VwGH vom 04.11.1998, 96/13/0095
Beachte
Serie (erledigt im gleichen Sinn):
96/13/0096 E
96/13/0118 E
96/13/0097 E
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Fellner, Dr. Hargassner, Mag. Heinzl und Dr. Fuchs als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Repa, über die Beschwerde der R-Genossenschaft mbH in L, vertreten durch Dr. Mag. Ilse Korenjak, Rechtsanwältin in Wien I, Fichtegasse 2 a, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland (Berufungssenat IV) vom , Zl GA 11-95/2216/04, betreffend Umsatzsteuer 1994, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin erhob gegen den erklärungsgemäß ergangenen Umsatzsteuerbescheid 1994 Berufung mit der Begründung, auf Grund einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes (, Rs 222/81) seien Verzugszinsen als Schadenersatz und somit bei der Umsatzsteuer nicht steuerbar anzusehen. Die Beschwerdeführerin vertrat die Ansicht, daß "Urteile des genannten Gerichtshofes" nicht erst ab dem per Jänner 1995 erfolgten Beitritt Österreichs zur Europäischen Union, sondern bereits anläßlich des per Jahresbeginn 1994 erfolgten Beitritts zum Europäischen Wirtschaftsraum zu beachten seien. Es wurde daher beantragt, näher angegebene Beträge - welche vereinbarte Verzugszinsen betroffen hätten - aus der Bemessungsgrundlage der Umsatzsteuer auszuscheiden.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung ab. Dies im wesentlichen mit der Begründung, daß das Umsatzsteuergesetz 1994 mit Wirksamkeit des Beitrittes Österreichs zur Europäischen Union, also mit , in Kraft getreten sei. Die durch dieses Gesetz bewirkte Harmonisierung der Rechtsvorschriften des EU-Binnenmarktes habe, wie aus § 28 Abs. 1 leg. cit. hervorgehe, erst mit dem Beitritt Österreichs zur EU Bedeutung. Die in den verschiedenen Richtlinien in Ausfüllung der Art. 8 a und 198 EWG-Vertrag vorgesehenen Bestimmungen u.a. im Bereich des Umsatzsteuerrechtes seien also erst ab diesem Ereignis maßgebend. Für den nationalen Gesetzgeber bestehe die Verpflichtung, Richtlinien inhaltlich übereinstimmend in nationales Gesetzesrecht umzusetzen. Gerichte und Verwaltung hätten die Gesetze richtlinienkonform auszulegen. Diese Verpflichtung folge bereits aus dem Gemeinschaftsrecht. Für den Zeitraum vor dem Beitritt Österreichs zur EU sei deshalb keine Verpflichtung Österreichs zur Anwendung der Judikatur des Europäischen Gerichtshofes gegeben. Der Europäische Gerichtshof seinerseits entscheide nach Art 177 EWG-Vertrag nur über die Auslegung des Gemeinschaftsrechtes, nicht über die Vereinbarkeit nationalen Rechtes mit dem Gemeinschaftsrecht. Gemeinschaftsrecht bilde die in Rede stehende Bestimmung des § 6 Z 8 lit a UStG 1994 jedoch unabhängig vom Gleichlaut des § 6 Z 8 lit a UStG 1972 erst mit . Für die Zeiträume vor dem EU-Beitritt Österreichs sei also für die Auslegung des nationalen Rechtes die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ausschlaggebend. Danach hingen jedoch Verzugszinsen wirtschaftlich und in umsatzsteuerlicher Betrachtung - ungeachtet dessen, daß es sich bürgerlich-rechtlich dabei um eine Art Schadenersatzleistung für die verspätete entrichtete Kaufpreissumme handle - mit der Leistung eines Entgeltes für eine bestimmte Leistung ursächlich zusammen. Für den Käufer seien die Zinsen Zuschläge zum Kaufpreis und bildeten mit diesem eine wirtschaftliche Einheit.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die dagegen erhobene Beschwerde erwogen:
Zu Recht verweist die belangte Behörde auf die ständige hg Rechtsprechung zum UStG 1972, wonach Verzugszinsen aus den dort angeführten Gründen umsatzsteuerrechtlich nicht als Schadenersatz zu sehen sind (vgl das hg Erkenntnis vom , 85/15/0219, mwN).
Der Gerichtshof sieht sich durch die auf deutsche Judikatur und Rechtsvorschriften - welche letztlich auf dem oben zitierten beruhen - gestützten Beschwerdeausführungen nicht veranlaßt, für Zeiträume des Geltungsbereiches des UStG 1972 von seiner diesbezüglichen Judikatur abzugehen, zumal sich der Gerichtshof bereits in seinem oben zitierten Erkenntnis vom unter Hinweis auf ein Urteil des Obersten Gerichtshofes vom , 6 Ob 784/87, mit der von der damaligen Beschwerdeführerin ins Treffen geführten Judikatur des Bundesfinanzhofes und des Europäischen Gerichtshofes auseinandergesetzt hat. Soweit sich die Beschwerdeführerin auf Ausführungen von Achatz, Schriften zum österreichischen Abgabenrecht, Bd 33, Umsatzsteuer und Schadenersatz, beruft, wonach Verzugszinsen nicht zum Entgelt für die Leistung des Unternehmers gehören, weil einerseits die Entschließung des Unternehmers nicht auf die Stundung des Entgeltes zielt und andererseits die Verzugszinsen von Abnehmern nicht für die geschuldete und ausgeführte Leistung des Unternehmers aufgewendet wird, sondern weil er seine eigene Leistung nicht rechtzeitig erbracht habe, sieht sich der Gerichtshof schon deshalb nicht veranlaßt, von seiner Ansicht abzugehen, weil beide Umstände nichts daran ändern, daß die Verzugszinsen ungeachtet des zivilrechtlichen Titels für den Käufer - dessen Aufwendungen zum Erhalt der Leistung gemäß § 4 Abs 1 UStG 1972 das Entgelt bestimmt - Zuschläge zum Kaufpreis darstellen, die er zu zahlen hat, um die Schuld für die erhaltene Leistung voll abzutragen.
Die Behauptung der Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren, dem zitierten komme schon für 1994, somit für den Zeitraum ab dem Beitritt Österreichs zum EWR und vor dem Beitritt Österreichs zur EU maßgebende Bedeutung zu, wird in der Beschwerde nicht aufrechterhalten. Im übrigen ist im Hinblick auf die Zielsetzungen des EWR aber nicht zu erkennen, inwiefern dieses Urteil als einschlägige Entscheidung zur Rechtsauslegung des EWR-Abkommens geeignet wäre (vgl Macher, Der EuGH und das österreichische Umsatzsteuerrecht, Die Auswirkungen des Art 14 EWR-Abkommen, ÖStZ 1994, 265).
Soweit die Beschwerdeführerin darauf hinweist, daß nach dem hg Erkenntnis vom , 95/13/0101, Prüfungsmaßstab eines vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheides seine Übereinstimmung mit der zur Zeit der Bescheiderlassung in Geltung gestandenen Rechtslage sei, der angefochtene Bescheid aber im Jahr 1995, somit zu einem Zeitpunkt erlassen worden sei, in welchem Urteile des EuGH bereits (wegen des schon erfolgten Beitrittes zur EU) zu beachten gewesen wären, übersieht sie, daß im Beschwerdefall auch der für zeitraumbezogene materiell-rechtliche Abgabenvorschriften maßgebliche Grundsatz zu berücksichtigen ist, wonach das zur Zeit der Verwirklichung des Abgabentatbestandes geltende Recht anzuwenden ist (vgl die hg Erkenntnisse vom , 92/13/0019, und vom , 93/14/0006). Für die im Jahr 1994 verwirklichten Abgabentatbestände hat aber das UStG 1994 einschließlich seiner durch die Rechtsprechung des EuGH geprägten und durch den Beitritt Österreichs zur EU am zu berücksichtigenden Auslegungen noch nicht gegolten.
Da sich die Beschwerde somit als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs 1 VwGG abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl Nr 416/1994.
Wien, am