VwGH vom 16.12.1991, 90/15/0181
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Simon und die Hofräte Dr. Wetzel, Dr. Steiner, Dr. Mizner und Dr. Fellner als Richter, im Beisein des Schriftführers Kommissär Dr. Lebloch, über die Beschwerde des Vereines "X" in Y, vertreten durch Dr. B, Rechtsanwältin in I, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Tirol (Berufungssenat I) vom , Zl. 30.671-3/90, betreffend Umsatzsteuer 1982 bis 1986, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Zweck des beschwerdeführenden Vereines ist nach § 2 seiner Satzung die Pflege von geselligen Zusammenkünften und die Pflege des Brauchtums (Tiroler Abende, Schuhplatteln, Volksmusik). Nach den Ergebnissen einer die Besteuerungsgrundlagen der Jahre 1982 bis 1984 betreffenden abgabenbehördlichen Prüfung erzielte der Verein aus Auftritten bei Folkloreveranstalungen in Gastronomiebetrieben und Verkäufen von bespielten Tonbandkassetten folgende Bruttoerlöse: 1982 S 195.000,--, 1983 S 273.500,--, 1984 S 364.500,--. Die erwähnten Veranstaltungen fanden während der Fremdenverkehrssaison drei- bis viermal wöchentlich, insgesamt im Jahr 1982 47mal, 1983 55mal und 1984 72mal statt. Den vom Verein vorgelegten Gewinnermittlungen zufolge erzielte dieser im Prüfungszeitraum folgende Gewinne: 1982 S 87.221,63, 1983 S 88.366,29 und 1984 S 140.986,10. In Rechnungen, die der Verein einem Fremdenverkehrsunternehmen für "Tiroler Abend-Auftritte" legte, ist Umsatzsteuer mit dem Normalsteuersatz gesondert ausgewiesen.
Der Prüfer vertrat die Auffassung, die Auftritte in Gastronomiebetrieben und die Veräußerung von Musikkassetten stelle einen schädlichen Geschäftsbetrieb im Sinne des § 45 Abs. 3 BAO dar. Es seien daher die Erlöse aus den Kassettenverkäufen dem Normalsteuersatz, die Auftrittshonorare hingegen dem begünstigten Steuersatz zu unterziehen; soweit Umsatzsteuer in Rechnungen mit dem Normalsteuersatz ausgewiesen sei, werde dieser auf Grund der Rechnungsausstellung geschuldet.
Das Jahr 1985 betreffend ermittelte der Betriebsprüfer die dem begünstigten Steuersatz zu unterziehenden Bruttoerlöse aus den Aufzeichnungen des Vereines mit S 107.000,--. Der Beschwerdeführer unterließ es trotz Aufforderung, das Jahr 1986 betreffende Abgabenerklärungen vorzulegen; das Finanzamt ermittelte daraufhin die Bemessungsgrundlage der Umsatzsteuer für das Jahr 1986 im Schätzungsweg.
Das Finanzamt erließ der wiedergegebenen Auffassung des Prüfers folgende Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 1982 bis 1986.
In den dagegen erhobenen Berufungen brachte der Beschwerdeführer - sinngemäß und zusammengefaßt - folgendes vor: Ein Großteil der mit der Tätigkeit des Vereines verbundenen Kosten werde von den Mitgliedern auf eigene Rechnung getragen, insbesondere die Kosten der Trachten und der Musikinstrumente. Die Vereinsmitglieder würden unentgeltlich für den Verein tätig. Es würden weder regelmäßige Gewinne noch Zufallsgewinne erwirtschaftet; es liege auch keine Gewinnerzielungsabsicht vor. Der Verein habe nie Rechnungen ausgestellt; diese seien vielmehr vom Veranstalter ausgestellt. Die Kassierin des Vereines habe die Rechnungen unterfertigt, ohne daß ihr bewußt gewesen wäre, daß Umsatzsteuer gesondert ausgewiesen sei und der Verein als Rechnungsaussteller gelten könnte. Der Verein sei in der Brauchtumspflege und somit gemeinnützig tätig.
Der Beschwerdeführer beantragte weiters beim Bundesminister für Finanzen die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung gemäß § 44 Abs. 2 BAO. Diesen Antrag wies der Bundesminister für Finanzen mit Bescheid vom ab.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Nach Darlegung des oben wiedergegebenen Sachverhaltes und der Rechtslage führte die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides im wesentlichen aus, das Berufungsvorbringen, daß der Beschwerdeführer gemeinnützig auf dem Gebiet der Brauchtumspflege tätig sei, könne schon deshalb nicht zum Erfolg führen, weil das Umsatzsteuergesetz (abgesehen von der hier nicht relevanten Sonderbestimmung für Sportvereine) keine Befreiungsbestimmungen für gemeinnützige Vereine enthalte. Da der Beschwerdeführer selbst für drei aufeinanderfolgende Jahre Gewinne ausgewiesen habe und kein Hinweis dafür vorliege, daß sich die Verhältnisse in den Folgejahren geändert hätten, sei davon auszugehen, daß die Tätigkeit auf Dauer gesehen Gewinne erwarten lasse. Von Vereinsmitgliedern unentgeltlich für den Verein erbrachte Leistungen minderten nicht dessen Gewinn. Auch § 2 Abs. 5 Z. 2 UStG stehe der Umsatzsteuerpflicht im vorliegenden Fall nicht entgegen. Für den Teil des Entgeltes, für den Rechnungen im Sinne des § 11 Abs. 1 UStG vorlägen, sei auch Umsatzsteuerpflicht nach § 11 Abs. 14 UStG gegeben. Der Leistungsempfänger habe Belege (Gutschriften) ausgestellt, die die Rechnungsmerkmale des § 11 Abs. 1 UStG aufwiesen. Die Belege seien an die Kassierin des Vereines weitergeleitet worden, deren Befugnis zur Entgegennahme und Zeichnung solcher Belege nicht strittig sei. Die Kassierin habe die Belege unterschrieben und nicht Widerspruch erhoben. Daraus sei abzuleiten, daß zwischen den Parteien Einverständnis über die Abrechnung durch Gutschrift bestanden habe. Es seien daher die Voraussetzungen der Steuerschuld nach § 11 Abs. 14 UStG gegeben.
Die Beschwerde macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Umsatzsteuer unterliegen gemäß § 1 Abs. 1 Z. 1 UStG alle Lieferungen und sonstigen Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt. Im Beschwerdefall ist somit zunächst zu untersuchen, ob dem Beschwerdeführer im vorliegenden Zusammenhang die Unternehmereigenschaft zukommt. Dabei ist zu beachten, daß den Vereinen Unternehmereigenschaft nur für ihren betrieblichen Bereich zukommt; der betriebliche (unternehmerische) Bereich eines Vereines umfaßt alle im Rahmen eines Leistungsaustausches nachhaltig ausgeübten Tätigkeiten, während der außerbetriebliche (nicht unternehmerische) Bereich eines Vereines alle jene Tätigkeiten umfaßt, die ein Verein in Erfüllung seiner satzungsgemäßen Gemeinschaftsaufgaben zur Wahrnehmung der Gesamtbelange seiner Mitglieder bewirkt (vgl. Kohler-Quantschnigg-Wiesner, Besteuerung der Vereine4 179). Regelmäßig stattfindende entgeltliche Auftritte eines Trachtenvereines im Rahmen von "Tiroler-Abenden" in Fremdenverkehrsbetrieben (und somit zu Zwecken der Unterhaltung bei fremden geselligen Veranstaltungen) stellen - ebenso wie die Veräußerung bespielter Tonbandkassetten - eine im Rahmen eines Leistungsaustausches nachhaltig ausgeübte Tätigkeit dar (vgl. Kohler-Quantschnigg-Wiesner, aaO 155 f); die Unternehmereigenschaft des Beschwerdeführers ist somit insoweit zu bejahen.
Der Beschwerdeführer bestreitet seine Umsatzsteuerpflicht - insbesondere unter Hinweis darauf, daß die Mitglieder des Vereines aus dessen Tätigkeit keinen wirtschaftlichen Nutzen zögen - mit der Begründung, es liege Gemeinnützigkeit im Sinne des § 34 BAO vor. Die Frage nach der Gemeinnützigkeit kann im Beschwerdefall jedoch auf sich beruhen. Der Beschwerdeführer verkennt nämlich, daß selbst bei Zutreffen der in den §§ 34 ff BAO normierten Voraussetzungen eine Betätigung für gemeinnützige Zwecke grundsätzlich nicht zur Umsatzsteuerfreiheit der Umsätze des gemeinnützigen Vereines aus einer unternehmerischen Tätigkeit führt. Eine solche, im übrigen nur die Umsätze im Rahmen eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebes nach § 45 Abs. 1 und 2 BAO betreffende (unechte) Befreiung der Umsätze von gemeinnützigen Vereinigungen sieht § 6 Z. 15 UStG lediglich für solche Vereinigungen vor, deren satzungsgemäßer Zweck die Ausübung oder Förderung des Körpersports ist; dies trifft auf den Beschwerdeführer nicht zu. Eine Befreiung der im unternehmerischen Bereich erzielten Umsätze des Beschwerdeführers kam somit nicht in Betracht.
Soweit der Beschwerdeführer seine Auffassung über den Entfall der Umsatzsteuerpflicht auf das Vorliegen eines unentbehrlichen Hilfsbetriebes im Sinne des § 45 Abs. 2 BAO stützt, ist ihm zu erwidern, daß Umsätze im Rahmen eines unentbehrlichen Hilfsbetriebes im Sinne der zuletzt zitierten Vorschrift im allgemeinen (ausgenommen den oben erwähnten Fall des § 6 Z. 15 UStG 1972) nicht von der Umsatzsteuer befreit sind (vgl. Kohler-Quantschnigg-Wiesner, aaO 89). § 10 Abs. 2 Z. 12 UStG unterwirft die Leistungen von (unter anderem) Körperschaften im Sinne der §§ 34 bis 38 BAO - soweit diese nicht unter § 6 Z. 15 UStG fallen - dem begünstigten Steuersatz, soweit es sich nicht um Leistungen im Sinne des zweiten Satzes der erstzitierten Vorschrift (Leistungen im Rahmen eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes, eines Gewerbebetriebes oder eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebes im Sinne des § 45 Abs. 3 BAO u.a.) handelt. Leistungen im Rahmen eines unentbehrlichen Hilfsbetriebes (§ 45 Abs. 2 BAO) eines gemeinnützigen Vereines unterliegen somit dem begünstigten Steuersatz. Die belangte Behörde hat die Umsätze aufgrund von Auftritten des Vereines, soweit nicht Steuerpflicht im Sinne des § 11 Abs. 12 UStG auf Grund des Steuerausweises in Rechnungen gegeben war, dem begünstigten Steuersatz nach § 10 Abs. 2 Z. 12 UStG unterzogen. Mit der Behauptung, es liege ein unentbehrlicher Hilfsbetrieb im Sinne des § 45 Abs. 2 BAO vor, zeigt der Beschwerdeführer somit keine zu seinem Nachteil unterlaufene Rechtswidrigkeit auf. Es erübrigt sich daher auch eine Auseinandersetzung mit der Frage, ob im Beschwerdefall ein entbehrlicher Hilfsbetrieb (§ 45 Abs. 1 BAO), ein unentbehrlicher Hilfsbetrieb (§ 45 Abs. 2 BAO) oder ein begünstigungsschädlicher Geschäftsbetrieb (§ 45 Abs. 3 BAO) vorliegt.
Auf die bereits erwähnte Steuerschuld auf Grund des gesonderten Steuerausweises in Rechnungen im Sinne des § 11 Abs. 12 UStG nimmt die Beschwerde lediglich in Form der Behauptung Bezug, der Verein habe niemals Umsatzsteuer in Rechnung gestellt. Diese Behauptung, die auf die vorliegenden Beweisergebnisse in keiner Weise eingeht, bietet jedoch keinen Anlaß zu Bedenken gegen die Sachverhaltsannahme der belangten Behörde, der Beschwerdeführer habe in Rechnungen Umsatzsteuer mit dem Normalsteuersatz ausgewiesen, die sich auf die im Akt erliegenden, Umsatzsteuer ausweisenden Rechnungen des Beschwerdeführers stützen kann.
Der Beschwerdeführer vertritt schließlich unter Hinweis auf § 2 Abs. 5 Z. 2 UStG 1972 die Auffassung, seine Tätigkeit sei "Liebhaberei im wörtlichen Sinn als auch nach den gesetzlichen Bestimmungen, weil die Mitglieder selbstlos, uneigennützig und ausschließlich unter Beteiligung von eigenen Kosten zur Förderung des Brauchtums zur Verfügung stehen".
Damit verkennt der Beschwerdeführer den Inhalt des Begriffes "Liebhaberei". Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 2 Abs. 5 Z. 2 UStG in der Fassung des Abgabenänderungsgesetzes 1983 wird im Einzelfall eine Tätigkeit im Sinne der zitierten Vorschrift anzunehmen sein, wenn unter Bedachtnahme auf den Betriebsgegenstand und die Art der Betriebsführung Gewinne bzw. Einnahmenüberschüsse überhaupt nicht erwirtschaftet werden können. Das bedeutet, daß eine Person nicht Unternehmer im Sinne des Umsatzsteuergesetzes unabhängig davon ist, ob sie die Erzielung eines Gewinnes anstrebt, wenn ihre Tätigkeit auf Dauer gesehen und unter Anwendung objektiver Kriterien Gewinne oder Einnahmenüberschüsse nicht erwarten läßt (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , Slg. 6168/F, vom , Zl. 86/15/0105, und vom heutigen Tag, Zl. 90/15/0067). Es kommt im vorliegenden Zusammenhang somit darauf an, ob die wirtschaftliche Tätigkeit des Vereines auf Dauer gesehen objektiv ertragsfähig ist. Davon ausgehend ist für die Beurteilung, ob eine "Liebhabereitätigkeit" des Vereines vorliegt, nicht von Bedeutung, ob dessen Mitglieder ihrerseits einen wirtschaftlichen Nutzen aus ihrer Tätigkeit für den Verein anstreben bzw. erzielen. Die Annahme der objektiven Ertragsfähigkeit der Tätigkeit des Beschwerdeführers durch die belangte Behörde ist im Beschwerdefall schon deshalb nicht rechtswidrig, weil der Beschwerdeführer im Prüfungszeitraum durchwegs erhebliche Gewinne (mit steigender Tendenz) ausgewiesen hat; auch Anhaltspunkte für eine Verwendung dieser Mittel ausschließlich zur Zweckverwirklichung liegen nicht vor. Im übrigen ist der Beschwerdeführer darauf zu verweisen, daß § 2 Abs. 5 Z. 2 UStG erst durch das Abgabenänderungsgesetz 1983, BGBl. Nr. 587, eingeführt wurde und am in Kraft getreten ist. Die Vorschrift ist daher erst ab dem Veranlagungsjahr 1984 anzuwenden. Nach der bis geltenden Regelung war auch bei Vorliegen von "Liebhaberei" Umsatzsteuer zu entrichten; gemäß § 12 Abs. 2 Z. 2 lit. b UStG war in solchen Fällen lediglich der Vorsteuerabzug ausgeschlossen (vgl. das Erkenntnis vom heutigen Tag Zl. 90/15/0067, und die dort zitierte Vorjudikatur).
Die behauptete inhaltliche Rechtswidrigkeit liegt somit nicht vor.
Die Beschwerde macht zwar der Erklärung nach auch Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend, führt diesen Beschwerdegrund jedoch nicht aus. Den Akten des Abgabenverfahrens sind auch keine von Amts wegen wahrzunehmenden Verfahrensmängel zu entnehmen.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.