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VwGH vom 18.04.1990, 90/16/0001

VwGH vom 18.04.1990, 90/16/0001

Betreff

N gegen Finanzlandesdirektion für Steiermark vom , GZ. B 35/7-6/88, betreffend Hausdurchsuchungsbefehl

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Bezüglich des Sachverhaltes und des bisherigen Verfahrensablaufes wird, um Wiederholungen zu vermeiden, auf das die beiden Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens betreffende Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 88/16/0093 verwiesen, mit welchem die Beschwerdeentscheidung der belangten Behörde vom wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben worden war. Der Gerichtshof hatte hierbei für bestimmend erachtet, daß weder der Hausdurchsuchungsbefehl des Zollamtes Graz als Finanzstrafbehörde erster Instanz vom , der sich auf "durchgeführte finanzstrafrechtliche Ermittlungen" bezog, noch der vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtene Bescheid konkrete Feststellungen darüber enthielt, welche Verdachtsmomente gegen die Beschwerdeführerin im Zeitpunkt der Erlassung des Hausdurchsuchungsbefehls vorlagen.

Mit dem nun vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Ersatzbescheid vom gab die belangte Behörde der Administrativbeschwerde neuerlich keine Folge. Zur Begründung führte sie nach Darstellung des Sachverhaltes und Verwaltungsgeschehens, soweit für die Beschwerde von Relevanz, aus, durch die Übergabe des von einem rechtskundigen Beamten des Zollamtes Graz als Finanzstrafbehörde erster Instanz unterfertigten Hausdurchsuchungsbefehls an die Beschwerdeführerin am um 22.45 Uhr sei der Bestimmung des § 93 Abs. 1 FinStrG entsprochen worden. Im gesamten von der Verwaltungsbehörde durchgeführten Verfahren sei unstrittig, daß der Vorstand des Zollamtes Graz als Finanzstrafbehörde erster Instanz nach Beendigung der Dienstzeit nicht mehr erreichbar gewesen sei. Aus diesem Grunde sei die Unterfertigung des Hausdurchsuchungsbefehls durch einen rechtskundigen Beamten der Finanzstrafbehörde erster Instanz zur Nachtzeit erfolgt. Gegenteilige Behauptungen seien von der Beschwerdeführerin nicht vorgebracht worden. Vor Erlassung des Hausdurchsuchungsbefehls sei den Organen der Finanzstrafbehörde erster Instanz folgender Sachverhalt vorgelegen, welcher die Annahme, die Verdachtsgründe iSd des § 93 Abs. 2 FinStrG seien begründet, gerechtfertigt habe: Der türkische Staatsbürger HI habe anläßlich seiner Vernehmung als Beschuldigter am zur Niederschrift erklärt, er sei am mit 38 Teppichen aus der Türkei ausgereist. Für die Durchfuhr der Teppiche durch Bulgarien habe er schriftlich ein Zollverfahren beantragt. Bei der Einreise nach Österreich über das Zollamt X am zwischen 16.30 Uhr und 17.00 Uhr habe er diese Teppiche dem Zollamt nicht erklärt. Von diesen unverzollten Teppichen seien vier Stück an P um 40.500 S verkauft worden. Ein weiterer unverzollter Teppich mit einer Vorratstasche sei an eine Frau D um 7.700 S veräußert worden. Der als Verdächtiger einvernommene AY habe am zur Niederschrift erklärt, er habe gemeinsam mit HI am die österreichische Zollgrenze bei X passiert. HI habe das Fahrzeug gelenkt, in dem sich die Teppiche befunden hätten, und habe erklärt:

"Hoffentlich kommen wir ohne Kontrolle über die Grenze". Anläßlich seiner Einvernahme am habe HI bestritten, vor dem in Österreich Teppiche verkauft zu haben. Diese Behauptung habe durch bei ihm gefundene Aufzeichnungen und durch übereinstimmende Aussagen von Kunden widerlegt werden können. Hiezu habe HL anläßlich ihrer Vernehmung als Verdächtige am zur Niederschrift ausgesagt, sie habe von HI im November oder Dezember 1984 in Leoben beim Hotel K einen Seidenteppich um 18.000 S erworben. Auch BG habe anläßlich ihrer Vernehmung als Verdächtige am zur Niederschrift erklärt, von HI im Jahre 1982 in Leoben einen Wollteppich und im Jahre 1983 zwei Wollteppiche bzw. im Jahre 1984 einen Wollteppich erworben zu haben. Der als Verdächtiger einvernommene JG habe am zur Niederschrift erklärt, vor dem gemeinsam mit seiner Ehefrau vier Teppiche von HI in Leoben gekauft zu haben. Solcherart habe der begründete Verdacht bestanden, daß sämtliche von HI in das österreichische Zollgebiet eingeführte und hier verkaufte Teppiche unter Verletzung der zollrechtlichen Stellungs- und Erklärungspflicht eingebracht worden seien. Die obgenannten Käufer der Teppiche hätten übereinstimmend ausgesagt, sie hätten HI über die Beschwerdeführerin kennengelernt bzw. sei diese mit HI gut bekannt. BG habe gewußt, daß die Beschwerdeführerin ebenfalls von HI Teppiche gekauft habe. Der Lebensgefährte der Beschwerdeführerin, PD habe anläßlich seiner Einvernahme als Verdächtiger am zur Niederschrift erklärt, daß jene Teppiche, "die uns HI geschenkt hat und die sich in der Wohnung der Bf. befinden, vermutlich nicht verzollt sind". Aus diesen Aussagen ergebe sich, daß HI jahrelang Teppiche nach Österreich eingeführt, verkauft und auch verschenkt habe. Die Tatsache, wonach der Genannte

a) am insgesamt 38 Teppiche "unverzollt" über das Zollamt X in das Bundesgebiet eingeführt habe,

b) selbst erklärt habe, seine Kunden wünschten wegen der "hohen Steuer auf Orientteppiche" keine Postzustellung,

c) fälschlich behauptete, vor dem in Österreich keine Teppiche verkauft zu haben, obwohl seine Kunden detailliert Angaben über Teppichkäufe vor dem Jahre 1985 zugegeben hätten, sowie

d) die Aussage des Lebensgefährten der Beschwerdeführerin, er vermute, daß die zwei geschenkten Teppiche, welche sich in der Wohnung der Beschwerdeführerin befänden, vermutlich nicht verzollt seien und schließlich

e) die Tatsache, daß die Beschwerdeführerin die Angaben ihres Lebensgefährten als wahrheitsgetreu bezeichnet und gegen die Richtigkeit nichts eingewendet habe, hätten den konkreten Verdacht begründet, daß mit den bei der Beschwerdeführerin gefundenen und beschlagnahmten zwei Teppichen ein Schmuggel begangen worden sei. Auf Grund der im Zeitpunkt der Erlassung des Hausdurchsuchungsbefehls vorliegenden Tatsachenfeststellungen habe die Wahrscheinlichkeit bestanden, daß HI mit den zwei genannten Teppichen, welche der Beschwerdeführerin und ihrem Lebensgefährten geschenkt worden seien, das vollendete Finanzvergehen des Schmuggels begangen habe. Außerdem sei durch die unwidersprochen gebliebene Aussage des Lebensgefährten der Beschwerdeführerin, der vermute, die Teppiche seien nicht verzollt worden, der Verdacht begründet gewesen, die Beschwerdeführerin habe durch die Annahme der Schenkung zweier Teppiche, hinsichtlich derer von HI ein Schmuggel begangen worden sei, das Finanzvergehen der Abgabenhehlerei nach § 37 Abs. 1 lit. a FinStrG begangen. Es sei daher zwecks Auffindung dieser Tatgegenstände, die voraussichtlich dem Verfall unterlegen seien und die sowohl in den Finanzstrafverfahren gegen HI als auch gegen die Beschwerdeführerin als Beweismittel in Betracht gekommen seien, die Anordnung einer Hausdurchsuchung erforderlich gewesen. Ob die Finanzvergehen bewiesen werden könnten, sei im Zeitpunkt der Erlassung des Hausdurchsuchungsbefehls nicht relevant.

Gegen diese Beschwerdeentscheidung richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides sowie dessen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Der Bundesminister für Finanzen legte die von der belangten Behörde erstattete Gegenschrift vor, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt wird.

Der Gerichtshof hat erwogen:

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich die Beschwerdeführerin durch den angefochtenen Bescheid in ihrem einfachgesetzlich gewährleisteten Recht verletzt, daß ohne gesetzliche Grundlage in ihrem Haus eine Durchsuchung vorgenommen worden sei. In Ausführung des so bezeichneten Beschwerdepunktes trägt sie unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften zunächst vor, sie habe im ersten Rechtsgang vor dem Verwaltungsgerichtshof erstmals behauptet, daß die Verhinderung des Vorstandes des Zollamtes Graz als Finanzstrafbehörde erster Instanz nicht gegeben gewesen sei. Sie habe damit die Annahme dieser Verhinderung ausdrücklich bestritten. Darauf könne die belangte Behörde nun im zweiten Rechtsgang nicht etwa mit dem Hinweis erwidern, diese Verhinderung sei unbestritten, weil dies ja nicht der Fall sei. Die belangte Behörde hätte vielmehr ermitteln müssen, ob diese Verhinderung tatsächlich gegeben gewesen sei. Aber selbst dann, wenn sich - nach einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren - herausgestellt hätte, daß der Vorstand des Zollamtes Graz als Finanzstrafbehörde erster Instanz am um 22.45 Uhr "verhindert" gewesen wäre, hätte dies für den Standpunkt der belangten Behörde noch nichts gebracht. Wie sich aus der Begründung des angefochtenen Bescheides ergebe, habe der gegen die Beschwerdeführerin erhobene Verdacht seit der Beschuldigteneinvernahme vom bestanden. Es wäre daher sowohl am 19. und auch am während der Dienstzeit genug Zeit gewesen, den Vorstand um die Ausstellung des Hausdurchsuchungsbefehls zu ersuchen.

Diesem Vorbringen bleibt es verwehrt, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides zu erweisen.

Gemäß § 93 Abs. 1 erster Satz FinStrG in der Fassung vor der Finanzstrafgesetznovelle 1985, BGBl. Nr. 571, bedurfte die Durchführung einer Hausdurchsuchung eines mit Gründen versehenen schriftlichen Befehles des Vorstandes der Finanzstrafbehörde erster Instanz oder im Falle dessen Verhinderung eines ihr zugewiesenen rechtskundigen Beamten.

Verhinderung als Voraussetzung für den Vertretungsfall ist jede tatsächliche oder rechtliche Unmöglichkeit, die konkrete Aufgabe wahrzunehmen, deren Erfüllung dem Vorstand einer Finanzstrafbehörde erster Instanz nach dem Gesetz oder nach dem Geschäftsverteilungsplan dieser Behörde obliegt. Der Begriff der Verhinderung ist zeitbezogen und aufgabenbezogen zu verstehen. Verhinderungsgründe können vielfältiger Art sein. Der "klassische" Verhinderungsgrund ist die körperliche Abwesenheit: Der Vorstand fehlt im Amt. Ob die Abwesenheit auf Urlaub, Dienstbefreiung, Dienstreise, Krankheit oder anderen Gründen beruht, ist für den Vertretungsfall ohne Bedeutung.

Zweifelhaft kann sein, ob die Verhinderung einer besonderen, förmlichen "Feststellung" bedarf. Das ist nicht nötig (aber selbstverständlich unschädlich und unter Umständen sogar ratsam) in allen Fällen unzweifelhafter, offensichtlicher Verhinderung. Die Verhinderung des Vorstandes einer Finanzstrafbehörde erster Instanz und damit das Vorliegen des Vertretungsfalls sind offensichtlich, wenn der Vorstand nicht im Amt anwesend ist (= nicht erreichbar ist), also in den genannten "klassischen" Fällen der Verhinderung. Die Feststellung der Verhinderung ist an sich formfrei, muß aber zu Beweiszwecken urkundlich festgehalten werden, damit sie nachprüfbar wird. Ein Aktenvermerk iSd § 89 BAO, der gemäß § 56 Abs. 2 FinStrG sinngemäß anzuwenden ist, genügt. Der Nachprüfung des Verwaltungsgerichtshofes unterliegt nur, ob der Rechtsbegriff der Verhinderung bzw. des Vertretungsfalles verkannt wurde.

Nach Ausweis der Akten des Verwaltungsverfahrens hielt Bezirksinspektor Feichtinger in einem Aktenvermerk fest, daß er am um 19.40 Uhr den Vorstand des Zollamtes Graz telefonisch wegen der Ausstellung des streitverfangenen Hausdurchsuchungsbefehls nicht zu erreichen vermochte. Das Verfahren hat keinen Hinweis dafür erbracht, an der Verhinderung des Vorstandes des Zollamtes Graz zu zweifeln. Der Aktenvermerk vom kann als rechtlich genügend nachprüfbare und ausreichende Feststellung der Verhinderung des Vorstandes der Finanzstrafbehörde erster Instanz angesehen werden, zumal der Hausdurchsuchungsbefehl mit dem Zusatz "Für den Vorstand: i.A. Dr. Z OR " unterfertigt wurde.

Gemäß § 93 Abs. 2 FinStrG dürfen Hausdurchsuchungen nur dann vorgenommen werden, wenn begründeter Verdacht besteht, daß sich darin eine eines Finanzvergehens, mit Ausnahme einer Finanzordnungswidrigkeit, verdächtige Person aufhält oder daß sich "daselbst" Gegenstände befinden, die voraussichtlich dem Verfall unterliegen oder die im Finanzstrafverfahren als Beweismittel in Betracht kommen.

Wenn die Beschwerdeführerin, im Einklang mit ihrem Vorbringen im ersten Rechtsgang meint, Begründungsmängel des Hausdurchsuchungsbefehls hinsichtlich des Vorliegens eines "begründeten Verdachts" könnten im Rechtsmittelverfahren nicht saniert werden, so ist ihr zu erwidern, daß der Verwaltungsgerichtshof in seinem obzitierten Erkenntnis vom ausgesprochen hat, ein derartiges, in Ansehung eines Begründungsmangels in Wahrheit als Verfahrensrüge zu qualifizierendes Vorbringen vermöge in Fällen, in welchen die Beschwerdebehörde die fehlende Begründung des vor ihr im administrativen Instanzenzug bekämpften Bescheides durch ihre eigene Begründung ersetzte (§ 161 Abs. 1 FinStrG), nur dann zum Erfolg zu führen, wenn auch der Bescheid der Beschwerdeinstanz mangelhaft geblieben sei.

An diese Rechtsansicht des Verwaltungsgerichtshofes war die belangte Behörde gemäß § 63 Abs. 1 VwGG bei Erlassung des nunmehr angefochtenen Ersatzbescheides ebenso gebunden wie der Verwaltungsgerichtshof selbst. Daher kann der Verwaltungsgerichtshof, wenn eine Bindung an eine bestimmte Rechtsanschauung durch ein aufhebendes Erkenntnis bereits eingetreten ist, in dem betreffenden Fall von seiner Rechtsanschauung nicht abgehen (vgl. VwSlg. 5749/A und VwSlg. 3836/F).

Die Beschwerdeführerin vermochte somit keine Rechtswidrigkeit aufzuzeigen, die eine Aufhebung des angefochtenen Bescheides rechtfertigen könnte. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Anspruch auf Ersatz des Aufwandes gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundesministers für Gesundheit und öffentlicher Dienst vom , BGBl. Nr. 206.