VwGH vom 18.06.2002, 2002/16/0141

VwGH vom 18.06.2002, 2002/16/0141

Beachte

Vorabentscheidungsverfahren:

* Vorabentscheidungsantrag:

97/16/0419 B

* EuGH-Entscheidung:

EuGH 61999CJ0508

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Steiner, Dr. Fellner, Dr. Höfinger und Dr. Kail als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Valenta, über die Beschwerde der P Hotelbetriebsges.m.b.H. & Co KG in W, vertreten durch Hausmaninger, Herbst und Wietrzyk, Rechtsanwälte-Partnerschaft in 1010 Wien, Franz Josefs-Kai 3, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , GZ GA 9-1536/96, betreffend Gesellschaftsteuer, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von 332 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die beschwerdeführende Partei wurde 1982 als Kommanditgesellschaft mit dem Gesellschaftszweck der Verwaltung eines Hotelunternehmens gegründet. Von diesem Gesellschaftsvertrag über die Begründung der Kommanditgesellschaft wurde nach § 33 TP 16 Abs 1 Z 1 lit b GebG 1957 in der damals anzuwendenden Fassung, insbesondere vor Aufhebung des § 33 TP 16 GebG durch Art IV Z 2 des Bundesgesetzes BGBl 629/1994, eine Rechtsgebühr vom Werte der bedungenen Vermögenseinlagen (Kommanditeinlagen in Höhe von S 157,025.000,--) vorgeschrieben und entrichtet. Die Gesellschaftsform der Beschwerdeführerin wurde im März 1994 von einer Kommanditgesellschaft (kurz "KG") in eine Kommanditerwerbsgesellschaft (kurz "KEG") geändert.

Mit Abtretungsvertrag vom traten die bisherigen persönlich haftenden Gesellschafter Francis L und Lorenz G B ihre Geschäftsanteile an der KEG an die Rudolf H GmbH ab. Die Rudolf H GmbH ist damit einzige persönlich haftender Gesellschafterin der KEG geworden.

Das Finanzamt ging davon aus, dass die verbleibende Kommanditistin der KEG, die P Hotel Betriebsaktiengesellschaft, durch diesen Eintritt der GmbH als Komplementärin erstmals Gesellschaftsrechte an einer "Kapitalgesellschaft" erworben hat. Mit vorläufigem Bescheid vom schrieb es der Beschwerdeführerin daher Gesellschaftsteuer in Höhe von 1 % der Kommanditeinlage gemäß § 2 KVG vor.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin am Berufung. Die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs, derzufolge der Eintritt einer GmbH in eine KG (bzw eine KEG) als Fall des "Ersterwerbs von Gesellschaftsrechten" iSd § 2 Abs 1 KVG zu werten sei, könne mit den Bestimmungen der seit in Österreich geltenden Richtlinie 69/335/EWG nicht vereinbart werden. Bei Errichtung der KG im Jahre 1982 hätte die Beschwerdeführerin gemäß § 33 TP 16 Abs 1 GebG eine Rechtsgebühr in Höhe von 2 % der Pflichteinlagen entrichten müssen. Die nun erfolgte Besteuerung derselben Pflichteinlage nach § 2 Abs 1 KVG sei eine zweite Belastung derselben Kapitalzufuhr, die nach der Rechtsprechung des EuGH den Grundsätzen der genannten Richtlinie widerspreche.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen. Das Gesellschaftskapital der Beschwerdeführerin sei nur ein einziges Mal mit Gesellschaftsteuer belastet worden. Die Rechtsgebühr iSd § 33 TP 16 GebG könne nicht der Gesellschaftsteuer gleichgehalten werden, da der Tatbestand des § 33 TP 16 GebG nicht nur an den Abschluss von Gesellschaftsverträgen, sondern auch an die Errichtung einer Urkunde anknüpfe. Außerdem könnten nach der Gesellschaftsgründung neue Einlagen, welche die Kapitalausstattung der Gesellschaft erhöhen, geleistet werden. Da über solche Kapitalerhöhungen oft keine Urkunde errichtet würde, sage die Tatsache der Gebührenpflicht gemäß § 33 TP 16 GebG für sich allein noch nichts darüber aus, in welcher Höhe eine später vorhandene Kapitalausstattung tatsächlich mit der Rechtsgebühr belastet sei. Schließlich sei die Vergebührung der Kommanditeinlage nach § 33 TP 16 GebG vor Österreichs Beitritt zur Europäischen Union am und dem Inkrafttreten der Richtlinie 69/335/EWG erfolgt. Eine rückwirkende Umdeutung fordere das Gemeinschaftsrecht aber nicht.

In der Beschwerde gegen diesen Bescheid erachtet sich die Beschwerdeführerin in ihrem Recht auf Nichterhebung von Gesellschaftsteuer auf Kommanditeinlagen bei Komplementär-GmbH verletzt.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift und legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor.

Mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl 97/16/0419, wurde dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Sind die Bestimmungen der Richtlinie des Rates vom betreffend die indirekten Steuern auf die Ansammlung von Kapital, 69/335/EWG, ABl Nr L 249 vom , 25 ff, insbesondere Artikel 6, dahingehend auszulegen, dass es einem Mitgliedstaat verwehrt ist, Gesellschaftsteuer auf die Kommanditeinlagen einer Kommandit-Erwerbsgesellschaft (KEG) bei Eintritt einer GmbH als Komplementärin zu erheben, wenn das zu besteuernde Gesellschaftskapital bereits einer Abgabe wie jener des § 33 TP 16 Abs 1 lit b GebG 1957 vor In-Kraft-Treten der Richtlinie 69/335/EWG unterworfen worden war?

Mit Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften vom , Rechtssache C-508/99, wurde über die vorgelegte Frage entschieden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 2 Abs 1 Z 1 KVG unterlieget der Gesellschaftsteuer der Erwerb von Gesellschaftsrechten an einer inländischen Kapitalgesellschaft durch den ersten Erwerber.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (siehe Dorazil, Kurzkommentar zum Kapitalverkehrsteuergesetz, 2. Auflage, Wien 1997, 57, II.2.4 zu § 2; siehe etwa die Erkenntnisse vom , 87/15/0116; , 88/15/0173) gilt unter anderem als "Erwerb von Gesellschaftsrechten an einer inländischen Kapitalgesellschaft durch den ersten Erwerber" iSd § 2 Z 1 KVG der Eintritt einer Kapitalgesellschaft in eine KG (KEG) als Komplementärin, weil fingiert wird, dass die Kommanditisten der Personenhandelsgesellschaft durch diesen Vorgang Gesellschaftsrechte an einer "Kapitalgesellschaft" erwerben (auch wenn zivilrechtlich kein Erwerb von Kommanditanteilen vorliegt). Dieser Fall des "Ersterwerbs" von Gesellschaftsrechten an einer Kapitalgesellschaft wurde bei Anpassung des KVG an die Bestimmungen der Richtlinie 69/335/EWG durch das Bundesgesetz BGBl 629/1994 insofern bestätigt, als § 4 Abs 2 Z 1 und Z 2 KVG nunmehr auch Kommanditgesellschaften (Kommandit-Erwerbsgesellschaften), "zu deren persönlich haftenden Gesellschaftern eine Kapitalgesellschaft gehört", ausdrücklich als "Kapitalgesellschaften" definiert.

Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften hat im Urteil vom , Rechtssache C-508/99, in Beantwortung der ihm vom Verwaltungsgerichtshof zur Vorabentscheidung vorgelegten Frage erkannt, dass die Richtlinie 69/335/EWG des Rates vom betreffend die indirekten Steuern auf die Ansammlung von Kapital in der Fassung der Akte über die Bedingungen des Beitritts der Republik Österreich, der Republik Finnland und des Königreichs Schweden und die Anpassungen der die Europäische Union begründenden Verträge derart auszulegen sei, dass sie der Erhebung der Gesellschaftsteuer bei der Umwandlung einer Personengesellschaft in eine Kapitalgesellschaft im Sinne der Richtlinie nicht entgegensteht, wenn vor deren In-Kraft-Treten alle zum Erwerb der Geschäftsanteile an der Personengesellschaft geleisteten Einlagen bereits zur Erhebung einer Abgabe wie der nach § 33 TP 16 Abs 1 Z 1 lit b GebG 1957 geführt haben.

In der Urteilsbegründung wurde insbesondere ausgeführt, dass das in Artikel 10 der Richtlinie 69/335 aufgestellte Verbot, keinerlei Steuern oder Abgaben mit denselben Merkmalen wie die Gesellschaftsteuer zu erheben, nicht auf eine Gebühr oder Steuer anwendbar sei, die unbeschadet ihrer Merkmale auf Einlagen in Gesellschaften erhoben wird, die keine Kapitalgesellschaften iSd Richtlinie sind. Dieses Verbot stehe also der Erhebung der Gesellschaftsteuer bei der Umwandlung einer solchen Gesellschaft in eine Kapitalgesellschaft nicht entgegen, auch wenn die Einlagen, die ihr vor ihrer Umwandlung zugeflossen sind, bereits einer Gebühr oder Steuer mit denselben Merkmalen wie die Gesellschaftsteuer unterworfen wurden. Diese Auslegung werde durch

Artikel 4 der Richtlinie 69/335 bestätigt, wonach die Umwandlung einer Gesellschaft, Personenvereinigung oder juristischen Person, die keine Kapitalgesellschaft ist, in eine Kapitalgesellschaft der Gesellschaftsteuer unterliegt, während die Umwandlung einer Kapitalgesellschaft in eine Kapitalgesellschaft anderer Art nicht der Gesellschaftsteuer unterliegt. Artikel 6 der Richtlinie 69/335 betreffe nur die Gesellschaftsteuer, der die Einlagen in Kapitalgesellschaften iSd Richtlinie 69/335 unterliegen. Der EuGH habe im Urteil vom in der Rechtssache C-280/91 (Viessmann, Slg 1993, I-971) nicht entschieden, dass Artikel 6 dieser Richtlinie der mehrmaligen Besteuerung bestimmter Einlagen entgegenstehe, sondern nur ausgeführt, dass Einlagen, die bereits zu einer Entrichtung der Gesellschaftsteuer nach einer anderen Vorschrift der Richtlinie geführt haben, nicht der Gesellschaftsteuer nach deren Artikel 6 unterworfen werden dürfen.

Zusammenfassend ist somit festzustellen, dass im Beschwerdefall der Eintritt in die bestehende Kommandit-Erwerbsgesellschaft den Tatbestand nach § 2 Z 1 KVG erfüllte. Der Umstand, dass der Wert der erworbenen Gesellschaftsrechte bereits als Vermögenseinlage bei Gründung der Gesellschaft der Rechtsgebühr iSd § 33 TP 16 GebG unterlegen war, steht dabei nach der vom Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften vorgenommenen Auslegung der Richtlinie 69/335 der Erhebung der Gesellschaftsteuer nicht entgegen. Die Beschwerde war somit gemäß § 42 Abs 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VO BGBl II Nr. 501/2001.

Wien, am