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VwGH 23.11.1992, 90/15/0185

VwGH 23.11.1992, 90/15/0185

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssätze


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Norm
RS 1
Wenn auch das Wiener Verfahren 1972 keine Bindungwirkung entfaltet, bietet es doch eine zur Wertermittlung gem § 13 Abs 2 BewG geeignete Schätzungsmethode (Hinweis E , 85/15/0131).
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie VwGH E 1990/08/27 89/15/0124 3
Norm
RS 2
Die dem Bereich der Sachverhaltsermittlung zuzuordnende Schätzung des gemeinen Wertes von Gesellschaftsanteilen nach § 13 Abs 2 BewG soll zu einem möglichst wirklichkeitsnahen Ergebnis führen, wobei es aber im Wesen der Schätzung liegt, daß die auf diese Weise zu ermittelnden Besteuerungsgrundlagen nur einen mehr oder weniger großen Genauigkeitsgrad aufweisen.
Norm
RS 3
Für einen potentiellen Erwerber eines Unternehmens ist der Ertragswert zumindest ebenso bedeutsam wie der Vermögenswert, weswegen unter den Umständen des Beschwerdefalles kein Abschlag vom Mittelwert erforderlich war. Es tritt ein wertsteigernder Effekt ein, wenn im Unternehmen erwirtschaftete Gewinne dortselbst verbleiben.

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden SenatspräsidentDr. Simon und die Hofräte Dr. Wetzel, Dr. Karger, Dr. Steiner und Dr. Mizner als Richter, im Beisein des Schriftführers Oberkommissär Mag. Wochner, über die Beschwerde der F-GmbH in W, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , Zl GA 8-1056-1990, betreffend Feststellung des gemeinen Wertes von Gesellschaftsanteilen zum , zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Das Finanzamt setzte den gemeinen Wert der Anteile an der Beschwerdeführerin zum Stichtag mit S 373,-- für je S 100,-- des Stammkapitals fest. Dies erfolgte auf der Grundlage des § 13 Abs 2 zweiter Satz BewG durch Schätzung des gemeinen Wertes der Anteile unter Berücksichtigung des Gesamtvermögens und der Ertragsaussichten der beschwerdeführenden Gesellschaft nach den Richtlinien des sogenannten "Neuen Wiener Verfahrens" (Erlaß des BM für Finanzen vom , AÖFV Nr. 172/73; berichtigt AÖFV Nr. 219/73). Der Vermögenswert wurde aus dem Einheitswert des Betriebsvermögens zum (von S 777.000,--) unter Abrechnung der Garantierückstellungen und der Abfertigungsrücklage (von zusammen 1,211.100,--) abgeleitet und mit minus S 17,-- je S 100,-- des Nennkapitals angesetzt. Der Ertragswert wurde aus den berichtigten Gewinnen der Wirtschaftsjahre 1986 bis 1988 (von S 474.908,--, S 1,945.017,-- und S 3,139.560) unter Gewährung eines Abschlags von 15 % mit S 763,-- für je S 100,-- des Nennkapitals ermittelt. Das arithmetische Mittel von minus S 17,-- und S 763,-- ergab den als gemeinen Wert für je S 100,-- des Nennkapitals festgestellten Wert von S 373,--.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung brachte die Beschwerdeführerin im wesentlichen vor, ihre Ertragslage habe sich in den für den Ertragswert herangezogenen drei Wirtschaftsjahren zwar bedeutend verbessert, es sei aber noch immer eine Überschuldung zum letzten Bilanzstichtag von S 3,668.902,10 gegeben. Da kaum stille Reserven im Anlagevermögen vorhanden seien, seien die Gesellschaftsanteile wegen der gegebenen Abfertigungsverpflichtungen und Gewährleistungsansprüche kaum veräußerbar. Angesichts der starken Abweichung des Ertragswertes vom Vermögenswert liege eine "Besonderheit des Einzelfalles" vor, der im Sinne des Punktes 13. des zitierten Erlasses durch eine Korrektur des Mittelwertes in Form von Abschlägen Rechnung getragen werden müsse. Als "Kompromiß" schlug die Beschwerdeführerin vor, aus der Summe der adaptierten Jahresgewinnsummen den Überschuldungsbetrag abzuziehen, was zu einem Ertragswert von S 260,-- und zu einem gemeinen Wert von S 122,-- (statt S 373,--) je S 100,-- des Nennkapitals führe.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen. Dies im wesentlichen mit der Begründung, die zitierte Erlaßstelle sehe bei starker Abweichung des Ertragswertes vom Vermögenswert nicht nur Abschläge, sondern auch Zuschläge vor. Da bei einer allfälligen Unternehmensveräußerung der Ertragswert für einen wirtschaftlich denkenden Investor bedeutsamer sei als der Vermögenswert, käme eher eine Korrektur des Mittelwertes durch einen Zuschlag, nicht aber ein Abschlag in Betracht.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 13 Abs 2 BewG ist für Aktien, für Anteile an Gesellschaften mit beschränkter Haftung und für Genußscheine, soweit sie im Inland keinen Kurswert haben, der gemeine Wert (§ 10) maßgebend. Läßt sich der gemeine Wert aus Verkäufen nicht ableiten, so ist er unter Berücksichtigung des Gesamtvermögens und der Ertragsaussichten der Gesellschaft zu schätzen.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 90/15/0156, und die dort zitierte Vorjudikatur), auf die gemäß § 43 Abs 2 VwGG verwiesen wird, ist das sogenannte "Neue Wiener Verfahren" ebenso wie das vorher angewendete sogenannte "Wiener Verfahren" ungeachtet seines fehlenden normativen Gehaltes eine zwar nicht verbindliche, aber doch geeignete Grundlage für eine Schätzung nach dem zweiten Satz der vorstehend wiedergegebenen Gesetzesstelle. Auch die Beschwerdeführerin stützt sich auf diesen Erlaß und meint im Sinne ihres Vorbringens im Verwaltungsverfahren, die starke Abweichung des Ertragswertes vom Vermögenswert stelle eine "Besonderheit des Falles" dar, der durch eine Korrektur des Mittelwertes in Form eines Abschlages Rechnung getragen werden müsse.

Die dem Bereich der Sachverhaltsermittlung zuzuordnende Schätzung des gemeinen Wertes von Gesellschaftsanteilen nach § 13 Abs 2 BewG soll zu einem möglichst wirklichkeitsnahen Ergebnis führen, wobei es aber im Wesen der Schätzung liegt, daß die auf diese Weise zu ermittelnden Besteuerungsgrundlagen nur einen mehr oder weniger großen Genauigkeitsgrad ausweisen.

Das im angefochtenen Bescheid von der belangten Behörde ins Treffen geführte Argument, der Ertragswert eines Unternehmens sei für einen potentiellen Erwerber zumindest ebenso bedeutsam wie der Vermögenswert des Unternehmens, weswegen unter den Umständen des Beschwerdefalles kein Abschlag vom Mittelwert erforderlich sei, ist schlüssig und mit den Lebenserfahrungen im Einklang. Die Schätzung hält daher auch der Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof stand, zumal dem Argument der Beschwerdeführerin, die maßgebenden Erträge hätten auch im Vermögenswert ihren Niederschlag gefunden, sodaß derselbe Wertfaktor unzulässigerweise doppelt herangezogen worden sei, entgegenzuhalten ist, daß in der Tat ein wertsteigernder Effekt eintritt, wenn im Unternehmen erwirtschaftete Gewinne dortselbst verbleiben und nicht, wie dies ebenfalls grundsätzlich möglich ist, daraus entnommen werden.

Dem weiteren Beschwerdevorbringen über das Vorliegen einer ATYPISCHEN ENTWICKLUNG vor dem Feststellungsstichtag, für welches sowohl Erfolge länger zurückliegender Wirtschaftsjahre als auch von Wirtschaftsjahren nach dem genannten Stichtag ins Treffen geführt werden, ist entgegenzuhalten, daß die Erfolge der länger zurückliegenden Wirtschaftsjahre für die Prognose auf den nachhaltig erzielbaren Ertrag von geringerer Bedeutung sind als die Erfolge der unmittelbar vor dem Stichtag gelegenen Wirtschaftsjahre und daß die belangte Behörde auf die in der Beschwerde angeführten Erfolge der dem Stichtag nachfolgenden Wirtschaftsjahre schon deswegen nicht Bedacht nehmen konnte, weil ihr diese Erfolge nach der Aktenlage vor Erlassung des angefochtenen Bescheides noch nicht bekannt waren. Das Beschwerdevorbringen betreffend die angeblich mit der hohen Fremdkapitalausstattung verbundenen tatsächlichen Folgen, die mangelnde Liquidität des Unternehmens, die Standortnachteile, die Marktsituation und betreffend Strukturprobleme unterliegt dagegen dem im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltenden Neuerungsverbot.

Gemessen an dem Vorbringen der Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren ist der belangten Behörde auch kein Verfahrensfehler - insbesondere eine Verletzung des Parteiengehörs - anzulasten. Die Beschwerde mußte somit gemäß § 42 Abs 1 VwGG als unbegründet abgewiesen werden.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl Nr 104/1991.

Zusatzinformationen


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Norm
ECLI
ECLI:AT:VWGH:1992:1990150185.X00
Datenquelle

Fundstelle(n):
DAAAE-52823