VwGH vom 18.09.2003, 2002/16/0220
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Steiner, Dr. Fellner, Dr. Höfinger und Dr. Kail als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Siegl, über die Beschwerde des U T in Wien, vertreten durch Mag. Nikolaus Bauer, Rechtsanwalt in Wien XV, Mariahilfer Straße 135, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , GZ ZRV/5-13/00, betreffend Eingangsabgaben, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 51,50 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom , 6d Vr 4746/93, wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, in der Zeit von 1988 bis 1989 gemeinsam mit dem abgesondert verfolgten Klemens M. als Mittäter in wiederholten Angriffen 25 kg Haschisch aus den Niederlanden nach Österreich eingeführt und damit das Verbrechen nach § 12 Abs 1 und Abs 3 Z 3 Suchtgiftgesetz begangen zu haben.
Mit dem an den Beschwerdeführer erlassenen Bescheid des Hauptzollamtes Wien vom wurde festgestellt, dass die Eingangsabgabenschuld an Zoll, Einfuhrumsatzsteuer und Außenhandelsförderungsbeitrag in Höhe von zusammen S 503.000,-- dadurch kraft Gesetzes entstanden war, dass der Beschwerdeführer im Zeitraum 1988 bis 1989 25 kg Haschisch als einfuhrzollpflichtige, zollhängige Ware an sich gebracht habe.
Mit Berufungsbescheid vom wurde dieser Bescheid des Hauptzollamtes aufgehoben. Nach der Begründung dieses Berufungsbescheids hatte der Beschwerdeführer den ersten Tatbestand, nicht aber - wie vom Zollamt angenommen - den zweiten Tatbestand des § 174 Abs 3 lit a ZollG verwirklicht.
Am erließ das Hauptzollamt Wien neuerlich einen Eingangsabgabenbescheid betreffend Entstehung der Zollschuld kraft Gesetzes über S 503.000,--.
In der Berufung gegen diesen Bescheid wurde insbesondere Verjährung der Eingangsabgabenschuld geltend gemacht. Zwischen der Entstehung der Abgabenschuld im ersten Quartal 1989 und der Erlassung des Eingangabgabenbescheides vom seien nahezu elf Jahre vergangen. Die Verjährungsfrist betrage aber nur drei Jahre, da es keinesfalls zutreffe, dass das Finanzvergehen nur bei einem Gericht oder Spruchsenat verfolgt werden könne und der Abgabenbetrag nicht genau zu ermitteln gewesen wäre.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen. In der Begründung des Bescheides wurde unter anderem ausgeführt, der Beschwerdeführer habe sowohl gegen Bestimmungen des Suchtgiftgesetzes als auch des Finanzstrafgesetzes verstoßen. Er habe Haschisch als eingangsabgabepflichtige Ware vorsätzlich unter Verletzung einer zollrechtlichen Stellungs- und Erklärungspflicht dem Zollverfahren entzogen und damit den Tatbestand des Schmuggels nach § 35 Abs 1 FinStrG erfüllt. Es lägen damit hinterzogene Abgaben vor. Der Beschwerdeführer sei vom Landesgericht für Strafsachen Wien nur nach den Bestimmungen des Suchtgiftgesetzes verurteilt worden, jedoch auch wegen des damit verbundenen Finanzvergehens verfolgt worden. Da die Zollbehörde infolge eines vor einem Gericht zu verfolgenden Finanzvergehens den Abgabenbetrag im Zeitpunkt seines Entstehens nicht ermitteln habe können, seien die Voraussetzungen der zehnjährigen Verjährungsfrist erfüllt. Der Bescheid des Hauptzollamtes vom sei dem Beschwerdeführer am zugestellt worden. Es sei damit keine Verjährung im Zeitpunkt der Mitteilung der Abgabenschuld eingetreten. Mit dem Bescheid vom sei eine Neufestsetzung der Abgaben nicht erfolgt. Es sei lediglich der Zollentstehungstatbestand richtig gestellt worden.
In der Beschwerde gegen diesen Bescheid erachtet sich der Beschwerdeführer insbesondere dadurch in seinen Rechten verletzt, dass eine Abgabe trotz Eintritt der Verjährung zur Zahlung vorgeschrieben worden sei.
Die Akten des Verwaltungsverfahrens wurden vom Unabhängigen Finanzsenat, Außenstelle Wien, vorgelegt. Eine Gegenschrift wurde nicht erstattet.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Nach Artikel 221 Absatz 3 ZK idF der seit , also auch für den Beschwerdefall geltenden Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates (EG) Nr. 2700/2000 darf die Mitteilung des Abgabenbetrages an den Zollschuldner nach Ablauf einer Frist von drei Jahren nach dem Zeitpunkt des Entstehens der Zollschuld nicht mehr erfolgen. Diese Frist wird ab dem Zeitpunkt ausgesetzt, in dem ein Rechtsbehelf gemäß Artikel 243 ZK eingelegt wird, und zwar für die Dauer des Rechtsbehelfs. Ist die Zollschuld aufgrund einer Handlung entstanden, die zu dem Zeitpunkt, als sie begangen wurde, strafbar war, so kann die Mitteilung nach Absatz 4 des Artikel 221 ZK unter den Voraussetzungen, die im geltenden Recht festgelegt sind, noch nach Ablauf der Dreijahresfrist nach Absatz 3 erfolgen.
Nach § 74 Abs 2 ZollR-DG in der auf den Beschwerdefall anzuwendenden, nämlich im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides geltenden Fassung (vgl dazu das hg Erkenntnis vom , Zl 2002/16/0076) des Bundesgesetzes BGBl I Nr. 61/2001 beträgt die Verjährungsfrist bei hinterzogenen Eingangs- und Ausgangsabgaben zehn Jahre, wenn im Zusammenhang mit diesen Abgabenansprüchen ein ausschließlich vor einem Gericht oder einem Spruchsenat zu verfolgendes Finanzvergehen begangen wurde.
Die belangte Behörde kam auf Grund des festgestellten Sachverhalts zu dem Ergebnis, dass der Beschwerdeführer das in Rede stehende Suchtgift (Haschisch) als eingangsabgabepflichtige Ware vorsätzlich unter Verletzung einer zollrechtlichen Stellungs- oder Erklärungspflicht dem Zollverfahren entzogen und dadurch den Tatbestand des Schmuggels nach § 35 Abs 1 FinStrG begangen habe. Es habe sich daher bei den Eingangsabgaben um hinterzogene Abgaben gehandelt. Diese Folgerung ist insbesondere im Hinblick auf die Feststellungen im Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom schlüssig. Unter Bedachtnahme auf die Höhe des vom Beschwerdeführer verkürzten Abgabenbetrages - gegen dessen Ermittlung keine Einwendungen erhoben werden - ist die belangte Behörde im Ergebnis zutreffend davon ausgegangen, dass im Zusammenhang mit diesen Abgabenansprüchen ein ausschließlich vor einem Gericht oder einem Spruchsenat zu verfolgendes Finanzvergehen begangen wurde. Vom Beschwerdeführer werden dagegen keine substantiierten Einwendungen erhoben. Zur Klarstellung ist aber darauf zu verweisen, dass eine länger als drei Jahre dauernde Verjährungsfrist nach Art 221 Absatz 4 ZK bloß voraussetzt, dass die Handlung zu dem Zeitpunkt, als sie begangen wurde, strafbar war. Die Verjährungsfrist von zehn Jahren nach § 74 Abs 2 ZollR-DG ist nur davon abhängig, dass iZm diesen Ansprüchen ein ausschließlich vor einem Gericht oder einem Spruchsenat zu verfolgendes Finanzvergehen begangen wurde. Ob das Finanzvergehen tatsächlich vor einem Gericht oder einem Spruchsenat verfolgt wurde oder eine solche Verfolgung nicht geschah - etwa wegen des Eintritts des Strafaufhebungsgrundes nach § 24a Suchtgiftgesetz 1951 idF der Suchtgiftgesetznovelle 1985, BGBl Nr. 184/1985 (vgl nunmehr § 33 Suchtmittelgesetz, BGBl I Nr. 112/1997) -, ist daher nicht maßgeblich.
Soweit vom Beschwerdeführer eingewendet wird, die zehnjährige Verjährungsfrist sei im Zeitpunkt der Mitteilung der Eingangsabgabenschuld bereits abgelaufen gewesen, ist ihm entgegenzuhalten, dass in Artikel 221 Absatz 4 ZK eine Ausnahme von der Drei-Jahres-Frist des vorhergehenden Absatzes 3 enthalten ist. Soweit die Zollschuld aber iS des Absatzes 4 des Artikels 221 ZK auf Grund einer strafbaren Handlung entstanden ist, hat die Erlassung einer Mitteilung unter den vom geltenden nationalen Recht festgelegten Voraussetzungen zu erfolgen. Damit kommen insoweit auch die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung (vgl § 21 Abs 1 ZollR-DG) zur Anwendung (vgl Witte/Alexander, Vor Art 220 ZK, Rz 18 ff). Gemäß § 209 Abs 1 BAO wird die Verjährung aber durch jede zur Geltendmachung des Abgabenanspruches unternommene, nach außen erkennbare Amtshandlung unterbrochen. Der erstmals hinsichtlich der in Rede stehenden Abgabenschuld erlassene Abgabenbescheid des Hauptzollamtes vom stellt aber schon eine solche Unterbrechungshandlung dar. Die Auffassung der belangten Behörde, die Verjährung der Abgaben sei noch nicht eingetreten, trifft somit im Ergebnis zu.
Soweit sich der Beschwerdeführer schließlich auf das Doppelbestrafungsverbot nach Artikel 4 7. ZPEMRK beruft, so geht dieser Einwand schon deswegen ins Leere, weil Gegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nicht die Bestrafung wegen einer strafbaren Handlung, sondern vielmehr die Feststellung einer Eingangsabgabenschuld ist.
Aus den angeführten Gründen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs 1 VwGG als unbegründet abzuweisen. Dabei konnte von der Durchführung der beantragten Verhandlung aus den Gründen des § 39 Abs 1 Z 6 VwGG abgesehen werden.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl II Nr. 333/2003.
Wien, am