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VwGH vom 24.09.1999, 98/19/0294

VwGH vom 24.09.1999, 98/19/0294

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):

98/19/0295

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Zens, Dr. Bayjones, Dr. Schick und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zeller, über die Beschwerden 1.) der 1974 geborenen AM und 2.) der 1945 geborenen AM, beide in Deutschland, beide vertreten durch Dr. J, Mag. R und Dr. S, Rechtsanwälte in Wien, gegen die Bescheide des Bundesministers für Inneres je vom , Zlen. 1.) 308.970/2-III/11/98 und

2.) 308.969/2-III/11/98, jeweils betreffend Niederlassungsbewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat den Beschwerdeführerinnen Aufwendungen in der Höhe von jeweils S 13.750,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Die Beschwerdeführerinnen beantragten mit am beim Österreichischen Generalkonsulat in München eingelangten Eingaben die erstmalige Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung. Diese Anträge langten am beim Landeshauptmann von Wien ein. Die Beschwerdeführerinnen gaben an, in Deutschland aufhältig zu sein. Als zur Sicherung ihres Unterhaltes zur Verfügung stehende Mittel berief sich die Erstbeschwerdeführerin auf den Bezug einer ASVG-Waisenpension, die Zweitbeschwerdeführerin auf jenen einer ASVG-Witwenpension. Dem Antrag der Erstbeschwerdeführerin war eine Bestätigung der Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter über den Bezug einer Waisenpension in der Höhe von S 1.575,20 (ab ), dem Antrag der Zweitbeschwerdeführerin eine solche über den Bezug einer Witwenpension (ab ) in der Höhe von S 3.938,90 angeschlossen. Der Landeshauptmann von Wien wies diese Anträge mit Bescheiden vom gemäß § 10 Abs. 2 Z. 1 des Fremdengesetzes 1997 (FrG 1997) "mangels fehlender ausreichender eigener Mittel" ab.

Die Beschwerdeführerinnen erhoben Berufung, verwiesen auf den Bezug ihrer Pensionen und erklärten weiters, der Bruder der Erstbeschwerdeführerin und Sohn der Zweitbeschwerdeführerin habe sich verpflichtet, zum monatlichen Lebensunterhalt der Beschwerdeführerinnen DM 1.000,-- beizutragen.

Mit den angefochtenen Bescheiden des Bundesministers für Inneres vom wurden diese Berufungen gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 10 Abs. 2 Z. 2 FrG 1997 abgewiesen.

Begründend führte die belangte Behörde in den angefochtenen Bescheiden im Wesentlichen gleich lautend aus, gemäß § 10 Abs. 2 Z. 2 FrG 1997 könne die Erteilung eines Einreise- oder Aufenthaltstitels wegen Gefährdung öffentlicher Interessen insbesondere versagt werden, wenn der Aufenthalt des Fremden zu einer finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen könnte, es sei denn, diese Belastung ergebe sich aus der Erfüllung eines gesetzlichen Anspruches. Die von den Beschwerdeführerinnen bezogenen Pensionen in der Höhe von S 1.575,20 bzw. von S 3.938,90 lägen unter dem Wiener Sozialhilferichtsatz. Es sei daher zu befürchten, dass es durch den Aufenthalt der Beschwerdeführer zu einer finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft kommen könne. Insoweit sich die Beschwerdeführerinnen auf die Verpflichtung ihres Bruders bzw. Sohnes berufen, sei ihnen § 10 Abs. 3 FrG 1997 entgegenzuhalten, wonach die Erteilung einer Niederlassungsbewilligung auf Grundlage einer Verpflichtungserklärung unzulässig sei. Schließlich legte die belangte Behörde ausführlich dar, weshalb die ihres Erachtens gebotene Abwägung gemäß § 8 Abs. 3 FrG 1997 zu Lasten der Beschwerdeführerinnen ausfalle, sowie jene Gründe, aus denen die Versagung der Bewilligung mit Art. 8 MRK im Einklang stehe.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die wegen ihres persönlichen, sachlichen und rechtlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbundenen Beschwerden erwogen:

§ 10 Abs. 2 Z. 2 FrG 1997 lautet:

"§ 10. ...

(2) Die Erteilung eines Einreise- oder Aufenthaltstitels kann wegen Gefährdung öffentlicher Interessen (§ 8 Abs. 3 Z. 2) insbesondere versagt werden, wenn

...

2. der Aufenthalt des Fremden zu einer finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen könnte, es sei denn, diese Belastung ergebe sich aus der Erfüllung eines gesetzlichen Anspruches; ..."

§ 292 Abs. 1 und § 293 Abs. 1 ASVG lauten (auszugsweise):

"§ 292. (1) Erreicht die Pension zuzüglich eines aus übrigen Einkünften des Pensionsberechtigten erwachsenden Nettoeinkommens und der gemäß § 294 zu berücksichtigenden Beträge nicht die Höhe des für ihn geltenden Richtsatzes (§ 293), so hat der Pensionsberechtigte, solange er seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat, nach Maßgabe der Bestimmungen dieses Abschnittes Anspruch auf eine Ausgleichszulage zur Pension. ...

§ 293. (1) Der Richtsatz beträgt unbeschadet der Bestimmungen des Abs. 2

...

b) für Pensionsberechtigte auf Witwen (Witwer)pension 7.500 S

c) für Pensionsberechtigte auf Waisenpension:

...

bb) nach Vollendung des 24. Lebensjahres 4.976 S,

falls beide Elternteile verstorben sind 7.500 S

§ 1 Abs. 1 der Verordnung der Wiener Landesregierung betreffend die Festsetzung der Richtsätze in der Sozialhilfe, LGBl. Nr. 13/1973 in der im Jahr 1998 gültigen Fassung der Verordnung LGBl. Nr. 44/1997, lautete:

"§ 1. (1) Die Richtsätze für Geldleistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes werden mit folgenden monatlichen Beträgen festgesetzt:

...

2. für den Hauptunterstützten .................... 4.822 S

..."

Zutreffend rügen die Beschwerdeführerinnnen, dass es die belangte Behörde unterlassen habe, sich mit der Frage auseinander zu setzen, ob sie im Falle ihrer dauernden Niederlassung im Bundesgebiet neben ihrer Waisen-, bzw. Witwenpension gemäß § 292 Abs. 1 ASVG eine Ausgleichszulage beziehen würden. Die Beschwerdeführerinnen haben den Bezug einer Waisen- bzw. Witwenpension nachgewiesen. Gemäß § 292 Abs. 1 ASVG steht einem Pensionsberechtigten, solange er sich im Inland aufhält, eine Ausgleichszulage zur Pension zu, sofern diese zuzüglich eines aus übrigen Einkünften des Pensionsberechtigten erwachsenden Nettoeinkommens und der gemäß § 294 ASVG zu berücksichtigten Beträge nicht die Höhe des für ihn geltenden Richtsatzes (§ 293 ASVG) erreicht. Gemäß § 296 Abs. 1 ASVG gebührt die Ausgleichszulage in Höhe des Unterschiedes zwischen der Summe aus Pension, Nettoeinkommen und den gemäß § 294 ASVG zu berücksichtigenden Beträgen einerseits und dem Richtsatz (§ 293 ASVG) andererseits. Ein allfälliger Anspruch auf Ausgleichszulage ist bei der Prüfung der Frage, ob der Unterhalt eines Fremden gesichert ist, zu berücksichtigen. Der Fremde hat, wenn er sich im Inland aufhält, einen Rechtsanspruch auf diese Leistung (vgl. hiezu das zur Versagung einer Bewilligung gemäß § 5 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes ergangene hg. Erkenntnis vom , Zl. 95/19/0456).

Insoweit dem angefochtenen Bescheid die Mutmaßung zugrundeliegt, es sei vom Aufenthalt der Beschwerdeführerinnen eine Belastung des Sozialhilfeträgers zu befürchten, ist diese Argumentation nicht unmittelbar einsichtig, liegt doch der Sozialhilferichtsatz für den Hauptunterstützten unter den für die Beschwerdeführerinnen gemäß § 293 Abs. 1 lit. b bzw. lit. c sublit. bb erster Fall ASVG festgelegten Mindestleistungen der Pensionsversicherung.

Die aus der Leistung der Pension zuzüglich der Ausgleichszulage resultierende finanzielle Belastung selbst kann aber schon deshalb den Tatbestand des § 10 Abs. 2 Z. 2 FrG 1997 nicht erfüllen, weil den Beschwerdeführerinnen - wie oben angeführt - im Falle einer dauernden Niederlassung im Bundesgebiet ein gesetzlicher Anspruch darauf zustünde (vgl. den zweiten Halbsatz leg. cit.).

Im Übrigen lassen die angefochtenen Bescheide nicht erkennen, welche sonstigen Belastungen von Gebietskörperschaften konkret vom Aufenthalt der Beschwerdeführerinnen im Inland ausgehen könnten.

Die diesbezügliche Annahme der belangten Behörde entbehrt daher einer nachvollziehbaren Begründung.

Aus diesen Erwägungen waren die angefochtenen Bescheide gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich im Rahmen des geltend gemachten Begehrens auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Neben dem Pauschalbetrag für den Ersatz des Schriftsatzaufwandes können Kosten aus dem Titel der Umsatzsteuer nicht zuerkannt

werden (vgl. die bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, Seite 687 wiedergegebene Judikatur).

Wien, am