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VwGH vom 06.11.2002, 2002/16/0241

VwGH vom 06.11.2002, 2002/16/0241

Beachte

Vorabentscheidungsverfahren:

* Vorabentscheidungsantrag:

99/16/0192 B

* EuGH-Entscheidung:

EuGH 62000CJ0138

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung

verbunden):

2002/16/0242

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Steiner, Dr. Fellner, Dr. Höfinger und Dr. Kail als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Valenta, über die Beschwerden 1) der S GmbH in W, vertreten durch die Dr. Arnold, Rechtsanwalts-Kommandit-Partnerschaft in Wien I, Wipplingerstraße 10, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , GZ. RV 0481-09/97, betreffend Gesellschaftsteuer, und 2) der T GmbH in W, vertreten durch Baier, Böhm, Orator & Partner, Rechtsanwälte in Wien I, Rotenturmstraße 12, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , GZ. AO 720/21-09/99, betreffend die Aufhebung eines Bescheides im Aufsichtsweg in einer Gesellschaftsteuerangelegenheit, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben dem Bund Aufwendungen in der Höhe von je EUR 332,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem erstangefochtenen Bescheid wurde die Berufung der Erstbeschwerdeführerin gegen den erstinstanzlichen Gesellschaftsteuerbescheid vom abgewiesen, womit betreffend den Erwerb von Genussscheinen (in Betrag von ATS 465.000,--) durch die Erstbeschwerdeführerin und eine Aufzahlung durch die R-Bank "als Großmutter" in Höhe von 92,565.000,--, ausgehend von einer Gesamtbemessungsgrundlage von ATS 93,030.000,-- Gesellschaftsteuer festgesetzt worden war.

Dagegen führte die Erstbeschwerdeführerin, die sich in ihrem Recht auf Gesellschaftsteuerfreiheit verletzt erachtet, ins Treffen, "Großmutterzuschüsse" seien überhaupt gesellschaftsteuerfrei, die Gesellschaftsteuer sei von der Bemessungsgrundlage in Abzug zu bringen und sei der Genussrechtserwerb ebenfalls gänzlich steuerfrei.

Mit dem zweitangefochtenen Bescheid wurden in Ausübung des Aufsichtsrechtes gemäß § 299 BAO zwei Bescheide der Abgabenbehörde erster Instanz vom und aufgehoben, weil sie Zuzahlungen Dritter zu Genussrechten zweier Genussscheinberechtigter der Zweitbeschwerdeführerin unberücksichtigt gelassen hatten.

Dagegen führt die Zweitbeschwerdeführerin, die sich in ihrem Recht auf Fortbestand der beiden aufgehobenen erstinstanzlichen Bescheide verletzt erachtet, im Wesentlichen ins Treffen, bereits der Erwerb von Genussrechten durch eine Nichtgesellschafter sei nicht steuerbar, umsoweniger daher auch von Dritten darauf geleistete Zuzahlungen.

Zu den Details der Sachverhalte und zur Ausgangsrechtslage wird - zur Vermeidung weitwendiger Wiederholungen - auf die Begründung des in diesen beiden Beschwerdesachen ergangenen hg. Beschlusses vom , Zlen. 99/16/0192, 0392-7, verwiesen.

Die belangte Behörde legte die Akten der Verwaltungsverfahren vor und erstattete Gegenschriften, in denen jeweils die Abweisung der Beschwerden als unbegründet begehrt und Kostenersatz angesprochen wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in den wegen ihres sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbundenen Beschwerdesachen mit dem bereits oben erwähnten Beschluss Zlen. 99/16/0192, 0392-7 (unter Hinweis auf die mit den hg. Beschlüssen vom , Zl. 98/16/0324, und vom , Zl. 97/16/0358, gestellten Anfragen) dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften gemäß Art. 234 EG die nachstehende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

"Stellen Leistungen, die ein Nichtgesellschafter an eine Kapitalgesellschaft für den Erwerb von Genussrechten erbringt, 'von den Gesellschaftern geleistete oder zu leistende Einlagen jeder Art iS des Artikels 5 Absatz 1 Buchstabe a der Richtlinie des Rates vom betreffend die indirekten Steuern auf die Ansammlung von Kapital (69/335/EWG) dar?"

Mit Urteil vom erkannte der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in der Rs C-138/00, über die ihm vom Verwaltungsgerichtshof vorgelegte Frage wie folgt:

"Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe a der Richtlinie 69/335/EWG des Rates vom betreffend die indirekten Steuern auf die Ansammlung von Kapital in der Fassung der Akte über die Bedingungen des Beitritts der Republik Österreich, der Republik Finnland und des Königreichs Schweden und die Anpassungen der die Europäische Union begründenden Verträge ist dahin auszulegen, dass der in dieser Bestimmung enthaltene Begriff 'von den Gesellschaftern geleistete oder zu leistende Einlagen jeder Art' finanzielle Beiträge erfasst, die an eine Kapitalgesellschaft, die ihr Gesellschaftsvermögen durch Ausgabe von Genussscheinen erhöht, von einem Nichtgesellschafter geleistet werden, der diese Genussscheine erwerben will."

Über die mit dem hg. Beschluss vom , Zl. 98/16/0324, gestellten Fragen erkannte der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften mit Urteil vom in der Rs C-339/99, wie folgt:

"1. Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe c der Richtlinie 69/335/EWG des Rates vom betreffend die indirekten Steuern auf die Ansammlung von Kapital in der Fassung der Akte über die Bedingungen des Beitritts der Republik Österreich, der Republik Finnland und des Königreichs Schweden und die Anpassungen der die Europäische Union begründenden Verträge ist dahin auszulegen, dass der in dieser Bestimmung enthaltene Begriff 'Einlagen jeder Art' finanzielle Beiträge erfasst, die eine Muttergesellschaft an eine Kapitalgesellschaft, die ihr Kapital durch Ausgabe neuer Aktien erhöht, leistet, damit diese von einer Tochtergesellschaft der genannten Muttergesellschaft erworben werden können.

2. Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe c der Richtlinie 69/335 in der Fassung der genannten Beitrittsakte ist dahin auszulegen, dass der in dieser Bestimmung enthaltene Begriff 'Einlagen jeder Art' zusätzliche finanzielle Beiträge erfasst, die ein neuer Gesellschafter nicht an die Kapitalgesellschaft, die ihr Kapital durch Ausgabe neuer Aktien erhöht, sondern an Tochtergesellschaften dieser Kapitalgesellschaft zahlt, sofern sich aus den Umständen des Falles eindeutig ergibt, dass bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise die Kapitalgesellschaft der eigentliche Empfänger dieser Beträge ist.

3. Unter einer aufschiebenden Bedingung geleistete Einlagen stellen erst nach Eintritt dieser Bedingung Einlagen im Sinne von

Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe c der Richtlinie 69/335 in der Fassung der genannten Beitrittsakte dar.

4. Die Gesellschaftsteuer stellt keine 'Last' bzw. 'Verbindlichkeit' im Sinne von Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe a der Richtlinie 69/335 in der Fassung der in der Nummer 1 dieser Entscheidungsformel genannten Beitrittsakte dar."

Über die mit dem hg. Beschluss vom , Zl. 97/16/0358, gestellte Anfrage erkannte der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften mit Urteil vom in der Rs C-71/00 wie folgt:

"Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe d der Richtlinie 69/335/EWG des Rates vom betreffend die indirekten Steuern auf die Ansammlung von Kapital in der Fassung der Akte über die Bedingungen des Beitritts der Republik Österreich, der Republik Finnland und des Königreichs Schweden und die Anpassungen der die Europäische Union begründenden Verträge ist dahin auszulegen, dass der Gesellschaftsteuer finanzielle Beiträge unterliegen, die eine Muttergesellschaft an eine Kapitalgesellschaft, die ihr Gesellschaftsvermögen durch Ausgabe von Genussscheinen erhöht, leistet, damit diese Genussscheine von einer Tochtergesellschaft der genannten Muttergesellschaft erworben werden können."

Daraus folgt, dass den angefochtenen Bescheiden die behaupteten Rechtswidrigkeiten nicht anhaften, weil zunächst im Wege des Urteiles des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften in der Rs C-138/00 eindeutig klargestellt wurde, dass auch jene Beiträge erfasst sind, die von Nichtgesellschaftern zum Zwecke des Genussscheinerwerbes geleistet werden. Von einer Gesellschaftsteuerfreiheit des Genussscheinerwerbes an sich kann daher überhaupt keine Rede sein.

Dazu kommt, dass im Wege des Urteiles des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften in der Rs C-71/00, klargestellt wurde, dass der Gesellschaftsteuer auch finanzielle Beiträge unterliegen, die eine Muttergesellschaft leistet, damit ihre Tochter Genussscheine an einer Gesellschaft erwerben kann, die ihr Vermögen durch die Ausgabe von Genussscheinen erhöht. Diese finale Verknüpfung ist im Falle der Erstbeschwerdeführerin angesichts des Wortlautes der §§ 3 und 5 der Genussscheinbedingungen (vgl. dazu die Seite 2 des hg. Beschlusses Zl. 99/16/0192, 0392) und der Erklärung in der Anfragebeantwortung vom (siehe dazu Seite 3 Abs. 1 des zitierten hg. Beschlusses) zu bejahen; im Falle der Zweitbeschwerdeführerin ebenfalls auf Grund des Wortlautes der §§ 3 und 5 der Genussscheinbedingungen (siehe Seite 5 des zitierten hg. Beschlusses). In beiden Beschwerdefällen dienen die Zahlungen insbesondere von vornherein der Erhöhung des Auseinandersetzungsanspruches der Genussscheininhaber.

Schließlich wurde im Wege der Anfragebeantwortung in der Rs C- 339/99 (siehe dort den Spruchpunkt IV des Urteiles des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften) klargestellt, dass die Gesellschaftsteuer selbst keine von der Bemessungsgrundlage abzugsfähige Last oder Verbindlichkeit darstellt.

Zu dem von der Zweitbeschwerdeführerin behaupteten Verfahrensmangel ist darauf hinzuweisen, dass die von ihr auf die Anfrage der Abgabenbehörde erster Instanz vom gegebene Antwort unter Anwendung der nach der Judikatur des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften maßgeblichen wirtschaftlichen Betrachtungsweise an der oben betonten, auf Grund der §§ 3 und 5 der Genussscheinbedingungen gegebenen finalen Verknüpfung des Genussscheinerwerbes und der Zuschüsse nichts zu ändern vermag. Zuschüsse Dritter, die den Anteil der Genussscheinerwerber am Liquidationserlös erhöhen, sind jedenfalls dann als Gegenleistung für die Einräumung der Genussrechte anzusehen, wenn dies schon bei der Einräumung der Genussrechte vereinbart wird.

Die Beschwerden waren daher insgesamt als unbegründet abzuweisen (§ 42 Abs. 1 VwGG).

Die von der Erstbeschwerdeführerin beantragte mündliche Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG unterbleiben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001. Wien, am