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VwGH 07.07.2000, 98/19/0237

VwGH 07.07.2000, 98/19/0237

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssätze


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Normen
FrG 1997 §112;
FrG 1997 §28 Abs2;
RS 1
Entsprechend der dem FrG 1997 zugrunde liegenden Wertung kommt auch für Kinder, die vor Inkrafttreten dieses Gesetzes in Österreich geboren wurden und die die Voraussetzungen des § 28 Abs 2 FrG 1997 - wäre er während ihrer ersten drei Lebensmonate in Geltung gestanden - erfüllt hätten, die Erteilung weiterer Niederlassungsbewilligungen in Frage. Es ist nämlich keine sachliche Rechtfertigung dafür zu erkennen, weshalb andernfalls vor dem in Österreich geborene Kinder in Ansehung der Möglichkeit, eine weitere Niederlassungsbewilligung zu erlangen, von vornherein schlechter gestellt werden sollten als jene, die nach diesem Termin in Österreich zur Welt gekommen sind (Hinweis E , 99/19/0116 bis 0118).
Normen
FrG 1997 §14 Abs2;
VwRallg;
RS 2
Die Regelungslücke in § 14 Abs 2 FrG 1997 in Ansehung von in Österreich geborenen und seit der Geburt aufhältigen Fremden, die vor dem den Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gestellt haben und noch unter der Geltungsdauer des AufenthaltsG 1992 einen Rechtsanspruch auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung auf Grund dieses Antrages erworben hatten, ist in Analogie zu den in § 14 Abs 2 zweiter Satz FrG 1997 geregelten Fallgruppen zu schließen (mit ausführlicher Begründung).
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie 98/19/0269 E RS 3

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Zens und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hanslik, über die Beschwerde der am geborenen MN in Wien, vertreten durch Mag. K, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom , Zl. 304.152/15-III/11/98, betreffend Niederlassungsbewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Antrag der in Österreich geborenen Beschwerdeführerin auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung vom , gerichtet auf Familienzusammenführung mit ihrer Mutter, wurde mit rechtskräftigem Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom abgewiesen.

Am beantragte die Beschwerdeführerin neuerlich die Erteilung einer Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz und gab als Aufenthaltszweck Familienzusammenführung bzw. Familiengemeinschaft mit ihrem Vater an. Der Landeshauptmann von Wien wies mit Bescheid vom den Antrag der Beschwerdeführerin ab und begründete dies damit, dass der Vater der Beschwerdeführerin über keine der im § 3 Abs. 1 Z 2 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) genannten Aufenthaltsberechtigungen verfüge.

In ihrer dagegen erhobenen Berufung brachte die Beschwerdeführerin vor, ihr Vater befinde sich seit mit einer "unbefristeten Aufenthaltsbewilligung" und einer gültigen Arbeitsbewilligung in Österreich. Ohne "Visum" müsse die Beschwerdeführerin zurück nach Mazedonien, wo sie ohne Unterkunft wäre. Aus humanitären Gründen werde ersucht, den Bescheid zu widerrufen und ein Visum auszustellen.

Der diese Berufung abweisende Bescheid des Bundesministers für Inneres vom wurde mit hg. Erkenntnis vom , Zl. 96/19/0101, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Im fortgesetzten Verfahren wurde der Beschwerdeführerin zur Kenntnis gebracht, dass sie die Voraussetzungen des § 28 Abs. 2 FrG nicht erfülle, weil ihre Mutter zum Zeitpunkt der Geburt über keinen Aufenthaltstitel verfügt und auch nicht Sichtvermerks- oder Niederlassungsfreiheit genossen habe. Die Antragstellung sei entgegen der Voraussetzung des § 14 Abs. 2 FrG 1997 erfolgt, und es sei beabsichtigt, die Berufung abzuweisen.

Die Beschwerdeführerin erwiderte daraufhin mit Schriftsatz vom , es sei die Angelegenheit nach der Rechtslage nach dem AufG abzuhandeln und habe es die belangte Behörde unterlassen, bis Jahresende 1997 eine Entscheidung gemäß der klaren Vorgabe durch den Verwaltungsgerichtshof auf Grundlage des bis dahin geltenden AufG zu treffen. Es könne der Beschwerdeführerin wohl nicht vorgehalten werden, dass sie bei einer Antragstellung im Jahr 1995 die Voraussetzungen des am in Kraft getretenen Fremdengesetzes nicht beachtet habe. Darüber hinaus habe bis für Staatsangehörige der ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien keine Sichtvermerkspflicht bestanden, sodass sowohl der Aufenthalt der Beschwerdeführerin als auch deren Mutter im Zeitpunkt der Geburt der Beschwerdeführerin am rechtmäßig gewesen sei.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung der Beschwerdeführerin gemäß § 14 Abs. 2 und § 28 Abs. 2 des Fremdengesetzes 1997 (FrG 1997) ab. Nach Schilderung des Verwaltungsgeschehens und der entscheidungswesentlichen gesetzlichen Bestimmungen stellte die belangte Behörde fest, die Beschwerdeführerin sei im Zeitpunkt der Antragstellung am im Bundesgebiet aufhältig gewesen; die Mutter der Beschwerdeführerin habe niemals einen Aufenthaltstitel für die Republik Österreich besessen. Die Befreiung von der Sichtvermerkspflicht gemäß § 28 Abs. 2 FrG 1997 für in Österreich geborene Kinder Fremder, die nicht die österreichische Staatsbürgerschaft besäßen, sei ein nur von der Mutter abgeleitetes Recht. Besitze die Mutter selbst kein Aufenthaltsrecht oder verliere sie es, habe dies unmittelbare Auswirkungen auf die Befreiung der Sichtvermerkspflicht des Kindes.

§ 14 Abs. 2 FrG entspreche im Wesentlichen dem Inhalt nach dem § 6 Abs. 2 AufG. Der Verwaltungsgerichtshof habe in ständiger Rechtsprechung zu dieser Bestimmung judiziert, dass eine nicht dem Gesetz entsprechende Antragstellung zur Abweisung des Antrages führe und dass bei der Erlassung dieser Bestimmung bereits auf die persönlichen Verhältnisse der Antragsteller Rücksicht genommen worden sei. Es könne daher davon ausgegangen werden, dass ein weiteres Eingehen auf die persönlichen Verhältnisse der Beschwerdeführerin, auch im Hinblick auf Art. 8 MRK, entbehrlich seien. Da die Mutter über keinen Aufenthaltstitel verfüge, sei von einer "positiven Verfahrensfinalisierung" Abstand zu nehmen, trotz des unbefristeten Aufenthaltstitels des Vaters der Beschwerdeführerin.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde erwogen:

Der Antrag der Beschwerdeführerin vom war am Tag des Inkrafttretens des FrG 1997, dem , bei den Verwaltungsbehörden anhängig. Gemäß § 112 FrG 1997 waren derartige Verfahren zur Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung als Verfahren zur Erteilung eines Erstaufenthaltstitels oder eines weiteren Aufenthaltstitels fortzuführen. Aus dem Grunde des § 23 Abs. 6 FrG 1997 wäre das Verfahren dann als solches zur Erteilung einer weiteren Niederlassungsbewilligung fortzuführen gewesen, wenn die Beschwerdeführerin als in Österreich geborenes Kind gemäß § 28 Abs. 2 FrG 1997 keinen Aufenthaltstitel benötigt hätte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat vorliegendenfalls diese Bestimmung in ihrer Fassung vor Inkrafttreten ihrer teilweisen Aufhebung durch den Verfassungsgerichtshof anzuwenden.

Nach dem Gesetzeswortlaut käme zwar schon deshalb keine weitere Niederlassungsbewilligung in Frage, weil das FrG 1997 während der ersten drei Lebensmonate (vgl. § 28 Abs. 2 FrG 1997) noch gar nicht in Kraft war. Eine sinngemäße Anwendung dieser Bestimmung wird durch die Übergangsbestimmung des § 112 FrG 1997 nicht ausdrücklich angeordnet. Freilich bieten die Gesetzesmaterialien keine Indizien dafür, dass der Gesetzgeber die Begünstigung des § 28 Abs. 2 FrG 1997 nur nach dem geborenen Kindern zu teil werden lassen wollte.

Folglich ist - in verfassungskonformer Ergänzung der geradezu offenkundig unvollständigen Übergangsvorschriften für Ereignisse, die bereits vor dem Inkrafttreten des FrG 1997 stattgefunden haben - davon auszugehen, dass entsprechend der im FrG zu Grunde liegenden Wertung auch für Kinder, die vor Inkrafttreten dieses Gesetzes in Österreich geboren wurden und die die Voraussetzungen des § 28 Abs. 2 FrG - wäre er während ihrer ersten drei Lebensmonate in Geltung gestanden - erfüllt hätten, die Erteilung weiterer Niederlassungsbewilligungen in Frage kommt. Es ist nämlich keine sachliche Rechtfertigung dafür zu erkennen, weshalb andernfalls vor dem in Österreich geborene Kinder in Ansehung der Möglichkeit, eine weitere Niederlassungsbewilligung zu erlangen, von vornherein schlechter gestellt werden sollten als jene, die nach diesem Termin in Österreich zur Welt gekommen sind (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 99/19/0116 bis 0118).

Es ist daher im vorliegenden Fall die Frage zu prüfen, ob die Beschwerdeführerin die Voraussetzungen des § 28 Abs. 2 FrG erfüllt hätte, wäre er während ihrer ersten drei Lebensmonate bereits in Geltung gestanden. Diesbezüglich beruft sich die Beschwerdeführerin darauf, dass ihrer Mutter als mazedonischer Staatsbürgerin gemäß Artikel 1 Abs. 1 des damals noch in Geltung stehenden Abkommens zwischen der Bundesregierung der Republik Österreich und der Regierung der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien über die Aufhebung der Sichtvermerkspflicht, BGBl. Nr. 365/1965, die sichtvermerksfreie Einreise in das Bundesgebiet und ein daran anschließender sichtvermerksfreier Aufenthalt von drei Monaten offen gestanden sei. Nach den Beschwerdebehauptungen habe sie während dieser drei Monate am ihre Tochter in Österreich zur Welt gebracht, eine in Artikel 1 Abs. 2 der genannten Verordnung vorgesehene Verlängerung der Aufenthaltsberechtigung jedoch nicht beantragt.

Es ist der Beschwerdeführerin zwar insofern Recht zu geben, als ihre Mutter im Falle des Zutreffens dieses Vorbringens im genannten Zeitraum rechtmäßig im Inland aufhältig war; allerdings berechtigte sie dieser, auf drei Monate beschränkte, sichtvermerksfreie Aufenthalt weder zur Niederlassung im Inland noch war der bloße dreimonatige rechtmäßige Aufenthalt auf Grundlage des genannten Sichtvermerksabkommens der in § 28 Abs. 2 FrG ebenfalls genannten "Sichtvermerks- und Niederlassungsfreiheit" gleichzuhalten. Erst eine auf Grund eines Antrages auf Verlängerung dieser Aufenthaltsberechtigung erteilte Aufenthaltsbewilligung wäre einem Aufenthaltstitel im Sinne des § 28 Abs. 2 FrG 1997 gleichzuhalten gewesen. Entgegen den Beschwerdeausführungen erfüllte die Mutter der Beschwerdeführerin somit nicht die Voraussetzungen des § 28 Abs. 2 FrG 1997; die belangte Behörde wertete den Antrag der Beschwerdeführerin vom daher zutreffend als solchen auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 98/19/0269).

Wie der Verwaltungsgerichtshof in diesem Erkenntnis, auf dessen Entscheidungsgründe gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, darlegte, ist § 14 Abs. 2 erster Satz FrG 1997 auf in Österreich geborene und seit der Geburt aufhältige Kinder nicht unmittelbar anwendbar. Die in dieser Bestimmung enthaltene Regelungslücke ist in Ansehung solcher Fremder, die vor dem den Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gestellt und noch unter der Geltungsdauer des AufG einen Rechtsanspruch auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung auf Grund dieses Antrages erworben hatten, in Analogie zu den in § 14 Abs. 2 zweiter Satz FrG 1997 geregelten Fallgruppen zu schließen.

Die Beschwerdeführerin hätte dann noch unter der Geltungsdauer des AufG einen Rechtsanspruch auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung erworben gehabt, wenn ihr Vater im Sinne des § 3 Abs. 1 Z 2 AufG auf Grund einer Aufenthaltsbewilligung, eines vor dem ausgestellten Sichtvermerks oder sonst gemäß § 1 Abs. 3 Z 1 bis 5 AufG rechtmäßig seit mehr als zwei Jahren seinen Hauptwohnsitz in Österreich gehabt hätte.

Im Hinblick darauf, dass die belangte Behörde selbst im angefochtenen Bescheid feststellt, der Vater der Beschwerdeführerin verfüge über einen unbefristeten Aufenthaltstitel, erscheint es nahe liegend, dass diese Voraussetzungen hier vorlagen (vgl. diesbezüglich bereits das die Beschwerdeführerin betreffende obzitierte Vorerkenntnis vom ). Träfe dies aber zu und wäre die Beschwerdeführerin auch seit ihrer Geburt ununterbrochen im Inland aufhältig, stünde die Antragstellung im Inland dem Erfolg des Antrages aus dem Grunde des § 14 Abs. 2 FrG 1997 nicht entgegen

In Verkennung der oben dargestellten Rechtslage unterließ es die belangte Behörde darüber Feststellungen zu treffen und belastete dadurch den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Normen
FrG 1997 §112;
FrG 1997 §14 Abs2;
FrG 1997 §28 Abs2;
VwRallg;
Schlagworte
Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Analogie Schließung von
Gesetzeslücken VwRallg3/2/3
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2000:1998190237.X00
Datenquelle

Fundstelle(n):
XAAAE-52705