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VwGH vom 29.10.1998, 98/20/0308

VwGH vom 29.10.1998, 98/20/0308

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Baur, Dr. Nowakowski und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Grubner, über die Beschwerde des E W in Wien, vertreten durch Dr. Robert Hyrohs, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Kärntnerstraße 37, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom , Zl. SD 366/98, betreffend Entziehung eines Waffenpasses, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesministerium für Inneres) Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom , mit dem dem Beschwerdeführer der ihm am ausgestellte Waffenpaß 070183 entzogen worden war, keine Folge gegeben und der erstinstanzliche Bescheid gemäß § 66 Abs. 4 AVG bestätigt.

Begründend führte die belangte Behörde aus, sie habe gemäß § 25 Waffengesetz 1996 den Waffenpaß zu entziehen, wenn der Inhaber nicht mehr als verläßlich anzusehen sei. Gemäß § 8 Abs. 1 Z. 1 leg. cit. sei ein Mensch verläßlich im Sinn des Waffengesetzes, wenn er voraussichtlich mit Waffen sachgemäß umgehen werde und keine Tatsachen die Annahme rechtfertigten, daß er Waffen mißbräuchlich oder leichtfertig verwenden werde. Bei dieser Beurteilung sei angesichts des mit dem Waffenbesitz von Privatpersonen verbundenen Sicherheitsbedürfnisses nach Sinn und Zweck des Waffengesetzes ein strenger Maßstab anzulegen.

Der Beschwerdeführer sei mit Urteil des Landesgerichtes Krems an der Donau vom rechtskräftig wegen versuchten Widerstandes gegen die Staatsgewalt, schwerer Körperverletzung, Verleumdung und Unterdrückung eines Beweismittels gemäß den §§ 15, 269 Abs. 1, 83 Abs. 2, 84 Abs. 2 Z 4, 295 Abs. 1 und 297 Abs. 1, zweiter Fall, StGB unter Anwendung des § 43a Abs. 2 StGB zu einer (nach Inhalt des Aktes unbedingten) Geldstrafe von 120 Tagessätzen und einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten, bedingt auf drei Jahre, verurteilt worden.

Diesem, für die belangte Behörde bindenden Urteil liege zugrunde, daß der Beschwerdeführer

"nach einem Verkehrsunfall mit Fahrerflucht den einschreitenden Sicherheitswachebeamten gegenüber ein Beweismittel zu unterdrücken versuchte und anschließend auf die Beamten mit seinen Fäusten einschlug, wobei einer der Beamten verletzt wurde. Auch der anschließend ausgesprochenen Festnahme versuchte sich der Berufungswerber durch Anwendung von Körpergewalt zu widersetzen. Seine Tätlichkeiten setzte der Berufungswerber auch noch fort, nachdem ihm bereits Handfesseln angelegt worden waren."

Dieser Sachverhalt lasse Rückschlüsse auf einen derartigen Charaktermangel des Beschwerdeführers zu, daß er als nicht mehr verläßlich im Sinne des Waffengesetzes angesehen werden könne. Auch wenn der Beschwerdeführer bei diesem Vorfall selbst keine Waffe benützt habe, könne aufgrund der konkreten Verhaltensweise und des darin zum Ausdruck gebrachten Aggressionspotentials keinesfalls ausgeschlossen werden, daß er Waffen mißbräuchlich oder leichtfertig verwenden würde. Es erübrige sich daher eine weitere Überprüfung dahingehend, ob die gerichtliche Verurteilung nicht für sich allein schon gemäß § 8 Abs. 3 und 4 leg. cit. zwingend die waffenrechtliche Unverläßlichkeit des Beschwerdeführers ergebe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in einer fristgerecht erstatteten Gegenschrift beantragt, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

In der Beschwerde wird die Auffassung vertreten, die belangte Behörde habe die Rechtslage verkannt, weil die vorliegende Verurteilung des Beschwerdeführers angesichts der ausgesprochenen Strafhöhe gemäß § 8 Abs. 4 WaffG nicht als eine solche im Sinn des § 8 Abs. 3 leg. cit. angesehen werden könne, bei deren Vorliegen die (weitere) waffenrechtliche Verläßlichkeit des Betroffenen ausgeschlossen wäre. Es gelte zwar gemäß § 8 Abs. 3 Z 1 WaffG ein Mensch im Falle einer Verurteilung nicht als verläßlich, wenn er u. a. wegen einer unter Anwendung oder Androhung von Gewalt begangenen strafbaren Handlung zu einer Freiheitsstrafe von mehr als zwei Monaten oder einer Geldstrafe von mehr als 120 Tagessätzen verurteilt worden sei. Jedoch bestehe diese gesetzliche Vermutung gemäß § 8 Abs. 4 leg. cit. dann nicht, wenn das Gericht die Strafe - außer bei Freiheitsstrafen von mehr als sechs Monaten - ganz oder teilweise bedingt nachgesehen habe. Dies liege im Fall des Beschwerdeführers vor, weshalb die belangte Behörde wegen der erfolgten Verurteilung nicht davon hätte ausgehen dürfen, daß der Beschwerdeführer als nicht mehr verläßlich anzusehen sei.

Dem Beschwerdevorbringen kommt im Ergebnis keine Berechtigung zu:

Gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 WaffG 1996 ist eine Person als verläßlich anzusehen, wenn sie voraussichtlich mit Waffen sachgemäß umgehen wird und keine Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß sie Waffen mißbräuchlich oder leichtfertig verwenden wird.

§ 8 Abs. 3 und 4 WaffG 1996 lautet - soweit entscheidungswesentlich - wie folgt:

"(3) Als nicht verläßlich gilt ein Mensch im Falle einer Verurteilung

wegen einer unter Anwendung oder Androhung von Gewalt begangenen oder mit Gemeingefahr verbundenen vorsätzlichen strafbaren Handlung, wegen eines Angriffes gegen den Staat oder den öffentlichen Frieden oder wegen Zuhälterei, Menschenhandels, Schlepperei oder Tierquälerei zu einer Freiheitsstrafe von mehr als zwei Monaten oder einer Geldstrafe von mehr als 120 Tagessätzen oder

wegen gewerbsmäßigen, bandenmäßigen oder bewaffneten Schmuggels oder

wegen einer durch fahrlässigen Gebrauch von Waffen erfolgten Verletzung oder Gefährdung von Menschen oder

wegen einer in Z 1 genannten strafbaren Handlung, sofern er bereits zweimal wegen einer solchen verurteilt worden ist.

(4) Eine gemäß Abs. 3 maßgebliche Verurteilung liegt nicht vor, wenn sie bereits getilgt ist. Trotz einer nicht getilgten Verurteilung im Sinne des Abs. 3 kann ein Mensch verläßlich sein, wenn das Gericht ... die Strafe - außer bei Freiheitsstrafen von mehr als sechs Monaten - ganz oder teilweise bedingt nachgesehen hat, sofern kein nachträglicher Strafausspruch oder kein Widerruf der bedingten Strafnachsicht erfolgte."

§ 8 Abs. 3 leg. cit. zählt somit in mehreren Tatbeständen gerichtliche Verurteilungen auf, bei deren Vorliegen eine Person im Sinne des Waffengesetzes als nicht verläßlich anzusehen ist. Bei Vorliegen einer derartigen Verurteilung erübrigt sich demnach eine weitere Prüfung der Verläßlichkeit im Sinne des § 8 Abs. 1 leg. cit. Der Beschwerdeführer weist in diesem Zusammenhang aber mit Recht darauf hin, daß angesichts der Höhe der über ihn verhängten Strafe (Geldstrafe von 120 Tagessätzen und Freiheitsstrafe von sechs Monaten) die Verurteilung wegen der Vergehen des versuchten Widerstandes gegen die Staatsgewalt nach den §§ 15, 265 Abs. 1 StGB, der schweren Körperverletzung nach den §§ 83 Abs. 2, 84 Abs. 2 Z 4 StGB, der Unterdrückung eines Beweismittels nach § 295 Abs. 1 StGB und des Verbrechens der Verleumdung nach § 297 Abs. 1 zweiter Fall StGB gemäß § 8 Abs. 4 leg. cit. für sich allein nach dem WaffG 1996 nicht ausreicht, dem Beschwerdeführer die waffenrechtliche Verläßlichkeit im Sinne des § 8 Abs. 1 WaffG 1996 abzusprechen. Damit erübrigt sich auch eine Auseinandersetzung mit dem Umstand, daß die Bestrafung nicht nur wegen strafbarer Handlungen der in § 8 Abs. 3 Z 1 bis 3 erwähnten Art erfolgte.

In der Regierungsvorlage zum WaffG 1996 wurde in diesem Zusammenhang ausgeführt, § 8 entspreche "sinngemäß dem § 6 des geltenden WaffG" und "eine inhaltliche Änderung der Verläßlichkeitskriterien" sei "nicht vorgenommen worden" (457 BlgNR 20. GP, 42). Dies bezieht sich zwar vorrangig auf die jeweils im ersten Absatz beider Regelungen verankerten allgemeinen Kriterien, doch enthält auch § 8 WaffG 1996 wie schon § 6 WaffG 1986 in den weiteren Absätzen ein diffiziles System von Voraussetzungen dafür, wann schon wegen des Vorliegens einer strafgerichtlichen Verurteilung als solcher die waffenrechtliche Verläßlichkeit zu verneinen ist. Danach reicht selbst die Verurteilung wegen einer unter Anwendung oder Androhung von Gewalt begangenen oder mit Gemeingefahr verbundenen vorsätzlichen strafbaren Handlung, wegen eines Angriffes gegen den Staat oder den öffentlichen Frieden, wegen Zuhälterei, Menschenhandels und anderer derartiger Delikte nicht aus, wenn nicht entweder schon frühere Verurteilungen wegen derartiger Delikte vorliegen oder die Strafe eine bestimmte Höhe übersteigt.

Auch der Gesetzgeber des WaffG 1996 hat sich somit nicht entschlossen, Straftäter mit ungetilgten Verurteilungen vom Erwerb waffenrechtlicher Berechtigungen grundsätzlich auszuschließen oder einen solchen Ausschluß auch nur für Gewalttäter unabhängig von Zahl und Schwere der Verurteilungen oder für Straftäter anderer Art im Falle schwerwiegender Verurteilungen wie der des Beschwerdeführers vorzusehen. Er hat sich vielmehr erneut dazu bekannt, nur ganz bestimmte gerichtliche Verurteilungen als absoluten Hinderungsgrund für die Ausstellung einer waffenrechtlichen Urkunde zu normieren und die (erstmalige) Verurteilung wegen selbst mehrerer Vergehen und einem Verbrechen, wie im hier vorliegenden Fall, für sich allein nicht genügen zu lassen (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 97/20/0678).

Daß die den Beschwerdeführer belastende strafgerichtliche Verurteilung der Annahme seiner Verläßlichkeit schon gemäß § 8 Abs. 4 WaffG nicht zwingend entgegensteht, besagt allerdings noch nicht, er wäre deshalb als verläßlich im Sinne des § 8 Abs. 1 leg. cit. anzusehen.

Die belangte Behörde hat vielmehr richtig auf die (zu § 6 Abs. 1 WaffG 1986 ergangene, auch zu § 8 Abs. 1 WaffG 1996 weiterhin relevante) Rechtsprechung verwiesen, daß bei der Wertung einer Person als "verläßlich" im Sinne des Waffengesetzes ihre gesamte Geisteshaltung und Sinnesart ins Auge zu fassen ist, weil der Begriff der Verläßlichkeit den Ausdruck ihrer Wesenheit, nicht aber ein Werturteil über ihr Tun und Lassen im Einzelfall ist. Bestimmte Verhaltensweisen und Charaktereigenschaften einer Person können demnach die Folgerung rechtfertigen, daß die vom Waffengesetz geforderte Verläßlichkeit nicht gewährleistet ist (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 89/01/0414). Der Verwaltungsgerichtshof hat auch in ständiger Rechtsprechung erkannt, daß angesichts des mit dem Waffenbesitz von Privatpersonen verbundenen Sicherheitsbedürftnisses nach Sinn und Zweck der Regelung des Waffengesetzes bei der Prüfung der Verläßlichkeit ein strenger Maßstab anzulegen ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 94/20/0874, mwN). Die solcherart anzustellende Verhaltensprognose kann dabei bereits auf der Grundlage eines einzigen Vorfalles wegen besonderer Umstände den Schluß rechtfertigen, der vom Entzug waffenrechtlicher Urkunden Betroffene biete keine hinreichende Gewähr mehr, daß er von Waffen keinen mißbräuchlichen oder leichtfertigen Gebrauch machen werde. In diesem Sinn können besondere Tatumstände auch einer nicht unter die Tatbestände des § 8 Abs. 3 WaffG 1996 subsumierbaren Verurteilung von Bedeutung sein, insoweit sie im Lichte des § 8 Abs. 1 leg. cit. einen entsprechenden waffenrechtlichen Bezug aufweisen.

Im vorliegenden Fall hat die belangte Behörde unter Beachtung dieser Grundsätze auf die konkrete Verhaltensweise des Betroffenen Bedacht genommen und ihrer gemäß § 8 Abs. 1 leg. cit. anzustellenden Verhaltensprognose konkrete Feststellungen zugrunde gelegt, die auch einen entsprechenden waffenrechtlichen Bezug haben. Die belangte Behörde hat nämlich mit Recht hervorgehoben, daß das aus der festgestellten Verhaltensweise hervorgehende hohe Aggressionspotential des Beschwerdeführers iVm dem auch aus der Fahrerflucht nach einem verursachten Verkehrsunfall und dem aus den nachfolgenden weiteren strafbaren Handlungen hervorgehenden gravierenden Charaktermangel nicht (mehr) davon ausgegangen werden kann, es läge - im Sinne der negativen Tatbestandsvoraussetzung des § 8 Abs. 1 Z 1 WaffG 1996 - keine Tatsache vor, die die Annahme rechtfertige, der Beschwerdeführer werde Waffen mißbräuchlich oder leichtfertig verwenden. In diesem Zusammenhang ist ergänzend auf die Begründung im Urteil des Oberlandesgerichtes Wien vom 14. November1996, mit dem der Berufung des Beschwerdeführers gegen seine Verurteilung nicht Folge gegeben worden war, hinzuweisen, wonach "für die Richtigkeit der Darstellung des Geschehens und des von Beginn an inkooperativen und später überschießend aggressiven Verhaltens W. durch die beiden Gendarmeriebeamten, aber nicht zuletzt auch das Gutachten des medizinischen Sachverständigen Dr. R. spricht, der dem Angeklagten eine organisch bedingte Affektlabilität attestiert und damit eine Erklärung für dessen völlig unangepaßtes und überschießendes Verhalten gibt".

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am