich ergebenden Rechenwerken zu machen pflegen. Ein Motiv für ein solches Fehlverhalten sei jedenfalls nicht erkennbar. Bei dieser Sachlage verbleibe die - nach der allgemeinen Lebenserfahrung eine große Wahrscheinlichkeit aufweisende - Möglichkeit, der Beschwerdeführer habe - möglicherweise aus Ehrgeiz, dem A.R. als neuem Kunden einen Leistungsnachweis zu erbringen - auf die Erstellung des Jahresabschlusses in den geschilderten Punkten dahin Einfluß genommen, daß falsche Bilanzansätze zum Tragen kämen, mit dem Ziel, eine rechtswidrige Steuerminimierung zugunsten des A.R. herbeizuführen. Es lägen sohin hinreichende Verdachtsgründe gegen den Beschwerdeführer vor. Ob der Beschwerdeführer das ihm angelastete Delikt tatsächlich begangen habe, sei im weiteren Verfahren zu klären.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser lehnte mit Beschluß vom , B 3110/95, ihre Behandlung ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.
Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend und beantragt die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 82 FinStrG hat die Finanzstrafbehörde erster Instanz die ihr gemäß §§ 80 oder 81 leg. cit. zukommenden Verständigungen und Mitteilungen darauf zu prüfen, ob genügend Verdachtsgründe für die Einleitung eines Finanzstrafverfahrens gegeben sind. Das gleiche gilt, wenn sie in anderer Weise, insbesondere aus eigener Wahrnehmung vom Verdacht eines Finanzvergehens Kenntnis erlangt. Die Prüfung ist nach den für die Feststellung des maßgebenden Sachverhaltes im Untersuchungsverfahren geltenden Bestimmungen vorzunehmen. Ergibt sich, daß die Durchführung des Strafverfahrens nicht in die Zuständigkeit des Gerichtes fällt, so hat die Finanzstrafbehörde erster Instanz das Strafverfahren einzuleiten. Von der Einleitung des Strafverfahrens hat sie unter anderem dann abzusehen, wenn die Tat mangels ausreichender Anhaltspunkte voraussichtlich nicht erwiesen werden kann oder der Verdächtige die ihm zur Last gelegte Tat nicht begangen hat.
Für die auf der Grundlage des § 82 Abs. 1 FinStrG zu lösende Rechtsfrage des Vorliegens von genügenden Verdachtsgründen für die Einleitung eines Finanzstrafverfahrens ist nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 95/14/0091, mwN) folgendes von Bedeutung:
Im Spruch eines Einleitungsbescheides muß das dem Beschuldigten zur Last gelegte Verhalten, das als Finanzvergehen erachtet wird, nur in groben Umrissen beschrieben werden. Die einzelnen Fakten müssen nicht "bestimmt", somit nicht in den für eine Subsumtion relevanten Einzelheiten geschildert werden. In der Begründung des Einleitungsbeschlusses ist darzulegen, von welchem Sachverhalt die Finanzstrafbehörde ausgegangen ist und welches schuldhafte Verhalten dem Beschwerdeführer vorgeworfen wird. Der Verdacht muß sich sowohl auf den objektiven als auch auf den subjektiven Tatbestand erstrecken. Für die Einleitung des Finanzstrafverfahrens genügt es somit, wenn gegen den Verdächtigen genügend Verdachtsgründe vorliegen, die die Annahme rechtfertigen, daß er als Täter eines Finanzvergehens in Frage kommt.
Ein Verdacht kann immer nur auf Grund einer Schlußfolgerung aus Tatsachen entstehen. Ohne Tatsachen - wie weit sie auch vom (vermuteten) Tatgeschehen entfernt sein mögen - gibt es keinen Verdacht. Ein Verdacht besteht, wenn hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme der Wahrscheinlichkeit des Vorliegens von bestimmten Umständen rechtfertigen. Verdacht ist mehr als eine bloße Vermutung. Er ist die Kenntnis von Tatsachen, aus denen nach der Lebenserfahrung auf ein Finanzvergehen geschlossen werden kann. Bei der Prüfung, ob tatsächlich genügend Verdachtsgründe im Sinn des § 82 Abs. 1 FinStrG für die Einleitung eines Finanzstrafverfahrens gegeben sind, geht es nicht darum, schon die Ergebnisse des förmlichen Finanzstrafverfahrens vorwegzunehmen, sondern lediglich darum, ob die bisher der Finanzstrafbehörde zugekommenen Mitteilungen unter Berücksichtigung der von ihr durchgeführten Vorerhebungen für einen Verdacht ausreichen. Ob jemand das ihm zur Last gelegte Finanzvergehen tatsächlich begangen hat, ist jedenfalls dem Ergebnis des Untersuchungsverfahrens nach den §§ 114 f FinStrG vorbehalten.
Der Beschwerdeführer vertritt die Auffassung, es lägen nicht genügend Verdachtsgründe dafür vor, daß er die ihm angelastete Straftat begangen habe. Die Begründung der belangten Behörde entspreche nicht den Erfordernissen des § 81 Abs. 1 FinStrG (gemeint ist damit möglicherweise - wie aus einem weiteren Fehlzitat im ergänzenden Schriftsatz geschlossen werden kann - § 82 Abs. 1 leg. cit.).
Dem Beschwerdeführer ist zu erwidern, daß die Begründung des angefochtenen Bescheides klar erkennen läßt, von welchen Überlegungen sich die belangte Behörde bei ihrer Entscheidung leiten ließ. Die Änderung der Vorgangsweise gegenüber den Vorjahren in bezug auf die Privatanteile bei den KFZ- und Telefonkosten, die Ausbuchung der ursprünglich als Betriebseinnahme behandelten Versicherungsentschädigung und die Bildung einer Rückstellung für noch zu leistende Arbeiten ohne sachliche Grundlage hat die belangte Behörde auf ein vorsätzliches Handeln einer an der Bilanzerstellung beteiligten Person zurückgeführt. Dieser Verdacht kann nicht als unbegründet bezeichnet werden, zumal weder von A.R. noch vom Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren ein Sachverhalt vorgebracht wurde, der die Annahme rechtfertigen könnte, in den beschriebenen Vorgangsweisen liege ein schuldloses oder bloß fahrlässiges Verhalten.
Auch die weiteren Überlegungen der belangten Behörde, daß dem Steuerpflichtigen A.R. nach der Aktenlage die erforderliche Fachkenntnis zur Manipulation in bezug auf die Rückstellung für noch zu leistende Arbeiten fehle und die mit der Erstellung der Steuererklärung des A.R. befaßten Dienstnehmer des Beschwerdeführers wohl nicht aus eigener Initiative von dem sich ursprünglich ergebenden Rechenwerk abgewichen seien, sind nach der Aktenlage nicht unschlüssig. Die Beschwerde enthält nichts, was die Auffassung der belangten Behörde als unrichtig erkennen ließe. Der Tatverdacht konzentrierte sich demnach auf den Beschwerdeführer als steuerlichen Vertreter des A.R.
Der Beschwerdeführer rügt als Verfahrensmangel, die Erstbehörde habe ihm vor Erlassung ihres Bescheides keine Gelegenheit zur Rechtfertigung und Wahrung seiner Rechte gegeben. Wäre dies geschehen, so wäre es ihm leicht möglich gewesen, den gegen ihn gehegten Verdacht zu entkräften.
Mit diesen Ausführungen vermag der Beschwerdeführer schon deshalb keinen zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides führenden Verfahrensmangel aufzuzeigen, weil - allfällige - Verfahrensfehler der Erstbehörde im vorliegenden Beschwerdeverfahren unbeachtlich sind (vgl. auch dazu das zitierte Erkenntnis vom ). Im übrigen ist dem Beschwerdevorbringen nicht zu entnehmen, was der Beschwerdeführer zu seiner Entlastung vorgebracht hätte, sodaß die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels nicht zu erkennen ist.
Aus den dargelegten Erwägungen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.