VwGH vom 15.04.1997, 96/14/0010
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Karger, Dr. Graf, Mag. Heinzl und Dr. Zorn als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Hajicek, über die Beschwerde der E Gesellschaft nach bürgerlichem Recht in P, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich (Berufungssenat I) vom , Zl. 4/13/1-BK/Pu-1994, betreffend u. a. Umsatzsteuer für 1991 bis 1993, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von 4.565 S binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Im Zuge der Veranlagung zur Umsatzsteuer 1991 teilte die Beschwerdeführerin, eine Gesellschaft nach bürgerlichem Recht, dem Finanzamt auf Vorhalt mit, die Umsätze, die in der Umsatzsteuer-Jahreserklärung als dem ermäßigten Steuersatz von 10 % unterliegend deklariert worden seien, resultierten aus dem Verkauf von Bildteppichen, die von österreichischen Künstlern entworfen und im Ausland geknüpft worden seien. Die Künstler würden ohne jegliche Vorgabe durch den Auftraggeber die Motive für die Teppiche entwerfen; sie würden die Farben, das Material und die Knüpfart vorgeben. Aufgrund dieser Vorgaben würden die Teppiche in der Türkei oder in Marokko geknüpft. Es handle sich jeweils um Einzelstücke oder um eine geringe Auflage. Die Beschwerdeführerin importiere diese Teppiche und biete sie in Österreich zum Kauf an. Vor dem Verkauf würden die Kunstwerke zum Teil von den Künstlern nachgearbeitet und signiert. Es lägen sohin Kunstwerke iSd Z. 44 der Anlage A zu § 10 Abs. 2 UStG 1972 vor.
In der Berufung gegen den Umsatzsteuerbescheid 1991, mit welchem das Finanzamt auf die Umsätze aus dem Verkauf der Bildteppiche den Normalsteuersatz zur Anwendung brachte, wird im wesentlichen vorgebracht, es lägen im gegenständlichen Fall Kunstgegenstände iSd Anlage A zu § 10 Abs. 2 UStG 1972 vor.
In der Folge legte die Beschwerdeführerin ein Schreiben der Leiterin der Textilabteilung des Österreichischen Museums für Angewandte Kunst in Wien vor, in welchem ausgeführt wird, das Museum sehe einen von ihm im Jahr 1991 gekauften Knüpfteppich als Kunstwerk an, weil er auf dem Entwurf einer Künstlerin basiere und nicht als Gebrauchsgegenstand intendiert sei.
Weiters legte die Beschwerdeführerin das Schreiben eines Museumsdirektors vor, in welchem die Bildteppiche als Kunstwerke qualifiziert wurden.
Die Beschwerdeführer berief auch gegen die Umsatzsteuerbescheide 1992 und 1993 mit der Begründung, das Finanzamt habe die Umsätze aus dem Verkauf der Bildteppiche nicht dem ermäßigten Steuersatz unterzogen.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Die Z. 44 der Anlage A zu § 10 Abs. 2 UStG 1972 erfasse Kunstgegenstände der Nummern 9701 10 sowie 9702, 9703 des Zolltarifes.
Bildteppiche fielen schon aufgrund der verwendeten textilen Materialien nicht unter diese Zolltarifnummern. Die Bildteppiche seien vielmehr in das Kapitel 57 - Teppiche und andere Bodenbeläge aus Spinnstoffen - des Zolltarifes einzureihen. Dabei hänge es von der Herstellungsart ab, ob die Teppiche in die Zolltarifnummer 5701 oder in die Zolltarifnummer 5702 einzureihen seien. In jedem dieser Fälle unterliege der Verkauf der Gegenstände aber dem Normalsteuersatz. Es sei nicht von Bedeutung, ob die Teppiche als Kunstwerke angesehen werden könnten. Die belangte Behörde brauche daher nicht auf die von der Beschwerdeführerin vorgelegten Sachverständigengutachten einzugehen.
Gegen diesen Bescheid wendet sich die Beschwerde. Ihrem Inhalt nach bekämpft sie den Bescheid lediglich in seinem Abspruch betreffend Umsatzsteuer. Die Beschwerdeführerin erachtet sich im Recht verletzt, daß Lieferungen von Gegenständen iSd Ziffer 44 der Anlage A zu § 10 Abs. 2 UStG 1972 angenommen werden und daher der Umsatzsteuersatz von 10 % zur Anwendung gebracht wird. Aus dem Beschwerdevorbringen ergibt sich, daß die Beschwerdeführerin die in Rede stehenden Bildteppiche in die Unternummer 9701 10 des Zolltarifes eingereiht wissen will.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 10 Abs. 2 Z. 1 UStG 1972 ermäßigt sich die Steuer auf 10 vom Hundert für die Lieferungen, den Eigenverbrauch und die Einfuhr der in der Anlage A aufgezählten Gegenstände.
Z. 44 der Anlage lautet:
"Kunstgegenstände (Unternummer 9701 10, Nummern 9702 und 9703 des Zolltarifes)."
Die Unternummer 9701 10 des Zolltarifes erfaßt Gemälde, Zeichnungen und Bilder, vollständig mit der Hand ausgeführt.
Das Kapitel 97 des Zolltarifes ist mit "Kunstgegenstände, Sammlungsstücke und Antiquitäten" überschrieben.
Die Tarifnummer 5701 erfaßt geknüpfte Teppiche aus Spinnstoffen, die Tarifnummer 5702 Teppiche und andere Bodenbeläge, aus Spinnstoffen, gewebt, weder getuftet noch beflockt, auch konfektioniert, einschließlich Kelim, Schumak, Karamanie und ähnliche handgewebte Teppiche. Schließlich erfaßt die Tarifnummer 5805 handgewebte Tapisserien.
In Anmerkung 1 zu Kapitel 57 ist festgehalten, daß zu "Teppichen und anderen Bodenbelägen, aus Spinnstoffen" auch Waren gehören, die die charakteristischen Merkmale von Bodenbelägen aus Spinnstoffen aufweisen, jedoch zu anderen Zwecken bestimmt sind.
Die Überschriften der Abschnitte, Kapitel und Unterkapitel stellen nur Hinweise für die Einreihung von Waren in den Zolltarif dar; maßgebend für die Einreihung sind der Wortlaut der Nummern und der Anmerkungen zu den Abschnitten oder Kapiteln sowie die Allgemeinen Vorschriften für die Auslegung des Zolltarifes, wobei die letzteren zweitrangig sind und nur insoweit gelten, als sie dem Wortlaut der Nummern oder der Anmerkungen nicht widersprechen (§ 1 Abs. 2 Zolltarifgesetz, BGBl. 155/1987, iVm AV 1).
Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom , 90/16/0055 Slg. 6517/F ausgesprochen, der Zolltarif sei in seinem Aufbau nicht daraufhin ausgerichtet, daß das Kapitel 97 generell als Auffangposition für Kunstwerke in Betracht komme. Vielmehr weise er andere Gegenstände mit künstlerischem Wert, wie z.B. geknüpfte Teppichen, Tapisserien, handgewebt (wie z.B. Gobelins), Schmuckwaren, Gold- oder Silberschmiedearbeiten, Uhren und Möbel in anderen Zweckkapiteln aus.
Für den gegenständlichen Fall folgt daraus, daß der künstlerische Wert der Bildteppiche ihrer Einreihung in das Kapitel 57 nicht entgegensteht.
Die Beschwerdeführerin bringt auch vor, die Bildteppiche seien als "Bilder" iSd Zolltarifunternummer 9701 10 einzustufen.
Daß nicht jeder im wesentlichen zweidimensionale Gegenstand, der die Aufmerksamkeit eines Betrachters weckt, als "Bild" iSd Zolltarifnummmer 9701 anzusehen ist, folgt schon daraus, daß sich bei einem derartigen Begriffsverständnis die ebenfalls in dieser Zolltarifnummer erfolgte Anführung der Gemälde und Zeichnungen erübrigte. Teppichen kommt regelmäßig eine dekorative Wirkung zu. Unabhängig von diesem optischen Eindruck - selbst wenn die Darstellung künstlerische Schaffenshöhe erreicht - stellen sie aber keine "Bilder" dar.
Soweit die Beschwerde die Verletzung von Verfahrensvorschriften durch das Finanzamt bei Erlassung der erstinstanzlichen Bescheide rügt, übersieht sie, daß Gegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ausschließlich die Frage ist, ob die Beschwerdeführerin durch den angefochtenen Bescheid der belangten Behörde in subjektiven Rechten verletzt worden ist. Eine Verletzung von Verfahrensvorschriften ist sohin nur dann aufzugreifen ist, wenn sie der belangten Behörde zuzurechnen ist.
Die Verletzung von Verfahrensvorschriften durch die belangte Behörde wird in der Beschwerde dahingehend behauptet, daß die belangte Behörde keinen Augenschein von den streitgegenständlichen Teppichen genommen habe. Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde aber keinen Verfahrensfehler auf, weil sie nicht dartut, welche relevanten Umstände des Sachverhaltsbereiches durch einen Augenschein hätten festgestellt werden können.
Aus dem Vorstehenden ergibt sich, daß die Beschwerdeführerin durch den angefochtenen Bescheid nicht in subjektiven Rechten verletzt worden ist.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als
unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VO BGBl. 416/1994.