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VwGH vom 15.11.1990, 90/16/0056

VwGH vom 15.11.1990, 90/16/0056

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Iro und die Hofräte Dr. Närr und Mag. Meinl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Boigner, über die Beschwerde der X-Bank gegen den Bescheid des Vorsitzenden des Berufungssenates bei der Finanzlandesdirektion für Kärnten als Organ der Finanzstrafbehörde zweiter Instanz vom 14. Feber 1990, GZ. 235/1-6/89, betreffend Beschlagnahme von Unterlagen gemäß § 89 Abs. 5 FinStr, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von S 10.650,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Bezüglich des Sachverhaltes und des bisherigen Verfahrenablaufes wird, um Wiederholungen zu vermeiden, auf den im Gegenstande erflossenen Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 88/16/0221, verwiesen, mit welchem die Beschwerde der beschwerdeführenden Partei gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Kärnten vom gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG wegen offenbarer Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes zurückgewiesen worden war. Der Gerichtshof hatte hiebei für bestimmend erachtet, daß der vor dem Verwaltungsgerichtshof in Streit gezogenen Beschlagnahme von Belegen zu einem bestimmten Konto der "Y-Bank" (Antalya) durch die inzwischen ergangene und auf § 89 Abs. 5 letzter Satz FinStrG fußende Entscheidung des Vorsitzenden des Spruchsenates vom , mit welcher er festgestellt hatte, daß von insgesamt 965 beschlagnahmten Gegenständen (Blatt) 833 nicht der Beschlagnahme unterlägen und bezüglich der einbehaltenen restlichen 132 Blatt eine gesonderte Entscheidung ergehen werde, der Boden entzogen worden sei.

In der Folge traf der Vorsitzende des Spruchsenates beim Hauptzollamt Klagenfurt mit Bescheid vom gemäß § 89 Abs. 5 FinStrG die Feststellung, daß von den restlichen 132 Blatt insgesamt 69 der Beschlagnahme unterlägen und dieselbe hinsichtlich der verbleibenden 63 Blatt aufgehoben werde. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Beschlagnahme der 69 Blatt sei anzuordnen, weil sie mit den beim Hauptzollamt Klagenfurt gegen M sowie gegen R eingeleiteten Finanzstrafverfahren in unmittelbaren Zusammenhang stünden.

Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 14. Feber 1990 gab der Vorsitzende des Berufungssenates bei der Finanzlandesdirektion für Kärnten als Organ der Finanzstrafbehörde zweiter Instanz der dagegen von der beschwerdeführenden Partei erhobenen Administrativbeschwerde, in der sie die Aufhebung des erstinstanzlichen Bescheides mangels Erfüllung des der Beschlagnahme zugrundegelegten Tatbestandsvoraussetzungen begehrte, keine Folge. Zur Begründung wurde nach Darstellung des Sachverhaltes und Verwaltungsgeschehens ausgeführt, daß den beiden Beschuldigten, M und R vorsätzliche Finanzvergehen iSd § 23 Abs. 2 Z. 1 KWG zur Last gelegt würden, werde von der beschwerdeführenden Partei gar nicht in Frage gestellt. In dem Umfang aber, in dem sich die (vorläufig) beschlagnahmten Belege und Aufzeichnungen zumindest schlüssig auf die beiden Beschuldigten bezögen, sei von einem unmittelbar vorhandenen sachlichen Zusammenhang derselben mit den eingeleiteten Strafverfahren auszugehen. Der persönliche Zusammenhang dieser zwar unmittelbar nur die Y-Bank betreffenden Belege der beschwerdeführenden Partei mit den beiden Beschuldigten sei ebenfalls zu bejahen; wenngleich eine Verfügungsberechtigung der beiden Genannten über das Konto der Y-Bank (offenbar ihrer Hausbank) bei der beschwerdeführenden Partei nicht anzunehmen sei, hätten sie sich doch in einem ganz erheblichen Ausmaß dieser Bankverbindungen bedient. Daß der Zusammenhang zwischen diesen vorläufig beschlagnahmten Belegen und dem gegen die beiden Beschuldigten eingeleiteten Strafverfahren zum Zeitpunkt der Beschlagnahme bereits bestanden habe, gehe aus dem Akteninhalt klar hervor. Schon vorhandene Verdachtsgründe führten zur Beschlagnahme und nicht erst die Beschlagnahme habe Verdachtsgründe für die Einleitung des Strafverfahrens geschaffen. Der geforderte Zusammenhang mit den eingeleiteten Strafverfahren sei auch hinsichtlich jener die beiden Beschuldigten betreffenden Belege und Unterlagen der beschwerdeführenden Partei zu bejahen, deren zugrundeliegende Geschäfte der Finanzstrafbehörde zum Zeitpunkt der Beschlagnahme noch nicht (konkret) bekannt gewesen seien. Bei den die beiden Beschuldigten betreffenden Geschäftsstücken bestehe sohin der im § 23 Abs. 1 Z. 1 KWG geforderte Zusammenhang mit einem eingeleiteten Finanzstrafverfahren. Diesbezüglich sei auf Seiten der Y-Bank nur eine Art Inkasso- bzw. Zahlstellenfunktion anzunehmen und daher auf Grund des eingeleiteten Strafverfahrens gegen die beiden Beschuldigten die ansonst gegebene Verschwiegenheits- bzw. Auskunftsverweigerungspflicht gegenüber den Strafbehörden nicht gegeben. Fraglich bleibe demnach nur die Zulässigkeit der (vorläufigen) Beschlagnahme aller übrigen das gegenständliche Konto der Y-Bank betreffenden Unterlagen der beschwerdeführenden Partei. Die Y-Bank als Inhaberin des von der Beschlagnahme berührten Kontos habe mit dem konkret eingeleiteten Strafverfahren an sich nichts zu tun. Hinsichtlich dieser übrigen Belege, Aufzeichnungen u.dgl. sei aber in das bestehende Bankgeheimnis infolge der der Bestimmung des § 89 Abs. 5 FinStrG entsprechenden Vorgangsweise der Finanzstrafbehörde erster Instanz gar nicht eingegriffen worden. Nach dieser Gesetzesstelle sei der Gegenstand der Beschlagnahme ohne weitere Untersuchung unter Siegel zu nehmen und ohne Verzug dem Vorsitzenden des Spruchsenates vorzulegen, wenn der zur Verschwiegenheit Verpflichtete behaupte, daß die Voraussetzungen für die Beschlagnahme nicht vorlägen. Der Vorsitzende des Spruchsenates habe sodann mit Bescheid festzustellen, ob die Beweismittel der Beschlagnahme unterlägen. Der Vorsitzende des Spruchsenates sei (ebenso wie der des Berufungssenates) nach der Verfassungsbestimmung des § 66 FinStrG ein an keine Weisungen gebundener Richter des Dienststandes. Allein dieser habe den sachlichen und persönlichen Zusammenhang der beschlagnahmten Belege mit dem eingeleiteten Strafverfahren zu prüfen. Dadurch erscheine aber das Bankgeheimnis der vom eingeleiteten Strafverfahren nicht betroffenen Personen nachhaltig gewährleistet. Zu beachten sei in diesem Zusammenhang, daß iSd Bestimmung des § 23 Abs. 1 zweiter und dritter Satz KWG auch der Vorsitzende des Spruchsenates - soweit er nicht feststelle, daß das Beweismittel der Beschlagnahme unterliege - betreffend der restlichen Belege das Bankgeheimnis als Amtsgeheimnis auch gegenüber den Finanzbehörden zu wahren habe. Bis zur Entscheidung des Vorsitzenden des Spruchsenates, dem die Qualifikation eines "Tribunals" iSd Art. 6 MRK zukomme, könne demgemäß noch gar nicht von einem das Bankgeheimnis gefährdenden oder gar verletzenden Eingriff in dieses iSd § 23 KWG ausgegangen werden. Die Argumentation der beschwerdeführenden Partei, die Beschlagnahmeanordnung sei deshalb nicht gerechtfertigt, weil schon die Aufforderung zur Vorlage von Urkunden nach § 99 Abs. 1 FinStrG zum gewünschten Erfolg geführt hätte, übersehe, daß solche Aufforderungen ohnehin - allerdings erfolglos - am 16. und stattgefunden hätten. Daß anschließend die Auskunftserteilung nicht durch die Verhängung einer Zwangsstrafe erzwungen, sondern gemäß § 89 FinStrG mit einer Beschlagnahme der in Betracht kommenden Unterlagen vorgegangen worden sei, stehe mit den Bestimmungen der zuletzt angeführten Gesetzesstelle im Einklang. Hinsichtlich der behaupteten Verletzung des Datenschutzes sei auf die obigen Ausführungen zur ohnehin gewährleisteten Geheimhaltung jener Unterlagen, welche nach der Feststellung des Vorsitzenden des Spruchsenates nicht der Beschlagnahme unterlägen, zu verweisen. Hinsichtlich der der Beschlagnahme unterworfenen, also dem Strafverfahren zu Grunde zu legenden Beweismitteln, kämen die Bestimmungen des Datenschutzgesetzes aber nicht zum Tragen. Schließlich sei auch noch das Vorliegen eines "eingeleiteten Strafverfahrens" iSd § 23 Abs. 2 Z. 1 KWG zu bejahen. Nach Lage der Akten seien die beiden Beschuldigten, M und R, am mit Formblatt FStr O unter Anführung der ihnen zur Last gelegten Vergehen unter Beilage von Rechtsmittelbelehrungen verständigt worden. Diese Verständigungen hätten nach ihrer Textierung den Mindestvoraussetzungen eines an sich erforderlichen Einleitungsbescheides Genüge getan. Die beiden Beschuldigten hätten den Empfang dieser mit internationalem Rückschein versehenen Sendungen jeweils am bestätigt. Übersetzungen der Verständigung von der Einleitung des Strafverfahrens sowie der Rechtsmittelbelehrung seien allerdings nicht hergestellt und übermittelt worden. R habe mit Schreiben vom Stellung genommen. M, welcher der deutschen Sprache mächtig sein solle, habe am in ausgezeichnetem Deutsch eine Stellungnahme abgegeben. Ein Begehren auf Übersetzung der ihnen übermittelten Schriftstücke oder dergleichen hätten die beiden Beschuldigten nach der Aktenlage bisher nicht gestellt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.

Der Bundesminister für Finanzen legte die Verwaltungsakten und die von der Finanzlandesdirektion für Kärnten erstattete Gegenschrift vor, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt wird; die beschwerdeführende Partei hat repliziert.

Der Gerichtshof hat erwogen:

Nach dem zweiten Halbsatz des § 89 Abs. 4 FinStrG unterliegen bei Banken Gegenstände, die Geheimnisse im Sinne des § 23 Abs. 1 des Kreditwesengesetzes, BGBl. Nr. 63/1979, betreffen, der Beschlagnahme nur für solche vorsätzliche Finanzvergehen, ausgenommen Finanzordnungswidrigkeiten, die mit Finanzvergehen, für die das Bankgeheimnis gemäß § 23 Abs. 2 Z. 1 des genannten Gesetzes aufgehoben ist, unmittelbar zusammenhängen.

Nach der Anordnung des von dieser Rechtsverweisung erfaßten § 23 Abs. 2 Z. 1 KWG besteht die Verpflichtung zur Wahrung des Bankgeheimnisses nicht im Zusammenhang mit eingeleiteten gerichtlichen Strafverfahren gegenüber den Strafgerichten und mit eingeleiteten Strafverfahren wegen vorsätzlicher Finanzvergehen, ausgenommen Finanzordnungswidrigkeiten, gegenüber den Finanzstrafbehörden.

Behauptet - wie im Beschwerdefall - der zur Verschwiegenheit Verpflichtete, daß die Voraussetzungen für eine Beschlagnahme nach § 89 Abs. 4 nicht vorliegen, so ist nach der Anordnung des Abs. 5 dieser Gesetzesstelle der Gegenstand ohne weitere Untersuchung unter Siegel zu nehmen und ohne Verzug dem Vorsitzenden des Spruchsenates vorzulegen, dem gemäß § 58 Abs. 2 unter den dort vorgesehenen Voraussetzungen die Durchführung der mündlichen Verhandlung und die Fällung des Erkenntnisses obliegen würde. Der Vorsitzende des Spruchsenates hat mit Bescheid festzustellen, ob die Beweismittel der Beschlagnahme unterliegen.

Über Beschwerden gegen Bescheide nach § 89 Abs. 5 entscheidet gemäß § 89 Abs. 6 FinStrG der Vorsitzende des Berufungssenates, der über Rechtsmittel gegen Erkenntnisse des im Abs. 5 genannten Spruchsenates zu entscheiden hätte.

Mit dieser ein eigenes Beschlagnahmeverfahren darstellenden Regelung, welche der Bestimmung des § 145 Abs. 2 StPO nachgeformt ist, soll das Beschlagnahmeverbot des § 89 Abs. 4 FinStrG effektiv gestaltet werden.

Bei dem Rechtsinstitut der Beschlagnahme handelt es sich nicht um die abschließende rechtliche Beurteilung eines Sachverhalts, sondern um eine vorläufige Maßnahme zur Regelung eines einstweiligen Zustandes oder zur einstweiligen Sicherung öffentlicher Rechte. Die durch die Finanzstrafgesetznovelle 1985, BGBl. Nr. 571, geschaffene ausschließliche Einschaltung von Richtern des Dienststandes im Instanzenzuge (§ 66 Abs. 2 FinStrG, denen die Qualifikation eines "Tribunals" iSd Art. 6 MRK zukommt vgl. die Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage, 668 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XVI. GP) soll gewährleisten, daß die Interessen der zur Verschwiegenheit verpflichteten Bank gebührend berücksichtigt und insbesondere die gesetzlichen Voraussetzungen eines derartigen schweren Eingriffes in das in Art. 8 MRK gewährte Recht auf Privatsphäre genau beachtet werden.

Gemäß Art. 130 Abs. 1 lit. a B-VG erkennt der Verwaltungsgerichtshof über Beschwerden, womit Rechtswidrigkeit von Bescheiden der Verwaltungsbehörden behauptet wird. Die vorliegende Beschwerde richtet sich gegen den Bescheid eines Vorsitzenden eines bei einer Finanzlandesdirektion errichteten Berufungssenates, dessen Tätigkeit ebenso wie jene des Berufungssenates selbst der Verwaltung, als deren Organe sie gemäß § 65 Abs. 2 FinStrG auftreten, zuzuordnen ist und gemäß § 169 Abs. 1 FinStrG ausnahmslos der Kontrolle durch den Verwaltungsgerichtshof unterliegt (vgl. VfSlg. 5021). Die solcherart gegen den einer Verwaltungsbehörde zuzurechnenden Bescheid, gegen den ein weiteres Rechtsmittel gesetzlich nicht eingeräumt ist, erhobene Beschwerde ist daher zulässig (vgl. VfSlg. 5095, 5096 und das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , B 1325/88, betreffend einen Bescheid des Präsidenten der Obersten Berufungs- und Disziplinarkommission für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter).

Die Beweissicherung (probatio ad perpteuam rei memoriam) soll dem Verlust von Gegenständen vorbeugen, die als Beweismittel in Betrach kommen. Dazu ist es notwendig, daß diese Gegenstände mit Beziehung auf das eingeleitete finanzstrafbehördliche Verfahren wegen eines vorsätzlichen Finanzvergehens - ausgenommen Finanzordnungswidrigkeiten - ausreichend konkretisiert sind.

Diesem Konkretisierungsgebot, das die Unverwechselbarkeit der Beweismittel durch deren genaue Beschreibung sicherstellen soll, entsprach weder die auf § 89 Abs. 1 FinStrG gestützte "Beschlagnahmeanordnung" (Bescheid) des Hauptzollamtes Klagenfurt vom , mit der die Beschlagnahme "aller Geschäftsfälle und der bezughabenden Belege zum Konto-Nr. nnn - lt. auf Y-Bank - betreffend das Geschäftsjahr 1987" verfügt worden war, noch der im Instanzenzug bestätigte Bescheid des Vorsitzenden des Spruchsenates vom , dessen spruchmäßige Festellung sich darin erschöpft, daß "69 der Beschlagnahme unterliegen".

Allein schon aus diesem Grunde mußte der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG der Aufhebung verfallen, ohne daß auf die Frage einzugehen war, welche Rechtswirkung den Einleitungen der Strafverfahren, die M und R in deutscher Sprache in der Türkei zugestellt wurden, zukommt.

Die Entscheidung über den Anspruch auf Ersatz des Aufwandes gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil der Ersatz der Beilagengebühr für die Fotokopie des angefochtenen Bescheides mit 60 S zu bestimmen war.