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VwGH vom 30.09.1998, 98/20/0220

VwGH vom 30.09.1998, 98/20/0220

Beachte

Serie (erledigt im gleichen Sinn):

98/01/0565 E

98/20/0231 E

98/20/0473 E

98/20/0480 E

98/20/0485 E

98/20/0486 E

98/20/0487 E

98/20/0488 E

98/20/0497 E

98/20/0498 E

98/20/0499 E

98/20/0500 E

98/20/0501 E

98/20/0502 E

98/20/0503 E

98/20/0506 E

98/20/0516 E

98/20/0517 E

98/20/0518 E

98/20/0531 E

98/20/0532 E

98/20/0534 E

98/20/0535 E

98/20/0536 E

98/20/0537 E

98/20/0538 E

98/20/0547 E

98/20/0554 E

98/20/0565 E

98/20/0572 E

98/20/0573 E

99/20/0001 E

99/20/0018 E

99/20/0027 E

99/20/0028 E

99/20/0035 E

99/20/0042 E

99/20/0118 E

99/20/0157 E

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Baur, Dr. Nowakowski und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Grubner, über die Beschwerde des Bundesministers für Inneres gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom , Zl. 200.351/5-II/04/98, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Begründung

Der Asylwerber IA, ein Staatsbürger aus Bangladesch, reiste am unter Umgehung der Grenzkontrolle in das Bundesgebiet ein und beantragte am bei der Bezirkshauptmannschaft Baden die Gewährung von Asyl. Die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich stellte mit Bescheid vom fest, daß beim Asylwerber die Voraussetzungen des Art. 1 Abschnitt A der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, in der Fassung BGBl. Nr. 78/1974, aus denen sich gemäß § 7 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom , BGBl. Nr. 126, in der Fassung BGBl. Nr. 796/1974, die Berechtigung zum Aufenthalt im Bundesgebiet ableite, nicht zuträfen.

Der Asylwerber erhob gegen diesen Bescheid Berufung, welche der Bundesminister für Inneres mit Bescheiden vom (aufgehoben mit hg. Erkenntnis vom , Zl. 92/01/0723-8), vom (aufgehoben mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , B 1608/94-8), sowie vom , Zl. 4.298.243/19-III/13/95, jeweils abwies. Die gegen den letztgenannten Bescheid - er trat gemäß § 44 Abs. 2 des Asylgesetzes 1997, BGBl. I Nr. 76 (AsylG), mit außer Kraft - erhobene Beschwerde wurde vom Verwaltungsgerichtshof mit hg. Beschluß vom , Zl. 95/20/0558-9, gemäß § 44 Abs. 3 leg. cit. zurückgewiesen. Unter einem wurden die Akten des Verfahrens dem unabhängigen Bundesasylsenat übermittelt.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid behob der unabhängige Bundesasylsenat in Erledigung der Berufung des Asylwerbers vom den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom im Grunde des § 37 Abs. 1 des Asylgesetzes 1997. Die belangte Behörde begründete dies nach Darstellung des Ganges des Verwaltungsverfahrens und der bezughabenden Gesetzesstellen damit, daß Gegenstand des vorliegenden Verfahrens die Entscheidung über die (zulässige) Berufung des Asylwerbers gegen den nach der damaligen Rechtslage von der zuständigen Behörde - der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich - erlassenen Bescheid vom gewesen sei. Die Berufungsbehörde habe nicht nur die Verpflichtung ihre eigene Zuständigkeit, sondern auch die Zuständigkeit der Behörde erster Instanz in jeder Lage des Verfahrens zu prüfen. Im Falle, daß die Behörde erster Instanz zwar zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides hiefür zuständig gewesen sei, diese Zuständigkeit jedoch in der Folge verloren habe und auch keine spezielle, eine perpetuatio fori begründende Vorschrift anzuwenden sei, sei es Aufgabe der Berufungsbehörde, die zwischenzeitlich eingetretene Unzuständigkeit der Behörde erster Instanz aufzugreifen und auf diesem Weg eine Entscheidung der (nunmehr) zuständigen Behörde zu ermöglichen (hingewiesen werde auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 92/04/0144). Im gegenständlichen Berufungsverfahren sei die seinerzeit gemäß Art. I § 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. II des Bundesgesetzes vom , BGBl. Nr. 126, gegebene und gemäß § 25 Abs. 1 des Asylgesetzes 1991 aufrechterhaltene Zuständigkeit der Behörde erster Instanz mit gemäß § 42 Abs. 1 in Verbindung mit § 44 Abs. 1 AsylG weggefallen. Der unabhängige Bundesasylsenat habe sich im gegenständlichen Fall daher darauf zu beschränken, diesen eingetretenen Zuständigkeitsmangel aufzugreifen und demgemäß den erstinstanzlichen Bescheid zu beheben. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung habe gemäß § 67d Abs. 1 AVG unterbleiben können.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde des Bundesministers für Inneres, in der er Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides geltend macht. Der beschwerdeführende Bundesminister erblickt diese Rechtswidrigkeit darin, daß die belangte Behörde den allgemeinen Rechtsgrundsatz, wonach es für die Beurteilung der Zuständigkeit einer Behörde auf den Zeitpunkt ihres behördlichen Handelns ankomme und eine spätere Veränderung der Rechtslage nicht als rückwirkende "Delegitimierung" bisheriger Behördenkompetenzen zu begreifen sei, übersehe. Wenn der Gesetzgeber eine neue Behörde einführe, sei anzunehmen, daß er im Falle, daß er eine rückwirkende "Zuständigkeitsprivation" für rechtspolitisch erforderlich halte, zu einer "expliziten Rückwirkung des neuen Rechtszustandes schreiten" müßte. Jede andere Interpretation hätte unabsehbare "desaströse" Folgen für die Rechtssicherheit. So würden mit der Neueinführung einer Behörde plötzlich alle - auch begünstigenden - hoheitlichen Akte jener Vorgängerbehörde als von einer unzuständigen Behörde im Sinne des § 68 Abs. 4 Z 1 AVG herrührend qualifiziert werden müssen. Gesetzt den Fall, aus irgendwelchen Gründen hätte eine der Sicherheitsdirektionen einen bereits am bei ihr anhängig gewesenen Asylantrag (für dessen Erledigung sie ja gemäß § 25 Abs. 2 erster Satz Asylgesetz 1991 zuständig geblieben sei) innerhalb der letzten drei Jahre durch Feststellung der Flüchtlingseigenschaft des Antragstellers positiv beschieden und diesem damit gemäß § 25 Abs. 3 Asylgesetz 1991 Asyl gewährt, so wäre nach der Logik des angefochtenen Bescheides mit Inkrafttreten des Asylgesetzes 1997 eine Nichtigerklärung dieses Aktes gemäß § 68 Abs. 4 AVG möglich geworden. Es gebe jedoch keinen Hinweis darauf, daß der Gesetzgeber ein derartiges, jeder Rechtssicherheit abträgliches Ergebnis gewollt hätte. Die belangte Behörde übersehe bei der Zitierung des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 92/04/0144, daß dieses Erkenntnis einen völlig anderen (und in sich schon außergewöhnlichen) Sachverhalt voraussetze. Dieser Fall sei deshalb besonders gelagert, weil sich damals durch die Änderung in der Person der Partei eine Änderung der Zuständigkeit der Behörde erster Instanz ergeben habe. Es handle sich somit um eine nicht vergleichbare Konstellation und es vermöge der Rechtssatz des von der belangten Behörde herangezogenen Erkenntnisses deren Rechtsmeinung nicht zu tragen.

Der beschwerdeführende Bundesminister verwies weiters auf das hg. Erkenntnis vom , Zl. 95/20/0411, in welchem der Verwaltungsgerichtshof gemäß § 42 Abs. 4 VwGG in der Sache selbst entschieden und die Berufung des dortigen Beschwerdeführers gegen einen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom gemäß § 66 Abs. 4 AVG abgewiesen habe. Der Verwaltungsgerichtshof habe in diesem Fall nicht etwa den in Berufung gezogenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich wegen nachträglich eingetretener Unzuständigkeit dieser Behörde behoben. Der angefochtene Bescheid widerspreche somit auch bestehender Judikatur im Rahmen des Asylgesetzes 1997.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Zulässigkeit der Beschwerde in Zweifel zog und hinsichtlich der Rechtmäßigkeit des in Beschwerde gezogenen Bescheides die Argumentation des angefochtenen Bescheides wiederholte. Sie beantragte, die vorliegende Beschwerde als unzulässig zurückzuweisen, in eventu als unbegründet abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Zur Zulässigkeit der Beschwerde:

§ 38 Abs. 5 des Asylgesetzes 1997 lautet:

"§ 38. ...

(5) Gegen Entscheidungen des unabhängigen Bundesasylsenates ist die Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof zulässig. Der Bundesminister für Inneres kann Amtsbeschwerde wegen Rechtswidrigkeit sowohl zugunsten als auch zum Nachteil der betroffenen Fremden erheben."

Die belangte Behörde bringt in ihrer Gegenschrift vor, diese Bestimmung bringe zum Ausdruck, daß die in der Amtsbeschwerde geltend gemachte Rechtswidrigkeit irgendeinen - günstigen oder nachteiligen - Bezug zur subjektiven Rechtssphäre des betroffenen Fremden aufweisen müsse. Für die Zulässigkeit einer erhobenen Beschwerde bedürfe es somit der bestimmten Bezeichnung des Beschwerdepunktes im Sinne des § 28 Abs. 1 Z 4 VwGG, weil die im § 28 Abs. 2 VwGG genannte Bedingung, daß "die Behauptung der Verletzung eines Rechtes des Beschwerdeführers nicht in Betracht kommt", nur in dem Sinne, daß der Bundesminister keine Verletzung eigener Rechte geltend mache, zutreffe. Eine derartige Bezeichnung des Beschwerdepunktes liege jedoch nicht vor und könne auch aus dem Inhalt der Beschwerde nicht erschlossen werden. Es könne im gegenständlichen Fall weder Aufgabe des Verwaltungsgerichtshofes noch Aufgabe der belangten Behörde sein, im anhängigen verwaltungsgerichtlichen Verfahren darüber zu spekulieren, in welcher Hinsicht der angefochtene Bescheid den betroffenen Fremden begünstigt oder belastet habe, zumal die Vermutung viel näher liege, daß die gegenständliche Beschwerde überhaupt nicht im Hinblick auf die Rechtssphäre des Asylwerbers, sondern lediglich aus administrativen Rücksichten erhoben worden sei. Durch die vorliegende Entscheidung werde dem Asylwerber ein neuerliches Asylverfahren erster Instanz eröffnet und darin liege weder eine formelle noch eine materielle Beschwer bzw. Begünstigung des Asylwerbers. Die Beschwerde sei daher mangels Erfüllung einer Zulässigkeitsvoraussetzung zurückzuweisen.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGG tritt bei Beschwerden gegen Bescheide nach Art. 131 Abs. 1 Z 2 und 3 sowie Abs. 2 B-VG, bei denen gemäß den in Betracht kommenden Bundes- oder Landesgesetzen die Behauptung der Verletzung eines Rechtes des Beschwerdeführers nicht in Betracht kommt, und bei Beschwerden gegen Weisungen nach Art. 81a Abs. 4 B-VG an die Stelle der Beschwerdepunkte die Erklärung über den Umfang der Anfechtung. Die belangte Behörde bestreitet nicht, daß im gegenständlichen Fall die Verletzung eines Rechtes des Beschwerdeführers (des Bundesministers für Inneres) nicht in Betracht kommt. Trifft diese Voraussetzung aber zu, konnte sich der beschwerdeführende Bundesminister mit der Erklärung über den Umfang der Anfechtung begnügen und war er nicht verpflichtet, eine bestimmte Bezeichnung des Beschwerdepunktes im Sinn des § 28 Abs. 1 Z 4 VwGG vorzunehmen. Im Fall einer sogenannten Amtsbeschwerde geht es nicht um die Geltendmachung subjektiver Rechte, weshalb in solchen Beschwerden das Formerfordernis der Angabe der Beschwerdepunkte nach § 28 Abs. 1 Z 4 VwGG nicht zum Tragen kommt. Die Grenzen des Rechtsstreites werden bei Amtsbeschwerden durch die Anfechtungserklärung des Beschwerdeführers gezogen (vgl. dazu das zur - hinsichtlich der Umschreibung der Beschwerdelegitimation vergleichbaren - Bestimmung des § 292 BAO ergangene hg. Erkenntnis vom , Zl. 95/14/0082, sowie das zu § 13 Arbeitsinspektionsgesetz ergangene hg. Erkenntnis vom , Zl. 95/11/0018). Dem in § 28 Abs. 2 VwGG für (u.a.) Bescheide nach Art. 131 Abs. 2 B-VG enthaltenen Gebot der Erklärung über den Umfang der Anfechtung ist im vorliegenden Fall durch die Angabe, der beschwerdeführende Bundesminister für Inneres erhebe "Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit", entsprochen (vgl. dazu das zur - hinsichtlich der Umschreibung der Beschwerdelegitimation ebenfalls vergleichbaren - Bestimmung des § 53 des Fremdengesetzes 1992, BGBl. Nr. 838/1992, ergangene hg. Erkenntnis vom , Zl. 93/18/0379).

Im vorliegenden Fall umschreibt § 38 Abs. 5 AsylG ein objektives Beschwerderecht, wenn die Bestimmung ausdrücklich vorsieht, daß der Bundesminister die Amtsbeschwerde wegen Rechtswidrigkeit sowohl zugunsten als auch zum Nachteil der betroffenen Fremden erheben kann. Die Wendung "sowohl zugunsten als auch zum Nachteil der betroffenen Fremden" stellt klar, daß die Amtsbeschwerde nicht nur zum Nachteil der Fremden erhoben werden darf, sondern daß es - im Gegensatz zur Ansicht der belangten Behörde - auf seine Interessenlage überhaupt nicht ankommt. In einem solchen Fall ist die Beschwerdelegitimation ein von den Verfahrensparteien und den beteiligten Behörden losgelöstes Kontrollinstrument zur Prüfung, ob der angefochtene Bescheid in objektiver Weise rechtmäßig ist (vgl. dazu unter anderen die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 94/13/0002, und vom , Zl. 95/14/0082, jeweils betreffend § 292 BAO, das hg. Erkenntnis vom , Zl. 96/09/0352, betreffend § 28a Abs. 1 zweiter Satz AuslBG, sowie das hg. Erkenntnis vom , Zl. 95/11/0018, betreffend § 13 des Arbeitsinspektionsgesetzes).

Da auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen vorlagen, war in die Sacherledigung der Beschwerde einzutreten.

2. Zur Rechtmäßigkeit des in Beschwerde gezogenen Bescheides:

2.1. Artikel I § 2 Abs. 1 und Artikel II des Bundesgesetzes vom , BGBl. Nr. 126, über die Aufenthaltsberechtigung von Flüchtlingen im Sinne der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, in der Fassung

BGBl. Nr. 796/1974 und Nr. 190/1990, lauteten (auszugsweise):

"Artikel I

§ 1. ....

§ 2. (1) Die Feststellung, ob die nach § 1 maßgebenden

Voraussetzungen gegeben sind, ist vom Landeshauptmann zu treffen,

wenn der Fremde Asylgewährung mit der Behauptung beantragt, daß auf

ihn die Voraussetzungen des Artikels 1 Abschnitt A Ziffer 1 der

Konvention zutreffen, oder daß er in seinem Heimatland oder

- sofern er staatenlos ist - in dem Staat, in dessen Bereich er

zuletzt seinen ordentlichen Wohnsitz gehabt hat, aus einem der im

Artikel 1 Abschnitt A Ziffer 2 der Konvention angeführten Gründe

Verfolgungen befürchten müsse.

Artikel II

Bis zum Inkrafttreten des im § 1 des Bundesverfassungsgesetzes, BGBl. Nr. 142/1946, angekündigten Bundesverfassungsgesetzes sind die Aufgaben, die dem Landeshauptmann nach diesem Bundesgesetz zukommen, von der Sicherheitsdirektion zu besorgen."

§ 25 Abs. 1 und 2 des Asylgesetzes 1991, BGBl. Nr. 8/1992, lauteten:

"§ 25. (1) (Verfassungsbestimmung) Am in erster Instanz anhängige Verfahren sind nach der bis zum Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes geltenden Rechtslage zu Ende zu führen. Ist ein erstinstanzlicher Bescheid durch Bewilligung der Wiedereinsetzung (§ 72 AVG) oder durch einen die Wiederaufnahme bewilligenden oder verfügenden Bescheid außer Kraft getreten (§ 70 AVG), so hat das Bundesasylamt einen neuen Bescheid zu erlassen.

(2) Am beim Bundesminister für Inneres anhängige Verfahren sind nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes zu Ende zu führen. In den Fällen des § 20 Abs. 2 ist mit der Ergänzung oder Wiederholung des Ermittlungsverfahrens das Bundesasylamt zu betrauen."

Die §§ 38 Abs. 1, 42, 44 Abs. 1 bis Abs. 3 des Asylgesetzes 1997 (AsylG) in der Fassung der Kundmachung BGBl. I Nr. 110/1998 haben folgenden Wortlaut:

"§ 38. (1) Über Rechtsmittel gegen Bescheide des Bundesasylamtes entscheidet der unabhängige Bundesasylsenat, der mit Sitz in Wien errichtet wird.

...

§ 42. (1) (Verfassungsbestimmung) § 38 Abs. 1 tritt mit in Kraft, gleichzeitig treten die §§ 25 Abs. 1 und 27 des Asylgesetzes 1991, BGBl. Nr. 8/1992, außer Kraft.

(2) Die übrigen Bestimmungen dieses Bundesgesetzes treten mit in Kraft, gleichzeitig treten die übrigen Bestimmungen des Asylgesetzes 1991 außer Kraft.

§ 44. (1) Am bei den Asylbehörden anhängige Verfahren sind nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes zu Ende zu führen. Der Bundesminister für Inneres hat die bei ihm anhängigen oder nach Aufhebung des Berufungsbescheides durch den Verfassungsgerichtshof oder den Verwaltungsgerichtshof anhängig werdenden Sachen dem unabhängigen Bundesasylsenat zuzuleiten. Eine Verpflichtung der Berufungsbehörde in Fällen, in denen die Entscheidung der Behörde erster Instanz vor dem erging, eine non-refoulement-Prüfung vorzunehmen, besteht nicht.

(2) Verfahren betreffend Bescheide nach dem Asylgesetz 1991, die beim Verwaltungsgerichtshof oder beim Verfassungsgerichtshof angefochten sind, und nicht gemäß § 34 Abs. 1 VwGG oder § 19 Abs. 3 Z 2 lit. a, b, d oder e VfGG zurückzuweisen sind, treten mit dem Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes in das Stadium vor Erlassung des Berufungsbescheides zurück.

(3) Der Verwaltungsgerichtshof oder der Verfassungsgerichtshof hat die Beschwerde als unzulässig zurückzuweisen, die Parteien eines solchen höchstgerichtlichen Verfahrens haben die Kosten für ihre Aufwendungen selbst zu tragen. Der Verwaltungsgerichtshof oder der Verfassungsgerichtshof kann es unter Bedachtnahme auf die Notwendigkeit eines angemessenen Verhältnisses zwischen dem beim unabhängigen Bundesasylsenat anhängigen Sachen und dessen personellen Ressourcen aufschieben, die Zurückweisungsbeschlüsse zu fassen. .... Der Verwaltungsgerichtshof oder der Verfassungsgerichtshof hat die schriftliche Ausfertigung des Beschlusses samt den Akten des Verwaltungsverfahrens dem unabhängigen Bundesasylsenat zuzuleiten; die Frist des § 73 AVG beginnt in diesen Fällen mit dem Einlangen des Beschlusses bei der Asylbehörde zu laufen."

2.2. Die Erhebung der Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid erfolgte im Beschwerdefall noch vor dem . Gemäß § 25 Abs. 2 des Asylgesetzes 1991 war dieses Verfahren daher auf der Grundlage des (damals) neuen Asylgesetzes 1991 zu Ende zu führen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 92/01/0831).

Die letztgenannte Bestimmung sah vor, daß der Bundesminister für Inneres über Berufungen gegen einen von der ehemals zuständig gewesenen und seit nicht mehr zuständigen Sicherheitsdirektion erlassenen Bescheid zu entscheiden hatte, ohne daß dieser Wechsel der Zuständigkeit für das laufende Berufungsverfahren eine Bedeutung gehabt hätte. Diese Regelung fiel durch § 42 Abs. 2 AsylG mit weg.

Auch für derartige Verfahren, die (noch immer oder - nach einer Aufhebung des Berufungsbescheides durch ein Höchstgericht - wiederum) beim Bundesminister für Inneres am anhängig waren oder die nach Aufhebung des Berufungsbescheides durch den Verfassungsgerichtshof oder den Verwaltungsgerichtshof beim Bundesminister für Inneres anhängig werden, sieht § 44 Abs. 1 AsylG eine Weiterleitung an den unabhängigen Bundesasylsenat und eine Fortführung des Verfahrens unter Zugrundelegung des neuen AsylG vor.

Die Übergangsvorschriften des § 44 Abs. 1 bis 3 AsylG beziehen sich auf alle bei den Asylbehörden anhängigen Verfahren (§ 44 Abs. 1 AsylG) bzw. auf alle Verfahren betreffend Bescheide nach dem Asylgesetz 1991 (§ 44 Abs. 2 und 3 AsylG), also sowohl auf Verfahren, in denen als Behörde erster Instanz die Sicherheitsdirektionen aufgetreten waren, die Verfahren am aber bereits beim Bundesminister für Inneres anhängig waren und es sich deshalb um Verfahren nach dem Asylgesetz 1991 handelt, als auch auf Bescheide, in denen bereits das Bundesasylamt Behörde erster Instanz war. Der Gesetzgeber gab mit diesen Bestimmungen zu erkennen, daß er in den bei den Höchstgerichten anhängigen Beschwerdefällen ohne Unterscheidung hinsichtlich der Art der Behörde erster Instanz alle (von Anfang an oder zuletzt) auf Grundlage des Asylgesetzes 1991 durchgeführten Verfahren in das Stadium vor Erlassung der Berufungsbescheide zurücktreten lassen und in all diesen Verfahren als zuständige Berufungsbehörde den unabhängigen Bundesasylsenat mit der weiteren Fortführung des Verfahrens - auf Grundlage des neuen AsylG - betrauen wollte. Gleiches gilt für die beim Bundesminister für Inneres am anhängigen Verfahren. Dies geht auch aus dem Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten, 755 BlgNR 20.GP, 7, hervor, wonach

"....nach dem vorliegenden Konzept die beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Verfahren in das Stadium vor Erlassung des Berufungsbescheides zurücktreten und in der Folge - im Rahmen eines auf die Belastungssituation des unabhängigen Bundesasylsenates Bedacht nehmenden Zeitraumes - in die Entscheidungskompetenz dieser unabhängigen Behörde überstellt werden (sollen). ........ Bei der Entscheidung über die Berufung soll es zu keinen weiteren Verzögerungen kommen, weshalb im Hinblick auf den Übergang der Zuständigkeit vom Bundesminister für Inneres auf den unabhängigen Bundesasylsenat die Zuteilung der Akten vom Höchstgericht direkt zur unabhängigen Asylbehörde erfolgen soll."

Die Übergangsbestimmungen stellen somit insofern eine Ergänzung des § 38 Abs. 1 AsylG dar, als der unabhängige Bundesasylsenat nicht nur als Berufungsbehörde gegen Bescheide des Bundesasylamtes, sondern auch zur Entscheidung über Berufungen gegen Bescheide der Sicherheitsdirektionen zuständig ist. Diese Zuständigkeit hat der unabhängige Bundesasylsenat mit dem angefochtenen Bescheid schließlich auch in Anspruch genommen, hätte er doch ansonsten die Berufung als unzulässig zurückweisen müssen.

2.4. Der Verwaltungsgerichtshof vertritt in ständiger Rechtsprechung, daß die Behörden ihre sachliche und örtliche Zuständigkeit gemäß § 6 Abs. 1 AVG von Amts wegen wahrzunehmen haben; dies bedeutet, daß Änderungen der Zuständigkeitsvorschriften während des Verwaltungsverfahrens bis zur Erlassung des Bescheides, also bis zur Beendigung des jeweiligen behördlichen Handelns, stets zu beachten sind. Sowohl für die Behörden erster Instanz als auch für die Berufungsbehörden gilt, daß maßgebend für die Zuständigkeit zur Erlassung des jeweiligen Bescheides die im Zeitpunkt der Erlassung geltende Rechtslage ist (vgl. dazu Walter-Mayer, Grundriß des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechts6, Rz. 82, sowie die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 940/67, vom , Zl. 82/05/0162, vom , Zl. 83/01/0399, vom , Zl. 94/04/0008, 0018, 0019, vom , Zl. 95/18/0120, vom , Zl. 95/17/0009, sowie vom , Zl. 95/21/0211, u.a.).

Ändert sich die Sach- oder Rechtslage im Laufe des Verfahrens, d. h. vor Erlassung des Bescheides, so ist dieses von der nach der neuen Situation zuständigen Behörde weiterzuführen; anders als nach § 29 JN gibt es im Verwaltungsverfahren keine perpetuatio fori. Eine derartige "perpetuatio fori", die nach Ansicht der belangten Behörde im Fall der Nichtbehebung des erstinstanzlichen Bescheides in Ansehung der Zuständigkeit der Sicherheitsdirektion gegeben wäre und die weder im AVG noch in den bezughabenden Materiengesetzen vorgesehen sei, läge aber auch im Falle einer - nicht in einer ersatzlosen Behebung des erstinstanzlichen Bescheides liegenden - Sachentscheidung des unabhängigen Bundesasylsenates über die Berufung nicht vor.

Im Zeitpunkt ihres behördlichen Handelns war die Sicherheitsdirektion unbestritten die zur Bescheiderlassung über den Asylantrag in erster Instanz zuständige Behörde; diese Zuständigkeit fiel im Zuge der Änderungen der Rechtslage weg, ohne daß die Sicherheitsdirektion sich unter Berufung auf ihre ehemals gegebene Zuständigkeit zu weiteren behördlichen Tätigkeiten veranlaßt fühlte. Der bloße Umstand, daß ein im Rahmen der ehemals gegebenen Zuständigkeit erlassener Bescheid nunmehr im (wieder offenen) Berufungsverfahren neuerlich einer Überprüfung durch die Berufungsbehörde unterzogen wird, führt nicht zu einer Perpetuierung der Zuständigkeit der Behörde erster Instanz, die im Widerspruch zur Zuständigkeitsregel nach der neuen Rechtslage stünde. Die Berufungsbehörde hat vielmehr zu prüfen, ob die Behörde erster Instanz zur Erlassung ihres Bescheides im damaligen Zeitpunkt zuständig war und den angefochtenen Bescheid inhaltlich am Maßstab des neuen Gesetzes zu messen. Eine nicht in einer Behebung des erstinstanzlichen Bescheides liegende Entscheidung über die Berufung durch die belangte Behörde ist aber nicht - wie die belangte Behörde offenbar annimmt - mit einer neuerlichen und damit außerhalb ihrer Zuständigkeit liegenden Entscheidung der Sicherheitsdirektion gleichzusetzen oder mit einer Feststellung einer aktuell gegebenen Zuständigkeit dieser Behörde zur Erlassung von erstinstanzlichen Asylbescheiden verknüpft. Die von der Berufungsbehörde erlassene Sachentscheidung tritt an die Stelle der unterinstanzlichen Entscheidung, die dadurch jegliche Wirkung verliert (vgl. unter anderem das hg. Erkenntnis vom , Zl. 91/10/0240). Daß der unabhängige Bundesasylsenat aber zur Entscheidung über die Berufung gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion - wie von ihm selbst auch angenommen - zuständig war, ergibt sich schon aus § 44 Abs. 1 bis 3 AsylG.

2.5. Ein anderes Ergebnis ist entgegen der Ansicht der belangten Behörde auch aus dem hg. Erkenntnis vom , Zl. 92/04/0144, nicht ableitbar. Wie der beschwerdeführende Bundesminister für Inneres zutreffend bemerkt, lag dem zitierten Erkenntnis ein besonders gestalteter Fall eines Parteiwechsels während eines Berufungsverfahrens vor, weil der Wechsel der Partei (statt einer Stadt mit eigenem Statut trat im Berufungsverfahren als deren Rechtsnachfolgerin eine Aktiengesellschaft als Bewilligungswerberin auf) - wäre er bereits im Verfahren erster Instanz erfolgt - dazu geführt hätte, daß das Verfahren von einer anderen Behörde in erster Instanz zu entscheiden gewesen wäre. Aufgrund dieses Parteiwechsels lag nicht mehr der Tatbestand eines Ansuchens einer Stadt mit eigenem Statut (gemäß § 334 Z 5 der GewO) vor, sondern es stellte sich während des Berufungsverfahrens eine über die Sache des erstinstanzlichen Verfahrens hinausgehende Änderung des Verfahrensgegenstandes dar. Eine derartige Situation ist im vorliegenden Fall aber nicht gegeben. Verfahrensgegenstand war stets der Antrag (vom ) auf Gewährung von Asyl, eine durch einen nachträglichen Wechsel in der Person des Asylwerbers herbeigeführte Änderung der "Sache" des Verfahrens besteht im vorliegenden Fall nicht. Eine Vergleichbarkeit des von der belangten Behörde zitierten Falles mit dem vorliegenden ist somit nicht gegeben.

2.6. Auch das in der Gegenschrift erstmals herangezogene Argument, der unabhängige Bundesasylsenat müsse quasi als Erstbehörde erstmals die Normen des Asylgesetzes 1997 bei der Berufungsentscheidung anwenden, vermag nicht zu überzeugen. Die belangte Behörde hat mangels anders lautender gesetzlicher Übergangsbestimmungen das neue Asylgesetz 1997 anzuwenden. Die Besonderheit, daß der unabhängige Bundesasylsenat die erste Behörde ist, die im Verwaltungsverfahren eines Asylwerbers auf Grundlage des AsylG entscheidet, betrifft aber auch alle jene Fälle, die gemäß § 44 Abs. 1 AsylG vom ursprünglich zur Berufungsentscheidung zuständigen Bundesminister für Inneres dem unabhängigen Bundesasylsenat zugeleitet wurden; auch in den vom Verfassungsgerichtshof oder Verwaltungsgerichtshof weitergeleiteten Fällen ist der unabhängige Bundesasylsenat nach dem Willen des Gesetzgebers die erste (und wohl in der Mehrzahl der Fälle die einzige) Behörde, die auf Grundlage des AsylG entscheidet. Eine Rückverweisung der vorliegenden im zeitlichen Geltungsbereich des alten Rechtes anhängig gewordenen Sache an die (nunmehrige oder schon bisher eingeschrittene) Behörde erster Instanz nur deshalb, weil die Berufungsbehörde sonst erstmals auf Grundlage des neuen Gesetzes zu entscheiden hat, ist nicht vorgesehen. Allerdings ist aus dem Blickpunkt der Berufungsbehörde das erstinstanzliche Verfahren am Maßstab des neuen Gesetzes zu messen (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 98/18/0155).

2.7. Die belangte Behörde verkannte somit die Rechtslage, wenn sie davon ausging, der Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich sei allein deshalb zu beheben, weil der Sicherheitsdirektion zwischenzeitig keine Zuständigkeit zur Entscheidung über Asylanträge mehr zukommt. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben.

3. Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.

Wien, am